Abkürzungsverzeichnis
A-aDO2
:
Arterio-alveoläre Sauerstoffdifferenz
AECOPD:
Akut exazerbierte COPD
ALS:
Amyotrophe Lateralsklerose
APACHE:
Acute Physiology And Chronic Health Evaluation ARDS
ARDS:
Acute Respiratory Distress Syndrome
ARI:
Akute respiratorische Insuffizienz
ASA:
American Society of Anesthesiologists, classification of physical status
BiPAP:
Bilevel Positive Airway Pressure
BGA:
Blutgasanalyse
BIPAP:
Biphasic Positive Airway Pressure
BMI:
Body Mass Index
CC:
Closure Capacity (Verschlusskapazität)
CF:
Cystische Fibrose
COPD:
Chronic Obstructive Pulmonary Disease (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung)
CPAP:
Continuous Positive Airway Pressure (Konstanter positiver Atemwegsdruck)
CPE:
Cardiac Pulmonary Edema (kardiales Lungenödem)
CVI:
Chronische ventilatorische Insuffizienz
DNI:
Do Not Intubate (-Order)
DNR:
Do Not Resuscitate (-Order)
ECMO:
Extracorporeal Membrane Oxygenation
EPAP:
Expiratory Positive Airway Pressure (Exspiratorischer positive Atemwegsdruck)
FEV1
:
Forced Expiratory Volume in one second (Forciertes exspiratorisches 1-Sekunden-Volumen)
FiO2
:
inspired Oxygen Fraction (inspiratorische Sauerstoff-Fraktion)
FRC:
Functional Residual Capacity (Funktionelle Residualkapazität)
GOLD:
Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease
HFNC:
High Flow Nasal Cannula
HFNO:
High Flow Nasal Oxygen
ILD:
interstitial lung disease (interstitielle Lungenerkrankung)
ICU:
Intensive Care Unit
IMC:
Intermediate Care (-Station)
IMV:
Invasive Mechanical Ventilation (invasive Beatmung)
IPAP:
Inspiratory Positive Airway Pressure (Inspiratorischer positiver Atemwegsdruck)
LZB:
Langzeitbeatmung
NAVA:
Neurally Adjusted Ventilatory Assist
NIV:
Non-Invasive Ventilation (Nichtinvasive Beatmung)
NIPPV:
Non-Invasive Positive Pressure Ventilation
NPV:
Negative Pressure Ventilation
NNT:
Number Needed to Treat
OHS:
Obesitas Hypoventilations Syndrom
OSA(S):
Obstruktive Schlafbezogene Atmung (Störung)
PaCO2
:
Arterieller Kohlendioxidpartialdruck
PaO2
:
Arterieller Sauerstoffpartialdruck
PAV:
Proportional Assist Ventilation
PBW:
Predicted Body Weight (ideales Körpergewicht)
PCV:
Pressure Controlled Ventilation (druckkontrollierte Beatmung)
PEG:
perkutane endoskopische Gastrostomie
PTCA:
Perkutane transluminale Coronar-Angioplastie
PEEP:
Positive end-expiratory Pressure (Positiver endexspiratorischer Atemwegsdruck)
PELOD:
Paediatric Logistic Organ Dysfunction
Prism:
Paediatric Risk of Mortality
PAV:
Proportional Assist Ventilation
PSV:
Pressure Support Ventilation (druckunterstützte Beatmung)
RCT:
Randomized Controlled Trials
RSBI:
Rapid shallow breathing index
SaO2
:
arterielle Sauerstoffsättigung
SpO2
:
pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung
SAPS:
Simplified Acute Physiology Score
SBT:
Spontaneous Breathing Trial (Spontanatmungsversuch)
SOFA:
Sequential Organ Failure Assessment
STEMI:
ST-Hebungs-Myokardinfarkt
VAP:
Ventilator-assoziierte Pneumonie
VC:
Vital Capacity (Vitalkapazität)
Vt:
Tidalvolumen
Vorwort
Die aktuelle Leitlinie hat im Vergleich zur vorhergehenden Leitlinie aus 2015 eine
umfassende Überarbeitung erfahren. So erfolgte eine Neustrukturierung, -straffung
und -anordnung der Kapitel zu den verschiedenen Anwendungsbereichen der NIV, sowie
die Berücksichtigung neuer Studiendaten. Dies betrifft
NIV zur Therapie des hyperkapnischen Atemversagen bei COPD, Asthma, OHS, neuromuskulären
Erkrankungen
NIV beim hypoxämischen Atemversagen mit kardialer und nicht-kardialer Ursache
den NIV-Einsatz in der Postextubationsphase
NIV beim schwierigen/prolongierten Weaning
NIV in der perioperativen und periinterventionellen Anwendung
die Erstellung jeweils eines neuen Kapitels bzw. Unterkapitel
zum außerklinischen Einsatz der NIV mit neuen Empfehlungen
zur Patientenperspektive
zum Extrakorporalen Gasaustausch und NIV
zu Besonderheiten bei respiratorischer Infektiosität
die Bewertung des Stellenwertes der NIV gegenüber der High-Flow-Sauerstofftherapie
in den jeweiligen Kapiteln
Da die NIV bei ARI im Kindes- und Jugendalter aufgrund ihrer Besonderheiten eine Sonderstellung
einnimmt, wurde das entsprechende Kapitel in der aktuellen Leitlinienfassung hinter
die Technik und Anwendung der NIV gesetzt, da diese sich im Wesentlichen auf die NIV
im Erwachsenenalter bezieht.
1 Einführung, Hintergrund und Methoden
1 Einführung, Hintergrund und Methoden
1.1 Die Bedeutung von NIV
Mit dem Einsatz der NIV als Therapieform der akuten respiratorischen Insuffizienz
werden v. a. bei der hyperkapnischen, zu geringeren Anteilen auch bei der hypoxämischen
Insuffizienz die Reduktion der Intubationsrate, der Mortalitätsrate, der Aufenthaltsdauer
auf Intensivstation sowie im Krankenhaus und der Behandlungskosten erwartet.
1.2 Präambel und Ziele der Leitlinie
Wesentliches Ziel dieser Leitlinie ist die Aktualisierung der S3-Leitlinie zur „NIV
bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ aus 2015 mit Ergänzung der Evidenz und wo
notwendig Änderung bzw. Hinzufügen neuer Empfehlung [1 ].
1.3 Struktur des Leitlinienprozesses
Die Erstellung dieser Leitlinie mit der Entwicklungsstufe S2k serfolgte nach den Kriterien
der AWMF, um dem Nutzer der Leitlinie evidenzbasierte Kriterien für eine rationale
Entscheidungsfindung und gute Praxis an die Hand zu geben. Vor dem Beginn der Aktualisierung
wurden durch den wissenschaftlichen Leiter des Updates der Leitlinie in Absprache
mit der Leitliniengruppe und unter Berücksichtigung der Benennungen der beteiligten
Fachgesellschaften die Mitglieder der jeweiligen Arbeitsgruppen berufen.
Die für die Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz
wichtigen Themenbereiche wurden identifiziert und auf dieser Basis wurde ein modifiziertes
Inhaltsverzeichnis, einschließlich neudefinierten einzelnen Themen, erstellt. Danach
wurden die einzelnen Kapitel mit der dazugehörigen Empfehlungen bzw. Statements durch
die jeweiligen Arbeitsgruppen bearbeitet bzw. neu verfasst und die Literaturstellen
im Text aktualisiert. Die logische Abfolge der klinischen Entscheidungen wurde, soweit
möglich, durch Algorithmen dargestellt. Zu gewählten Kapiteln wurde zudem eine Literatursuche
in PubMed mit den von den Autoren vorgegebenen Stichwörtern durchgeführt und die Ergebnisse
den Autoren über den Scientific Guideline Manager (Institut für Lungenforschung GmbH)
zur Unterstützung der inhaltlichen Aktualisierung der Leitlinie zur Verfügung gestellt.
Des Weiteren wurden Literaturstellen aus der letzten Version der Leitlinie, anderen
Leitlinien sowie aktuellen Studien bzw. Übersichtspublikationen in Abstimmung berücksichtigt,
soweit sie Einfluss auf die Inhalte der aktuellen Leitlinie hatten. Die Empfehlungen
basieren wesentlich auf der Evidenzlage, sind jedoch auch Ausdruck der klinischen
Erfahrung aller am Konsensus-Verfahren beteiligten Experten und orientieren sich zudem
an weiteren Kriterien, die in das formale Konsensverfahren einfließen. Der aus diesem
Prozess entstandene Entwurf des Gesamtmanuskriptes wurde an alle Autoren versandt.
Auf der Konsensuskonferenz unter Leitung eines unabhängigen Moderators wurde das Manuskript
ausführlich diskutiert und überarbeitet. Die Formulierung der einzelnen Empfehlungen
wurde ebenfalls durch die Fachexperten mit der Berücksichtigung der vorliegenden Evidenz
nach ausführlicher Diskussion abgestimmt und schließlich in Konsens verabschiedet.
Die Beschlussfindung in der Konsensuskonferenz unterlag den Vorgaben eines nominalen
Gruppenprozesses.
Als Ergebnis des Konsensusprozesses wurden starke und schwache Empfehlungen mit „soll/soll
nicht“ und „sollte/sollte nicht“ formuliert und ausgesprochen. Wenn keine eindeutige
Empfehlung anhand der konsentierten Meinung der Autoren abgegeben werden konnte, wurden
Empfehlungen mit „kann/kann nicht empfohlen werden“ formuliert.
Der von der Leitlinienkonferenz verabschiedete Leitlinientext wurde den Vorständen
der federführenden und beteiligten Fachgesellschaften und Institutionen zur Erörterung
und Kommentierung bzw. Verabschiedung übersandt. Für weitere Informationen siehe Leitlinienreport
(https://awmf.org ).
1.4 Finanzierung
Die Erstellung dieser Leitlinie wurde von den beteiligten Fachgesellschaften ohne
Sponsoring durch Dritte finanziert. Organisatorische Koordination und Unterstützung
einschließlich der Unterstützung bei der Literaturrecherche erfolgte durch das Institut
für Lungenforschung GmbH. Die Mitglieder der Arbeitsgruppen waren ausnahmslos ehrenamtlich
tätig, es erfolgte keine Einflussnahme von außen.
2 Allgemeines zur nichtinvasiven Beatmung (NIV) bei akuter respiratorischer Insuffizienz
(ARI)
2 Allgemeines zur nichtinvasiven Beatmung (NIV) bei akuter respiratorischer Insuffizienz
(ARI)
2.1 Empfehlungen und Statements
S1: NIV stellt keinen Ersatz für die invasive Beatmung dar, wenn nach sorgfältiger
Abwägung wichtige Gründe für einen invasiven Beatmungszugang sprechen.
E1: Bei gegebener Indikation sollte die NIV als Therapie der ARI eingesetzt werden,
um Komplikationen einer invasiven Beatmung zu vermeiden.
E2: Ein NIV-Versuch bei komatösen Patienten mit hyperkapnischer ARI ist im Einzelfall
gerechtfertigt; er soll allerdings kurzfristig zu einer Besserung der Ventilation
und Vigilanzsteigerung führen; ansonsten soll der Patient intubiert werden.
E3: Liegt bei ARI eine der folgenden absoluten Kontraindikationen für eine NIV vor,
soll keine NIV eingeleitet werden: 1.) Fehlende Spontanatmung, Schnappatmung, 2.)
Fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege, 3.) Gastrointestinale Blutung oder
Ileus 4.) Nicht-hyperkapnisches Koma.
S2: Bei Vorliegen einer der als „relativ“ eingestuften Kontraindikationen ([
Tab. 2
]) ist der Therapieversuch mit NIV nur dann gerechtfertigt, wenn das Behandlungsteam
für diese Situation ausgerüstet und qualifiziert ist und eine unverzügliche Intubationsbereitschaft
sichergestellt ist.
2.2 Pathophysiologischer Hintergrund
Das respiratorische System besteht aus 2 unabhängig voneinander limitierbaren Anteilen,
der gasaustauschenden Lunge und dem ventilierenden System. Die einzelnen Elemente
des ventilatorischen Systems werden auch unter dem Begriff „Atempumpe“ zusammengefasst.
Analog hierzu werden pathophysiologisch 2 Formen der ARI unterschieden:
Akute pulmonale Erkrankungen, wie z. B. das Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS),
aber auch das kardiale Lungenödem führen infolge einer dominierenden Gasaustauschstörung
zur ARI mit dem Leitwert Hypoxämie (d. h. verringerter PaO2 ). Bei dieser ist aufgrund der im Vergleich zum CO2 über 20-fach geringeren Diffusionsleitfähigkeit des Sauerstoffs nur die O2 -Aufnahme, jedoch nicht die CO2 -Abgabe gestört.
Als Ausdruck der ventilatorischen Insuffizienz infolge einer erschöpften Atempumpe
kommt es zur ARI mit dem Leitwert Hyperkapnie (d. h. erhöhter PaCO2 ). Dabei ist die Hypoxämie sekundärer Genese. Hier handelt es sich im Wesentlichen
um Patienten mit COPD, Obesitas-Hypoventilation (OHS), neuromuskulären und thorako-restriktiven
Erkrankungen sowie ventilatorischem Versagen bei kardialer Dekompensation. Näheres
zur Pathophysiologie und zur Wirkungsweise von NIV bei der hyperkapnischen ARI findet
sich in Kapitel 3.2. (Pathogenese und Klinik des hyperkapnischen Atemversagens).
2.3 Vergleich von invasiver Beatmung und NIV
Die Applikation eines positiven Atemwegsdruckes ist per se unabhängig vom verwendeten
Interface zwischen der Druckquelle und dem respiratorischen System. Insofern ist die
NIV in ihrer Effektivität der invasiven Beatmung im Prinzip gleichzusetzen [2 ]
[3 ].
Die Komplikation der invasiven Beatmung mit der höchsten klinischen Relevanz ist die
Ventilator-assoziierte Pneumonie (VAP). Sie geht mit einer erhöhten Sterblichkeit
sowie deutlichen Mehrkosten einher [4 ] und nimmt mit der Intubationsdauer zu [5 ]. Bei gegebener Beatmungsindikation kann bei vorliegender NIV-Fähigkeit durch Einsatz
der NIV eine endotracheale Intubation vermieden bzw. im Rahmen des Weanings die möglichst
frühzeitige Extubation erreicht werden und zur Prävention einer VAP beitragen [6 ].
Die wesentlichen Vorteile der NIV, Reduktion der Intubationshäufigkeit, Abnahme der
nosokomialen Infektionen und deren Komplikationen sind hinreichend belegt.
Die Domäne der NIV sind im Wesentlichen Erkrankungen, die zum Versagen der Atempumpe
führen. Hierbei wird die Atemarbeit durch NIV effektiv übernommen. Demgegenüber sind
bei primärer Hypoxämie, bedingt durch ein Lungenversagen ohne oder mit nur partieller
Beeinträchtigung der Atempumpe, diese Effekte weniger deutlich (siehe Kapitel 11.5.3.2.
hypoxämische ARI). NIV sollte daher nicht oder nur bei mildem ARDS unter engmaschiger
Kontrolle eingesetzt werden und ist insbesondere dann keine Alternative zur invasiven
Beatmung, wenn nach sorgfältiger Abwägung wichtige Gründe für einen invasiven Beatmungszugang
sprechen, bspw. beim kardiogenen Schock [7 ]. Eine Gegenüberstellung beider Beatmungsformen findet sich in [
Tab. 1
].
Tab. 1
Charakteristika der invasiven Beatmung/der NIV.
Komplikationen und klinische Aspekte
invasive Beatmung
nichtinvasive Beatmung
Ventilator-(Tubus)-assoziierte Pneumonie
Anstieg des Risikos ab dem 3.–4. Tag der Beatmung
selten
tubusbedingte zusätzliche Atemarbeit
ja (während Spontanatmung und im Falle assistierender Beatmung)
nein
tracheale Früh- und Spätschäden
ja
nein
Sedierung
mild, ggf. auch tiefer
nein oder mild
intermittierende Applikation
selten möglich
häufig möglich
effektives Husten möglich
eingeschränkt bis nein
ja
Essen und Trinken möglich
erschwert (Tracheostoma) bzw. nein (Intubation)
ja
Kommunikation möglich
erschwert
ja
Zugang zu den Atemwegen
direkt
erschwert
Druckstellen im Gesichtsbereich
nein
mit Anwendungsdauer zunehmend
CO2 -Rückatmung
nein
beim Beatmungshelm
Leckage
selten
häufig
Aerophagie
sehr selten
häufiger
2.4 Häufigkeit der Anwendung von NIV und Erfahrung mit NIV
Die Häufigkeit der NIV-Anwendung hängt von unterschiedlichen Variablen in der jeweiligen
Einheit, v. a. vom Schwerpunkt und der Erfahrung des Behandlungsteams ab. Für genauere
Daten wird auf das Supplement verwiesen. Im gesonderten Kapitel Technik finden sich
eine ausführliche Erläuterung der verschiedenen nichtinvasiven Positiv-Druckverfahren
(CPAP, NIV), eine Auflistung und Bewertung der Interfaces sowie differenzialtherapeutische
Empfehlungen zur Einstellung der Beatmungsparameter.
2.5 Kontraindikationen der NIV
Eine zwingende Indikation zur invasiven Beatmung ergibt sich bei fehlender Spontanatmung
oder Schnappatmung, bei fixierter oder funktioneller Verlegung der Atemwege oder bei
Vorliegen einer gastrointestinalen Blutung oder eines Ileus ([
Tab. 2
]).
„Relative Kontraindikationen“ bedeutet, dass NIV im Einzelfall, abhängig von der Erfahrung
des Behandlungsteams und der verfügbaren technischen Ausstattung und unter ständiger
Intubationsbereitschaft, auch in kritischen Situationen eingesetzt werden kann [8 ], dies betrifft insbesondere das hyperkapnische Koma [9 ]
[10 ].
Tab. 2
Kontraindikationen für die NIV nach [1 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ].
absolute Kontraindikationen
relative Kontraindikationen
fehlende Spontanatmung, Schnappatmung
hyperkapnisch bedingtes Koma
fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege
massive Agitation
gastrointestinale Blutung oder Ileus
massiver Sekretverhalt trotz Bronchoskopie bzw. nichtinvasivem Sekretmanagement
nicht-hyperkapnisch bedingtes Koma
schwergradige Hypoxämie oder Azidose (pH < 7,1)
hämodynamische Instabilität (kardiogener Schock, Myokardinfarkt)
anatomische u/o subjektive Interface-Inkompatibilität
Z. n. oberer gastrointestinaler OP
3 Hyperkapnische ARI
3.1 Empfehlungen und Statements
E4: Bei einer akuten hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz mit einem pH < 7,35
soll bei fehlenden Kontraindikationen NIV eingesetzt werden.
S3: Bei leichtgradiger AECOPD mit einem pH-Wert ≥ 7,35 besteht keine Indikation für
eine akute nichtinvasive Beatmung.
E5: Während der Adaptationsphase, soll innerhalb von 30–60 Minuten eine Ersteinschätzung
der Effektivität anhand von Blutgasen und klinischer Beurteilung erfolgen ([
Tab. 4
]).
S4: Die validen Verlaufsparameter während der Adaptationsphase sind die Blutgase,
die Atemfrequenz, die Sauerstoffsättigung, die transkutane PCO2 -Messung, die Beurteilung der Dyspnoeempfindung sowie des Vigilanzniveaus des Patienten.
E6: Auf niedrigem Niveau stabile pH-Werte und ein stabil erhöhter PaCO2 können während der NIV-Adaptation auch länger als 1–2 Stunden toleriert werden, wenn
sich der klinische Zustand des Patienten und andere in ([
Tab. 4
]) aufgeführte Erfolgskriterien bessern.
E7: Bei NIV-Versagen soll die NIV umgehend beendet und unverzögert intubiert werden,
sofern keine palliative Gesamtsituation vorliegt.
S5: Auch nach zunächst erfolgreichem Einsatz der NIV können Patienten auch nach mehr
als 7 Tagen ein „NIV-Spätversagen“ mit hyperkapnischer ARI entwickeln, das mit einer
hohen Letalität einhergeht.
E8: Nach primär erfolgreicher Akut-NIV sollen Patienten auf das Auftreten eines Spätversagens
überwacht werden.
E9: Bei persistierender Hyperkapnie (> 53 mmHg) 2–4 Wochen nach AE-COPD mit passagerer
NIV sollte eine außerklinische nichtinvasive Beatmung eingeleitet werden.
E10: Als Therapie des akuten ventilatorischen Versagens auf dem Boden von neuromuskulären
oder thorakal-restriktiven Erkrankungen (inkl. OHS) soll ein Therapieversuch mittels
NIV unternommen werden.
E11: Bei akuter hyperkapnischer Exazerbation eines Asthma bronchiale kann NIV entsprechend
der Anwendungsempfehlungen der AE-COPD versucht werden.
3.2 Pathogenese und Klinik des hyperkapnischen Atmungsversagens
Im Mittelpunkt des hyperkapnischen Atmungsversagens steht die erschöpfte Atempumpe
infolge eines Ungleichgewichtes zwischen der muskulären Belastung und der muskulären
Kapazität (d. h. relativ erhöhte Atemarbeit in Bezug zur Kraft und Ausdauer der Atemmuskulatur)
[12 ].
3.3 Akute hyperkapnische Exazerbation der COPD (AECOPD)
3.3.1 Spezifische Wirkung der NIV bei AECOPD
Die Wirkung der NIV bei AECOPD ergibt sich aus den pathophysiologischen Faktoren,
die bei der COPD zur ARI führen. Im Wesentlichen wird der intrinsische PEEPi durch
Einsatz des externen PEEP antagonisiert und durch die zusätzliche maschinelle Druckunterstützung
die diaphragmale Atemarbeit reduziert [13 ]
[14 ]
[15 ]. Zusätzlich senkt der externe PEEP die zum Triggern der Druckunterstützung erforderliche
inspiratorische Atemarbeit des Patienten [16 ].
3.3.2 Häufigkeit der Anwendung von NIV bei AECOPD
Die Häufigkeit der NIV-Anwendung ist stark abhängig von der Erfahrung im Behandlungsteam
und von den individuellen Bedingungen (Krankheitsschwere, Komorbiditäten etc.) des
Patienten. In Zentren mit großer NIV-Erfahrung konnte schon vor 20 Jahren ein Anstieg
des Einsatzes der NIV innerhalb weniger Jahre von 40 % auf 90 % verzeichnet werden
[17 ]
[18 ]. Nachfolgende Registerstudien zeigten einen weiterhin positiven Trend in der NIV-Anwendung.
Toft-Petersen AP et al. untersuchten eine Kohorte von 12 847 Patienten mit AE-COPD
im Zeitraum von 2004 bis Ende 2011, die erstmalig mittels invasiver oder NIV behandelt
wurden [19 ]. Dabei zeigte sich ein Anstieg der NIV-Anwendung um 145 % im Jahr 2011, bei gleichzeitiger
Zunahme des mittleren Alters der mit NIV behandelten Patienten um 2,1 (0,8 ± 3,2;
p = 0,001) Jahre. Demgegenüber bestand keine signifikante Änderung des mittleren Alters
der Patienten, die eine invasive Beatmung mit oder ohne gleichzeitige NIV erhielten
(p = 0,24). In einer univariaten Analyse nahm die Mortalität der NIV-Patienten nicht
signifikant zu, wohingegen die Mortalität der invasiv (mit oder ohne NIV) beatmeten
von 32,2 auf 37,6 % im Beobachtungszeitraum zunahm.
Miguel-Diez et al. sahen bei 1 431 935 Hospitalisationen (Alter der Patienten ≥ 40
Jahre) mit einer AE-COPD einen signifikanten Anstieg der NIV-Anwendung von 1,82 %
in 2001–2003 auf 8,52 % in 2013–2015, bei gleichzeitiger signifikanter Abnahme der
invasiven Beatmung von 1,39 % in 2001–2003 auf 0,67 % in 2013–2015 [20 ]. Insgesamt nahm die Anwendung einer Beatmung (NIV und invasive Beatmung) signifikant
von 0,17 % auf 0,42 % zu.
3.3.3 NIV-Effekte bei ARI infolge AECOPD
3.3.3.1 Erwachsene
Erste Hinweise auf die Wirksamkeit der NIV bei AECOPD lieferten Meduri et al. 1989
[21 ] bzw. Brochard et al. 1990 [22 ], bei denen NIV im Pressure-Support-Ventilation (PSV)-Modus zur signifikanten Reduktion
der Intubationsrate, Beatmungsdauer und Aufenthaltsdauer auf der ICU führte.
Die Ergebnisse der verfügbaren randomisiert kontrollierten Studien (RCT) wurden in
mehreren Metaanalysen hinsichtlich wesentlicher Endpunkte, wie der Notwendigkeit zur
Intubation, der Krankenhausaufenthaltsdauer und der Mortalität, beurteilt [23 ]
[24 ]
[25 ].
Die Gesamtbewertung des Einsatzes der NIV bei akuter hyperkapnischer Insuffizienz
durch die Cochrane Analyse aus 2017 zeigt, dass die NNT für einen vorteilhaften Verlauf
bei n = 12 liegt und die NIV mit einer Reduktion der Intubationen um 65 %, der Mortalität
um 46 %, der Komplikationen um 26 % und der Krankenhausaufenthaltsdauer um 3,39 Tage
einhergeht [23 ].
Dies konnte auch in nachfolgenden Studien und Metaanalysen untermauert werden. Stefan
et al. untersuchten in einer retrospektiven Studie 3520 Patienten mit AE-COPD. 45,5 %
erhielten eine invasive maschinelle Beatmung (invasive mechanical ventilation, IMV),
mit einer KH-Mortalität von 16,1 %. 27,7 % wurden mit einer NIV therapiert, mit einer
KH-Mortalität 7,4 % [24 ]. Die Anwendung der NIV ging mit einem um 41 % geringeren Mortalitätsrisiko einher.
Lindenauer et al. verglichen in einer retrospektiven Kohorten-Analyse von 25 628 Patienten,
die wegen einer akuten Exazerbation der COPD an Tag 1 oder 2 nichtinvasiv oder invasiv
beatmet wurden, beide Gruppen [26 ]. Für die 17 978 (70 % des Gesamtkollektivs) mit NIV therapierten Patienten zeigte
sich, dass diese älter waren, weniger Komorbiditäten und weniger häufig eine begleitende
Pneumonie aufwiesen. Die NIV war gegenüber der invasiven Beatmung mit einem geringeren
Risiko für Mortalität (Odds Ratio [OR] 0,54; [95 %-KI: 0,48–0,61]) und einer nosokomialen
Pneumonie (OR, 0,53 [95 %-KI: 0,44–0,64]) assoziiert. 30-Tage- oder COPD-spezifische
Wiederaufnahmeraten waren nicht unterschiedlich. In einer Subgruppenanalyse konnten
dies auch für Patienten mit unterschiedlicher Komorbiditätslast, mit Pneumonie und
für die Altersgruppe < 85 Jahre nachgewiesen werden.
