Rofo 2023; 195(09): 775-776
DOI: 10.1055/a-2120-3691
Editorial

Medical Device Regulation (MDR) und MRT-Forschung: Eine Handreichung der MDR-Kommission – Stand: 07/2023

Autorinnen/Autoren
, Für die Fachgesellschaften und radiologischen Organisationen:, Prof. Dr. Konstantin Nikolaou, Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft e.V, Prof. Dr. Joachim Lotz, Vorsitzender der Konferenz der Lehrstuhlinhaber für Radiologie e.V., Prof. Dr. Philipp Paprottka, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie, Prof. Dr. Ansgar Berlis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie e.V. , PD Dr. Thekla von Kalle, Präsidentin der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie e.V., Prof. Dr. rer. medic. Martin Fiebich, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik e.V., Prof. Dr Cordula Petersen, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie e.V., Prof. Dr. Markus Luster, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V.
 

Vorwort

Die Einführung der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) im Mai 2021 und deren Umsetzung in nationales Recht (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz, MPDG) führt nicht nur zu Unsicherheiten der Anwender*innen hinsichtlich der gegenwärtigen und zukünftigen Verfügbarkeit von geeigneten Medizinprodukten. Sie wirft auch Fragen für die MRT-Forschung an radiologischen Universitätsklinken und anderen (klinischen) Forschungseinrichtungen auf, da sie auch Implikationen für die ethische und regulatorische Einordnung von Wissenschaft zur Weiterentwicklung von MRT-Pulssequenzen haben kann.

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Die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) e. V. und die Konferenz der Lehrstuhlinhaber in der Radiologie (KLR) haben daher im Herbst 2021 eine Kommission gegründet, die sich seither intensiv und im Austausch mit ihren radiologischen Partnerfachgesellschaften (GPR, DGNR, DeGIR, DGMP, DeGRO und DGN), Verbänden, Unternehmen und Behörden um eine möglichst pragmatische Klärung der offenen Fragen bemüht. Die folgende Übersicht ist ein Konsens aus dieser Kommissionsarbeit und soll Ihnen als forschende(n) Kolleg*innen eine Handreichung für die Genehmigung von MRT-Forschungsvorhaben bei der lokalen Ethikkommission sowie Hinweise für die Ausgestaltung von Forschungs-Kooperationsvorhaben mit der forschenden medizintechnischen Industrie geben.


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Forschen gemäß Musterberufsordnung (MBO)

Grundsätzlich gilt: Die Rahmenbedingungen für Forschung durch wissenschaftlich tätige Ärzt:innen ist über die Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte geregelt (§ 15 MBO/Ä, jüngste Fassung von 2011). Dieses Regelwerk gilt grundsätzlich auch für wissenschaftliches Arbeiten in und mit der MRT, auch solche in Kooperation mit der Industrie.

Für die regulatorische Einordnung von Forschungsvorhaben in der MRT ist von Belang, dass auch bei der normalen klinischen Anwendung eines MR-Tomographen Puls-Sequenzen individuell angepasst, also verändert werden. Diese Änderungen bewegen sich in bestimmten (sicherheits-)technischen Grenzen, die der Hersteller festlegt. In jedem Fall werden die sogenannten Grundsätzlichen Anforderungen (GSPR; General Safety and Performance Requirements), also die technischen Spezifikationen und Sicherheitsprüfungen, die der Betriebserlaubnis eines MR-Tomographen zugrunde liegen, immer und ausnahmslos eingehalten.

Wenn ein*e Wissenschaftler*in Pulssequenzen abändert, um Forschungsfragen zu beantworten (z. B.: Wie muss ich eine Sequenz konzipieren oder abändern, um bestimmte Krankheitsherde überhaupt erkennen oder besser erkennen zu können?), dann ist die Sequenz selbst ein Objekt der Forschung („Forschungs-Sequenz“). Es besteht seitens des/der Forscher*in keine Markteinführungs- oder In-Verkehr-Bringungs-Absicht. Vielmehr erfolgt der Einsatz dieser Forschungs-Sequenz allein zum Zwecke des medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns. Wenn bei Anwendung solcher Forschungssequenzen – wie bei der arbeitstäglichen Abänderung von Pulssequenzen – die grundsätzlichen Anforderungen an die MRT-Geräte-Sicherheit Bestand haben, ist ein CE-Label für die Forschungssequenz nicht erforderlich.

