Die DEGUM sieht die Gefahr, dass durch Äußerungen im IGeL-Report wie „Die oft jungen
Frauen werden völlig unnötig in Angst und Schrecken versetzt“ eine bewährte und wichtige
Untersuchungsmethodik grundsätzlich in Misskredit gerät. Richtig ist, dass die aktuelle
Datenlage keine Reduktion der Sterblichkeit durch ein allgemeines Screening auf Eierstockkrebs
durch den Ultraschall nachweisen konnte und daher eine solche Regeluntersuchung mittels
Ultraschall oder Tumormarkern von nationalen wie internationalen Fachgesellschaften
zurecht abgelehnt wird. Dennoch gibt es zahlreiche Beispiele für den belegten Nutzen
des transvaginalen Ultraschalls an den Eierstöcken. Der IGeL-Monitor wird den Patientinnen
einen Bärendienst erwiesen haben, wenn diese dem als schädigend dargestellten transvaginalen
Ultraschall nun lieber aus dem Weg gehen.
Die transvaginale Sonografie der Eierstöcke ist nachweislich die treffsicherste nicht
invasive Methode zur Differenzierung zwischen gut- und bösartigen Eierstockbefunden
(Timmerman et al. 2021). Nicht zuletzt ist sie das wegweisende diagnostische Instrument
bei eierstockbedingten Notfällen wie zum Beispiel akuten Verdrehungen, Einblutungen,
schweren Infektionen mit Abszessbildung oder Eileiterschwangerschaften (Tsakiridis
et al. 2020). Viele dieser Probleme entwickeln sich häufig und lange, ohne warnende
Symptome.
Das Hauptargument für das Angebot einer transvaginalen Sonografie ist also nicht die
Krebsfrüherkennung, sondern die komplettierende Erweiterung der gynäkologischen Routineuntersuchungen.
Der Fokus liegt hierbei auf den viel häufigeren funktionellen und gutartigen Veränderungen
sowie gynäkologischen Problemen. Allen voran sei hier die Endometriose mit geschätzten
40 000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland genannt, bei der die Betroffenen die
oft um Jahre verzögerte Diagnose bemängeln. Es findet sich in den vergangenen Jahren
zunehmend eine Evidenz für die herausragende Bedeutung der Ultraschallmethode in der
Diagnostik und Ausbreitungseinschätzung der Endometriose (Keckstein et al. 2022).
Sie ermöglicht ein Monitoring der normalen und der auffälligen Eierstockfunktion sowie
die Einschätzung von Risikofaktoren bei unerfülltem Kinderwunsch oder von Fehlgeburten
(Dishuck et al. 2019). Aber auch anderen, nicht krebsassoziierten Befunden, wie gutartigen,
aber behandlungsbedürftigen Raumforderungen des Eierstocks, Eileiterverklebungen oder
Veränderungen mit Entartungsrisiko (sogenannten Borderline-Tumoren) wird in der Argumentation
des IGeL-Monitors keine Rechnung getragen.
In einer der größten und aktuellsten Studien zum Screening der Eierstöcke wird eine
Rate von 8–18 Falsch-Positiv-Fällen auf 100 000 untersuchte Frauen ermittelt (FRCOG
et al. 2015; Menon et al. 2021). Das heißt, das individuelle Risiko für einen solchen
Falsch-Positiv-Befund ist sehr niedrig. Auf der anderen Seite wäre beispielsweise
die Operation einer Eierstock-Zyste aufgrund einer voranschreitenden Endometriose
medizinisch sinnvoll, im Sinne einer Krebsfrüherkennung würde sie als falsch-positiv
in die Statistik einfließen. Des Weiteren wird längst nicht jeder auffällige Befund
operiert. Die DEGUM setzt sich hier für ein Mehrstufenkonzept ein, sodass in Zweifelsfällen
stets eine Ultraschallexpertin oder ein Ultraschallexperte hinzugezogen werden sollte,
bevor aufwendigere oder invasive Verfahren eingeleitet werden (Hoopmann et al. 2021).
Auch die Daten des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen
(IQTIG) belegen keinen Trend für einen Anstieg an Eierstock-Operationen. Insbesondere
bei Eingriffen an den Ovarien sind die durchführenden Krankenhäuser in hohem Maße
zur Meldung der Anzahl der Eingriffe, der Rate des Organerhaltes, der Komplikationen
und nicht zuletzt der Ergebnisse der feingeweblichen Untersuchung verpflichtet. Kliniken,
die wahllos Eierstöcke wegen unauffälliger Befunde operieren oder gar entfernen würden,
würden in den jährlichen Auswertungen des IQTIG auffallen.
Die DEGUM sieht, wie auch der IGeL-Report, eine zwingende Notwendigkeit darin, Patientinnen
bezüglich des Nutzens und der Risiken einer Untersuchungsmethode umfassend aufzuklären.
Die Fachgesellschaft wird sich weiterhin in der Aus- und Weiterbildung der gynäkologischen
Sonografie engagieren und die aktuellen wissenschaftlichen Fortschritte zum Nutzen
der Patientinnen intensiv unterstützen.
Quellen:
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Dishuck CF et al. (2019) Advanced Imaging in Female Infertility. Curr Urol Rep 20(11):
77. https://doi.org/10.1007/s11934-019-0942-0
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FRCOG et al. (2015) Articles Ovarian cancer screening and mortality in the UK Collaborative
Trial of Ovarian Cancer Screening (UKCTOCS): a randomised controlled trial. The Lancet:
1–12. https://doi.org/10.1016/s0140-6736(15)01224-6
-
Hoopmann M et al. (2021) Quality Requirements for gynecological ultrasound examinations
of DEGUM level II – Recommendations of the Sections/Working Groups Gynecology and
Obstetrics of DEGUM, ÖGUM and SGUM. Ultraschall Der Medizin Stuttgart Ger 1980. https://doi.org/10.1055/a-1663-6322
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Keckstein J et al. G (2022) Expert opinion on the use of transvaginal sonography for
presurgical staging and classification of endometriosis. Arch Gynecol Obstet: 1–15.
https://doi.org/10.1007/s00404-022-06766-z
-
Menon U et al. (2021) Ovarian cancer population screening and mortality after long-term
follow-up in the UK Collaborative Trial of Ovarian Cancer Screening (UKCTOCS): a randomised
controlled trial. Lancet 397(10290): 2182–2193. https://doi.org/10.1016/s0140-6736(21)00731-5
-
Timmerman D et al. (2021) ESGO/ISUOG/IOTA/ESGE Consensus statements on the pre‐operative
diagnosis of ovarian tumours*. Ultrasound Obst Gyn. https://doi.org/10.1002/uog.23635
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Tsakiridis I et al. (2020) Diagnosis and Management of Ectopic Pregnancy: A Comparative
Review of Major National Guidelines. Obstetrical & gynecological survey 75(10): 611–623.
https://doi.org/10.1097/ogx.0000000000000832