In einer nach GRADE-Kriterien durchgeführten Analyse von 17 Studien mit 959 Patienten
beschrieben Peng et al. die Evidenzqualität der insgesamt betrachteten 9 Outcomedaten
der eingeschlossenen Studien ebenfalls nur als moderat bis niedrig [25 ]. Im Ergebnis führt die NIV, verglichen mit invasiver Beatmung, zu einer signifikanten
Reduktion von Mortalität (risk ratio = 0,27, 95 %-KI: 0,17–0,42; P < 0,001), VAP,
Aufenthaltsdauer auf der ICU und im Krankenhaus, wie auch der Krankenhauskosten.
Nur wenige Untersuchungen erfolgten zum Vergleich von NIV und direkter invasiver Beatmung
bei bestehender Indikation zur Beatmung infolge schwergradiger hyperkapnischer ARI.
Bei der prospektiv-randomisierten Studie von Conti et al. lag der mittlere pH-Wert
im untersuchten Patientenkollektiv bei 7,2 [27 ]. Die Effektivität von NIV und invasiver Beatmung war gleichwertig. Die Intubationsrate
in der NIV-Gruppe betrug 52 %. Allerdings profitierten die erfolgreich mit NIV behandelten
Patienten neben der Vermeidung der Intubation auch durch langfristige Vorteile im
klinischen Verlauf. Es kam im folgenden Jahr zu weniger Krankenhauseinweisungen und
seltener zur Indikation einer Sauerstofflangzeittherapie. Darüber hinaus bestand ein
Trend für ein besseres Langzeitüberleben.
Eine retrospektive Analyse mit 392 Patienten bei schwerer Azidose zeigte eine geringere
NIV-Erfolgsrate (58 % bei Ausgangs-pH < 7,25; 72 % bei Ausgangs-pH ≥ 7,25) [28 ].
Demgegenüber konnten Masa et al. in einer prospektiven Untersuchung keine signifikanten
Unterschiede in der NIV-Versagensrate zwischen Patienten mit nicht so schwerer und
schwerer Azidose (pH > 7,25 vs. pH < 7,25) feststellen [29 ]. Allerdings war die Behandlungsdauer der Patienten mit schwergradiger Azidose bis
zur Normalisierung des pH-Wertes und entsprechend auch der Intensivaufenthalt länger.
Auch die Ergebnisse der Cochrane-Analyse zeigen, dass nicht nur Patienten mit einer
milden Azidose (pH zwischen 7,30 und 7,35) vom Einsatz der NIV profitieren, sondern
in gleicher Weise auch Patienten mit einer respiratorischen Insuffizienz und schwereren
Azidose (pH < 7,30), wenn die NIV auf einer Intensivstation oder respiratorischen
Beatmungsstation bzw. IMC-Station erfolgt [23 ]. Des Weiteren profitierten Patienten mit pH < 7,30 deutlich mehr hinsichtlich einer
Verkürzung der Aufenthaltsdauer als solche mit einer milderen Azidose.
Dementsprechend wird in den jeweiligen Empfehlungen der ERS/ATS 2017 [30 ] und ERS 2022 [31 ] empfohlen, bei akuter hyperkapnischer COPD-Exazerbation bei einem pH ≤ 7,35 primär
die NIV einzuleiten. Zusätzlich wird in der ERS/ATS-Guidelines [30 ] explizit darauf hingewiesen, dass es keine untere Grenze für den pH-Wert gibt, unter
der ein NIV-Versuch unangemessen wäre. Allerdings ist das Versagensrisiko der NIV
umso größer ist je niedriger der pH ist [30 ]. Deshalb wird ein äußerst engmaschiges Monitoring mit rascher Möglichkeit der Intubation
und invasiven Beatmung bei fehlender Besserung gefordert [30 ].
3.3.3.2 Ältere Erwachsene
Bei Älteren besteht eine hohe Prävalenz akuter COPD-Exazerbation [32 ]. Einige Studien widmeten sich deshalb zusätzlich dem Vergleich der NIV-Effektivität
in verschiedenen Altersgruppen. Nava et al. randomisierten 82 Patienten älter als
> 75 Jahre (mittleres Alter 81,3 ± 3,5 Jahre) zu NIV oder Standardbehandlung [33 ]. In der NIV-Gruppe waren verglichen mit Standardtherapie sowohl die Intubationrate
(7,3 vs. 63,4 %, P < 0,001) als auch die Mortalitätsrate niedriger [(odds ratios)
OR = 0,40; 95 %-KI: 0,19–0,83; P = 0,014]. 22 von 41 Patienten mit Standardtherapie
und DNI („do not intubate“)-Order erhielten NIV als Rescue-Therapie. In dieser Subgruppe
war die Mortalität vergleichbar mit der NIV-Gruppe und signifikant niedriger als in
der Gruppe mit Intubation (OR = 0,60; 95 %-KI: 0,18–1,92 versus 4,03; 95 %-KI: 2,35–6,94;
P = 0,009). Die Blutgaswerte, die Atemfrequenz und die Dyspnoe besserten sich unter
NIV signifikant schneller als unter Standardtherapie allein. Nicolini et al. fanden
in einer prospektiven Studie mit Vergleich von Patienten älter bzw. jünger als 75
Jahre, dass die Krankenhausmortalität wie auch die Intubationsraten bei NIV wegen
AECOPD gleich waren [34 ].
Bei akuter respiratorischer Insuffizienz ist die NIV auch im hohen Alter [35 ] ebenfalls erste therapeutische Wahl, sofern eine korrekte Selektion und eine situativ
angepasste Therapie erfolgen und ein NIV-Versagen vorsichtig auf Basis des Patientenwillens
gemanagt wird [35 ]. So erwies sich in der Gruppe kritisch kranker geriatrischer Patienten mit hyperkapnischem
Atemversagen bei AE-COPD die Anwendung von NIV als eine durchaus erfolgreiche Maßnahme
bei frühzeitiger Anwendung [36 ]
[37 ].
3.3.4 Erfolgsprädiktoren der NIV
Als entscheidend für den erfolgreichen Einsatz der NIV bei AECOPD muss ein frühzeitiger
Beginn der Therapie angesehen werden [38 ]
[39 ]
[40 ], wenngleich Daten zur zeitlichen Latenz des NIV-Einsatzes begrenzt sind. Wie Daten
von Trethewey et al. zeigen, hat eine längere Zeitspanne (8,7 [0,7–75,8] vs. 1,9 [0,3–13,6]
h; p < 0,0001) zwischen der Diagnose und Behandlung des akuten hyperkapnischen Atemversagens
nicht nur eine erhöhte Krankenhaus-, sondern auch Langzeitmortalität zur Folge [40 ]. Wurde das akute Atemversagen erst > 24 h nach stationärer Aufnahme diagnostiziert
und einer NIV zugeführt, stieg in dieser Gruppe die Krankenhausmortalität gegenüber
den innerhalb von 24 h diagnostizierten Patienten (n = 83 [18,7 %] vs. n = 41 [39,4 %]
vs. p < 0,0001). Weiterhin war auch das mediane Überleben zwischen beiden Gruppen
signifikant unterschiedlich (0,84 [95 %-KI: 0,28–1,92] vs. 1.7 [95 %-KI: 1,47–2,16]
Jahre; p = 0,046).
Unabhängig vom Beatmungszugang muss auch in der Initialphase der Beatmung eine ausreichende
Ventilation gewährleistet sein. Erfolgskriterien für NIV sind in [
Tab. 3
] genannt. Sämtliche Kriterien basieren jedoch auf Expertenmeinung und sind nicht
auf höherem Niveau evidenzbasiert. Neben den Blutgasen und ggf. der transkutanen CO2 -Messung sind Dyspnoeempfindung und Atemfrequenz die klinisch relevanten Verlaufsparameter
zur Beurteilung der Beatmungsqualität in der Adaptationsphase. Anhand dieser lässt
sich bereits 1–2 Stunden nach Beginn der NIV zwischen Respondern (Abnahme dieser Parameter)
bzw. Nonrespondern (ausbleibende Abnahme bzw. Zunahme dieser Parameter) unterscheiden
[4,41–43] (Level IV).
Tab. 3
Erfolgskriterien der NIV.
Kriterium
Erfolgskriterien der NIV
Dyspnoe
Abnahme
Vigilanz
zunehmende Verbesserung
Atemfrequenz
Abnahme der erhöhten Atemfrequenz
Ventilation
PaCO2 -Abnahme
pH
Anstieg
Oxygenierung
Zunahme von SaO2 ≥ 85 %
Herzfrequenz
Abnahme
Insbesondere der Anstieg des pH-Wertes innerhalb der ersten 4 Stunden ist ein Marker
für den Erfolg der NIV und eine erfolgreiche Krankenhausentlassung [44 ]
[45 ].
In der Gruppe der sehr alten Patienten (≥ 75 Jahre) ist nach Nicolini et al. mit einer
signifikant längeren NIV-Anwendung als bei jüngeren Patienten (69,0 ± 47,0 vs. 57,0 ± 27,0 h)
(p ≤ 0,03) zu rechnen [34 ].
Das Ausbleiben einer Besserung bzw. die Verschlechterung der in [
Tab. 3
] genannten Parameter, wie auch das Eintreten einer Kontraindikation ([
Tab. 2
]) gelten als NIV-Versagen und erfordern den Abbruch der NIV und eine unverzügliche
Intubation, sofern keine Palliativsituation vorliegt.
Allerdings können während der NIV-Adaptation ein stabil erhöhter PaCO2 und ein auf niedrigem Niveau stabiler pH-Wert dann länger als 2 Stunden toleriert
werden, wenn sich gleichzeitig der klinische Zustand des Patienten und andere in [
Tab. 3
] aufgeführte Erfolgskriterien bessern.
3.3.5 Prädiktoren des NIV-Versagens
Prinzipiell wäre es wünschenswert, anhand von einfach messbaren Parametern neben dem
NIV-Erfolg zumindest den Misserfolg möglichst früh vorauszusagen. Für größere Kollektive
ergeben sich statistisch ermittelte Prädiktoren des NIV-Versagens.
Dies sind im Wesentlichen dieselben Prädiktoren, die auch für den Therapieerfolg herangezogen
werden. So erwiesen sich in den jeweiligen Studien ein niedriger pH- und hoher pCO2 -Wert, eine hohe Herzfrequenz ein, erhöhter APACHE-II-Score (> 29), ein erhöhtes BNP,
ein niedriger Glasgow-Coma-Scale, ein unter NIV niedriger pO2 , begleitende Komorbiditäten, wie u. a. eine Tumorerkrankung, höheres Lebensalter
mit Gebrechtlichkeit sowie vorausgegangene NIV-pflichtige Exazerbationen [29 ]
[34 ]
[44 ]
[46 ]
[47 ]
[48 ]
[49 ]
[50 ]
[51 ]
[52 ]
[53 ]
[54 ] als Prädiktoren für ein NIV-Versagen. Zusätzlich konnte eine pneumonische Ursache
des hyperkapnischen Atemversagens [40 ]
[55 ]
[56 ] als Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf mit Intubation, längerem Krankhausaufenthalt
und erhöhter Mortalität gefunden werden.
Weiterhin hat auch die praktische Umsetzung der NIV mit Wahl des Therapiedrucks und
der Anwendungsdauer einen möglichen Einfluss auf die Effektivität bzw. das Auftreten
eines NIV-Versagens. So fanden Steriade et al., dass das „NIV-Versagen“ mit der Anwendungsdauer
der NIV (in Tagen), der Aufenthaltsdauer, der KH-Mortalität (OR 1,27; 95 %-KI: 1,07–1,5;
p < 0,01) und der Nierenfunktion (p < 0,05) eng korrelierte [57 ].
Die in den jeweiligen Studien gefundenen Prädiktoren können in der klinischen Praxis
nur Anhaltspunkte in der Risikostratifizierung sein, da sie beim individuellen Patienten
den Effekt der NIV zusammen mit der begleitenden medikamentösen Therapie nicht präzise
genug vorhersagen. Allerdings stellen insbesondere eine begleitende oder im Verlauf
sich entwickelnde Pneumonie, eine zu späte Diagnose des akuten Atemversagens bzw.
verspätete Einleitung der NIV, ein niedriger und/oder sich nicht bessernder pH wie
auch Komorbiditäten als Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf mit Auftreten
eines NIV-Versagens dar.
Dementsprechend müssen Patienten sowohl in der Adaptationsphase zur Erkennung des
NIV-Frühversagens als auch nach zunächst erfolgreichem Einsatz der NIV engmaschig
klinisch beobachtet und mittels Pulsoximetrie sowie wiederholter Blutgasanalysen überwacht
werden. Zudem kann auch das Maß und die Effektivität der Ventilation kontinuierlich
nichtinvasiv mittels transkutaner PCO2 -Messung überwacht werden. Dies ist insofern sinnvoll, als Änderungen der Körperposition,
Wechsel des Beatmungszugangs oder Änderungen der Vigilanz wesentliche Veränderungen
der Ventilation bedingen können [58 ].
3.3.6 NIV-Spätversagen
Auch nach primärer Besserung der Blutgase und des klinischen Zustands kann es im weiteren
Verlauf zum „NIV-Spätversagen“ mit erneuter hyperkapnischer ARI kommen. Diese geht
mit einer hohen Letalität von bis zu über 90 % einher [47 ]
[52 ]
[59 ] (Level IV). Im Wesentlichen sind die Prädiktoren des Frühversagens auch diejenigen,
die Indikatoren eines Spätversagens sein können.
Die individuell notwendige Beobachtungsdauer ist deshalb abhängig vom klinischen Verlauf
und kann nicht pauschal angegeben werden. Siehe dazu auch Kapitel 11.7. (Monitoring).
3.3.7 Beendigung der NIV
Weiterhin gibt es nur begrenzte Untersuchungen bzw. Studien zum Zeitpunkt bzw. zu
den Kriterien einer möglichen Beendigung der Akut-NIV, insbesondere auch in Anbetracht
der unterschiedlichen mit NIV behandelten Patientenkollektive. Die BTS-Guideline führt
dazu aus, dass bislang nicht in klinischen Studien untersucht wurde, welches die optimale
NIV-Dauer in der initialen Phase und der effektivste Weg der NIV-Beendigung bei Besserung
des Patienten sind [60 ].
Sellares et al. verglichen eine direkte Beendigung der NIV mit der Fortführung einer
nächtlichen NIV (n = 49 vs. n = 61) bei Patienten, die erstmalig eine NIV zur Therapie
einer akuten respiratorischen Insuffizienz im Rahmen einer AECOPD erhalten hatten
[61 ]. Kriterium für die Beendigung der NIV war ein arterieller pH ≥ 7,35. Nach 4 h wurden
die Patienten in die jeweiligen Gruppen (konservativ vs. 3 Nächte mit NIV) randomisiert.
Zwischen beiden Gruppen bestand kein Unterschied im Auftreten einer akuten respiratorischen
Insuffizienz, der Einleitung einer Langzeit-NIV, der Wiederaufnahmerate und im Überleben
nach 180 d. Daraus schlussfolgern die Autoren, dass die NIV direkt beendet werden
kann, wenn die akute Episode mit Normalisierung des pH überstanden ist und die Patienten
eine nicht-assistierte Atmung auch bei noch erhöhtem pCO2 tolerieren.
Demgegenüber empfiehlt die Leitlinie der British Thoracic Society eine Beendigung
der NIV, wenn sich pH und PCO2 normalisiert haben und die allgemeine klinische Situation des Patienten gebessert
ist [60 ]. Ergänzend weisen die Autoren darauf hin, dass auch die gleichzeitige Behandlung
mit Steroiden, Antibiotika und Bronchodilatatoren mit Rückgang der akuten Hyperinflation
und Verbesserung der alveolären Ventilation zu einer Abnahme der Atemarbeit beiträgt.
Da bei Patienten mit vorbestehender chronischer Hyperkapnie allerdings nicht mit einer
Normalisierung des PCO2 zu rechnen ist, sind entsprechende Vorbefunde in die Entscheidung zur Beendigung
der Akut-NIV bzw. zur Überleitung in eine außerklinische NIV zur Behandlung der chronisch
ventilatorischen Insuffizienz einzubeziehen.
3.3.8 Leichtgradige Form der AECOPD
Auch wenn NIV generell mit relativ wenigen Nebenwirkungen einhergeht, ist auch unter
Berücksichtigung des Ressourcenverbrauchs darauf zu achten, die Indikation zur NIV
nicht zu weit zu stellen. Patienten mit geringem Schweregrad der AECOPD und keiner
oder geringer Azidose (pH-Werte > 7,35) werden entsprechend den Richtlinien (Global
Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease, GOLD) [62 ] primär mit inhalativ applizierten Pharmaka und ggf. Sauerstoff behandelt.
Eine Indikation für eine NIV besteht dementsprechend nicht [30 ]
[60 ]. Bei erkennbarer klinischer Verschlechterung und kontinuierlichem Absinken des pH
kann nach Expertenmeinung im Einzelfall allerdings schon bei einem pH > 7,35 eine
NIV eingeleitet werden.
3.3.9 NIV vs. High-Flow
Die Vielzahl von mittlerweile vorliegenden Einzelfallberichten zum Einsatz von High-Flow
bzw. High-Flow Nasal Cannula (HFNC) beim akuten hyperkapnischen Atemversagen infolge
AE-COPD lässt sich nur sehr eingeschränkt für eine – insbesondere verlässliche – Aussage
zur Wertigkeit der High-Flow-Therapie als möglichem Ersatz der NIV heranzuziehen.
Spoletini et al. verglichen in einem Kollektiv mit akutem respiratorischem Versagen
die Anwendung von High-Flow- und Standard-Sauerstofftherapie in den Pausen zwischen
den NIV-Anwendungen [63 ]. Für eine verlässliche Aussage war die Anzahl der Patienten mit AECOPD jedoch gering
(High-Flow-Arm n = 5; Sauerstoff-Arm n = 11). Insgesamt konnte im Gesamtkollektiv
(High-Flow n = 23 – Standard-O2 n = 24) festgestellt werden, dass neben einem besseren Komfort der High-Flow-Therapie
diese im Gegensatz zur Standard-O2 -Therapie keinen Anstieg der Atemfrequenz und keine Verschlechterung der Dyspnoe in
den NIV-Pausen zur Folge hatte.
Untersuchungen eines größeren Kollektivs zum Vergleich von NIV und High-Flow-Therapie
liegen bislang liegt nur in begrenzter Anzahl vor. Sun et al. verglichen HFNC (n = 39)
mit NIV (n = 43) und sahen unter HFNC keine höhere Versagensrate [64 ]. Allerdings fand keine Randomisierung statt, sondern die Gruppenzuordnung erfolgte
in Abhängigkeit vom Verfahren, das zuerst beim Patienten in den ersten 4 h angewandt
wurde. Außerdem entsprachen die Werte der NIV-Einstellung (IPAP 10 cmH2 O (8–12) und EPAP 4 (4–5) cmH2 O, Vt 5,4 ± 2,4 ml/kg PBW) nicht denen einer adäquaten NIV bei azidotischer hyperkapnischer
respiratorischer Insuffizienz.
Eine aktuelle Studie von Cortegiani et al. verglich NIV und High-Flow bei Patienten
mit einem pH 7,25–7,35 und PaCO2 ≥ 55 mmHg vor Einleitung einer Atmungsunterstützung hinsichtlich des Therapieeffektes
nach 2 h mit der Frage der Non-Inferiority von High-Flow [65 ]. Die Autoren sahen keinen Unterschied zwischen beiden Verfahren hinsichtlich der
pCO2 -Absenkung und des pH. Allerdings bedurften 32 % der Patienten mit High-Flow einer
Rescue-NIV. Der für die NIV gewählte Therapiedruck wurde so eingestellt, dass ein
Atemzugvolumen von 6–8 ml/kg Idealgewicht erreicht wurde, was möglicherwesie für die
akute Situation zu gering ist.
Letztlich erlauben diese Ergebnisse lediglich die Schlussfolgerung, dass in NIV-Pausen
der Einsatz der High-Flow-Therapie bei besserem Komfort und günstigerem Einfluss auf
Dyspnoe und Atemfrequenz möglich ist, die High-Flow-Therapie jedoch nicht als Primär-Therapie
eingesetzt werden soll.
3.3.10 Besondere Aspekte
3.3.10.1 NIV und Physiotherapie
Nur wenige Studien haben bisher (vorwiegend physiologische) Effekte von zusätzlicher
Physiotherapie bei Einsatz der NIV untersucht. Die Kombination von NIV und physiotherapeutischen
Maßnahmen (d. h. active cycle of breathing technique) im Vergleich zu alleiniger NIV
in der Behandlung von AECOPD führte in einer Studie zur stärkeren Reduktion von PaCO2 und kürzeren Beatmungszeit, wobei keine weiteren Outcome-Parameter beeinflusst wurden
[66 ]. In einer randomisierten Cross-over-Studie bei erwachsenen Patienten mit exazerbierter
zystischer Fibrose führte NIV während der Physiotherapie im Vergleich zu alleiniger
Physiotherapie zu einem Anstieg der Sauerstoffsättigung und der Atemmuskelfunktion
sowie einer Reduktion der Dyspnoe [67 ].
3.3.10.2 NIV als außerklinische Beatmung nach AECOPD
Bei Patienten mit AECOPD ist die hohe Rate der Rehospitalisation mit ca. 80 % und
die 1-Jahres-Mortalitätsrate mit ca. 50 % nach zeitlich begrenztem Einsatz der NIV
hoch [68 ]
[69 ]. Struik et al. sahen in einer Studie, die Patienten mit prolongierter Hyperkapnie
> 48 h nach Beendigung der NIV wegen AECOPD und respiratorischer Insuffizienz (durchschnittlicher
BMI 24,7 kg/m², keine obstruktive schlafbezogene Atmungsstörung, OSA) einschloss,
durch eine Fortführung der NIV über ein 1 Jahr keine Verbesserung im Hinblick auf
Wiederaufnahmeraten oder Tod [70 ]. Murphy et al. konnten allerdings zeigen, dass eine genauere Risikostratifizierung
der Patienten nach akuter hyperkapnischer Exazerbation erforderlich ist, anhand derer
ein Patientenkollektiv definiert werden kann, das von einer Wiederaufnahme der NIV
profitiert [71 ]. So haben Patienten mit einer persistierenden Hyperkapnie (PaCO2 > 53 mmHg) 2–4 Wochen nach Rückbildung der respiratorischen Azidose bei kombinierter
NIV und O2 -Therapie ein Risiko für Wiederaufnahme oder Tod von 63,4 % gegenüber 80,4 % bei alleiniger
O2 -Therapie, was einer absoluten Risikoreduktion von 17 % entspricht.
Eine Metanalyse von Wilson et al., die auch Studien zur NIV nach akuter hyperkapnischer
Exazerbation einschloss, zeigte, dass eine NIV nach Exazerbation gegenüber rein konservativer
Weiterbehandlung, nicht signifikant mit einem niedrigen Mortalitätsrisiko (23,01 %
vs. 29,52 %; RD −8 % [95 %-KI: −17 % bis 1 %]; OR 0,66 [95 %-KI: 0,41–1,06]; P = 0,09;
I2 = 48,6 %) oder verbesserten Lebensqualität (SMD −0,03 [95 %-KI: −0,25 bis 0,20];
P = 0,82; I2 = 0,0 %), aber mit weniger Krankenhauseinweisungen (RR 0,59 [95 %-KI:
0,43–0,81]; P = 0,001; I2 = 76,5 %) und geringer Intubationsnotwendigkeit (6,41 %
vs. 18,18 %; RD −12 % [95 %-KI: −22 % bis −2 %]; OR 0,31 [95 %-KI: 0,11–0,89]; P = 0,03;
I2 = nicht anwendbar) assoziiert war [72 ]. Die Evidenz wurde jedoch als begrenzt eingestuft.
Für die Postexazerbations-Gruppe kommt die aktuelle Cochrane-Analyse zum Ergebnis,
dass der PaCO2 durch NIV sowohl nach 3 Monaten (AMD –0,40 kPa; 95 %-KI: –0,70 bis –0,09; 3 Studien,
241 Teilnehmer; moderate-certainty evidence) und 12 Monaten (AMD –0,52 kPa; 95 %-KI:
–0,87 bis –0,18; 3 Studien, 175 Teilnehmer; high-certainty evidence) gesenkt wird
[73 ]. Das Wiederaufnahme-freie Überleben war unter NIV verbessert (AHR 0,71; 95 %-KI:
0,54–0,94; 2 Studien, 317 Teilnehmer; low-certainty evidence), im Gegensatz zum Risiko
der Gesamtmortalität (AHR 0,97; 95 %-KI: 0,74–1,28; 2 Studien, 317 Teilnehmer; low-certainty
evidence). Allerdings beruhen diese Ergebnisse lediglich auf 2 Studien, von denen
die Studie von Struik et al. zwar Patienten mit Exazerbationen beinhaltete, aber nicht
alle Patienten die Kriterien eines pH ≤ 7,35 erfüllten [70 ].
Die Leitlinie zur außerklinischen Beatmung aus 2017 empfiehlt deshalb explizit die
Evaluation einer außerklinischen NIV nach beatmungspflichtiger akuter respiratorischer
Insuffizienz [74 ]. So sollte spätestens 4 Wochen nach der Beendigung der NIV eine erneute Blutgasanalyse
erfolgen, um im Falle einer Persistenz der Hyperkapnie über eine Wiederaufnahme der
NIV zu entscheiden.
3.4 NIV bei zystischer Fibrose und Bronchiektasenerkrankung
Zur zystischen Fibrose (CF) gibt es nur wenige Daten bezüglich des Einsatzes von CPAP
bzw. NIV bei akuter hyperkapnischer Insuffizienz. Eine randomisierte, kontrollierte
Studie untersuchte den Einsatz von NIV in Ergänzung zu physiotherapeutischen Maßnahmen
der Sekretmobilisation [75 ]. NIV führte zu einer Reduktion der Dyspnoe, Vermeidung von Desaturationen und Verbesserung
der Muskelkraft während physiotherapeutischen Maßnahmen.
Für Patienten mit zystischer Fibrose und Bronchiektasen sind im Wesentlichen dieselben
Kriterien für die Einleitung der NIV wie bei der akuten hyperkapnischen COPD-Exazerbation
heranzuziehen [60 ]. Insbesondere bei der CF ist eine begleitende intensive Physiotherapie zur Sekretmobiisation
bzw. -clearance erforderlich [60 ] und auf eine Therapieadhärenz zu achten.
3.5 Akute nichtinvasive Beatmung bei Obesitas-Hypoventilationssyndrom
3.5.1 Einführung und Epidemiologie
Das Obesitas-Hypoventilationssyndrom (OHS) ist definiert als eine Kombination von
Adipositas (Body-Mass-Index (BMI) > 30 kg/m2 ), Tageshyperkapnie (PaCO2 ≥ 45 mmHg) und dem Fehlen anderer Erkrankungen, die eine alveoläre Hypoventilation,
also die Tageshyperkapnie, verursachen können[76 ]. Es besteht eine Co-Prävalenz einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA) in 70–90 % der
Fälle [76 ]. Die Mortalität bei akut chronischem respiratorischem Versagen bei OHS ist deutlich
erhöht (1-Jahres-Mortalität 18 %; 3-Jahres-Mortalität 31 %) [77 ].