Die modifizierten oder neuen Sequenzen in der jeweiligen geplanten und beantragten wissenschaftlichen MRT-Studie sind reine Forschungswerkzeuge, die ausschließlich zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen dienen. Es entsteht durch ihren Einsatz kein individueller Patientennutzen. Der intendierte Erkenntnisgewinn ist prinzipieller Natur.

Hypothesengenerierende oder hypothesengetriebene Forschungsvorhaben (gelegentlich auch als Pilot- oder Machbarkeitsstudien bezeichnet) am MRT (Kriterien siehe untenstehende Checkliste) unterliegen primär nicht der MDR und dem MPDG.

Eine Verständigung über diese grundlegend unterschiedlichen Vorhaben (hypothesengetriebene Forschung auf der einen, Markt- oder In-Verkehr-Bringungs-Absicht auf der anderen Seite) sollte im Falle von Forschungsvorhaben, die im Rahmen von Industrie-Kooperationen erbracht werden, im Vorfeld mit dem kooperierenden Hersteller erfolgen.


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Wann wird die MDR/das MPDG für die MRT-Forschung relevant?

Sobald ein Hersteller eine*n Forscher*in beauftragt, eine Forschungs-Sequenz im Vorfeld einer möglichen Markteinführung, d. h. für die zukünftige Vermarktung, in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit wissenschaftlich zu untersuchen, fällt dieses Vorhaben unter die Medical Device Regulation bzw. das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (Art. 82 MDR, §§ 3 Nr. 4a, 47 MPDG).

Klinische Studien zur Konformitätsbewertung – also die Prüfungen vor der eigentlichen Markteinführung – (ECS) fallen unter Art. 62 (1) MDR.

Weitere Informationen: BfArM – Klinische Prüfungen und Leistungsstudien – Anzeige von sonstigen klinischen Prüfungen gemäß Art. 82 Abs. 1 MDR i. V. m. § 53 MPDG


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CHECKLISTE zur objektiven Bewertung des Forschungsvorhabens

Diese Aussagen sind mit Ja zu beantworten. Wenn alle folgenden Aussagen mit Ja beantwortet werden können, unterliegt die Studie nicht der MDR und dem MPDG:

  • Es ergibt sich aus dem Studienplan bzw. den Endpunkten, dass die MRT-Pulssequenz zu Zwecken eines hypothesengenerierenden bzw. hypothesengetriebenen Forschungsvorhabens eingesetzt wird, ohne individuellen Patientennutzen.

  • Ziel ist der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn und damit die Publikation der Forschungsergebnisse.

  • Die Erkenntnisse oder Daten werden nicht zur Bewertung der Sicherheit und der Leistung dieser Pulssequenz im Hinblick auf eine mögliche Produktisierung durch einen Hersteller erhoben und verwendet: Der Einsatz der Forschungs-Pulssequenz ist „nicht Teil eines systematischen und geplanten Prozesses zur Produktentwicklung“ (i. S.v. § 3 Nr. 4 MPDG).

  • Die Studie wird nicht im Auftrag der medizintechnischen Industrie durchgeführt, um eine neue Sequenz (Forschungssequenz) zu entwickeln, zu evaluieren oder zu optimieren. Die Studie ist somit nicht als „sonstige Klinische Studie“ zu kategorisieren (Art. 82 MDR, §§ 3 Nr. 4a, 47 MPDG)

  • Die Ergebnisse der Studie werden nicht für Konformitätsbewertungszwecke verwendet.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Konstantin Nikolaou
University Hospitals Tubingen, Department of Radiology, Tubingen

Publication History

Article published online:
15 August 2023

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