3.5.2 Pathophysiologie
Das OHS führt zu Veränderungen der Lungenmechanik, welche in Störungen des Atemantriebs
und schlafbezogener Atmungsstörungen resultiert. Akute Exazerbationen bzw. das Auftreten
einer akuten respiratorischen Insuffizienz werden vorwiegend postoperativ oder im
Rahmen von Atemwegsinfektionen beobachtet, wenn der erhöhte Atemantrieb zur Kompensation
der ventilatorischen Last nicht aufrechterhalten werden kann. Zugleich ist eine kardiale
Komorbidität als Einflussfaktor zu berücksichtigen [77 ]
[78 ].
3.5.3 Diagnostik der akuten Dekompensation/Exazerbation
Die Kriterien der Exazerbation eines OHS mit hyperkapnischem Versagen entsprechen
den Kriterien der AECOPD [79 ].
3.5.4 Therapie
3.5.4.1 NIV
Die Indikation zur Einleitung einer NIV ergibt sich – analog zur akuten Exazerbation
der COPD – bei einem pH < 7,35 und PaCO2 > 45 mmHg [79 ]. Allerdings gibt es nur wenige Studien, die den Effekt der NIV auf das akute hyperkapnische
Versagen bei OHS untersucht haben [80 ]
[81 ].
In der Studie von Duarte et al. [82 ] wurden CPAP (mittlerer Druck 15 cmH2 O) und BiPAP (mittlerer IPAP 16 cmH2 O und PEEP 7 cmH2 O) angewandt, aber nicht getrennt ausgewertet. Ferner hatten 22 Patienten eine begleitende
COPD und würden nach aktuellen Kriterien nicht die Diagnose OHS erfüllen [82 ]. Gursel et al. untersuchten OHS im Vergleich zu AECOPD sowie neuromuskulären Patienten
und konnten gleiche Behandlungseffekte über alle Gruppen zeigen, wobei OHS-Patienten
bei vergleichbaren Beatmungsparametern im Mittel 4 Tage länger zur Rekompensation
brauchten im Vergleich zu nicht adipösen Patienten [83 ].
Carillo et al. zeigten, dass NIV bei OHS einen vergleichbaren positiven Effekt hinsichtlich
NIV-Versagen, Krankenhausmortalität und 1-Jahres-Überleben hat wie NIV bei AECOPD
[84 ]. Bry et al. untersuchten 53 Patienten mit NIV bei OHS (66 % hyperkapnisches Versagen),
wobei in dieser Studie auch Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen und AECOPD
(13 %) mit untersucht wurden [85 ].
Eine retrospektive Studie konnte zeigen, dass der Einsatz von NIV in mehr als 90 %
der Fälle erfolgreich sein kann bei einer mittleren Intensivtherapie von 7 Tagen [78 ].
Bezüglich der Beatmungseinstellung wird auf das Kapitel Technik verwiesen.
3.5.4.2 Nasaler High-Flow vs. NIV bei OHS
Für die akute Hyperkapnie bei OHS gibt es nur einzelne kleine Fallstudien mit alleinigem
Einsatz von NHF [86 ]. Insgesamt fehlen Studien zum akuten respiratorischen Versagen und NHF bei OHS.
Die NIV ist weiterhin die Therapie der ersten Wahl. Die Anwendung von NHF kann als
individuelle Rescue-Therapie bei Intoleranz der NIV oder im Intervall zwischen den
NIV-Anwendungen erwogen werden [87 ].
Nach einer beatmungspflichtigen Exazerbation bei Erstdiagnose eines OHS sollte nach
der Akutbehandlung zeitnah eine Abklärung eines chronischen OHS und OSAS entsprechend
der S2k Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen
respiratorischen Insuffizienz“ mit entsprechender Therapie erfolgen [74 ].
3.6 Neuromuskuläre Erkrankungen und thorakal-restriktive Thoraxwanderkrankungen
Das Feld der neuromuskulären Erkrankungen ist sehr breit und heterogen. Für viele
seltene Erkrankungen liegen zur NIV-Therapie nur Fallberichte oder kleine Fallserien
vor, die eine allgemeine Empfehlung für diese Erkrankungen erschweren. Bisher liegen
auch keine randomisierten Studien zum Vergleich der NIV und invasiven Beatmung bei
akuter respiratorischer Insuffizienz für neuromuskuläre Erkrankungen vor [88 ].
Generell kann aus den bisher vorliegenden Daten geschlossen werden, dass bei akuten
Infektionen bzw. in postoperativen Situationen die erhöhte Atemarbeit von Patienten
mit neuromuskulären Erkrankungen nicht mehr geleistet werden kann. Eine zusätzliche
Verschlechterung der respiratorischen Situation kann durch die häufig vorhandene Abhustschwäche,
oft in Kombination mit einer mehr oder minder ausgeprägten Schluckstörung verursacht
werden [89 ]. Die invasive Beatmung von Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen im Rahmen
akuter Infektionen ist jedoch mit erhöhter Mortalität assoziiert [90 ]
[91 ]
[92 ]
[93 ]. Aufgrund der eingeschränkten Kraft der Atem- und Atemhilfsmuskulatur gibt es häufig
Probleme beim Extubieren der Patienten, was die Anlage eines Tracheostomas erfordert
und zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität, des Sprechens und der Nahrungsaufnahme
führt [92 ]
[93 ]
[94 ]
[95 ]
[96 ]. Durch NIV kann in vielen Fällen die Intubation verhindert werden, wodurch auch
die Mortalität und die Krankenhausverweildauer reduziert werden [93 ]
[96 ]
[97 ]
[98 ]
[99 ]
[100 ]. Der Einsatz der NIV führt auch zu einer Verringerung des Extubationsversagens [94 ]
[101 ]. Wichtig ist dabei, neben der NIV auch aufgrund des häufig bei NME abgeschwächten
Hustenstoßes konsequent ein nichtinvasives Sekretmanagement [102 ], ggf. in Kombination mit Bronchoskopie, durchzuführen.
Die besten Daten zur NIV-Therapie liegen für Motoneuronenerkrankungen/Amyotrophe Lateralsklerose
(ALS) [96 ]
[103 ]
[104 ]
[105 ]
[106 ]
[107 ]
[108 ]
[109 ], die Muskeldystrophie [109 ]
[110 ]
[111 ] und die Myasthenia gravis [93 ]
[112 ]
[113 ]
[114 ]
[115 ]
[116 ] vor.
Bei der ALS ist bekannt, dass durch eine NIV-Therapie bei akuter respiratorischer
Insuffizienz, z. B. im Rahmen einer akuten Pneumonie, in einigen Fällen eine Intubation
verhindert werden kann [96 ]. Zudem kann der frühe Einsatz einer nächtlichen NIV-Behandlung zu einer Verbesserung
der Schlafqualität führen [103 ] und möglicherweise die Notwendigkeit einer dauerhaften Beatmung über ein Tracheostoma
hinauszögern [104 ]
[105 ]. Daher kann es sinnvoll sein, frühzeitig geeignete Patienten zu identifizieren.
Darüber hinaus ist der NIV-Einsatz bei ALS-Patienten ein Baustein der Therapie, um
die Überlebenszeit zu verlängern [105 ]
[106 ]
[107 ]. Dabei ist hervorzuheben, dass Patienten mit deutlich eingeschränkter bulbärer Symptomatik
(Schluckstörung etc.) weniger oder kaum noch von einer NIV-Therapie profitieren [107 ]
[108 ].
Bei den Muskeldystrophien konnte gezeigt werden, dass durch eine NIV-Therapie eine
Intubation bei akuter respiratorischer Insuffizienz in einigen Fällen verhindert werden
kann. Zudem können die Lebensqualität sowie die Hospitalisierungs- und Mortalitätsrate
durch eine Langzeit-NIV-Therapie verbessert werden [109 ]
[110 ]
[111 ].
Bei der Myasthenia gravis, der häufigsten autoimmunen Muskelerkrankung, kann in fast
50 % der Fälle eine Intubation im Rahmen einer akuten respiratorischen Insuffizienz
durch eine NIV-Therapie verhindert werden, was zu einer geringeren Mortalität und
deutlich kürzeren Beatmungszeiten führt [93 ]
[114 ]
[115 ]
[116 ]
[117 ]
[118 ]
[119 ]
[120 ]
[121 ]
[122 ]
[123 ]
[124 ]
[125 ]
[126 ]
[127 ]
[128 ]
[129 ]
[130 ]
[131 ]
[132 ]
[133 ]
[134 ]
[135 ]
[136 ]
[137 ]
[138 ]
[139 ]
[140 ]
[141 ]
[142 ]
[143 ]
[144 ]
[145 ]
[146 ]
[147 ]
[148 ]
[149 ]
[150 ]
[151 ]
[152 ]
[153 ]
[154 ]
[155 ]
[156 ]
[157 ]
[158 ]
[159 ]
[160 ]
[161 ]
[162 ]
[163 ]
[164 ]
[165 ]
[166 ]. Hier scheint, ähnlich wie bei der ALS, das Ausmaß der Dysphagie über den Erfolg
der NIV-Therapie mitzuentscheiden [93 ].
Bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen ist daher beim Fehlen von Kontraindikationen
– in Rücksprache mit einem Neurologen – eine Behandlung mit NIV sinnvoll.
Für Patienten mit thorakal-restriktiven Erkrankungen sind Fallserien bzw. Studien
im Vergleich von NIV mit invasiver Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz
nicht vorhanden. Dennoch wird diese Therapie bei hyperkapnischem Atemversagen in erfahrenen
Zentren regelhaft durchgeführt, v. a., weil die meisten dieser Patienten bei chronisch
ventilatorischer Insuffizienz bereits auf eine außerklinische nichtinvasive Beatmung
eingestellt sind.
Nur für die unmittelbar postoperative Phase nach großen Korrekturoperationen bei Kyphoskoliosen
sind Daten über den Einsatz von NIV zur Verhinderung einer Intubation vorhanden –
hier wird auf das entsprechende Kapitel der Leitlinie verwiesen.
3.7 Akute nichtinvasive Beatmung bei weiteren Indikationen
3.7.1 Asthma-Exazerbation
Schwere Exazerbationen eines Asthma bronchiale können mit einem schweren hypoxischen
aber auch hyperkapnischen Versagen einhergehen. Die NIV ist hierbei noch keine etablierte
Standardtherapie, kann jedoch unter Ausschöpfung aller bronchodilatatorischen Maßnahmen
in Erwägung gezogen werden [117 ]
[118 ].
Im klinischen Alltag scheint die Anwendung der NIV trotz fehlender Evidenz bei akuten
Exazerbationen bereits Routine zu sein und immer mehr Anwendung zu finden. So konnte
eine Zunahme in der Anwendung von NIV bei Asthma-Exazerbationen von 3 % im Jahr 1998
auf 34 % 2016 beobachtet werden [119 ].
Ziel der NIV ist es, den intrinsischen PEEP (PEEPi) zu überwinden, die dynamische
Hyperinflation abzumildern und die Atemarbeit zu reduzieren [120 ]. Pallin et al. empfehlen in ihrer Metaanalyse ein moderat erhöhtes PEEP-Niveau mit
einem driving pressure von 7–10 cm H2 O in Anlehnung an die etablierten Beatmungsformen bei COPD [120 ]. Jedoch konnte in dieser sowie anderen Metaanalysen bislang kein Effekt auf Mortalität,
Intubationsrate oder Intensiv-/Krankenhausaufenthaltsdauer durch Anwendung der NIV
nachgewiesen werden; es werden positive Effekte auf die Atemfrequenz und das Dyspnoe-Empfinden
beschrieben [120 ]
[121 ]
[122 ].
Die Empfehlungen der British Thoracic Society [79 ] raten aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Literatur und Evidenz von
der Anwendung der NIV bei hyperkapnischen Asthma Exazerbationen ab; jedoch sollen
bei wiederholten hyperkapnischen Exazerbationen diese mit den Einstellungen wie bei
der Akut-NIV bei Exazerbationen der COPD behandelt werden. Dies entspricht jedoch
dem Niveau einer Expertenempfehlung, ist bislang nicht durch Studien belegt und sollte
im Rahmen von Einzelfallentscheidungen erfolgen.
In einer – wenn auch retrospektiven – Studie von Althoff et al. in 682 amerikanischen
Intensivstationen mit über 53 000 exazerbierten Asthma-Patienten, die zumindest aufgrund
der hohen Zahl von untersuchten Patienten ein Spiegelbild der realen Versorgungssituation
einschließlich NIV-Anwendung darstellt, konnte für die Anwendung der NIV eine Reduktion
der Intubationsrate bzw. invasiven Beatmung (OR 0,36) und Krankenhaussterblichkeit
(OR 0,48) beobachtet werden [123 ]. Zwar wird in dieser Studie nicht zwischen hypoxischem und/oder hyperkapnischem
Versagen und der Anwendungsparameter der NIV unterschieden, aufgrund der Studiendaten
kann bei akuter hyperkapnischer Exazerbation eines Asthma bronchiale jedoch NIV entsprechend
der Anwendungsempfehlungen der AE-COPD versucht werden.
Zusammenfassend betrachtet scheint die Anwendung der NIV bei hyperkapnischen Asthma-Exazerbationen
ein probater Therapieansatz zu sein und kann entsprechend der Anwendungsempfehlungen
der Akut-NIV bei COPD versucht werden. Wünschenswert sind weitere Studien mit klar
definierten Beatmungseinstellungen und Endpunkten, um die Evidenz in der Anwendung
zu verbessern.
3.7.2 Interstitielle Lungenerkrankungen mit hyperkapnischem Atemversagen
Exazerbationen von interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) präsentieren sich meist
als aggravierte hypoxische respiratorische Insuffizienz (siehe Kapitel 11.5.3.2. Hypoxämische
ARI) [124 ]. Jedoch kann infolge von Einschränkungen der atemmuskulären Mechanik bei meist fortgeschrittener
ILD eine Hyperkapnie eintreten und mit NIV behandelt werden [125 ]
[126 ].
Für den Einsatz der NIV bei akut hyperkapnischen Exazerbationen einer interstitiellen
Lungenerkrankung kann keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden; dennoch kann
diese im Rahmen eines palliativen Settings angewandt werden (vgl. Kapitel Palliativ)
([
Abb. 1
]).
Abb. 1 Algorithmus für NIV als Therapie der hyperkapnischen ARI. DNI: Do not intubate (Patientenverfügung,
nicht zu intubieren). Quelle: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-004 [rerif]
4 ARI bei kardialem Lungenödem
4 ARI bei kardialem Lungenödem
4.1 Empfehlungen und Statements
E12: Bei Patienten mit hypoxämischer ARI bei kardiogenem Lungenödem soll, neben oro-nasaler
Sauerstoffgabe, frühzeitig eine CPAP-Therapie begonnen werden. Dies gilt auch für
die Behandlung von Patienten in der Prähospitalphase oder in der Notaufnahme.
E13: Bei zusätzlicher Hyperkapnie kann neben der Pharmakotherapie primär NIV als Alternative
zu CPAP eingesetzt werden. Sowohl ein adäquater inspiratorischer Druck (IPAP) mit
dem Ziel der alveolären Normoventilation als auch ein ausreichend hoher exspiratorischer
Druck (EPAP), in Analogie zum CPAP, sollten individuell titriert werden.
E14: Während der CPAP bzw. NIV-Therapie soll der arterielle Blutdruck regelmäßig überwacht
werden.
E15: Der Einsatz von CPAP bzw. NIV im Rahmen kardiologischer Interventionen, wie z. B.
perkutane transluminale Koronar-Angioplastie (PTCA), kann im Einzelfall erwogen werden.
S6: Bei Patienten mit hypoxämischer ARI bei kardiogenem Lungenödem dürfen durch die
Adaptation an CPAP bzw. NIV die indizierte Pharmakotherapie sowie die notwendigen
kardiologischen Interventionen, wie z. B. Herzkatheter, nicht verzögert werden.
4.2 CPAP bzw. NIV beim akuten kardialen Lungenödem
Die pulmonale Stauung infolge einer Linksherzinsuffizienz ist die häufigste Ursache
der hypoxämischen ARI. Bei der Behandlung des kardiogenen Lungenödems mittels nichtinvasiver
Beatmung ist die Atmungsunterstützung durch Aufrechterhaltung eines gleichbleibenden,
kontinuierlichen, positiven Atemwegsdruckes (CPAP, Continuous Positive Airway Pressure)
von anderen Formen der NIV zu unterscheiden, die einen positiven exspiratorischen
Atemwegsdruck (PEEP, Positive end-expiratory Pressure) mit einer zusätzlichen, inspiratorischen
Druckunterstützung kombinieren. Die am besten untersuchten Verfahren dieser im Weiteren
zur Abgrenzung gegenüber CPAP unter dem Begriff NIV zusammengefassten Beatmungsformen
sind die NIPPV (Non-Invasive Positive Pressure Ventilation) und BiPAP (Bilevel Positive
Airway Pressure).
4.3 Studienlage und Evidenz für CPAP bzw. NIV beim akuten kardialen Lungenödem
In Anlehnung an die S3-Leitlinie „Infarktbedingter Kardiogener Schock“ [7 ] sollte beim infarktbedingten Kardiogenen Schock eine invasive Beatmung bevorzugt
werden (Expertenkonsens). Im Einzelfall kann jedoch auch eine nichtinvasive Beatmung
erwogen werden.
In zahlreichen Studien wurden die Effekte der nichtinvasiven Beatmung bei kardialem
Lungenödem (CPE = Cardiac Pulmonary Edema) untersucht [127 ]. Dabei wurden i. d. R. nichtinvasive Beatmung unabhängig vom Beatmungsmodus vs.
Standardtherapie mit O2 -Gabe, CPAP vs. Standardtherapie mit O2 -Gabe, NIV (NIPPV oder BiPAP) vs. Standardtherapie mit O2 -Gabe und NIV (NIPPV oder BiPAP) vs. CPAP verglichen. Endpunkte der Untersuchungen
waren i. d. R. die Letalität, die Intubationsrate, die Inzidenz von Myokardinfarkten,
die Verbesserung verschiedener physiologischer Parameter oder andere prädefinierte
Indikatoren für ein Behandlungsversagen.
Die bisher größte Studie (3CPO-Trial) schloss insgesamt 1069 Patienten ein, die entweder
mit CPAP (n = 346), NIPPV (n = 356) oder O2 -Gabe (n = 367) behandelt wurden [128 ]. Allerdings führte die fehlende Toleranz gegenüber dem zugewiesenen Verfahren bei
relativ vielen Patienten zu einem Crossover in eine andere Therapieform (von O2 -Gabe zu NIV oder CPAP: n = 56/367 (15 %); von NIV oder CPAP zu O2 -Gabe: n = 80/702 (11 %). Weder für den Vergleich zwischen nichtinvasiver Beatmung
(CPAP oder NIV) und O2 -Insufflation noch für den Vergleich zwischen NIV und CPAP zeigten sich Unterschiede
hinsichtlich der Letalität (7-Tage und 30-Tage), Intubationsrate, Einweisung auf die
ICU und Inzidenz eines Myokardinfarktes. CPAP und NIV führten im Vergleich zur O2 -Gabe lediglich zu einer rascheren Verbesserung der Dyspnoe und Normalisierung der
Herzfrequenz, Azidose und Hyperkapnie.
Metaanalysen, die den 3CPO-Trial einschlossen, kamen zu vergleichbaren Ergebnissen
[127 ]
[129 ]
[130 ]. Im Vergleich zur Standardtherapie mit O2 -Gabe führte CPAP zu einer Reduktion der Krankenhausmortalität (relatives Risiko [RR],
0,65 [95 %-KI: 0,48–0,88]) und der Intubationsrate (RR 0,46 [KI: 0,34–0,62]), nicht
jedoch zu einer signifikanten Änderung der Inzidenz von erneuten Myokardinfarkten
[127 ]. NIV führt im Vergleich zur Standardtherapie mit O2 -Gabe ebenfalls zu einer Reduktion der Krankenhausmortalität (RR 0,72 [95 %-KI: 0,53–0,98])
sowie der Intubationsrate (RR 0,50 [KI: 0,31–0,81), hat jedoch keinen relevanten Einfluss
auf die Inzidenz von Myokardinfarkten [127 ]. CPAP und NIV zeigten ähnliche Effekte auf die Krankenhausmortalität, die Intubationsrate
und die Inzidenz von Myokardinfarkten [127 ]. Allerdings zeigte sich beim Vergleich von CPAP und NIV mit fixierten inspiratorischen
Drücken eine niedrigere Inzidenz von Myokardinfarkten unter CPAP [130 ] als unter NIV. Dieser Unterschied trat beim Vergleich von CPAP und NIV mit titrierten
inspiratorischen Drücken nicht auf [130 ].
Die CPAP und die NIV-Therapie können v. a. bei Patienten mit reduzierter Vorlastreserve
und Hypotonie zu einer Reduktion des Herzzeitvolumens und des arteriellen Blutdrucks
führen. Die Ursache ist der Anstieg des intrathorakalen Drucks, der den venösen Rückfluss
und die rechts- und linksventrikuläre Vorlast verringern kann. Daher soll während
der CPAP bzw. NIV-Therapie der arterielle Blutdruck regelmäßig überwacht werden [131 ].
Einige Studien verglichen den Einsatz der Standardtherapie mit dem Boussignac-CPAP.
Dabei handelt es sich um einen einfachen Resistor, der in die O2 -Insufflation integriert werden kann und in Abhängigkeit vom Gasfluss einen variablen,
kontinuierlichen Atemwegsdruck aufbaut. Dieses System benötigt keinen Respirator und
kann daher auf peripheren Stationen, im Prähospitaleinsatz und in der Notaufnahme
eingesetzt werden. In einer multizentrischen, randomisiert kontrollierten Studie an
120 Patienten verglichen Moritz et al. das Boussignac-CPAP mit klassischer NIV (BiPAP)
und fanden keine Unterschiede bezüglich eines kombinierten Endpunktes aus Intubationsrate,
Auftreten eines Myokardinfarktes und Versterben innerhalb der ersten 24 Stunden nach
Beginn der Therapie in der Notaufnahme [132 ]. Dieses Ergebnis war unabhängig vom Vorliegen einer Hyperkapnie (PaCO2 ≥ 45 mmHg).
Auch in einer weiteren multizentrischen, randomisiert kontrollierten Studie an 200
Patienten fanden sich keine Unterschiede hinsichtlich Letalität, Auftreten eines Myokardinfarktes
und Intubationsrate zwischen Boussignac-CPAP und NIV mit einem Respirator beim Einsatz
in der Notaufnahme [133 ]. NIV führte lediglich zu einer rascheren Verbesserung des Gasaustauschs als das
Boussignac-CPAP. Auch in dieser Studie war das Ergebnis unabhängig vom Vorliegen einer
Hyperkapnie (PaCO2 ≥ 45 mmHg) oder einem BNP > 500 pg/ml.
Offene Fragen sind noch der optimale Zeitpunkt der CPAP- bzw. NIV-Therapie wie auch
die Fragestellung, ob bei Versagen von CPAP der nachfolgende Einsatz von NIV sinnvoll
sein kann.
4.4 Bewertung der Studienlage
Die meisten Autoren der Metaanalysen und systematischen Reviews kamen zu dem Ergebnis,
dass CPAP und NIV als gleichwertig zu werten seien und der Einsatz im Wesentlichen
von den technischen Gegebenheiten der einzelnen Institutionen abhängig gemacht werden
sollte.
Daher soll basierend auf den systematischen Reviews und Metaanalysen der vorliegenden
randomisierten Studien bei Patienten mit hypoxämischer ARI bei kardiogenem Lungenödem
und fehlenden Ausschlusskriterien ein Behandlungsversuch mit CPAP nach initialer nasaler
Sauerstoffapplikation und Pharmakotherapie unternommen werden. Dabei gilt grundsätzlich
für alle Patienten mit kardial bedingtem Lungenödem die Einhaltung diagnostischer
und therapeutischer Schritte entsprechend den Leitlinien zur akuten Herzinsuffizienz
[131 ] und des akuten Koronarsyndroms [134 ]. So soll insbesondere bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt und Lungenödem möglichst
rasch eine perkutane transluminale Koronar-Angioplastie (PTCA) erfolgen [131 ]
[134 ].
Die Therapie mit NIV bzw. CPAP darf keine anderen kardiologisch notwendigen Maßnahmen
verzögern [131 ]
[134 ].
Aufgrund der derzeitigen Daten spricht auch eine zusätzliche Hyperkapnie nicht zwingend
für den primären Einsatz der NIV bei diesem Patientenkollektiv [135 ]. Allerdings senkt bei intubierten Patienten die inspiratorische Druckunterstützung
den Sauerstoffverbrauch der Atemmuskeln im Vergleich zur Atmungsunterstützung durch
CPAP [136 ]. Bei NIV führt die inspiratorische Druckunterstützung im Vergleich zur CPAP-Behandlung
zur effektiven Entlastung der Atemmuskeln und Reduktion der Hyperkapnie bei gleichen
hämodynamischen Effekten [137 ]
[138 ]. Aufgrund dieser pathophysiologischen Erwägungen und der Ergebnisse der Metaanalyse
von Winck et al., die für die Gruppe der Patienten mit Lungenödem und einem PaCO2 ≥ 50 mmHg einen statistisch nicht signifikanten Vorteil der NIV im Hinblick auf die
Intubationsnotwendigkeit und Mortalität zeigt, ist bei Patienten mit Lungenödem und
Hyperkapnie NIV möglicherweise einer CPAP-Behandlung vorzuziehen [139 ]. Wenngleich kein Vorteil einer NIV gegenüber einer CPAP-Behandlung gezeigt wurde,
ist aufgrund pathophysiologischer Überlegungen und fehlender negativer Effekte der
Einsatz einer NIV bei hyperkapnischen Patienten dennoch sinnvoll [129 ]
[130 ].
Bei der NIV-Einstellung ist neben der adäquaten, individuell titrierten inspiratorischen
Druckunterstützung zur Sicherstellung einer ausreichenden alveolären Ventilation auch
auf die Anwendung eines ausreichenden endexspiratorischen Drucks, der in der Höhe
dem einer alleinigen CPAP-Therapie entspricht, zu achten. Die CPAP- bzw. titrierte
NIV-Therapie führt nicht zu einer erhöhten Rate an Myokardinfarkten [129 ]
[130 ].
Auch wenn CPAP- oder NIV-Behandlung bei Lungenödem im Rahmen einer PTCA bisher nicht
untersucht wurden, kann ein Behandlungsversuch im Einzelfall erwogen werden. Welche
Technik dabei zur Anwendung kommt, hängt von den Gegebenheiten ab.
Zeichnet sich innerhalb von 2 Stunden keine Besserung des PaCO2 - und des pH-Wertes ab, sollten i. d. R. der Abbruch der CPAP- bzw. NIV-Therapie und
die Einleitung einer invasiven Beatmung erfolgen, bei gleichzeitiger Fortführung der
Basistherapie.
Zu beachten ist, dass in einer Metaanalyse bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt
und häufig begleitendem Lungenödem eine liberale Sauerstoffapplikation, die zu Sauerstoffsättigungen
von 94–99 % führt, mit einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert ist [140 ].
Belastbare Daten hinsichtlich der Effekte einer High-Flow-Sauerstofftherapie bei akutem
Lungenödem im Hinblick auf die Mortalität gibt es aktuell nicht [141 ].
In diesem Kontext kann daher eine High-Flow-Sauerstofftherapie bei hypoxämischer ARI
als Folge eines kardiogenen Lungenödems aktuell nicht empfohlen werden.
5 Hypoxämische ARI, nicht kardial bedingt
5 Hypoxämische ARI, nicht kardial bedingt
5.1 Empfehlungen und Statements
S7 mit E16: Bei akuter hypoxämischer ARI mit nur leicht oder moderat gestörtem Gasaustausch
(PaO2 /FiO2 > 150 mmHg) konnte bislang kein Vor- oder Nachteil von CPAP/NIV im Vergleich zur
High Flow Nasal Oxygen (HFNO)-Therapie nachgewiesen werden. Daher kann im Einzelfall
an Stelle von CPAP/NIV auch ein Therapieversuch mit HFNO erwogen werden.
E17: Immunsuppression: Bei immunsupprimierten erwachsenen Patienten mit einer akuten
respiratorischen Insuffizienz, die bei Aufnahme auf die ICU keine Kriterien für ein
NIV-Versagen (Faktoren, die mit der Wahrscheinlichkeit eines NIV-Versagens einhergehen,
sind ein erhöhter SOFA-Score, Atemfrequenz, bakterielle/opportunistische Infektionen,
niedrige paO2 /FiO2 -Ratio sowie eine Sepsis) aufweisen, kann ein CPAP-Versuch/High-Flow unter Beachtung
von Kontraindikationen durchgeführt werden.
S8: Ein (CPAP)-NIV-Versuch erfordert eine klare Festlegung von Abbruchkriterien, um
die Intubation nicht zu verzögern.
S9: NIV ist keine Routinemaßnahme bei Trauma-/Verbrennungspatienten.
E18 Bei Traumapatienten mit Hypoxämie trotz adäquater Analgesie und suffizienter O2 -Insufflation kann ein Therapieversuch mit NIV unter Beachtung von Kontraindikationen
durchgeführt werden.
E19: Bei mittelschwerem bis schwerem ARDS (PaO2 /FiO2 < 150 mmHg) kann im Einzelfall ein Therapieversuch mit CPAP/NIV und/oder High-Flow
unternommen werden.
E20: CPAP/NIV bei ARDS kann in einem milden oder moderaten Stadium und bei ausgewählten
Patienten ohne oder mit nur geringgradigen zusätzlichen Organversagen eingesetzt werden
E21: Der Einsatz von CPAP/NIV bei ARDS soll ausschließlich unter kontinuierlichem
apparativem und klinischem Monitoring und ständiger Intubationsbereitschaft erfolgen.
E22: Präoxygenierung: NIV sollte zur Präoxygenierung und unmittelbaren Beatmung vor
der endotrachealen Intubation bei akut hypoxämischen Patienten eingesetzt werden.
S10: Für die Therapie des akuten hypoxämischen Versagens bei COVID-Pneumonie wird
auf die jeweils aktuelle S3-LL „Stationäre Therapie der COVID-Infektion“ verwiesen.
5.2 Allgemeine Aspekte von CPAP bzw. NIV und High Flow Nasal Oxygen
5.2.1 Studienlage
Die Datenlage zur Anwendung von CPAP bzw. NIV bei der hypoxämischen ARI ist insgesamt
schwierig zu werten, da eine Hypoxämie bei einer Vielzahl verschiedener Erkrankungen
als gemeinsames Symptom resultieren kann und nur wenige Studien prospektiv CPAP bzw.
NIV an homogenen Kollektiven mit der gleichen Grunderkrankung (z. B. ambulant erworbene
Pneumonie oder Thoraxtrauma mit Lungenkontusion oder sekundäres ARDS bei Sepsis) untersucht
haben. Zusätzlich gibt es Hinweise, dass die Art des NIV-Interfaces (Helm vs. Gesichtsmaske)
einen Einfluss auf den Therapieerfolg haben könnte [142 ]
[143 ]. Daher können hier keine generellen Empfehlungen für die unterschiedlichen Formen
der Hypoxämie und die NIV im Allgemeinen gegeben werden. Wo dies möglich ist, werden
jedoch die einzelnen Patientengruppen angesprochen.
5.2.2 Auswirkungen auf die Ventilation, Oxygenierung und Atemmechanik
Das wesentliche Ziel in der Behandlung der hypoxämischen ARI ist die Verbesserung
der Belüftung der Lunge durch eine Vergrößerung oder Normalisierung der pathologisch
verminderten funktionellen Residualkapazität (Functional Residual Capacity, FRC).
Dies kann zum einen durch die Vermeidung eines endexspiratorischen Kollapses alveolärer
Bezirke mittels PEEP oder CPAP erreicht werden. Zusätzlich kann durch Erhöhung des
transpulmonalen Druckes (z. B. durch eine inspiratorische Druckunterstützung) eine
Wiedereröffnung von kollabiertem Lungengewebe in der Inspiration erreicht werden.
Idealerweise werden beide Ansätze miteinander verknüpft, um das inspiratorisch eröffnete
Lungengewebe auch exspiratorisch offen zu halten. Die Erhöhung der FRC führt auch
häufig zur Verbesserung der Compliance und damit zu einer Reduktion der Atemarbeit.
Kommt es durch die Vergrößerung der FRC durch PEEP oder CPAP jedoch zu einer Überblähung,
kann die Atemarbeit auch ansteigen.
5.2.3 Möglichkeiten und Grenzen von CPAP bzw. NIV bei Atelektasenbildung
Schon extrem kurze, nur 0,2–0,4 Sekunden dauernde Abfälle des Atemwegsdrucks (z. B.
durch Diskonnektion oder Leckage des Beatmungssystems) können bei ausgeprägten Formen
des Lungenversagens unmittelbar zum Kollaps alveolärer Areale (Derecruitment) und
zum akuten Wiederauftreten einer schweren Hypoxämie führen. Somit stellt die NIV bei
der hypoxämischen ARI eine besondere Herausforderung an die Dichtigkeit der verwendeten
Interfaces, die Höhe des vom Patienten tolerierten PEEP-Niveaus und die Dauer der
Beatmung dar. Auf jeden Fall muss ein für die Hypoxämie verwendbares System Druckkonstanz
kontinuierlich über lange Zeiten liefern. Diese andauernde Anwendung der NIV geht
häufig mit Problemen hinsichtlich der Toleranz, der Pflege, beim Essen, Trinken und
der Kommunikation einher und kann lokale Komplikationen wie z. B. Hautulzerationen
und Augenirritationen verursachen. In diesem Kontext gibt es erste Hinweise, dass
der Beatmungshelm möglicherweise als NIV-Interface bevorzugt verwendet werden sollte.
5.2.4 Erfolgs- und Abbruchkriterien
Die Erfolgskriterien für eine effektive NIV sind in der [
Tab. 3
] zusammengefasst. Die Abbruchkriterien einer NIV-Behandlung ergeben sich daher zwangsläufig
aus einem Ausbleiben der Erfolgskriterien ([
Tab. 3
]) wie z. B. fehlende Besserung der Dyspnoe, fortbestehende Tachypnoe, Verschlechterung
oder ausbleibende Verbesserung einer kritischen Hypoxämie oder Hyperkapnie mit zunehmender
Azidose oder aber Vigilanzverschlechterung bzw. zunehmende Agitiertheit des Patienten.
5.2.5 HFNO bei akuter hypoxämischer ARI
Die Gabe von Sauerstoff mit hohen Flussraten (> 40 l/min) in einer definierten Konzentration
durch großlumige nasale Kanülen wird als High Flow Nasal Oxygen (HFNO)-Therapie beschrieben.
Durch ein Auswaschen von Luft aus den oberen Atemwegen verkleinert HFNO den Totraum,
wodurch es im Vergleich zur konventionellen Sauerstoffgabe zu einer Reduktion der
Atemarbeit, einer Abnahme der Atemfrequenz und einer Verbesserung der Oxygenierung
kommt [144 ]. Nachdem Frat und Mitarbeiter 2015 in einer Multicenterstudie zeigen konnten, dass
HFNO im Vergleich zu NIV bei Patienten mit akuter hypoxämischer ARI sowohl die Intubationsrate
senkt als auch die Mortalität vermindert, fand diese Therapie schnell eine weite Verbreitung
in der Intensivmedizin zur Behandlung akut hypoxämischer Patienten [145 ]. In einer Netzwerkmetaanalyse, welche NIV, HFNO und konventionelle Sauerstoffgabe
vergleicht, konnten Ferreyro und Mitarbeiter allerdings keinen Vorteil von HFNO gegenüber
NIV herausarbeiten [142 ]. Auch eine aktuelle Cochrane-Analyse vergleicht HFNO mit NIV oder konventioneller
Sauerstoffgabe in einem gemischten Patientengut mit akuter hypoxämischer und/oder
hyperkapnischer respiratorischer Infuffizienz [141 ]. HFNO führt im Vergleich zu konventioneller Sauerstoffgabe bei diesen Patienten
lediglich seltener zur Notwenigkeit einer Therapieeskalation, während andere Outcome-Parameter
nicht oder nicht sicher beeinflusst werden. Im Vergleich zu NIV konnten für HFNO keinerlei
relevanten Outcome-Unterschiede nachgewiesen werden. Somit scheinen nach gegenwärtigem
Wissensstand NIV/CAP und HFNO bei Patienten mit hypoxämischer ARI und mild oder nur
moderat gestörtem Gasaustausch (PaO2 /FiO2 > 150 mmHg) im Hinblick auf das Patienten-Outcome gleichwertig zu sein.
5.3 Spezifische Indikationen für CPAP bzw. NIV
5.3.1 NIV bei immunsupprimierten Patienten
Ausgehend von den über 20 Jahren alten Arbeiten von Hilbert et al. [146 ] und Antonelli et al. [147 ] fand die NIV einen breiten Eingang in die Behandlung von respiratorischem Versagen
bei immunsupprimierten Patienten mit einer hohen Empfehlung und Evidenz in vielen
Leitlinien. NIV führte, wenn sie zur Vermeidung einer Intubation eingesetzt wurde,
zu einer drastischen Senkung der Sterblichkeitsrate. Allerdings sind die Intubationsrate
und die Sterblichkeit bei immungeschwächten Patienten, die eine invasive Beatmung
benötigen, in den letzten Jahren zurückgegangen [148 ]
[149 ]. Seit Hilbert und Antonelli haben mehrere Studien die Auswirkung der NIV bei immunsupprimierten
Patienten untersucht. Die meisten haben bestätigt, dass der Erfolg der NIV (z. B.
Vermeidung einer Intubation) mit einer geringeren Sterblichkeitsrate verbunden war.
Allerdings war die invasive Beatmung nach einem Versagen der NIV mit einer höheren
Sterblichkeitsrate verbunden, die sogar höher war als die Sterblichkeitsrate bei einer
primären invasiven Beatmung [150 ]
[151 ]
[152 ]
[153 ]
[154 ]. Es schien sogar, dass ein NIV-Versagen in der Gruppe der immunsupprimierten Patienten
häufiger war als in der nicht immunsupprimierten Gruppe [152 ]. Allerdings konnte diese These nicht bestätigt werden [155 ].
In einer randomisierten Studie aus dem Jahr 2015 wurden 374 immungeschwächte Patienten
mit ARF entweder mit NIV oder mit Sauerstoff behandelt. Primärer Endpunkt war die
28-Tage-Sterblichkeitsrate. Nahezu 40 % der Gesamtpopulation mussten während des Aufenthalts
auf der Intensivstation intubiert werden. Die Sterblichkeitsrate am Tag 28 lag in
der Standard-Sauerstoffgruppe bei 27 % und in der NIV-Gruppe bei 24 % (P = 0,43).
Die Studie zeigte keine weiteren Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen
in Bezug auf die Intubationsraten (38,2 vs. 44,8 %; p = 0,25) und die Sterblichkeit
der intubierten Patienten [156 ]. In einer neueren Studie wurde die Notwendigkeit einer Intubation mit der Sterblichkeit
in Verbindung gebracht, wobei die Sterblichkeitsrate bei NIV- oder High-Flow-Sauerstoff
(HFO)-Versagen höher war [157 ]. Von der gleichen Arbeitsgruppe wurde eine Post-hoc-Analyse durchgeführt [158 ]. In die Auswertung wurden Patienten mit hämatologischen Malignomen und ARF aufgenommen,
die bei der Krankenhausaufnahme nicht intubiert waren. Anhand eines Propensity-Score-Ansatzes
wurden die Auswirkungen der NIV im Vergleich zur ausschließlichen Sauerstoffgabe auf
die Krankenhaussterblichkeit bewertet. Bei der Aufnahme auf die Intensivstation erhielten
142 Patienten eine NIV, während 238 Patienten nur Sauerstoff erhielten. 55 Patienten
in jeder Gruppe (NIV oder nur Sauerstoff) wurden nach dem Propensity Score gematcht.
Die NIV war nicht mit einer geringeren Krankenhausmortalität verbunden (OR 1,5 [0,62–3,65]).
Das Gleiche zeigt auch eine Post-hoc-Analyse der FLORALI-Studie von Frat et al. [159 ]. Die Intubation führte bei Patienten, die mit der Kombination aus HFO und NIV behandelt
wurden, zu mehr nosokomialen Pneumonien, septischen Schocks und einer höheren Sterblichkeit
am Tag 90 als bei Patienten in der HFO-Gruppe (15 vs. 46 %; p = 0,046). Die Autoren
stellten die Hypothese auf, dass die NIV aufgrund der erhöhten Tidalvolumina (> 9 ml/kg)
die Inzidenz von beatmungsbedingten Lungenschäden erhöht haben könnte. Ebenso ist
eine frühzeitige Intubation signifikant mit einer geringeren Sterblichkeit verbunden
(OR 0,83 [0,72–0,96]), unabhängig von der anfänglichen Oxygenierungsstrategie [148 ]. Eine Metaanalyse hat die Effektivität der NIV bei immunsupprimierten Patienten
untersucht. Es wurden 9 randomisierte Studien mit 1570 Patienten eingeschlossen [160 ]. NIV war mit einer signifikant geringeren Intubationsrate im Vergleich zur Standardsauerstofftherapie
verbunden (OR: 0,53; 95 %-CrI: 0,26–0,91). Es gab keine signifikante Verringerung
der Intubationsrate zwischen NIV und HFNC (OR: 0,83; 95 %-CrI: 0,35–2,11) oder HFNC
und Standardsauerstofftherapie (OR: 0,65; 95 %-CrI: 0,26–1,24). Es gab keine signifikanten
Unterschiede zwischen allen Gruppen in Bezug auf die Kurzzeitmortalität (28 Tage oder
Intensivstation) oder die Langzeitmortalität (90 Tage oder Krankenhaus) oder die auf
der Intensivstation erworbenen Infektionen (P > 0,05). Die Arbeitsgruppe um Dumas
et al. hat sich mit unterschiedlichen Oxygenierungs/NIV Strategien und dem Risiko
für eine Intubation bei immunsupprimierten Patienten beschäftigt [161 ]. Es wurden in den ersten 3 Tagen nach ICU-Aufnahme NIV gegen Sauerstoffgabe und
gegen HFNO getestet. Sowohl einzeln als auch in Kombination. Die Ergebnisse dieser
Studie zeigen, dass es keinen Unterschied zwischen verschiedenen nichtinvasiven Beatmungsstrategien
und der Wahrscheinlichkeit einer mechanischen Beatmung während der ersten 3 Tage auf
der Intensivstation bei einer großen Gruppe immungeschwächter Patienten mit hypoxämischer
ARF gibt. Auch hier zeigt sich, dass eine verspätete Intubation mit einer erhöhten
Mortalität einhergeht.
Die zuvor aufgeführten neueren Studien haben gezeigt, dass ein Versagen der NIV häufig
vorkommt und bei 40–50 % dieser Patienten zu einer Intubation führt. In den letzten
Jahren lag die Intubationsrate bei immungeschwächten Patienten, die wegen ARF auf
die Intensivstation aufgenommen wurden, eher bei 40 %; NIV hat nach Berücksichtigung
des Schweregrads der Erkrankung nicht zu einer geringeren Krankenhaus- oder Intensivstationssterblichkeit
geführt [162 ].
Faktoren, die ein NIV-Versagen vorhersagen, wurden in der Studie von Barreto et al.
untersucht [163 ]. In dieser prospektiven Interventionsstudie wurde ein Protokoll zur Beatmungsunterstützung
bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien, die mit ARF auf einer Intensivstation
aufgenommen wurden, evaluiert. Ein erhöhter SOFA-Score sowie eine erhöhte Atemfrequenz
und Sepsis zum Zeitpunkt der Aufnahme auf der Intensivstation waren unabhängig voneinander
mit der Notwendigkeit einer Intubation bei Patienten verbunden, die zunächst mit NIV
behandelt wurden. Auch in dieser Studie war ein NIV-Versagen mit einer erhöhten Mortalität
verbunden, verglichen mit Patienten, die direkt intubiert worden sind. Die Studiengruppe
von Lemiale et al. hat in einem ähnlichen Setting versucht Faktoren herauszufiltern,
die in Anhängigkeit vom initialen Oxygenierungsmanagement (O2 , NIV, HFNO, NIV + HFNO), mit einer erhöhten Intubationswahrscheinlichkeit einhergehen
[164 ]. Bilaterale alveoläre Verschattungen (OR = 1,67 [1,03–2,69]; p = 0,04), bakterielle
(OR = 1,98 [1,07–3,65]; p = 0,03) oder opportunistische Infektionen (OR = 4,75 [2,23–10,1];
p < 0,001), die Verwendung von NIV (OR = 2,85 [1,73–4,70]; p < 0,001), ein hoher SOFA-Score
(OR = 1,19 [1,10–1,28]; p < 0,001) und PaO2 /FiO2 -Ratio unter 100 mmHg bei Aufnahme auf der -Intensivstation (OR = 1,96 [1,27–3,02];
p = 0,0002) waren unabhängig voneinander mit der Intubationsrate assoziiert.
Eine Ausnahme stellen Patienten in einem palliativen Setting dar bzw. Patienten, die
in einer Patientenverfügung eine Intubation ausschließen. In einer Arbeit von Nava
et al. wurde die Akzeptanz und Wirksamkeit einer NIV im Vergleich zur Sauerstofftherapie
im Hinblick auf die Verringerung von Dyspnoe und der Menge der benötigten Opiate bei
Patienten mit soliden Tumoren mit einer Lebenserwartung < 6 Monate untersucht [165 ]. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass NIV im Vergleich zu Sauerstoff die Dyspnoe
und die benötigte Morphindosis bei Patienten mit Krebs im Endstadium wirksamer reduziert.
Mortalitätsraten waren in beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Die Patienten
in der NIV-Gruppe gaben eine allgemein gute Verträglichkeit des Devices an. NIV kann
im palliativen Setting im Sinne einer Lebensqualitätsverbesserung angewendet werden.
5.3.2 Ambulant erworbene Pneumonie
Kohortenstudien legen nahe, dass die Rate der endotrachealen Intubation bei Patienten
mit ambulant erworbener Pneumonie, die mit nichtinvasiver Beatmung behandelt werden,
bei etwa 48 % (Range 32–67 %) liegt. Die Mortalität in diesen Studien lag zwischen
12 und 28 % [166 ]
[167 ]
[168 ]
[169 ]
[170 ]
[171 ]
[172 ]
[173 ]
[174 ]
[175 ]
[176 ]. Eine relevante Limitation dieser Studien ist der Einschluss von Patienten mit COPD.
Diese Patienten profitieren zweifelsohne von einer NIV bei hyperkapnischem Versagen
und sollten daher aus dieser Betrachtung ausgenommen werden. In einer prospektiven
Kohortenstudie beschreiben Jolliet et al. [174 ] die Effekte von NIV bei schwerer ambulant erworbener Pneumonie. Obwohl durch NIV
die Oxygenierung bei den meisten Patienten deutlich verbessert werden konnte und auch
die Atemfrequenz von durchschnittlich 34/min auf 28/min abnahm, mussten letztlich
16 der 24 Patienten intubiert werden. Acht dieser 16 Patienten verstarben. Demgegenüber
verstarb keiner der 8 Patienten, die ausschließlich mit NIV behandelt wurden. Carron
und Mitarbeiter identifizierten in einer prospektiven Beobachtungsstudie an 64 Patienten
das Ausbleiben einer Verbesserung des PaO2 /FiO2 und des Oxygenierungsindex nach einem einstündigen NIV-Versuch als besten Prädiktor
für ein NIV-Versagen [175 ].
Randomisierte, kontrollierte Studien, die NIV mit einer Standardbehandlung bei erwachsenen
CAP-Patienten untersuchen, sind selten. Insgesamt liegen 3 Studien vor, die insgesamt
175 Patienten randomisierten [176 ]
[177 ]
[178 ]. Eine prospektiv-randomisierte Studie von Ferrer et al. weist zwar Patienten mit
CAP separat aus, untersucht jedoch die Rolle der NIV nach Intubation in Bezug auf
Reintubation und Weaning [179 ].
In der prospektiven, randomisierten, multizentrischen Studie von Confalonieri et al.
[180 ] wurden insgesamt 56 Patienten untersucht, von denen allerdings 23 Patienten an einer
COPD als Grunderkrankung litten, sodass bei diesen Patienten ein „acute on chronic
respiratory failure“ vorlag. Im Gesamtkollektiv führte NIV zu einer signifikant geringeren
Intubationshäufigkeit und verkürzte die Therapiedauer auf der Intensivstation. Die
Analyse der Subpopulationen COPD und non-COPD ergab jedoch, dass die Verbesserung
nur für die COPD-Gruppe nachweisbar war.
Brambilla et al. randomisieren insgesamt 81 Pneumoniepatienten mit ausgeprägter respiratorischer
Insuffizienz (PaO2 /FiO2 130–150 mmHg) zu CPAP (mit Beatmungshelm als Interface) oder konventioneller Therapie
und zeigten, dass Helm-CPAP das Risiko einer endotrachealen Intubation signifikant
reduzieren kann (0,24; 95 %-KI: 0,11–0,51; p < 0,001) [177 ].
In einer prospektiv-randomisierten Multizenterstudie wurde bei 200 Pneumoniepatienten
(> 90 % CAP und < 10 % nosokomiale Pneumonie), welche die Kriterien für ein mildes
ARDS (PaO2 /FiO2 ca. 230 mmHg) erfüllten, eine Standardsauerstofftherapie gegen NIV mit einer Mund-Nasen-Maske
verglichen [181 ]. Diese Arbeit ergab keine Unterschiede im Hinblick auf die Intubationsrate, Behandlungsdauer
im Krankenhaus oder auf der Intensivstation und Mortalität.
In 3 Studien [175 ]
[176 ]
[177 ] wurde der Beatmungshelm als Interface eingesetzt, um den Patientenkomfort und die
Toleranz gegenüber der NIV zu erhöhen, Leckagen zu minimieren und einen kontinuierlichen
Einsatz zur Vermeidung von Atemwegsdruckabfällen zu vereinfachen. Gegenüber Standardtherapie
mit O2 -Gabe führte NIV mit dem Beatmungshelm zu einer schnelleren Verbesserung der Gasaustauschparameter.
Effekte der Auswahl des Interface auf das Überleben und die Intubationsrate wurden
nicht untersucht. Somit ist ein Therapieversuch mit NIV bei schweren Formen der ambulant
erworbenen Pneumonie bei Patienten mit COPD – unter Beachtung der Kontraindikationen
und Abbruchkriterien – gerechtfertigt. Hinsichtlich des Interface scheint der Beatmungshelm
Vorteile gegenüber den üblichen Gesichtsmasken aufzuweisen. Nicht-invasive Beatmung
bei ambulant erworbener Pneumonie kann wahrscheinlich die Rate der Patienten, die
eine endotracheale Intubation benötigen, reduzieren. Bezüglich der Mortalität auf
der Intensivstation und der Gesamtmortalität kann aufgrund der insgesamt geringen
Fallzahl randomisierter Patienten keine Aussage getroffen werden.
5.3.3 Trauma/Verbrennung
Zwei retrospektive [182 ]
[183 ], 3 prospektive Kohortenstudien [184 ]
[185 ]
[186 ] und 3 RCTs [187 ]
[188 ]
[189 ] untersuchten den Einsatz von CPAP bzw. NIV bei Trauma- und Verbrennungspatienten.
Gegenüber alleiniger O2 -Insufflation reduzierte NIV die Intubationsrate und die Krankenhausverweildauer jedoch
nicht die Mortalität [189 ] bzw. führten CPAP [182 ]
[184 ] und NIV [186 ] zu einer Verbesserung des Gasaustausches, des Atemmusters und der Hämodynamik beim
Thoraxtrauma. Gegenüber invasiver, druckunterstützter Spontanatmung zeigte sich in
einer Arbeit die Gleichwertigkeit der NIV bezüglich des Gasaustausches und dem Atemmuster
[185 ]. In der Untersuchung von Gunduz et al. hingegen hatten invasiv beatmete Patienten
in den ersten beiden Behandlungstagen gegenüber der CPAP-Gruppe eine bessere Oxygenierung.
Im Vergleich zur invasiv beatmeten Gruppe wiesen die mit CPAP und patientenkontrollierter
Analgesie behandelten Patienten jedoch eine signifikante Reduktion der Häufigkeit
nosokomialer Infektionen und einen signifikanten Anstieg der Überlebensrate auf [188 ]. Über eine Reduktion der Rate nosokomialer Pneumonien in der CPAP-Gruppe gegenüber
invasiver Beatmung hatten bereits Bolliger et al. berichtet [187 ], wobei Unterschiede beim Injury Severity Score zwischen intubierten und nicht intubierten
Patienten bestanden, sodass die Ergebnisse hiervon beeinflusst sein können. Andere
Untersucher hingegen konnten keine Unterschiede in der Häufigkeit von Komplikationen
zwischen NIV und invasiver Beatmung finden [185 ]. Ebenso führte der Einsatz von CPAP im Vergleich zur invasiven Beatmung in einer
Studie zu einer Verkürzung der Liegedauer auf Intensivstation und im Krankenhaus [187 ], was jedoch von anderen Untersuchern nicht bestätigt werden konnte [188 ].
Basierend auf dieser Datenlage erscheint ein Therapieversuch mit NIV bei Traumapatienten
mit Hypoxämie trotz adäquater Analgesie und suffizienter O2 -Insufflation gerechtfertigt. Dabei müssen allerdings spezifische Kontraindikationen
von Traumapatienten gegen eine NIV-Behandlung wie z. B. ein offenes Schädel-Hirn-Trauma
oder schwere Mittelgesichtsfrakturen beachtet werden. Eine Empfehlung zum Einsatz
der NIV als Routine- oder First-Line-Verfahren ist nicht gerechtfertigt. Ebenso ist
unklar, welchen Stellenwert die NIV als zusätzliche Option vor der Intubation unter
Berücksichtigung der Advanced Trauma Life Support (ATLS)-Leitlinien hat [190 ]. Eine engmaschige Erfolgskontrolle der NIV und ggf. die unverzügliche Intubation
ist auch bei dieser Indikation erforderlich. Ebenso wichtig ist eine adäquate Analgesie,
um ein schmerzbedingtes Scheitern der NIV zu vermeiden.
5.3.4 Interstitielle Lungenerkrankung
Exazerbationen von interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) präsentieren sich meist
als aggravierte hypoxische respiratorische Insuffizienz [124 ].
Der Einfluss der maschinellen Beatmung auf den Verlauf einer diagnostisch gesicherten
Lungenfibrose mit akuter hypoxämischer Insuffizienz ist letztlich unklar. Die verfügbare
Literatur basiert auf retrospektiven Analysen [191 ]
[192 ]
[193 ]
[194 ] und zeigt eine hohe ICU-Letalität. Entscheidend sind die kausale Therapierbarkeit
der Ursache der hypoxämischen Exzerbation und der Zeitfaktor bis zu einer möglichen
klinischen Besserung. Zafrani et al. konnten für Patienten mit Steroidresponse der
zugrundeliegenden ILD eine deutlich bessere Prognose auch unter NIV feststellen [195 ]. So sahen Luo et al. bei Patienten mit kollagenoseassoziierter ILD (CTD-ILD) eine
bessere Prognose als für Patienten mit IPF oder unklassifizierbarer ILD [193 ]. Sowohl für die IPF als auch für CTD-ILD war der Outcome unter NIV günstiger, allerdings
muss dies eher im Zusammenhang mit der Schwere der hypoxämischen respiratorischen
Insuffizienz gesehen werden. Da die kausale Therapie in vielen Fällen bisher in der
Transplantation besteht, wäre bei dafür infrage kommenden Patienten ein Einsatz von
CPAP bzw. NIV zur Überbrückung der Zeitspanne bis zur Transplantation unter dem Aspekt
der gegenüber invasiven Verfahren reduzierten Rate von nosokomialen Infektionen möglicherweise
sinnvoll. Bei Patienten, für die eine Lungentransplantation nicht infrage kommt, ist
wegen der insgesamt sehr schlechten Prognose und fehlenden Therapiemöglichkeit die
Beatmungsindikation generell kritisch zu prüfen.
Infolge von Einschränkungen der atemmuskulären Mechanik bei meist fortgeschrittener
ILD kann eine Hyperkapnie eintreten [125 ]
[126 ]. Für den Einsatz der NIV bei akuten Exazerbationen einer interstitiellen Lungenerkrankung
mit akut hyperkapnischem Atemversagen kann keine generelle Empfehlung ausgesprochen
werden; dennoch kann diese zur Dyspnoelinderung und im Rahmen eines palliativen Settings
angewandt werden [125 ]
[126 ] (vgl. Kapitel Palliativmedizin).
5.3.5 ARDS
In einer kleinen randomisierten Studie wurde berichtet, dass bei Patienten mit ARDS,
die mit NIV behandelt wurden, im Vergleich zu einer höherdosierten Sauerstoffzufuhr
über eine Venturi-Maske eine bessere Oxygenierung und eine geringere Intubationsrate
(4,8 vs. 36,8 %) zu verzeichnen waren [196 ]. In der viel beachteten Vergleichsstudie von Frat et al. (HFNC, Standard-O2 und NIV bei hypoxämischer ARI mit PaO2 /FiO2 < 300 mmHg) unterschieden sich die Intubationsraten nicht signifikant und lagen zwischen
38 % und 50 % [145 ]. Demgegenüber war die Zahl ventilatorfreier Tage, wie auch das Risiko innerhalb
90 Tagen zu versterben, in der HFNC-Gruppe signifikant reduziert. Kritisch zu betrachten
ist jedoch, dass insbesondere der PEEP eher moderat war und die NIV nur im Mittel
8 h an Tag 1 und 2 genutzt wurde, mit HFNC im Intervall. Außerdem betrugen die NIV-Tidalvolumina
9,2 ± 3,0 ml/kg und lagen damit über den für ARDS-Patienten empfohlenen Werten einer
lungenprotektiven Beatmung. In der Kohorte der internationalen LUNG SAFE-Studie trat
ein NIV-Versagen bei mehr als einem Drittel der Patienten mit ARDS und bei fast der
Hälfte der Patienten mit mittelschwerem und schwerem ARDS auf [197 ]. Die Sterblichkeitsrate bei Patienten, bei denen die NIV versagte, war erhöht (Sterblichkeit
auf Intensivstation = 42,7 %). Bei Patienten mit einem PaO2 /FiO2 < 150 mmHg war die NIV im Vergleich zur invasiven Beatmung mit einer höheren Sterblichkeit
assoziiert.
Ggfs. kann auch das verwendete Interface das Ergebnis beeinflussen. In einer randomisierten
Studie mit 83 Patienten mit leichtem oder mittelschwerem ARDS führte die NIV über
einen Beatmungshelm im Vergleich zur NIV über eine Vollgesichtsmaske zu einer geringeren
Notwendigkeit einer Intubation (18 % vs. 62 %) [198 ]. Darüber hinaus war die NIV über Beatmungshelm mit einer höheren Rate an beatmungsfreien
Tagen, einer kürzeren Verweildauer auf der Intensivstation und einer geringeren 90-Tage-Mortalität
verbunden. Allerdings wurde diese Studie vorzeitig abgebrochen, was zu einer Überschätzung
der Effektgröße geführt haben könnte. Laut einer Metaanalyse kann NIV über einen Beatmungshelm
im Vergleich zur Gesichtsmaske die Sterblichkeitsrate und die Zahl der Intubationen
verringern [143 ].
Eine 2020 publizierte Metaanalyse inkludierte randomisierte klinische Studien bei
akutem hypoxämischem Versagen und verglich die Effektivität von HFNC und NIV mit Standardsauerstofftherapie
[142 ]. Es wurden 25 randomisierte klinische Studien (3804 Patienten) einbezogen. Im Vergleich
zu Standardsauerstoff war die Behandlung mit nichtinvasiver Helmbeatmung und nichtinvasiver
Maskenbeatmung mit einem geringeren Sterberisiko verbunden. Nichtinvasive Beatmung
mit Helm, nichtinvasive Beatmung mit Maske und HFNC waren mit einem geringeren Risiko
einer endotrachealen Intubation verbunden [144 ].
2022 wurden die Ergebnisse der großen RECOVERY-Studie zum Einfluss von nichtinvasiven
Beatmungsstrategien bei Patienten mit akutem hypoxämischem Atemversagen aufgrund von
COVID-19 publiziert [199 ]. Eine initiale Strategie mit CPAP/NIV, verglichen mit konventioneller Sauerstofftherapie,
führte zu einer signifikanten Reduktion des Intubationsrisikos und der Mortalität
(36,3 % vs. 44,4 % [absolute Differenz, −8 %; 95 %-KI: −15 % bis −1 %]; P = 0,03)
Demgegenüber bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen initialer High-Flow-Therapie
und konventioneller Sauerstofftherapie; wobei die Studie hinsichtlich dieses Vergleichs
underpowered war und ein Cross-over zwischen den Gruppen bestand. Die PaO2 /FiO2 -Werte zum Zeitpunkt der Intubation lagen (Medianwerte und IQR) bei 89 (69,5–111,0)
mmHg (CPAP/NIV), 75 (60,0–98,1) mmHg (High-Flow) und 76 (60,0–98,0) mmHg (Standardsauerstoff),
sodass auch diese Studie bei COVID-Patienten zeigt, dass das schwere ARDS primär keine
Indikation zur NIV-Therapie darstellt. Bezüglich der konkreten weiteren Studienlage
zu COVID-19 und ARDS wird auf die S3-Leitlinie zur stationären Therapie verwiesen
[200 ].
Das Versagen der NIV kann mit der Ätiologie des ARDS zusammenhängen. In einer prospektiven
Studie mit 306 ARDS-Patienten, die mit NIV behandelt wurden, kam es bei Patienten
mit einer pulmonalen Ätiologie des ARDS nur zu einer langsameren Besserung, einem
häufigeren Versagen der NIV (55 % gegenüber 28 %) und einer höheren 28-Tage-Mortalität
(47 % gegenüber 14 %) als bei Patienten mit ARDS aufgrund einer nicht-pulmonalen Ätiologie
[201 ].
Zusammenfassend ist die nichtinvasive Beatmung, bei ARDS mit leichter bis mittelschwerer
Hypoxämie (PaO2 /FiO2 > 150 mmHg) unter kontinuierlichem Monitoring und ständiger Intubationsbereitschaft
eine Therapieoption [144 ]. Dies gilt insbesondere für Patienten, die hämodynamisch stabil sind und bei denen
keine Kontraindikationen für den Einsatz vorliegen. Bei mittelschwerem bis schwerem
ARDS (PaO2 /FiO2 < 150 mmHg) kann im Einzelfall ein Therapieversuch mit CPAP/NIV und/oder High-Flow
unternommen werden. Dabei sind das klinische Gesamtbild und vorhandene Komorbiditäten
zu berücksichtigen. Bei Patienten mit schwerer Hypoxämie (PaO2 /FiO2 < 100 mmHg) liegen klare Daten für einen Nachteil durch die nichtinvasive Beatmung
vor, mit dem Risiko der verzögerten Intubation und erhöhten Mortalität [164 ]
[199 ]
[200 ]. Neben der Schwere des aktuellen Krankheitsbildes ist das Ausmaß der Oxygenierungsstörung
ein wichtiger Prädiktor für das NIV-Versagen.
5.4 Studien zu gemischten Patientenkollektiven mit hypoxämischer ARI
In einer Metaanalyse von Ferreyro und Kollegen [142 ] zeigte die Analyse von 3804 Patienten (eingeschlossen in 25 prospektiv-randomisierte
Studien), dass die nichtinvasive Beatmung mittels Helm RR, 0,26 ([95 %-Kredibilitätsintervall:
0,14–0,46] und Maske RR, 0,76 [95 %-Kredibilitätsintervall: 0,62–0,90]) gegenüber
einer Sauerstofftherapie das Risiko einer Intubation bei hypoxämischer ARI reduzieren
können. Noch deutlicher fiel die Analyse der Gesamtmortalität aus. Hier wurden 3370
Patienten in 21 prospektiv-randomisierten Studien untersucht. Verglichen mit einfacher
Sauerstoffgabe, waren nichtinvasive Beatmung über Beatmungshelm (RR, 0,40 [95 % Kredibilitätsintervall:
0,24–0,63]) und Maske RR, 0,83 (95 %-Kredibilitätsintervall: 0,68–0,99) mit einem
signifikant geringeren Risiko zu sterben assoziiert [142 ].
Zu ähnlichen Resultaten gelangt eine Analyse von Sakuraya et al. Hier zeigte sich,
dass CPAP bei Patienten mit akutem hypoxämischem respiratorischem Versagen das Risiko
zu versterben signifikant reduziert (RR 0,55; 95 %-Konfidenzintervall: 0,31–0,95)
[202 ]. Es wurden 3302 Patienten aus 25 prospektiv-randomisierte Studien untersucht, wobei
die Art des Interfaces, mit dem die CPAP-Therapie appliziert wurde, die Therapiedauer
und das Therapieregime keine Rolle spielte [202 ].
Zusammenfassend bestätigen beide Metaanalysen die für die einzelnen Entitäten der
hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz gezogenen Schlussfolgerungen und Empfehlungen.
Die Heterogenität der zugrunde liegenden Studien lässt eindeutige Aussagen zu den
jeweiligen Subgruppen sowie den Therapieformen (CPAP/NIV) nicht zu.
5.5 Präoxygenierung
In mehreren prospektiven, randomisierten Studien wurde der Einfluss einer konventionellen
O2 -Gabe via Gesichtsmaske mit anschließender Maskenbeatmung, NIV zur Präoxygenierung
oder Sauerstoff-High-Flow-Gabe zur Präoxygenierung vor der endotrachealen Inubation
bei akut hypoxämischen Patienten untersucht. Zielparameter waren die Oxygenierung
während der endotrachealen Intubation (niedrigster SaO2 -Wert oder Häufigkeit einer schweren Hypoxämie mit SaO2 < 80 %) sowie Komplikationen und Mortalität in zeitlichem Zusammenhang mit der endotrachealen
Intubation. Fong und Mitarbeiter führten 2019 eine Metaanalyse mit Daten aus 7 Studien
und insgesamt 959 Patienten durch, die zeigt, dass NIV den anderen beiden Methoden
zur Präoxygenierung im Hinblick auf die Häufigkeit und den Schweregrad der SaO2 -Abfälle sowie die Häufigkeit von Komplikationen während des Intubationsvorgangs überlegen
ist [203 ]. Dies hatte jedoch keine signifikanten Auswirkungen auf die Mortalität. Zusammenfassend
ergeben sich damit aber eindeutige Hinweise, dass NIV zur Präoxygenierung und Beatmung
vor dem Intubationsvorgang bei akut hypoxämischen Patienten eingesetzt werden sollte.
6 Schwieriges Weaning und Postextubationsphase
6 Schwieriges Weaning und Postextubationsphase
6.1 Empfehlungen
E23: Bei NIV-Fähigkeit sollten akut-invasiv (< 7 d) beatmete Patienten mit COPD möglichst
frühzeitig, auch bei gescheitertem SBT, extubiert und auf NIV umgestellt werden.
E24: In der Postextubationsphase nach länger dauernder invasiver Beatmung (> 48 h)
sollten Patienten mit hyperkapnischer ARI und Risikofaktoren für ein Extubationsversagen
präventiv mit NIV behandelt werden.
E25: Bei hypoxämischem Extubationsversagen von Nicht-COPD-Patienten sollte eine Reintubation
ohne Zeitverzögerung erfolgen.
6.2 Einsatz der NIV im Entwöhnungsprozess
Der generelle Stellenwert der NIV im Weaning-Prozess wird kontrovers diskutiert, dennoch
wird NIV in nicht unerheblichem Ausmaß in verschiedenen Situationen des Weanings eingesetzt.
Eine Fragebogenerhebung über Weaningt-Techniken ergab in Europa den Einsatz von NIV
für die folgenden Krankheitsbilder COPD, kardiopulmonales Lungenödem, postoperativer
Status und Adipositas mit bzw. ohne begleitende obstruktive Schlafapnoe in jeweiliger
Häufigkeit bei folgenden Situationen: frühe Extubation auf NIV in 58,5 % bei COPD,
30 % bei kardiopulmonalem Lungenödem, postoperativ in 26,5 % und bei Adipositas in
38 %, prophylaktisch in Hoch-Risiko-Patienten nach erfolgreicher Extubation in 59 %/34 %/30 %
und 48 %, beim manifesten Postextubationsversagen in 77 %/65 %/60 % und 64 % [204 ].
6.2.1 Extubations- und NIV-Fähigkeit
Um im Sinne einer Weaning-Prädiktion die Fähigkeit beatmeter Patienten zur suffizienten
Spontanatmung nach Extubation abzuschätzen, werden neben der klinischen Beurteilung
die „klassischen“ Extubationskriterien [205 ]
[206 ] (wie z. B. schnelle flache Atmung) verwendet ([
Tab. 5
]). Demgegenüber sind diese Prädiktoren bei Anwendung von NIV im Weaning-Prozess,
d. h. im Anschluss an invasive Beatmung, wenig hilfreich, weil hierbei die maschinelle
Beatmung infolge anhaltender bzw. drohender respiratorischer Insuffizienz aus einer
klar gegebenen Notwendigkeit fortgesetzt wird und sich lediglich der Beatmungszugang
ändert. Wird erwogen, unmittelbar nach Extubation die Beatmung in Form von NIV fortzusetzen,
ist zuvor kritisch zu prüfen, ob hierfür die wesentlichen Voraussetzungen gegeben
sind. Hierzu müssen zunächst Patienten mit absoluten Kontraindikationen (siehe Kapitel
2.5) ausgeschlossen werden. Die wichtigste klinische Voraussetzung für einen erfolgreichen
Einsatz der NIV, d. h. für die „NIV-Fähigkeit“, ist die Kooperationsfähigkeit des
Patienten. Da die Patienten in dieser kritischen Übergangsphase von invasiver Beatmung
zu NIV jedoch häufig noch tiefer sediert sind, kann es im Einzelfall schwierig sein,
die Kooperationsfähigkeit adäquat einzuschätzen. Zudem weisen retrospektive Daten
aus einer chinesischen Studie auf positive Effekte einer Analgesie und/oder Sedierung
bezüglich Toleranz der NIV und Reduktion der Rate des Scheiterns der NIV hin [207 ].
Tab. 5
Mindestanforderungen an Ventilatoren.
notwendig
wünschenswert
Druckvorgabe
schnelle Reaktionszeit bei Änderung der Beatmungsparameter
max. IPAP ≥ 30 mm H2 O
schneller Druckaufbau (kurze Anstiegszeit)
inspiratorische Flussrate min. 60 l/min
einstellbare Triggerschwellen für In- und Exspiration
Backup-Frequenz einstellbar
Alarm-Stummschaltung
Bilevel-Modus
interner Akku für 1 h Betriebsdauer
max. AF ≥ 40/min
bedienerfreundliches Controlpanel mit Patientensperre
sensibler Flow-Trigger
Betriebsstundenzähler
Diskonnektionsalarm
einstellbares I : E-Verhältnis für AC-Modus
Ein weiterer potenzieller Faktor für die Extubationsfähigkeit ist die Fähigkeit, Sekret
selbstständig aus den Atemwegen abzuhusten – eine Studie von Duan ergab bei einem
peak expiratory flow über Tubus gemessen von < 70 l/min ein hohes Risiko für eine
Reintubation, das durch Verwendung von NIV signifikant reduziert wurde [208 ].
Prinzipiell kann die nichtinvasive Beatmung im Verlauf des Weanings von der invasiven
Beatmung in 4 verschiedenen Situationen bzw. zu 4 Zeitpunkten eingesetzt werden:
Einsatz bei Patienten, die Weaning-Kriterien zur Extubation nicht erfüllen, zur frühen
Extubation
Einsatz nach primär erfolgreicher Extubation zur Verhinderung eines Postextubationsversagens
Einsatz der NIV zur Therapie einer manifesten Postextubationsversagens nach primär
erfolgreicher Extubation
Einsatz im prolongierten Weaning nach Extubation/Dekanülierung und vor- bzw. weiterbestehender
bzw. drohender chronisch ventilatorischer Insuffizienz, zur Vermeidung einer erneuten
respiratorischen Dekompensation bzw. einer invasiven außerklinischen Beatmung.
6.2.2 Einsatz der NIV bei früher Extubation von Patienten, die Weaning-Kriterien zur
Extubation nicht erfüllen
6.2.2.1 Einsatz bei hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz
Aufgrund der komplexen Pathophysiologie der COPD (siehe Kapitel 3.2) ist bei invasiv
beatmeten COPD-Patienten in 35–67 % mit einem prolongierten Weaning zu rechnen [209 ].
Bei invasiv beatmeten und schwer vom Respirator entwöhnbaren Patienten mit COPD und
hyperkapnischem respiratorischen Versagen wurde durch Extubation mit nachfolgender
NIV – verglichen mit der invasiv beatmeten Kontrollgruppe – die Erfolgsrate der Respiratorentwöhnung
signifikant gesteigert [210 ]
[211 ]
[212 ]. Beim Vergleich der Studien ist jedoch zu berücksichtigen, ob der vorausgegangene
SBT erfolgreich war oder nicht, bzw. ob im Rahmen des SBT eine Hyperkapnie auftrat.
Sofern ein SBT scheitert, ist der Wechsel auf NIV mit einer Reduktion der Intubationsdauer
verbunden und kann die Weaning-Resultate verbessern [213 ]
[214 ]
[215 ]. Außerdem ist die Rate an Pneumonien und Tracheotomien geringer [214 ]
[215 ].
In [
Abb. 1
] ist der Algorithmus zum Einsatz von NIV bei Patienten mit COPD und schwieriger Entwöhnung
vom Respirator aufgeführt.
Ferrer et al. konnten für beatmete Patienten mit chronisch respiratorischen Erkrankungen
und gegebenen Extubationskriterien zeigen, dass bei Hyperkapnie im SBT der direkte
Wechsel auf die NIV nach erfolgter Extubation zu einer Reduktion der 90-Tage-Mortalität
führt [216 ]. Unter Berücksichtigung dieser Daten zum Postextubationsversagen sowie der Metaanalysen
[214 ]
[217 ] besteht für COPD-Patienten mit gescheitertem SBT oder Hyperkapnie im SBT durch eine
frühzeitige Extubation mit Wechsel auf die NIV ein Vorteil bezüglich Intubationsdauer,
Krankenhausaufenthalt, Tracheotomierate und Mortalität.
6.2.2.2 Einsatz bei hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz
Eine Fall-Kontrollstudie mit kleiner Fallzahl bei 15 Nicht-COPD-Patienten mit hypoxämischem
Lungenversagen vorwiegend Lungen- und Lebertransplantation zeigte, dass die Entwöhnungsrate
nach frühzeitiger Extubation bei > 72 Stunden invasiver Beatmung mit anschließender
NIV hoch war und es infolge NIV zur Verbesserung physiologischer Parameter (wie z. B.
Besserung der Oxygenierung, des Atemmusters und Abnahme des Shunts) kam [218 ].
Eine randomisierte klinische Studie bei hoch selektionierten hypoxämischen Patienten
(Ausschluss bei hämodynamischer oder Rhythmusinstabilität, Sepsis, COPD, kardial bedingtes
Lungenödem) (n = 130) untersuchte eine frühe Extubation unmittelbar gefolgt von NIV
gegen eine Standard-Extubation [219 ]. Die Beatmungsdauer war mit 4,0 Tagen in der Interventionsgruppe im Schnitt um 1,5
Tage hoch signifikant kürzer, wohingegen die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation
sich nicht signifikant unterschied. Signifikante Vorteile ergaben sich für die Interventionsgruppe
für Tubus-assoziierte Pneumonie, Krankenhausverweildauer, wohingegen sich die ICU-
bzw. Krankenhaus-Mortalität und das Therapieversagen mit Notwendigkeit einer Reintubation
nicht signifikant unterschieden.
Der Stellenwert einer frühen NIV nach dem ersten gescheiterten SBT vs. konventionellem
Weaning wurde in einer kanadischen Studie an 364 Patienten einer gemischt hypoxämischen
bzw. hyperkapnischen Kohorte (mittlerer pCO2 bei Extubation 42 mmHg) in beiden Gruppen untersucht. Der erste gescheiterte SBT-Versuch
charakterisierte die Patienten als „im schwierigen Weaning“. Eine frühe Extubation
direkt auf NIV führte zu keiner signifikanten Reduktion der Gesamtzeit der Beatmung,
Tracheotomierate, Reintubationsrate bzw. Mortalität, nur die Zeitdauer der invasiven
Beatmung wurde in der NIV-Gruppe signifikant verkürzt (median 1 vs. 4 Tage) [220 ].
Der Einsatz der NIV bei ungeplanter Extubation zur Prophylaxe oder Therapie eines
Postextubationsversagens ist nach einer retrospektiven Studie aus Frankreich dagegen
kritisch zu sehen: Prophylaktische NIV senkte nicht signifikant die Reintubationsrate,
und der Einsatz von NIV beim Postextubationsversagen verlängerte letztlich die Zeit
der invasiven Beatmung nach Scheitern der NIV [221 ].
Diese Ergebnisse lassen eine generelle Empfehlung zum Einsatz der NIV in dieser Indikation
(hypoxämische respiratorische Insuffizienz) zurzeit weiterhin nicht zu, wobei aufgrund
der neueren Daten bei speziell selektionierten Patienten ein Therapieversuch mit früher
Extubation direkt auf NIV zur Verkürzung der invasiven Beatmungsdauer möglich erscheint.
6.2.3 Einsatz nach primär erfolgreicher Extubation zur Verhinderung bzw. Therapie
eines Postextubationsversagens
Der Einsatz von NIV ist zu erwägen, wenn es nach Extubation eines Patienten erneut
zu einer ARI kommt bzw. kommen kann – diese Aussage gilt vornehmlich für das hyperkapnische
respiratorische Versagen. Dies kann der Fall sein, wenn Patienten trotz primär erfüllter
Extubationskriterien faktisch doch zu früh extubiert worden sind. Bezüglich des Einsatzes
der NIV im Rahmen der Extubation ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einem
prophylaktischen Einsatz der NIV bei Risikopatienten, die ein Postextubationsversagen
entwickeln können, und einer Rescue-NIV bei eingetretenem Postextubationsversagen.
Die im Folgenden aufgeführten Studienergebnisse beziehen sich im Wesentlichen auf
die beiden zuletzt genannten Patientengruppen, die entsprechend einem etablierten
Standard, also zeitgerecht, extubiert wurden, und bei denen die ARI in der Postextubationsphase
erneut aufgetreten ist oder droht aufzutreten. Insgesamt ist jedoch festzustellen,
dass die Übergänge zum Einsatz der NIV beim Weaning (Extubationserleichterung) fließend
sind. Für beide Gruppen gelten in gleicher Weise die in Kapitel 6.2.3.2. und [
Tab. 4
] genannten Risikofaktoren. Abhängig von unterschiedlichen Faktoren liegt die Inzidenz
der Reintubation in der Postextubationsphase zwischen 3,3 % und 23,5 % [222 ]. Das sog. „Postextubationsversagen“, d. h. Reintubation aufgrund einer ARI, ist
mit einer hohen Komplikations- und Letalitätsrate verbunden [223 ]. Die Krankenhausmortalität kann 30–40 % übersteigen.
Tab. 4
Risiken für sekundäres Extubationsversagen [229 ].
Kriterium
A
B
invasive Beatmung > 48 h
und einer der folgenden Risikofaktoren
kardiale Ursache für Beatmung
> 1 vergeblicher Entwöhungsversuch
PaCO2 > 45 nach Extubation
> 1 Vorerkrankung (exkl. Herzinsuffizienz)
schwacher Hustenreflex
Stridor
6.2.3.1 Pathophysiologie und Therapiekonzept
Auch wenn die Ursache der schlechten Prognose des Postextubationsversagens nicht völlig
geklärt ist, steht sie direkt oder indirekt im kausalen Zusammenhang mit einer insuffizienten
Atmung, kenntlich an erhöhter Atemfrequenz, abnehmenden Tidalvolumina, Einsatz der
Atemhilfsmuskulatur und Schaukelatmung. Schon kurz nach der Extubation kann es aufgrund
einer Vielzahl von Ursachen, wie einer passageren Obstruktion der oberen Atemwege
und/oder der Unfähigkeit, Sekret zu mobilisieren, Atelektasenbildung sowie einer alveolären
Hypoventilation (Obesitas- oder medikamentös induziert), zu einer erhöhten Atemarbeit
mit der Gefahr einer erneuten ARI kommen [224 ]
[225 ]
[226 ]. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Indikation zum Einsatz der NIV in der Postextubationsphase:
Prophylaxe bzw. Therapie der ARI und damit Prävention einer Reintubation. Diese Strategie
ist natürlich nicht bei allen Patienten nach Extubation erforderlich. So wurde in
einer prospektiven und randomisierten Studie nachgewiesen, dass der unselektive Einsatz
von NIV nach Extubation im Vergleich zur Sauerstoffgabe zu keiner Verbesserung der
Outcome-Parameter führte [227 ]. Auch zeigt sich, dass für COPD-Patienten mit erfolgreichem SBT und Ausbleiben einer
Hyperkapnie im SBT eine präventive NIV keinen Vorteil bringt [228 ].
6.2.3.2 Einsatz nach primär erfolgreicher Extubation zur Verhinderung eines Postextubationsversagens
Durch frühzeitigen (präventiven) Einsatz von NIV v. a. bei Risikopatienten mit COPD,
Hyperkapnie, schwieriger Entwöhnung in der Anamnese, hohem Alter, Herzinsuffizienz
und Hypersekretion, die nach Extubation eine hyperkapnische ARI entwickeln können
(Übersicht der Risikofaktoren in [
Tab. 4
]), lassen sich die Reintubations- und Letalitätsrate senken [229 ]. Im Vergleich zur historischen Kontrollgruppe führte NIV zur Reduktion der Reintubationsrate
sowie der Letalitätsrate [230 ]. In 2 randomisierten Studien ist inzwischen der Vorteil von NIV im Vergleich zur
medikamentösen Standardtherapie bewiesen [229 ]
[231 ]. Durch NIV wurden die Reintubations- und Mortalitätsrate im Vergleich zur medikamentösen
Standardtherapie bei Risikopatienten durch direkten Wechsel auf NIV nach erfolgter
Extubation abgesenkt [216 ]
[229 ]. In einem vergleichbaren Patientenkollektiv waren auch die Intensivstationsmortalität
niedriger und die 90-Tage-Überlebensrate signifikant erhöht [216 ]
[231 ]. Die Daten von Ferrer et al. bezogen sich jedoch auf ein Kollektiv, das im Rahmen
des SBT eine Hyperkapnie entwickelte, sodass sich hierdurch ein erhöhtes Reintubationsrisiko
abzeichnete [216 ].
Auch bei Patienten mit Adipositas ließ sich durch NIV nach Extubation die Reintubationsrate
in einer historisch kontrollierten Vergleichsstudie [232 ] von 21 % auf 10 % reduzieren. Der Aufenthalt auf der Intensivstation wurde in der
NIV-Gruppe signifikant gegenüber der historischen Kontrollgruppe gesenkt (11,8 d vs.
18,2 d). Für die Subgruppe der Patienten mit Hyperkapnie in Spontanatmungsphasen konnte
die Krankenhausmortalität von 50 % auf 16 % reduziert werden. Weiterhin ist erwähnenswert,
dass Patienten mit fortbestehender chronisch ventilatorischer Insuffizienz, d. h.
persistierender Hyperkapnie, auch nach formell erfolgreich abgeschlossenem Weaning
von häuslicher Beatmung durch NIV profitieren. Ca. 30 % der entwöhnten Patienten werden
im weiteren Verlauf effektiv mit NIV in häuslicher Umgebung versorgt [233 ]
[234 ]. Dies erfolgt im Wesentlichen aus einer empirischen Indikation; kontrollierte Studien
fehlen bislang.
Im Gegensatz hierzu zeigte eine neuere prospektive Studie über intermittierende NIV
für insgesamt 48 Stunden nach Extubation mit chronischen respiratorischen Erkrankungen
– 27 % der Patienten in der Kontrollgruppe und 36,6 % in der NIV-Gruppe waren hyperkapnisch
mit einem pCO2 -Wert > 45 mmHg am Ende eines SBT vor Extubation – eine signifikant geringere Anzahl
von Postextubationsversagen in der NIV-Gruppe (8,5 vs. 27,8 %) mit ebenfalls signifikant
niedrigerer Reintubationsrate (8,5 vs. 18,1 %) [235 ]. NIV als Rescue-Therapie war nur in der Kontroll-Gruppe erfolgreich bei Postextubationsversagen.
Das Auftreten eines Postextubationsversagens betrug in der NIV-Gruppe 8,5 % vs. 27,8 %
in der Kontrollgruppe. Die Odds ratio für die Entwicklung eines Postextubationsversagens
betrug in der Gruppe mit Hyperkapnie 4,56 (Konfidenzintervall 1,59–14,00).
Im Rahmen einer kontrollierten randomisierten Studie im postoperativen Setting zur
Vermeidung des Postextubationsversagens konnte gezeigt werden, dass bei Patienten
nach kardiochirurgischem Eingriff durch die präventive NIV eine deutliche Reduktion
pulmonaler Komplikationen, Reintubationen (5 % vs. 10,6 %) und Wiederaufnahmen auf
die Intensivstationen (3 % vs. 6 %) erreicht werden konnte [236 ].
6.2.3.3 Einsatz der NIV zur Therapie einer manifesten Postextubationsversagens nach
primär erfolgreicher Extubation
Der Einsatz von NIV ist ebenfalls zu erwägen, wenn es nach Extubation eines ansonsten
stabilen Patienten erneut zu einer hyperkapnischen ARI kommt. Dies kann der Fall sein,
wenn Patienten zu früh extubiert werden oder bei Patienten, die zeitgerecht extubiert
wurden und bei denen die ARI in der Postextubationsphase erneut aufgetreten ist.
Die Datenlage bezüglich des Einsatzes von NIV als Therapie der manifesten hypoxämischen
ARI nach Extubation, d. h. des Postextubationsversagens, ist uneinheitlich: Ergebnisse
früher durchgeführter randomisiert kontrollierter Studien [237 ]
[238 ] sowie der Metaanalyse von Agarwal et al. [217 ] bei Patienten mit hypoxämischer ARI und nur wenigen Patienten mit COPD ergaben in
der Studie von Keenan et al. [237 ] keinen Unterschied zwischen der NIV und der Standardtherapie bzgl. Outcome-Parametern,
wie z. B. Reintubationsrate, Letalität, Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation und
im Krankenhaus. In der Studie von Esteban et al. [238 ] waren Reintubations- und Letalitätsrate in der NIV-Gruppe signifikant erhöht. Kritisch
muss zu beiden Studien angemerkt werden, dass sie relevante methodische Mängel aufweisen
und die Ergebnisse daher mit gebotener Zurückhaltung zu interpretieren sind. Z. T.
erklären sich die fehlende Effektivität und die hohe Komplikationsrate bei den mit
NIV behandelten Patienten durch den verzögerten Beginn der NIV, niedrige Beatmungsdrücke
bzw. Tidalvolumina, geringe Erfahrung des Behandlungsteams (Reintubationsrate von
über 70 % nach elektiver Extubation in der Gruppe, die nach Extubationsversagen eine
ARI zeigte) und unzureichendes technisches Equipment.
Beim manifesten Postextubationsversagen spricht die Datenlage gegen einen routinemäßigen
Einsatz der NIV zur Verhinderung der Reintubation, vielmehr bestehen erhebliche Bedenken,
durch NIV die doch notwendige Reintubation zu verhindern und damit die Prognose des
Patienten negativ zu beeinflussen.
6.2.4 Einsatz nach Extubation/Dekanülierung und vor- bzw. weiterbestehender bzw. drohender
chronisch ventilatorischer Insuffizienz, zur Vermeidung einer erneuten respiratorischen
Dekompensation bzw. einer invasiven außerklinischen Beatmung
Bei tracheotomierten Patienten ist es durchaus praktikabel, im laufenden Weaning-Prozess
bei weiter bestehender Respiratorabhängigkeit einen Umstellungsversuch vom Trachealtubus
bzw. der Trachealkanüle auf NIV zu unternehmen. Hierzu kann durch Einsatz eines sog.
„Platzhalters“ (Button) das Tracheostoma reversibel verschlossen und damit die kritische
Übergangsphase von invasiver Beatmung zu NIV überbrückt werden [239 ]. Zu diesem Einsatzgebiet existieren bislang keine Arbeiten auf hohem EBM-Niveau,
allerdings zeigen retrospektive Daten aus England einen Überlebensvorteil unter Fortführung
einer NIV nach abgeschlossenem Weaning von der invasiven Beatmung bei der Erkrankung
COPD [240 ]. Die gleiche Arbeitsgruppe publizierte 2017 eine Datenbankanalyse von 330 Patienten,
die nach erfolgreichem prolongierten Weaning von der invasiven Beatmung nach Hause
entlassen wurden – 188 dieser Patienten wurden mit nächtlicher NIV nach Hause entlassen,
überwiegend bei Grunderkrankung COPD [241 ]. Prospektiv konnte eine Gruppe aus England in einem spezialisierten Weaning-Zentrum
zeigen, dass hohe Raten an erfolgreichem Weaning zu verzeichnen sind, dass aber 24 %
der Patienten mit nächtlicher NIV nach Hause entlassen werden [242 ]. Ähnliche Daten liegen retrospektiv auch für nichtinvasive bzw. invasive Akut-Beatmung
bei dekompensiertem akutem respiratorischem Versagen bei Adipositas (in > 60 % akutes
hyperkapnisches Versagen bei OHS) vor – hier lag die Adhärenz zur Fortführung einer
außerklinischen NIV nach Akutereignis bei 86 % [85 ]. Auch zeigen Registerdaten von 11 424 Patienten, dass die NIV in pneumologischen
Weaning-Zentren in 19,4 % der Patienten im prolongierten Weaning erfolgreich eingesetzt
wird und so eine außerklinische invasive Beatmung vermieden werden kann [243 ].
Bei der Entwöhnung von invasiver Beatmung bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen
und Zwerchfellparese liegt zum erfolgreichen Einsatz der NIV mittlerweile neben Fallberichten
[244 ]
[245 ]
[246 ] eine Studie von Bach et al. [247 ] vor, die den konsequenten Einsatz von NIV, unterstützt von mechanischen Hustentechniken
im Extubations- und Weaning-Management, bei neuromuskulärer Schwäche untersuchten.
Bei konsequentem Einsatz der NIV zusammen mit regelmäßigem nichtinvasiven Sekretmanagement
konnte eine hohe NIV-Transfer- und Weaning-Erfolgsrate erzielt werden. Diese Ergebnisse
müssen aber insofern relativiert werden, als es sich um Ergebnisse hochspezialisierter
Zentren handelt.
Für weitere Informationen wird auf die S2k-Leitlinie „Prolongiertes Weaning“ [206 ] und die S2k-LL cInvasive und nichtinvasive chronisch respiratorische Insuffizienz“
[74 ] verwiesen, da es sich bei dieser Indikation formal nicht um eine akute respiratorische
Insuffizienz handelt. Beispielhaft für diese Indikation sei auf die WeanNet-Daten-Analyse
im prolongierten Weaning verwiesen.
6.3 NIV im Vergleich zu Nasaler High-Flow-Therapie/NHF (nasal high flow) im Weaning-Prozess
High-Flow-Sauerstoff liefert erwärmten und befeuchteten Sauerstoff in hoher Konzentration
über eine Nasenkanüle mit Flussraten von 40–60 L/min. Subjektiv wird die High-Flow-Sauerstoffgabe
von Patienten gut vertragen [248 ]. Durch High-Flow-Sauerstoffgabe lässt sich einerseits ein geringer positiver endexspiratorischer
Druck (in der Größenordnung von 2,5–5 mbar, abhängig von Mundöffnung und verwendeter
Flussrate) erzeugen, anderseits wird die Atemarbeit über Auswaschung von CO2 und die assoziierte Verkleinerung des Totraums mit konsekutiver Absenkung der Atemfrequenz
reduziert. Für weitere physiologische Effekte der High-Flow-Therapie wird auf die
S2-Leitlinie „Langzeit-Sauerstoff-Therapie“ verwiesen [249 ] verwiesen.
Da NHF im Weaning-Prozess bisher weder in der S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und
Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ [250 ] noch in der S3-Leitlinie „Sauerstoff in der Akuttherapie“ [248 ] behandelt wurde, wird diese neue Therapieform im Weiteren insbesondere im Vergleich
zu Sauerstoff oder NIV bzw. als Ergänzung zur NIV bezüglich der Datenlage dargestellt.
Ein möglicher Effekt der NHF auf den Atemantrieb und die Atemarbeit im Vergleich zu
konventionellem Sauerstoff wurde von Di Mussi und Mitarbeitern nach Extubation an
Patienten mit COPD und einer Phase invasiver Beatmung bei akutem hyperkapnischen Versagen
untersucht [251 ]: Hier zeigte sich unter NHF eine Abnahme des Atemantriebs und gemessen an der elektrischen
Aktivität des Zwerchfells eine Abnahme der Atemarbeit im Vergleich zu konventionellem
Sauerstoff als Anhaltspunkt für die Eignung des Einsatzes der NFH nicht nur bei hypoxämischen,
sondern auch hyperkapnischen Patienten im Weaning-Prozess.
6.3.1 High-Flow-nasale Sauerstofftherapie im Vergleich zu NIV in der Prävention des
Extubationsversagens
Hernandez und Mitarbeiter zeigten in einer Studie an Patienten, die ein niedriges
Risiko für die Entwicklung eines Postextubationsversagens aufwiesen, dass durch Verwendung
von HFNC im Vergleich zur konventionellen Sauerstofftherapie sowohl die Entwicklung
eines Postextubationsversagens als auch die Reintubationsrate signifikant gesenkt
werden konnten [252 ].
Ähnliche Ergebnisse publizierten Shang und Mitarbeiter 2021 bei einer Gruppe von Patienten,
die wegen eines hypoxämischen Lungenversagens invasiv beatmet worden waren [253 ]. Unabhängig vom APACHE-II-Score waren beide Therapien vergleichbar effektiv bzgl.
Oxygenierung und pCO2 -Werten, unter NIV zeigte sich eine höhere Rate mit gastraler Luftinsufflation und
ein Trend zu einer erhöhten Reintubationsrate.
Bei Patienten mit dem hohen Risiko der Entwicklung eines Postextubationsversagens
verglichen Hernandez und Mitarbeiter in einer multizentrischen, randomisierten Non-inferiority-Studie
die Effekte von HFNC und NIV über 24 Stunden [254 ]. Die Reintubationsrate unterschied sich nicht signifikant, es zeigte sich ein Trend
zu einer geringeren Rate an Postextubationsversagen in der HFNC-Gruppe.
Bei hyperkapnischen COPD-Patienten zeigte sich in einer randomisiert kontrollierten,
vornehmlich physiologischen Studie im Vergleich zwischen NIV und HFNC nach Extubation
in den physiologischen Parametern eine leichte, nicht signikante Überlegenheit der
HFNC-Therapie nach 3 Stunden und 24 Stunden nach der Extubation bezüglich pCO2 und pH-Wert, nach 48 Stunden zeigte die NIV eine ebenfalls nicht signifikante bessere
Oxygenierung. Komfort und Häufigkeit von Bronchoskopien zum Sekretmanagement (9 vs.
45 %) waren geringer in der HFNC-Gruppe. Keiner der insgesamt 42 Patienten musste
innerhalb von 48 Stunden reintubiert werden [255 ].
Eine weitere Studie verglich den Einsatz von HFNC vs. NIV bei hyperkapnischen COPD-Patienten
nach Extubation (mittl. pCO2 -Wert vor Extubation 50 bzw. 563 mmHg) [256 ]: Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Versagen der Therapie mit Entwicklung
eines Postextubationsversagens, bei höherem Komfort und niedrigerer Atemfrequenz 24
Stunden nach Extubation in der HFNC-Gruppe.
6.3.2 High-Flow-Sauerstofftherapie im Vergleich zu NIV in der Behandlung des Postextubationsversagens
Eine retrospektive Kohortenanalyse aus Südkorea untersuchte die Effektivität von HFNC
im Vergleich zu NIV 73 Patienten mit manifestem Postextubationsversagen – in der Gruppe
der NIV-Therapie zeigte sich bei ansonsten Gleichverteilung eine signifikant höhere
Anzahl von Patienten mit akuter Herzinsuffizienz: Es fand sich kein signifikanter
Unterschied in der Reintubationsrate (HNCF 20,6 %, NIV 33,3 %) bei besserer Toleranz
der NIV und signifikant kürzerem Aufenthalt auf der Intensivstation, allerdings ohne
Auswirkungen auf ICU- bzw. Krankenhausmortalität [257 ]. Eine Subgruppenanalyse nach pCO2 -Werten (< bzw. ≥ 45 mmHg) zeigte in der Gruppe ohne relevante Hyperkapnie einen Trend
zu einer geringeren Reintubationsrate und eine signifikant niedrigere ICU- und Krankenhausmortalität,
wohingegen sich in der Gruppe mit Hyperkapnie wie in der Gesamtgruppe keine signifikanten
Unterschiede in den o. g. Outcomes fanden.
6.3.3 Kombinierter Einsatz von HFNC und NIV im einfachen bzw. schwierigen Weaning-Prozess
von invasiver Beatmung
Xu und Mitarbeiter untersuchten den kombinierten Effekt von HFNC und NIV (ca. 4–8
Stunden täglich) in einer Gruppe mit einem hohen Risiko auf die Entwicklung eines
Postextubationsversagens (kenntlich an einem mittels thorakalem Ultraschall erhobenen
LUS-Scores ≥ 14 Punkte) für 48 Stunden nach Extubation [258 ]. Durch den kombinierten Einsatz von HFNC und NIV ließ sich die Intubationsrate signifikant
von 30,8 % in der Standard-Therapie-Gruppe auf 12,5 % in der Interventionsgruppe senken.
In der größten bisher untersuchten Gruppe von 641 Patienten mit einem hohen Risiko
eines Postextubationsversagens untersuchten Thille und Mitarbeiter [259 ] multizentrisch den Effekt einer Kombination von NHFC und NIV gegen NHFC allein auf
die Entwicklung des Postextubationsversagens und die Notwendigkeit der Reintubation
– beide Endpunkte traten signifikant seltener in der kombinierten NFHC/NIV-Gruppe
auf.
Thille und Mitarbeiter zeigten in einer Post-hoc-Analyse einer Studie, die auf die
Patienten mit manifestem Postextubationsversagen entweder kombiniert mit NIV und HFNC
oder alleinig mit HFNC behandelt wurden, einen Trend zu einer niedrigeren Mortalität
nach 28 Tagen in der kombinierten Therapiegruppe. Signifikante Unterschiede bezüglich
der Mortalität zugunsten der kombinierten Therapiegruppe ergaben sich in der Subgruppe
der Patienten mit hyperkapnischem Postextubationsversagen [260 ].
Bei einer gemischten Gruppe aus adipösen, übergewichtigen oder normalgewichtigen Patienten
mit hohem Risiko für die Entwicklung eines Postextubationsversagens konnte gezeigt
werden, dass in der Gruppe der übergewichtigen und adipösen Patienten der Einsatz
von NIV in Kombination mit HFNC am Tag 7 signifikant weniger Reintubationen erforderte
als der alleinige Einsatz von HFNC (7 % vs. 20 %). Ebenso wurde eine significant geringere
Intensivmortalität (2 % vs. 9 %) beobachtet [261 ].
Zusammenfassend erlauben die Daten zu HFNC in Kombination mit oder als Alternative
zu NIV keine allgemeine Empfehlung zum Einsatz der HFNC im Weaning. In selektierten
Patienten erscheint insbesondere die Kombination von HFNC und NIV als vorteilhaft
nach Extubation. Weitere Studien sind zu diesem Thema sind hier dringend notwendig.
Die Beurteilung geht parallel zu der Schlussfolgerung der Cochrane Library über den
Stellenwert der HFNC-Therapie im Weaning-Prozess [262 ].
7 Perioperative und periinterventionelle Anwendung
7 Perioperative und periinterventionelle Anwendung
7.1 Empfehlung und Statement
S11: Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für eine postoperative hypoxämische ARI können
durch die Anwendung von CPAP bzw. NIV unmittelbar nach der Extubation die Reintubationsrate
und weitere Komplikationen signifikant gesenkt werden.
E26: NIV kann periinterventionell bei endoskopischen Untersuchungen und Prozeduren
(Bronchoskopie, PEG-Anlage, Gastrostomie) zur Verbesserung der Ventilation/Oxygenierung
eingesetzt werden. Dies ist auch noch bei weit fortgeschrittener Reduktion der Lungenfunktion
möglich.
7.2 Physiologische Grundlagen: OP-bedingte Veränderungen der Lungenfunktion
Während einer Allgemeinanästhesie in Rückenlage nimmt die FRC unter maschineller Beatmung
um ca. 20 % ab [263 ]. Im Gegensatz dazu bleibt die Verschlusskapazität (Closure Capacity, CC) durch die
Allgemeinanästhesie weitgehend unbeeinflusst. Die Abnahme der FRC während der Narkose
hat zur Folge, dass insbesondere in den abhängigen Lungenarealen die regionale Verschlusskapazität
unterschritten werden kann (FRC < CC). Durch den Abfall der FRC unter dieses kritische
Lungenvolumen kommt es am Ende der Exspiration zum Verschluss kleiner Atemwege (Airway
Closure) mit Ausbildung von Atelektasen [264 ] ([
Abb. 2
]).
Abb. 2 Postoperative Atelektasenbildung. ASA: American Society of Anesthesiologists. Quelle:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-004 [rerif].
Dies führt über eine Zunahme der venösen Beimischung zu einer Verschlechterung der
Oxygenierung. Diese intraoperativ entstandenen Atelektasen bleiben in den ersten postoperativen
Tagen bestehen, und ihre Größe ist eng mit dem Ausmaß des intrapulmonalen Rechts-Links-Shunts
korreliert.
Der Schweregrad der postoperativen Lungenfunktionseinschränkung ist neben den geschilderten
intraoperativen Veränderungen von präoperativen Risikofaktoren (wie Rauchen, COPD,
hoher ASA-Status, Alter), der Art des operativen Eingriffs (thorax-/abdominalchirurgische
Eingriffe) und deren Dauer (< 3 h oder > 3 h) und den postoperativen Ereignissen determiniert
[265 ].
Abhängig von ihrer Ausprägung kann die postoperative respiratorische Insuffizienz
eine Indikation für den erneuten Einsatz von maschineller Beatmung darstellen. Die
Inzidenz der Reintubation nach großen chirurgischen Eingriffen beträgt bis zu 20 %
[266 ]
[267 ]. Eine schmerzbedingte Schonatmung ist vor Anwendung von NIV auszuschließen respektive
ausreichend zu behandeln [268 ].
7.3 Präoperative Anwendung der NIV
Wegen der Vielfältigkeit der infrage kommenden pulmonalen Risikokonstellationen werden
in dieser Leitlinie einzelne Grunderkrankungen entsprechend der zugrunde liegenden
Pathophysiologie in den jeweiligen Kapiteln abgehandelt. Es existieren keine ausreichenden
klinischen Daten, die eine generelle Empfehlung zur NIV in der präoperativen Vorbereitung
rechtfertigen würden. Auch behandelt diese Leitlinie den Stellenwert der NIV bei manifester
ARI, was in der präoperativen Phase wenig klinische Relevanz hat.
7.4 Intraoperative Anwendung der NIV
Cabrini und Mitarbeiter [269 ] haben in einer Übersichtsarbeit 2014 Publikationen, die über die intraoperative
Anwendung von NIV berichten, systematisch ausgewertet. NIV wurde verwendet zur Therapie
einer ARI (12 Arbeiten mit insgesamt 92 Patienten, davon 6 Kasuistiken bei Sectio
caesarea), 16 Publikationen mit insgesamt 24 Patienten berichten über eine prophylaktische
intraoperative Anwendung der NIV bei pulmonalen Hochrisikopatienten und 4 Arbeiten
mit zusammen 502 Patienten beschreiben die Verwendung der NIV während chirurgischer
Eingriffe in tiefer Analgosedierung. Auch wenn die vorliegenden Daten qualitativ begrenzt
sind (Kasuistiken und Kohortenstudien), erscheint die prophylaktische und therapeutische
intraoperative Anwendung der NIV im Einzelfall sicher und erfolgreich durchführbar
zu sein.
7.5 Postoperative Anwendung der NIV
Ein entscheidender Faktor zur Minimierung der postoperativen respiratorischen Insuffizienz
und damit postoperativer pulmonaler Komplikationen (v. a. Pneumonie) ist die schnelle
Wiederherstellung der Lungenvolumina [265 ]. Bereits vor 20 Jahren konnte gezeigt werden, dass eine intermittierende Applikation
eines CPAP über eine Gesichtsmaske im Vergleich zur inzentiven Spirometrie zu einer
ebenso effektiven Verbesserung des postoperativen pulmonalen Gasaustausches und zur
Reduktion postoperativer pulmonaler Komplikationen beiträgt [266 ].
7.5.1 Mögliche Therapieansätze
V. a. bei Risikoeingriffen wie aortokoronarer Bypass-, Thorax- und Abdominalchirurgie
und Zwei-Höhlen-Eingriffen konnte sowohl in prospektiven Interventionsstudien [218 ]
[267 ]
[270 ]
[271 ]
[272 ]
[273 ]
[274 ] als auch in weiteren randomisierten Studien [275 ]
[276 ]
[277 ]
[278 ]
[279 ]
[280 ]
[281 ]
[282 ] eine Verbesserung der postoperativen Lungenfunktion erreicht werden. So konnten
Matte et al. [283 ] bei Patienten nach aorto-koronarer Bypass-Operation allein durch die Anwendung von
Masken-CPAP 4 Stunden nach Extubation im Vergleich zur konventionellen Therapie (inzentive
Spirometrie, Physiotherapie) die Vitalkapazität (Vital Capacity, VC), das forcierte
Einsekundenvolumen (Forced Expiratory Volume in one second, FEV1) und die Oxygenierung
signifikant verbessern sowie die venöse Beimischung reduzieren. Für postoperative
NIV-Phasen von 2-mal täglich 60 min bis zum 5. postoperativen Tag (vs. 2-mal 10 min)
konnten Nasrala et al. anhand der zentralvenösen Sättigung und des Serum-Lactat-Spiegels
neben der Verbesserung der Lungenfunktion auch eine Verbesserung der Gewebeperfusion
nachweisen [280 ]. Cordeiro et al. untersuchten in einem RCT den Therapieeinfluss unterschiedlicher
PEEP-Niveaus (10 vs. 12 vs. 15 cmH2 O) unter NIV am ersten postoperativen Tag nach koronarer Bypass-OP [282 ]. Während es zwischen den PEEP-Niveaus von 10 und 12 keine statistische Signifikanz
bestand, konnte unter dem PEEP-Level von 15 cm H2 O eine signifikante Erhöhung der SaO2 und paO2 verglichen mit den Werten vor und nach der Anwendung registriert.
Kindgen-Milles et al. konnten ebenfalls bei den o. g. Risikokollektiven durch die
postoperative Anwendung von nasalem CPAP sowohl in 2 prospektiven Interventionsstudien
[267 ]
[271 ] als auch in einer prospektiven, randomisierten Interventionsstudie die Oxygenierung
und die Atemmechanik verbessern [276 ]. In der Studie von Matte gab es keinen Unterschied bezüglich Aufenthaltsdauer auf
der Intensivstation (49,9 vs. 53,2 h), wohingegen in der Kindgen-Milles-Studie eine
Tendenz zu einem kürzeren ICU-Aufenthalt 8 vs. 12 Tage sichtbar wurde und die Krankenhausverweildauer
signifikant durch NIV reduziert wurde (22 vs. 34 Tage). Dabei wurde gezeigt, dass
durch einen nasalen CPAP von 9–10 cm H2 O im Vergleich zu niedrigeren CPAP-Drücken während des gesamten Atemzyklus ein höherer
positiver trachealer Druck aufrechterhalten werden kann, was zu einer Verbesserung
des Oxygenierungsindex (PaO2 /FiO2 ) ohne negative Auswirkung auf die Hämodynamik führt [267 ]
[271 ]
[276 ]
[284 ]
[285 ].
Kilger et al. zeigten in einer Untersuchung bei vorwiegend Lungen- und Lebertransplantierten
durch den sofortigen Einsatz von CPAP (5 cm H2 O für 30 min) und anschließend NIV (Druckunterstützung 15 cm H2 O + PEEP 5 cm H2 O) unmittelbar nach der Extubation eine Verbesserung der Atemmechanik und des pulmonalen
Gasaustausches durch Reduktion des intrapulmonalen Shunts sowie eine konsekutive Abnahme
der Atemarbeit in Abhängigkeit vom Unterstützungsmodus [218 ]. In 2 Untersuchungen an herzchirurgischen Patienten führte CPAP (5 cm H2 O) und in größerem Maße NIV (Vt = 8–10 ml/kg KG) insbesondere auch in Kombination
mit einem Rekrutierungsmanöver und anschließender Optimierung des exspiratorischen
Druckniveaus [286 ] zu einer signifikanten Reduktion postoperativer Atelektasen [279 ]
[286 ] und einer schnelleren Erholung der Lungenfunktion [286 ]. Nach bilateraler Lungentransplantation mit postoperativ akutem respiratorischem
Versagen konnte durch NIV bei 86 % der Patienten eine Reintubation verhindert werden
[272 ]. Es existiert eine Reihe von aussagekräftigen Studien, die durch die postoperative
Anwendung von NIV bei Patienten mit erhöhtem Risiko für postoperative pulmonale Komplikationen
eine Verbesserung der Lungenfunktion nachwiesen [218 ]
[267 ]
[270 ]
[271 ]
[272 ]
[276 ]
[277 ]
[279 ]
[287 ]
[288 ]. Bei einigen dieser Studien konnte sogar explizit eine positive Beeinflussung des
intrapulmonalen Shunts bzw. der postoperativen Atelektasen nachgewiesen werden [265 ]
[266 ]
[267 ]
[279 ], die, wie anfangs erwähnt, das pathophysiologische Korrelat der postoperativen hypoxämischen
respiratorischen Insuffizienz darstellen. Dieser Zusammenhang erklärt, dass wahrscheinlich
insbesondere stark übergewichtige Patienten perioperativ von CPAP/NIV profitieren
[289 ]
[290 ]
[291 ]. Allerdings liegen auch widersprüchliche Ergebnisse für dieses Hochrisikokollektiv
vor [292 ].
7.5.2 Klinische Anwendungen
7.5.2.1 NIV nach frühzeitiger postoperativer Extubation
Bisher existiert keine randomisierte Studie zu dieser Fragestellung. Es gibt jedoch
2 prospektive Studien, die zumindest bei einem selektionierten Patientengut zu interessanten
Ergebnissen führten.
In der prospektiven, aber nicht randomisierten Untersuchung an überwiegend organtransplantierten
Patienten wurde von Kilger et al. [218 ] NIV (PEEP 5 cm H2 O mit Druckunterstützung 15 cm H2 O für 30 min; 6-mal/Tag) erfolgreich eingesetzt, um eine möglichst frühzeitige Extubation
zu ermöglichen, auch wenn klassische Extubationskriterien im Hinblick auf die Atemfrequenz,
das Tidalvolumen bzw. das Verhältnis von beiden (Atemfrequenz/Tidalvolumen) sowie
den PaO2 noch nicht erreicht waren. Dieser liberale Ansatz wurde jedoch bisher in keiner größeren
randomisierten Studie bestätigt und kann daher nicht allgemein empfohlen werden. In
einer Pilotstudie von Rocca et al. [293 ] gelang die frühzeitige Extubation nach Lungentransplantation durch Einsatz eines
multimodalen therapeutischen Konzeptes, bestehend aus kurz wirkenden Anästhetika,
der zusätzlichen Verwendung einer epiduralen Analgesie und der postoperativen NIV
(Druckunterstützung 10–20 cmH2 O intermittierend für 30–40 Minuten).
7.5.2.2 NIV zur Verhinderung der Reintubation nach operativem Eingriff
Die Rate der Reintubationen nach Risikoeingriffen liegt bei bis zu 20 % [266 ]
[267 ]. Der Grund für die Reintubation ist jedoch häufig unklar: War die Entscheidung zur
Extubation verfrüht oder handelt es sich um ein neu aufgetretenes Akutereignis? Da
die Reintubation nicht nur mit einer verlängerten Liegedauer, sondern auch mit einer
deutlich erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert ist, sind Strategien zur Vermeidung
der Reintubation von größter Bedeutung für den Outcome postoperativer Patienten.
Eine Expertengruppe der Europäischen Gesellschaft für Anästhesiologie sowie der Europäischen
Gesellschaft für Intensivmedizin (ESICM) hat im Jahr 2020 eine umfassende Bewertung
der Literatur bis zum Jahr 2018 zu der Frage vorgenommen, ob eine nichtinvasive respiratorische
Unterstützung mittels NIV, CPAP oder HFN den Outcome bei postoperativer oder postinterventioneller
Hypoxämie verbessert [294 ]. Als relevante Outcome-Parameter wurden von der Expertengruppe eine Verbesserung
der Oxygenierung, eine Risikoreduktion für pulmonale Komplikationen insbesondere Atelektasen
und Pneumonie, die Vermeidung einer Reintubation sowie eine Reduktion der Mortalität
angesehen. Diese Leitlinie spricht u. a. die folgenden Empfehlungen aus:
Zur Verbesserung der Oxygenierung sollten perioperativ/periprozedural NIV oder CPAP
vor einer konventionellen Sauerstoffgabe bevorzugt verwendet werden.
Nach kardiochirurgischen Operationen sollte bei hypoxämischen Patienten NIV zur Reduktion
von Atelektasen eingesetzt werden.
Nach oberen abdominalchirurgischen Operationen sollte bei hypoxämischen Patienten
NIV oder CPAP vor einer konventionellen Sauerstoffgabe zur Vermeidung nosokomialer
Pneumonien und damit einhergehenden Komplikationen bevorzugt eingesetzt werden.
Bei perioperativen/periprozeduralen hypoxämischen Patienten sollte NIV oder CPAP an
Stelle von konventioneller Sauerstoffgabe zur Vermeidung einer Reintubation eingesetzt
werden.
Bei perioperativen/periprozeduralen hypoxämischen Patienten sollte NIV an Stelle von
konventioneller Sauerstoffgabe zur Reduktion der Mortalität eingesetzt werden.
Bezogen auf die Art des operativen Eingriffs profitieren nach Aussage der Leitlinie
insbesondere hypoxämische Patienten nach kardio- und abdominalchirurgischen Eingriffen
sowie nach Lungenresektionen und Organtransplantationen. Darüber hinaus sollte NIV
bei hypoxämischen Patienten während Bronchoskopien angewendet werden.
Die Autoren der Leitlinie betonen, dass bei postoperativen/postprozeduralen, hypoxämischen
Patienten kompetentes klinisches Personal erforderlich ist und diese Patienten klinisch,
apparativ und mittels Blutgasanalysen engmaschig überwacht werden müssen.
In der bislang größten prospektiven, randomisierten Studie mit fast 4800 Patienten,
die sich einem offenen abdominalchirurgischen Eingriff unterziehen mussten und erst
nach angeschlossener Literaturrecherche der o. g. ESA/ESICM-Leitlinie veröffentlicht
wurde, konnte für die prophylaktische Anwendung einer 4-stündigen CPAP-Therapie mit
einem Druck zwischen 5 und 10 cm H2 O in unmittelbarem Anschluss an die Operation allerdings keinerlei Nutzen im Hinblick
auf die Rate an Pneumonien, Reintubationen und letztlich auch der 30-Tage-Mortalität
nachgewiesen werden. Dabei wurde die CPAP-Therapie von der Mehzahl der Patienten gut
toleriert und ernste Komplikationen (Hörverlust bei Helm-CPAP und Dislokation eines
ZVKs beim Aufsetzen eines Helms) traten nur bei 2 Patienten auf [295 ].
Adipositaschirurgie: Eine postoperative NIV nach bariatrischer Chirurgie bei morbider Adipositas wurde
von verschiedenen Autoren untersucht. Cavalcanti et al. wiesen unter präventiver postoperativer
Anwendung nach gastrointestinalen Bypass-Operationen eine schnellere Erholung bis
zum 3. POD und weniger Komplikationen nach [296 ]. In einem systematischen Literaturreview fanden Tong et al. zudem keine Hinweise
auf ein erhöhtes Dehiszenz-Risiko der gastrointestinalen Anastomosen nach unmittelbarer
postoperativer NIPPV mit möglicher Magenüberblähung [297 ].
Den o. g. Ergebnissen stehen die bereits im Abschnitt 6.2.3.3. ausführlich erwähnten
Studien von Keenan [237 ] und Esteban [238 ] gegenüber, die aber nur bedingt mit den vorher zitierten Untersuchungen vergleichbar
sind. Insbesondere betrug der Anteil der postoperativen Patienten jeweils weniger
als 20 %.
Zusammenfassend ist die Datenlage für die postoperative Anwendung von NIV inhomogen
und z. T. sogar widersprüchlich. Die Ergebnisse scheinen zum einen von der Art des
operativen Eingriffs (Lungenchirurgie vs. Herz-Thorax- und Gefäßchirurgie vs. Abdominalchirurgie)
abzuhängen, allerdings auch davon, ob NIV/CPAP nur prophylaktisch oder therapeutisch
bei bereits manifester ARI angewendet wurde. Darüber hinaus könnte das individuelle
Risikoprofil eines Patienten für die Effekte einer postoperativen NIV-Therapie von
Bedeutung sein. Eine allgemeine Empfehlung für oder gegen NIV/CPAP nach thorax- oder
abdominalchirurgischen Eingriffen kann auf Grund der gegenwärtigen Datenlage nicht
ausgesprochen werden.
7.5.2.3 Periinterventionelle Anwendung der NIV
Auch bei verschiedenen medizinischen Interventionen bei Risikopatienten wurde inzwischen
der Stellenwert der NIV untersucht. So konnte etwa bei der Bronchoskopie hypoxämischer
Patienten (COPD-Patienten, immunsupprimierte Patienten, Kleinkinder) durch die gleichzeitige
Anwendung von NIV das Ausmaß der Hypoxämie verringert werden [298 ]
[299 ]
[300 ]
[301 ]. Weiterhin kann durch NIV die Intubation für die Durchführung von verschiedenen
Interventionen (Bronchoskopie [298 ], Katheterablation [302 ], Platzierung eines LAA-Okkluders [303 ]
[304 ] vermieden werden.
cZunehmend findet die NIV im Zusammenhang mit der Sedierung auch bei der Endoskopie
des oberen und unteren Gastrointestinaltraktes bei Patienten mit erhöhten respiratorischen
Risiko Anwendung. So wurden in einer in einer randomisiert kontrollierten Studie bei
Patienten mit schwerer Adipositas bei diesen Prozeduren unter NIV signifikant Entsättigungsereignisse
reduziert. In der Kontrollgruppe konnte durch den Einsatz der NIV als Rescue-Manöver
bei O2 -Sättigungsabfällen < 90 % in allen Fällen eine Kompensation erreicht werden [305 ]. Unter Monitoring mittels EIT wurde in einer Beobachtungsstudie bei endoskopischen
Eingriffen in Seitenlage unter Propofol-Sedierung eine signifikante Ventilationseinschränkung
der abhängigen Lungenhälfte anhand der Impedanzmessungen nachgewiesen. NIV verbessert
in dieser Situation die FRC, ohne die Beatmungsverteilung zu beeinflussen [306 ].
Auch bei neuromuskulären Risikopatienten wurde die Anlage einer perkutanen Gastroenterostomie
(PEG) unter NIV erfolgreich durchgeführt [307 ]
[308 ]
[309 ]
[310 ]. Insbesondere Patienten mit weit fortgeschrittener Grunderkrankung und dementsprechend
starker Einschränkung der Lungenfunktion scheinen von dieser Technik zu profitieren
[309 ]
[310 ].
Um eine NIV-Anwendung bei den genannten endoskopischen Interventionen (Bronchoskopie,
ÖGD und TEE) mit dem notwendigen Zugang über Mund/Nase effektiv zu ermöglichen, stehen
mittlerweile entsprechende Interfaces, wie z. B. „Janus-Mask“ oder „Bronchoscopy-Elbow“,
zur Verfügung [304 ]
[311 ].
8 Palliativmedizin
8.1 Empfehlungen
E27: NIV kann als palliative Maßnahme zur Linderung der Dyspnoe und Besserung der
Lebensqualität eingesetzt werden.
E28: Die frühzeitige Aufklärung von Patient und Angehörigen über palliative Versorgung
sollte NIV als (stationäre und nachfolgende ambulante) Behandlungsoption zur Verbesserung
von Dyspnoe und Lebesqualität miteinschließen, im Sinne von Advanced Care Planning.
E29: Der Therapiewunsch des Patienten soll nach eingehender Aufklärung über die therapeutischen
Optionen (z. B. Sauerstoffgabe, Morphin, Nasaler High-Flow-Sauerstoffgabe, invasive
Beatmung und NIV) dokumentiert werden.
E30: Bei Vorliegen einer palliativen Situation bzw. einer Patientenverfügung, in der
eine Intubation – aber nicht prinzipiell Beatmung – abgelehnt wird, kann nach ausführlicher
Aufklärung und bei Zustimmung des Patienten mit NIV zur Symptomlinderung begonnen
werden.
8.2 Hintergrund
In der kurativen Medizin stehen Heilung, Lebensverlängerung und Rehabilitation als
Therapieziele im Vordergrund. Demgegenüber ist Palliativmedizin die Weiterführung
der für den Patienten optimalen Therapie mit geändertem Therapieziel: Vermeidung oder
Linderung von Leiden, Erhalt oder Verbesserung der Lebensqualität.
Bei bestehender medizinischer Indikation ist die Übereinstimmung des angestrebten
Therapieziels mit dem aktuellen Patientenwillen zu klären. Dies erfordert adäquate
Kommunikation mit dem Patienten und den Angehörigen (shared decision-making). Die
Inhalte des Gespräches und das festgelegte Therapieziel sind in geeigneter Form zu
dokumentieren.
In einer nationalen US-amerikanischen Kohorte von 38 425 Patienten mit COPD wuchs
zwischen 2010 und 2014 die Inanspruchnahme einer Palliativberatung um 5 % und die
Festlegung einer Do-not-Rescucitate-Verfügung um 36 % an [312 ]. Nach einer Metaanalyse von 19 Studien erfolgt eine palliative Versorgung bei Patienten
mit Lungenkrebs deutlich häufiger als bei Patienten mit COPD, obwohl das Symptomprofil
vergleichbar war [313 ].
Im klinischen Alltag bleibt häufig unklar, bei welchen Patienten mit einer nicht eindeutig
formulierten Patientenverfügung zwar ein DNI-Status besteht, aber dennoch der Einsatz
von NIV gewünscht ist. Die Durchführung einer nichtinvasiven oder invasiven Beatmung
ist nach entsprechender Aufklärung von der autonomen Entscheidung des Patienten abhängig.
Die aktuelle Lebensqualität des Patienten ist kein Marker für seine Wünsche: In einer
Befragung haben z. B. Patienten, die ihre aktuelle Lebensqualität als schlecht beurteilten,
in hoher Anzahl einem vorgestellten Szenario einer kurz- oder auch langfristigen Beatmungstherapie
mit Intubation bzw. Tracheotomie und Ernährungssonde zugestimmt. Entscheidend für
ihre Wahl war vielmehr die in Aussicht gestellte Überlebensprognose und Lebensqualität
[314 ]. Deshalb ist bei der Aufklärung über palliative Therapie auch die ambulante Palliativversorgung
eine wichtige Option, einschließlich eines „Advanced care planning“ [315 ].
Herkömmlicherweise erfolgt bei Patienten mit chronischen, progredienten Erkrankungen
(z. B. COPD) ein abrupter Übergang vom kurativen zum palliativen Therapieziel [316 ]. Demgegenüber favorisieren neue Konzepte bei COPD die frühzeitige, d. h. möglichst
parallele Integration von kurativer und palliativer Versorgung bereits ab dem Zeitpunkt
der Diagnosestellung [316 ]. Das ermöglicht die bessere Berücksichtigung des oftmals fluktuierenden klinischen
Status bei Patienten mit chronisch progredienter Erkrankung (z. B. COPD).
Entscheidungen für oder gegen invasive Beatmung sind sehr stark von der Prognose abhängig.
Diese ist jedoch bei Patienten mit chronischen, nicht-malignen Lungenerkrankungen
schwierig einzuschätzen. Im Falle einer unklaren Prognose darf ein möglicher kurativer
Ansatz noch nicht außer Acht gelassen werden. Kurativer und palliativmedizinischer
Aspekt stehen hier nebeneinander [317 ]. Dementsprechend kann NIV auch eine Therapie ausschließlich zur Symptomlinderung
sein, z. B. bei end-stage COPD [318 ]
[319 ]. Unter dieser palliativmedizinischen Betrachtung liegt der besondere Stellenwert
der NIV darin, dass sie bei fortgeschrittenen pulmonalen oder kardialen Erkrankungen
besser als reine Sauerstoffgabe zur Reduktion der Dyspnoe beitragen kann [320 ]. Durch NIV lässt sich darüber hinaus Zeit für die Klärung des weiteren Vorgehens
gewinnen, z. B. in gemeinsamen Gesprächen des multiprofessionellen Behandlungsteams
mit dem Patienten, den Angehörigen oder Betreuern. Letztlich kann mittels NIV im begründeten
Einzelfall der Versuch unternommen werden, Leben bis zu einem bestimmten Zeitpunkt
zu verlängern (z. B. zur Möglichkeit der Abschiednahme von Angehörigen, Erledigung
letzter Dinge); dies sollte immer die Lebensqualität des einzelnen Patienten mitberücksichtigen.
8.3 NIV als Palliativmaßnahme zur Linderung von Dyspnoe
Ein wichtiger Vorteil von NIV gegenüber der endotrachealen Intubation ist, dass häufig
kaum sedierende oder analgetische Medikationen erforderlich sind. NIV erlaubt in gewissem
Umfang Kommunikation, Essen, Trinken und Husten. Demzufolge wird NIV in zunehmendem
Maße zur Linderung von Dyspnoe eingesetzt [30 ].
Eine Umfrage einer ERS-Task Force aus dem Jahr 2005 in mehreren europäischen Ländern
zu ethischen Aspekten am Lebensende ergab, dass in 158 (39 %) von 402 Patienten NIV
als palliativmedizinische Maßnahme zur Linderung von Atemnot zum Einsatz kam [321 ]. In einer ähnlichen Umfrage in USA und Kanada gaben knapp die Hälfte der Ärzte und
ein Drittel der Respiratory Therapists (RT) an, dass sie NIV zumindest in einigen
Fällen als Option zur Symptomlinderung indiziert sehen [322 ]. Azoulay et al. haben 10 Studien, die zwischen 1992 und 2006 publiziert worden sind
und 458 Patienten umfassten, in einem Review beurteilt: NIV war gut anwendbar und
wurde im Allgemeinen gut toleriert, ca. die Hälfte der Patienten überlebten (Evidenzlevel
IIIa) [323 ].
Zwei randomisierte Studien zeigten einerseits eine vergleichbare Verbesserung der
Dyspnoe durch NIV und Nasal-High-Flow-Therapie [324 ]. Andererseits linderte NIV in der größeren multizentrischen Untersuchung – insbesondere
bei Patienten mit Hyperkapnie – die Dyspnoe signifikant besser als die Nasal-High-Flow-Therapie.
In dieser Studie konnte bei Patienten mit NIV das begleitende Morphin niedriger dosiert
werden, was zu einer besseren kognitiven Funktion bei gleichzeitig guter Akzeptanz
beitrug [165 ]. Insbesondere bei vorliegender DNI-Verfügung [325 ] wird NIV zur Dyspnoetherapie und als palliative Maßnahme zunehmend eingesetzt.
Allerdings lässt sich Atemnot nicht in allen Fällen lindern, die NIV-Masken sind eventuell
unkomfortabel und können zu klaustrophobischen Reaktionen führen. Mundtrockenheit
und Druckstellen im Gesichtsbereich können auftreten. Adaption und Monitoring durch
geschultes Fachpflegepersonal kann dies möglicherweise verhindern oder zumindest abmildern
[326 ].
Bei NIV-Intoleranz kann möglicherweise High-Flow-Sauerstofftherapie eingesetzt werden,
um Dyspnoe zu lindern. In einer randomisierten Cross-over-Studie mit 48 Patienten
wurde die Linderung von Dyspnoe unter konventioneller Sauerstofftherapie gegenüber
High-Flow untersucht. Die Schwere der Dyspnoe dieser Palliativpatienten mit vorliegender
Do-Not-Intubate-Verfügung (DNI) konnte v. a. innerhalb der ersten 60 Minuten der Behandlung
bei gleichzeitig geringerem Morphinbedarf signifikant besser durch High-Flow reduziert
werden [327 ].
Wird die Atemnot durch NIV tatsächlich gebessert, wird der Patient in gewisser Weise
„abhängig“ von dieser Therapie. Offen bleibt, ob bzw. wie die Dauer der NIV-Anwendung
wieder reduziert oder die NIV sogar beendet werden kann. Hier sollten begleitend medikamentöse
und nicht-medikamentöse Therapien zur Linderung von Dyspnoe, wie z. B. Opiate, eingesetzt
werden.
Bei geriatrischen Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen aggravieren häufig
Komorbiditäten, insbesondere Infektionen, das Symptom der Dyspnoe. Hier ist NIV als
Therapieoption ebenfalls etabliert [328 ]. Für Patienten mit COVID-19 stehen eigene Empfehlungen zum palliativen Einsatz von
NIV zur Verfügung [329 ], auch unter Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse geriatrischer Patienten
mit COVID-19 [330 ].
Insgesamt erscheint der Einsatz von NIV bei palliativen Patienten mit ARI zur Symptomlinderung
(Borg-Skala) und Erhalt der kognitiven Funktion (geringerer Bedarf an Morphin) belegt.
Die Selektion geeigneter Patienten und die Schulung des Personals (inklusive Palliativstationen)
stellen eine entscheidende Rolle beim Einsatz der NIV dar [30 ].
8.4 NIV bei Vorliegen einer Do-Not-Intubate- oder Do-Not-Resuscitate-Verfügung
Einige Patienten haben im Vorfeld des Endstadiums einer Erkrankung in einer Patientenverfügung
ihren Wunsch nach Therapiebegrenzung formuliert und lehnen u. a. bei Auftreten einer
ARI lntensivmaßnahmen, z. B. eine Intubation, ab (sog. DNI, „Do-not-intubate“-Verfügung).
Einwilligungsfähigkeit ist gegeben, wenn der Patient Art, Folgen und Tragweite (Risiken)
einer Behandlung bzw. deren Unterlassung geistig erfassen und seinen Willen nach dieser
Einsicht festlegen kann und keine Suizidalität/Suizidgefährdung vorliegt. Bei einwilligungsfähigen
Patienten hat der Arzt den aktuell geäußerten Willen des angemessen aufgeklärten Patienten
zu beachten, selbst wenn sich dieser Wille nicht mit den aus ärztlicher Sicht gebotenen,
möglichen Diagnose- und Therapiemaßnahmen deckt. Das gilt auch für die Beendigung
schon eingeleiteter lebensverlängernder Maßnahmen. Bei nicht einwilligungsfähigen
Patienten ist die Erklärung ihres Bevollmächtigten bzw. ihres Betreuers maßgeblich.
Diese sind verpflichtet, den Willen und die Wünsche des Patienten zu beachten.
Die Nichteinleitung oder Einstellung lebensverlängernder Maßnahmen ist geboten, wenn
dies dem Willen des einwilligungsfähigen Patienten entspricht. Bei einem nicht einwilligungsfähigen
Patienten ohne Bevollmächtigten oder Betreuer sollte der Arzt im Gespräch mit den
Angehörigen den mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln. Der aktuelle Wille des
einwilligungsfähigen Patienten hat immer Vorrang [331 ].
Beim Einsatz von NIV als Beatmungstherapie ohne eine weitere erlaubte Eskalation zur
Intubation ist der kurative Ansatz nicht automatisch aufgehoben. Eine „Palliative
Noninvasive Positive Pressure Ventilation Task Force“ der US-amerikanischen Society
of Critical Care Medicine empfiehlt den Einsatz der NIV bei Patienten mit einer DNI-Verfügung
[332 ]. Diese Empfehlung bezieht sich auf Anwendungsstudien für die Diagnosen AECOPD, Hypoxämie
bei immunsupprimierten Patienten und kardiogenem Lungenödem. In der amerikanisch/kanadischen
Umfrage habe zwei Drittel der Ärzte und 87 % der Respiratory Therapists (RT) dem Einsatz
von NIV unter dieser Indikation zugestimmt [322 ]. In der europaweiten Umfrage von Nava et al. [321 ] wurden von 6008 Patienten auf Respiratory Intermediate Care Units bei 1292 Patienten
(21,5 %) Entscheidungen zur Therapiebegrenzung getroffen. In 473 Fällen (44 % von
1292) konnte der Patient selbst einwilligen. In 402 (31 %) Fällen wurde NIV als Maximaltherapie
festgelegt.
Eine Kohorte von 114 Patienten mit einer DNI-Verfügung wurde prospektiv von Levy et
al. [333 ] untersucht: Unter NIV überlebten 43 % der Patienten, die auch wieder entlassen werden
konnten. Patienten mit akut dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz oder mit
COPD hatten deutlich bessere Überlebensraten als Patienten mit Krebserkrankung, Pneumonie
oder anderen Diagnosen. Schettino et al. kamen zu einer ähnlichen Aussage: NIV kann
die Krankenhausmortalität bei Patienten mit COPD oder kardiogenem Lungenödem und einer
DNI-Verfügung reduzieren, nicht jedoch bei Patienten mit akuten Oxygenierungsstörungen,
Postextubationsversagen oder Krebserkrankung im Endstadium [334 ]. Bei Patienten mit akuter Exazerbation einer chronisch ventilatorischen Insuffizienz
und Vorliegen einer DNI-Verfügung betrug die Erfolgsrate von NIV 77 % [335 ].
Bei Patienten mit Krebserkrankung und ARI wurde ein Zusammenhang von pulmonalen Infektionen
und einem hohen Krankheitsschweregrad mit klinischem NIV-Versagen beschrieben [336 ]. Kommt es zu klinischem NIV-Versagen bei ARI, so war in einer anderen Untersuchung
die Mortalität höher als bei Krebspatienten mit invasiver Beatmung [154 ]. Bei 58 Patienten mit Lungenkrebs, vorliegender ARI und NIV zeigte eine retrospektive
Untersuchung eine Mortalität von 37 % innerhalb von 28 Tagen sowie von 64 % innerhalb
von 90 Tagen bzw. von 86 % innerhalb von 12 Monaten [337 ]. Mortalitätsprädiktoren innerhalb von 28 Tagen waren progredienter bzw. neu diagnostizierter
Lungenkrebs in Verbindung mit Organversagen und NIV als initialer Therapie [337 ]. Dies bestätigt die Beobachtung von Neuschwander et al. [152 ] von einer erhöhten Krankenhausmortalität bei Krebspatienten mit NIV-Versagen.
Besonders schlechte Überlebensergebnisse von lediglich 16 % werden beim Einsatz von
NIV bei Patienten mit end-stage Lungenfibrosen angegeben [338 ]. Demgegenüber zeigte ein retrospektiver Vergleich zwischen High-Flow-Sauerstofftherapie
vs. NIV bei 84 Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung und hypoxämischem Lungenversagen
sowie vorhandener DNI-Verfügung keinen Unterschied bezüglich 30-Tage-Überleben oder
Krankenhausmortalität [339 ]. Allerdings war NIV bzgl. Patientenkomfort, Nahrungsaufnahme und Kommunikation unter
Therapie unterlegen.
Nach der Entscheidung, keine Intubation und invasive Beatmung durchzuführen, ist auch
die Aufnahme auf die Intensivstation zu hinterfragen. NIV sollte dann von einem erfahrenen
Behandlungsteam auf der Allgemeinstation durchgeführt werden [326 ]. Corral-Gudino et al. gaben Entlassungsraten von 63 % bei COPD-Patienten bzw. 55 %
bei Patienten mit Lungenödem an [340 ]. Bei Azoulay et al. hatten bei mit NIV auf der ICU therapierten Patienten und gleichzeitiger
Do-not-Intubate-Verfügung eine vergleichbare Lebensqualität wie bei Patienten ohne
Therapielimitation, sofern diese 90 Tage überlebten. Die Krankenhaussterblichkeit
betrug 44 % in der Patientengruppe mit DNI-Verfügung und 12 % in der Patientengruppe
ohne Therapielimitation [341 ].
Höheres Lebensalter per se ist nicht mit schlechterem NIV-Outcome verbunden [342 ]. Retrospektiv erhobene Daten zeigen, dass 10 % der geriatrischen Patienten mit DNI-Verfügung
sogar 5 Jahre und länger überleben [343 ]. Daher sollte bei Vorliegen einer DNI-Verfügung NIV als Alternativbehandlung zur
invasiven Beatmung in Betracht gezogen werden [30 ]. Dies gilt vergleichbar für akut hyperkapnische COPD-Patienten und DNI-Verfügung,
die mit oder ohne komatösen Zustand in eine Notaufnahme eingeliefert werden. In beiden
Gruppen wurden eine vergleichbare Krankenhausmortalität und ein akzeptables 1-Jahres-Überleben
erzielt. 85 % der Überlebenden waren sogar bereit, erneut NIV zu erhalten [344 ]. Die spezifischen Aspekte der NIV bei Patienten mit hyperkapnischem Lungenversagen
(z. B. Vorteile der NIV, Vorbehalte gegen Maske/Apparate, Angst vor Schmerzen/Leiden/Tod
etc.) wurden in einer Metaanalyse zusammengetragen und können dem Behandlungsteam
helfen, die Akzeptanz von NIV bei ihren Patienten zu verbessern [345 ].
8.5 Aufklärung, Kommunikation, Patientenverfügung
Zusammenfassend ist in der Palliativsituation eine ausführliche und adäquate Aufklärung
des Patienten und seiner Angehörigen über die diagnostischen und therapeutischen Optionen
sowie die Prognose und die zu erwartende Lebensqualität im besonderen Maße erforderlich.
Ärztliche Beratung und empathische, offene Kommunikation ist Ausdruck der Fürsorge
für den Patienten. Chronisch erkrankte Patienten mit drohender ARI sollten ermutigt
werden, möglichst frühzeitig klare Aussagen zu NIV in der Palliativphase zu formulieren.
Patientenverfügungen können helfen, den individuellen Wunsch jedes einzelnen Patienten
zu dokumentieren. Bei der Erfassung und Dokumentation des Patientenwillens sowie von
Therapiezielbegrenzungen ist ein strukturiertes Vorgehen empfehlenswert. Therapiezielvereinbarungen
und -änderungen bei einem Patienten sollten z. B. anhand eines Dokumentationsbogens
für das Behandlunsgteam gut sichtbar und zugänglich sowie jederzeit anpassbar angelegt
werden [346 ].
9 Prähospitaler Einsatz von CPAP und NIV
9 Prähospitaler Einsatz von CPAP und NIV
9.1 Empfehlungen
S12: Voraussetzung für den erfolgreichen und sicheren prähospitalen Einsatz von CPAP
und NIV ist eine adäquate apparative Ausstattung der Rettungsmittel sowie die Kenntnis
und Erfahrung der Notfallsanitäter und Notärzte hinsichtlich der Indikationen, Kontraindikationen,
Abbruchkriterien und praktischen Anwendung.
E31: Bei Patienten mit vermutetem kardiogenem Lungenödem und akuter hypoxämischer
ARI ohne begleitende ventilatorische Insuffizienz sollte schon im Rettungsdienst,
begleitend zur Pharmakotherapie und über die konventionelle Sauerstofftherapie hinausgehend,
eine CPAP-Therapie mit individuell eingestellten Atemwegsdruck zur alveolären Rekrutierung
begonnen werden.
E32: Bei Patienten mit vermutetem kardiogenem Lungenödem, akuter hypoxämischer ARI
und zusätzlicher (drohender) ventilatorischer Erschöpfung kann prähospital auch die
NIV mit individueller Titrierung der Beatmungsdrücke als Alternative zu CPAP eingesetzt
werden.
E33: Bei Patienten mit kardiogenem Lungenödem und STEMI bzw. STEMI-Äquivalent soll
der Einsatz von CPAP und NIV den schnellstmöglichen Transport für eine möglichst rasche
invasive Reperfusionstherapie nicht verzögern.
E34: Bei Patienten mit vermuteter akuter bzw. akut-auf-chronischer ventilatorischer
Insuffizienz sollte schon im Rettungsdienst primär die NIV mit adäquatem inspiratorischem
Druck zur atemmuskulären Entlastung zur Anwendung kommen.
E35: Bei prähospitalem Einsatz von CPAP und NIV sollte eine Sauerstoffsättigung von
92–96 % und bei Patienten mit Risiko einer ventilatorischen Insuffizienz eine Zielsättigung
von 88–92 % eingestellt werden.
E36: Bei klinischem Versagen von CPAP oder NIV sollen diese umgehend beendet und unverzögert
die prähospitale Intubation eingeleitet werden, sofern keine palliative Gesamtsituation
vorliegt.
9.2 Prähospitaler Einsatz von CPAP und NIV
International und auch in Deutschland verbreitet sich zunehmend der Einsatz von nichtinvasiver
Ventilation (NIV) und kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) im Rettungsdienst
bei der prähospitalen Versorgung von Notfallpatienten mit milder bis moderater akuter
respiratorischer Insuffizienz [347 ]
[348 ]
[349 ]
[350 ]
[351 ]
[352 ]
[353 ]
[354 ]
[355 ].
Die prähospitale Anwendung von Masken- bzw. Helm-CPAP kann sowohl mit als auch ohne
Transportbeatmungsgerät erfolgen. Bei der technisch einfacheren Anwendung ohne Beatmungsgerät
baut sich der kontinuierliche Atemwegsdruck mittels in die O2 -Insufflation integrierte Expirationsventile auf [356 ].
Grundsätzlich gelten für den prähospitalen Einsatz von CPAP und NIV dieselben pathophysiologischen
Grundlagen, Indikationen und Kontraindikationen wie bei dem intrahospitalen Einsatz.
Die beiden diagnostischen Hauptindikationen für den erfolgreichen prähospitalen Einsatz
sind das kardiogene (Prä-)Lungenödem (CPE = cardiogenic pulmonary edema) mit akuter
hypoxämischer ARI (Einsatz von CPAP oder NIV), respektive die akute Exazerbation einer
COPD (AECOPD) mit akuter bzw. akut-auf-chronischer ventilatorischer Insuffizienz und
(drohender) Erschöpfung der Atemmuskelpumpe (Einsatz von NIV).
In der prähospitalen Notfallsituation stehen zunächst die allgemeine klinische Symptomatik
einer ARI, wie Dyspnoe, Tachypnoe und die pulsoxymetrisch erfasste Hypoxämie, im Vordergrund.
Die begrenzten zeitlichen Ressourcen und diagnostischen Möglichkeiten im Rettungsdienst
erschweren bzw. verzögern häufig die eindeutige differenzialdiagnostische Zuordnung
der zugrunde liegenden spezifischen pathophysiologischen Störungen bzw. Erkrankungen
[352 ]
[357 ]
[358 ]
[359 ]
[360 ]
[361 ]
[362 ]. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang die Implementierung von prähospitalen
Blutgasanalysen bzw. endtidalen CO2 -Messungen, um Art und Ausmaß des respiratorischen Versagens zukünftig auch prähospital
besser einschätzen zu können. Diese noch fehlende diagnostische Möglichkeit erschwert
etwa bei Patienten mit Verdacht auf eine hyperkapnisch bedingte Vigilanzminderung
die Diagnosesicherung und ein prähospitaler NIV-Versuch bei diesen Patienten darf
nur bei erhaltenen Schutzreflexen und unter engmaschiger klinischer Überwachung erfolgen.
Voraussetzungen für den erfolgreichen, sicheren und ressourcenaufwändigen prähospitalen
Einsatz von CPAP und v. a. NIV sind, neben der geeigneten apparativen Ausstattung
der Rettungsmittel, eine ausreichende Schulung, Kenntnis und Erfahrung der Mitarbeiter
des Rettungsdienstes hinsichtlich Pathophysiologie, diagnostischer Ersteinschätzung,
Indikationen, Kontraindikationen, Abbruchkriterien und praktischer Anwendung [352 ]
[359 ]
[360 ]
[362 ]
[363 ]
[364 ]. Die Abbruchkriterien der prähospitalen NIV entsprechen nach Expertenmeinung grundsätzlich
den wissenschaftlich gut evaluierten Abbruchkriterien im hospitalen Setting. Im Unterschied
hierzu fehlt jedoch im prähospitalen Setting i. d. R. die Möglicheit der Blutgasanalyse
als ein wichtiges Abbruchkriterium. Daher kommt der engmaschigen klinischen Überwachung
eine herausragende Bedeutung zu.
9.3 Studienlage und Evidenz zum prähospitalen Einsatz von CPAP und NIV
Im Gegensatz zur umfangreichen und guten Evidenz einer wirksamen Anwendung der nichtinvasiven
Beatmung im innerklinischen Setting ist die Evidenzlage zum prähospitalen Beginn von
CPAP und NIV bei Patienten mit ARI quantitativ und qualitativ wesentlich schlechter.
Während ein Teil der Studien spezifische Patientengruppen mit prähospital vermuteter
CPE oder AECOPD untersuchten [363 ]
[365 ]
[366 ]
[367 ]
[368 ], erfolgte in anderen Studien keine Differenzierung der spezifischen Ursachen bzw.
Diagnosen von ARI [355 ]
[358 ]
[359 ]
[360 ]
[361 ]
[369 ]
[370 ]
[371 ]
[372 ] oder der Einschluss beider Subgruppen [373 ]
[374 ].
Die Schwierigkeit einer korrekten prähospitalen diagnostischen Zuordnung und adäquater
Indikationsstellung einer CPAP- bzw. NIV-Anwendung wurde beispielhaft in 3 Observationsstudien
in paramedizinischen Rettungsdienstsystemen deutlich. In der Vorher-Nachher Studie
von Willmore et al. wurde bei 41 % der Patienten mit eigentlich bestehender CPAP-Indikation
diese prähospital nicht durchgeführt, während hingegen CPAP bei 5 % der Patienten
ohne Indikation appliziert wurde [352 ]. In der prospektiven Observationsstudie von Fuller et al. lagen die korrespondierenden
Ergebnisse bei 26 % bzw. 9 % [360 ]. In der Observationsstudie von Pinczon et al. wurde die Indikation für die durchgeführte
CPAP-Therapie sogar bei 21 % der Patienten retrospektiv als unangemessen eingestuft
[362 ]. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse dieser Studien aus paramedizinischen Rettungsdienstsystemen
auf das Notarzt-gestützte System in Deutschland ist allerdings begrenzt.
Vor dem Hintergrund des Zusammenhanges von Hyperoxie und einer Verschlechterung des
klinischen Outcomes, insbesondere bei Patienten mit COPD, wird in der aktuellen S3-Leitlinie
„Sauerstoff in der Akuttherapie beim Erwachsenen“ die Vermeidung einer Hyperoxygenierung
(O2 -Sättigung > 96 %) bei Patienten mit ARI empfohlen, mit einer O2 -Zielsättigung für Patienten mit COPD von 88–92 % [248 ]. Eine Reihe von Observationsstudien in paramedizinischen Rettungsdienstsystemen
konnte zeigen, dass bei Patienten mit AECOPD im rettungsdienstlichen Alltag häufig
eine Hyperoxygenierung auftritt, z. T. assoziiert mit respiratorischer Azidose, hyperkapnischer
Vigilanzminderung und erhöhter Mortalität [375 ]
[376 ]
[377 ]
[378 ]. Wegen der technischen Möglichkeit der Applikation einer hohen FiO2 bei der Anwendung von CPAP und NIV im Vergleich zur konventionellen O2 -Therapie steigt potenziell auch das Risiko einer Hyperoxygenierung.
Die Machbarkeit und Sicherheit der Anwendung von CPAP und NIV im bodengebundenen Rettungsdienst
bei Patienten mit nicht-traumatischer ARI konnte in einer Reihe von Observationsstudien
und kleineren randomisierten Studien gezeigt werden [352 ]
[355 ]
[359 ]
[361 ]
[363 ]
[366 ]
[368 ]
[370 ]
[371 ]
[372 ]
[373 ]
[374 ]
[379 ]. Die Ergebnisse dreier Observationsstudien implizierten hingegen Zweifel an der
adäquaten Umsetzbarkeit und Sicherheit prähospitaler CPAP in paramedizinischen Rettungsdienstsystemen
[358 ]
[360 ]
[362 ].
Die Anwendung von CPAP und NIV im luftgestützten Rettungsdienst wurde bisher wenig
untersucht. Erste Daten zeigen Hinweise auf eine Verbesserung der Oxygenierung und
eine Reduktion der Intubationsraten [353 ]
[380 ]
[381 ]
[382 ]. In der Studie von Lee et al. war allerdings bei der Subgruppe von Patienten mit
Vigilanzminderung das Risiko des NIV-Versagens mit nachfolgender Intubation erhöht,
verbunden mit längeren Transportzeiten [381 ].
In allen retrospektiven Observationsstudien und den wenigen prospektiven randomisierten
Studien wurde die prähospitale Anwendung von CPAP bzw. NIV mit einer Standardtherapie
verglichen, ohne einen direkten Vergleich von CPAP vs. NIV. Dabei wurde meist der
Effekt von CPAP und weniger oft der Effekt einer NIV untersucht, häufig ohne detaillierte
Angaben zu den Einstellungen von CPAP bzw. NIV [347 ]. In der Mehrheit der Studien zum prähospitalen Einsatz von CPAP wurden Systeme mit
Expirationsventil ohne Beatmungsgerät verwendet, meist in Ländern mit paramedizinischen
Rettungsdiensten ohne primär oder sekundär begleitende Notärzte.
Klinische Endpunkte der Studien zum prähospitalen Einsatz von CPAP und NIV bei nicht-traumatischer
ARI waren i. d. R. die Verbesserung physiologischer Parameter sowie die Intubationsraten,
z. T. aber auch die Auswirkungen auf stationäre Behandlungsdauern und Mortalitätsraten.
Sowohl in Observationsstudien als auch in randomisierten Studien konnte mehrheitlich
eine Verbesserung physiologischer Parameter, wie Dyspnoe-Scores, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung,
Herzfrequenz oder Blutdruck gezeigt werden [347 ]
[359 ]
[361 ]
[363 ]
[366 ]
[369 ]
[372 ]
[374 ]. Die Untersuchung von Schmidbauer et al. konnte bei kleinen Fallzahlen für die prähospitale
NIV bei AECOPD eine Verringerung der Intensivbehandlungsdauer feststellen [363 ].
Die Daten bezüglich Intubationsraten und Krankenhausmortalitäten zeigen in den Studien
zum prähospitalen Beginn von CPAP bei nicht-traumatischer ARI unterschiedliche Ergebnisse
[352 ]
[360 ]
[364 ]
[369 ]
[370 ]
[371 ]
[380 ]
[383 ]. Dies gilt auch für Metaanalysen zum prähospitalen Einsatz von CPAP und NIV bei
Patienten mit ARI unterschiedlicher, nicht-traumatischer Genese [349 ]
[351 ]
[354 ]
[358 ]
[384 ]
[385 ]. Alle Autoren dieser Metaanalysen weisen auf erhebliche Limitationen der Dateninterpretation
und der Übertragbarkeit hin, bedingt zum einen durch die Heterogenität der Patientencharakteristika,
der Einschlusskriterien und des prähospitalen Settings bzw. rettungsdienstlichen Qualifikationsprofils
sowie zum anderen durch die niedrige Studienqualität und die geringen Fallzahlen.
Daher sind weitere Studien mit höheren Fallzahlen und Studienqualität notwendig, um
die aktuelle Evidenzlage zu verbessern.
Für den Einsatz von CPAP und NIV bei Patienten mit stumpfem Thoraxtrauma und milder
bis moderater ARI sowie unauffälliger Neurologie und hämodynamischer Stabilität liegen
bisher nur sehr wenige und kleine randomisierte Studien zur innerklinischen Anwendung
vor [189 ]
[386 ]
[387 ]
[388 ]. Drei systematische Reviews zur innerklinischen Anwendung von CPAP und NIV bei diesem
Patientenkollektiv kamen zu gegensätzlichen Ergebnissen hinsichtlich Intubationsraten
und Mortalität [389 ]
[390 ]
[391 ]. Zum prähospitalen Einsatz bei diesen Patienten liegen hingegen bislang keine Publikationen
vor.
9.4 Bewertung der Studienlage
Basierend auf der aktuellen verfügbaren Evidenz sollte bei Patienten mit nicht-traumatischer
ARI, analog den differenzierten Empfehlungen zur innerklinischen Anwendung, begleitend
zur Pharmakotherapie und unter strenger Beachtung aller Kontraindikationen und Abbruchkriterien,
bereits prähospital ein Behandlungsversuch mit CPAP bzw. bei klinischem Verdacht auf
eine (drohende) begleitende ventilatorische Erschöpfung mit NIV unternommen werden.
Dabei gilt wie bei der innerklinischen Anwendung grundsätzlich für alle Patienten
mit vermuteter CPE und AECOPD die Einhaltung aller sonstigen therapeutischen Maßnahmen
entsprechend den jeweils aktuellen Leitlinien zur Behandlung der AECOPD, der akuten
Herzinsuffizienz und des akuten Koronarsyndroms. Besteht der Verdacht auf eine hyperkapnisch
bedingte Vigilanzminderung, kann ein NIV-Versuch unternommen werden, solange die Schutzreflexe
erhalten sind. Bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) bzw. STEMI-Äquivalent und
Lungenödem soll eine möglichst rasche invasive Reperfusionsbehandlung erfolgen und
der prähospitale Einsatz von CPAP und NIV keine Transportverzögerungen bedingen.
Wegen fehlender Evidenz zum prähospitalen Einsatz von CPAP und NIV bei Patienten mit
stumpfem Thoraxtrauma erfolgt keine Empfehlung.
Voraussetzung für eine effektive und sichere Anwendung von prähospitaler CPAP und
NIV ist eine adäquate apparative Ausstattung der Rettungsmittel sowie die Kenntnis
und Erfahrung der Notfallsanitäter und Notärzte hinsichtlich der Indikationen, Kontraindikationen,
Abbruchkriterien und praktischen Anwendung.
10 Patientenperspektive
10.1 Empfehlung
E37: Vor Einleitung der NIV soll eine situationsgerechte Aufklärung über den Zweck
der NIV und mögliche Nebenwirkungen erfolgen sowie bei Anwendung der NIV ein Sicherheitsgefühl
durch Personalanwesenheit und Zusicherung rascher Hilfe vermittelt werden.
10.2 Datenlage und Bewertung
Bislang gibt es nur wenig Literatur zur Patientenperspektive sunter bzw. nach einer
nichtinvasiven Beatmung wegen einer akuten respiratorischen Insuffizienz.
In einer 2012 publizierten Studie von Cabrini et al. [392 ] mit 45 Patienten, die außerhalb der ICU eine NIV bei akuter hyperkapnischer COPD
erhielten, berichteten 40 %, dass sie keine Möglichkeit hatten, die NIV-Behandlung
zu besprechen, und 80 %, dass ihnen keine andere Maske angeboten wurde. Während alle
wussten, wie sie Hilfe anfordern konnten, waren nur 22 % in der Lage, erforderlichenfallls
allein die Maske abzunehmen. Alle Patienten berichteten über Komplikationen und 18 %
über eine Verschlechterung unter der NIV. 15 % mussten mehr als 3 Minuten im Falle
von erforderlicher Hilfe warten. So wurde nur ein suboptimaler Sicherheitslevel im
Notfall neben einer geringen Zufriedenheit bezüglich der Kommunikation berichtet.
Sørensen et al. [393 ] fanden 2013 bei einer Befragung von 11 Patienten, dass diese in der Einleitungsphase
der NIV unterschiedlich mit dem Unbehagen erstmalig beatmet zu werden umgingen, entweder
indem sie es tolerierten oder nicht. Sobald unter der NIV die Luftnot abnahm, verspürten
sie eine Energiereserve, um mit der Erfahrung ventiliert und unter einer Maske eingezwängt
zu sein zurechtzukommen. Bei zunehmender Luftnot unter der NIV waren sie jedoch nicht
mehr in der Lage, mit der Beatmung und der Maske klarzukommen, und sahen das Unbehagen
als nicht mehr erträglich an. In einer Übergangsphase versuchten die Teilnehmer, Kontrolle
über das Unbehagen und die Nebeneffekte der NIV, wie Durst, Hitze, Lärm, Angst, Maskendruck,
Schwierigkeiten zu schlafen, Erschöpfung, Lagerung und Kommunikation, zu bekommen.
In Abhängigkeit vom Effekt der NIV auf die Luftnot gewannen oder verloren die Teilnehmer
das Vertrauen in die NIV.
Aktuellere Studien [394 ]
[395 ]
[396 ] beschreiben ein etwas differenziertes Bild.
Iosifyan et al. [394 ] führten Interviews bei 10 zur NIV-naiven Patienten während ihres ICU-Aufenthaltes
durch, kurz nach erfolgter NIV. Vor der ersten NIV-Anwendung waren die Patienten generell
positiv eingestellt. Während und nach der NIV nahm dies jedoch aufgrund der Wahrnehmung
der Hürden (Hemmnisse), die mit der NIV verbunden waren, ab. Dies waren Luftnot, Angst,
Klaustrophobie und Reaktivierung posttraumatischer Erlebnisse. Während der Anwendung
der NIV wurde die Anwesenheit von Behandlungspersonal als positiver empfunden als
die Anwesenheit eines Familienmitglieds.
Beckert et al. [395 ] interviewten 15 Patienten 2 Wochen nach einer NIV wegen respiratorischen Versagens
und befragten sie zum Grad des Missempfindens der NIV, kognitiver Erfahrungen mit
der NIV, der NIV als Lebensretter und der Sorgen um andere. Dabei zeigte sich, dass
NIV als unangenehm betrachtet wurde. Dies schloss die Erfahrungen mit der Maske, die
BGA-Abnahmen, die Anpassung an den Luftfluss und die Synchronisation mit ein. Sie
fanden die Kognition, sowohl im Hinblick auf Erinnerungsverlust als auch mit Auftreten
von Halluzinationen, beeinträchtigt. Sie betrachteten die NIV als praktikable Option
für eine zukünftige Behandlung. Weiterhin beschrieben die Teilnehmer ein großes Vertrauen
in das Behandlungsteam und delegierten die Entscheidungsfindung bezüglich weiterer
Behandlung an sie. Ihre Sorgen und Ängste betrafen sowohl die Angehörigen als auch
das Behandlungsteam, die sie als belastet ansahen.
Smith et al. [396 ] interviewten 13 Patienten. Diese beschrieben, dass die NIV eine wesentliche Befreiung
von Symptomen lieferte, eine weitere Chance zum Leben bedeutete, aber auch gewisses
Unbehagen verursacht hätte. Dies betraf die Maske, Klaustrophobie und den Luftfluss.
Auch für die Zukunft würde, sofern erforderlich, eine erneute NIV akzeptiert. Sie
äußerten oft auch ein gewisses Gefühl von Zwang, die NIV akzeptieren zu müssen. Oft
konnten die Patienten sich an die initiale Phase der NIV-Einleitung nicht mehr erinnern.
Während einige die besondere Rolle des Personals bezüglich des sich Sicher-Fühlens
beschrieben, berichteten andere von Unerfahrenheit des Personals in der Anwendung
der NIV, verbunden mit Angst und Unbehagen.
Ingesamt ergibt sich aus den vorliegenden Ergebnissen, dass Patienten bei Einleitung
und Durchführung der akuten NIV oft Unbehagen durch die Maske, den Luftfluss und die
Gerätelautstärke verspüren, ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben und der Effekt der
NIV auf die empfundene Luftnot ein entscheidender Faktor für die Toleranz der NIV
ist. Aufklärung über die NIV, ihren Effekt, mögliche Nebenwirkungen und die Vermittlung
eines Sicherheitsgefühls durch Anwesenheit kompetenten Personals, rasche Hilfe bei
Problemen und Möglichkeiten des Maskenwechsels tragen zu einer besseren Akzeptanz
bei. Dies erfordert bei der Implementierung und Durchführung der NIV entsprechend
geschultes Personal, mit Kenntnis der Ventilatoren, der Interfaces und möglichen Patienten-Ventilator-Interaktionen,
neben einem adäquaten Personal-Patienten-Schlüssel [23 ]. Dabei ist die Anwendung der NIV nicht kosten- und zeitintensiver als die invasive
Beatmung [41 ]
[397 ].
11 Technik und Anwendung der NIV
11 Technik und Anwendung der NIV
11.1 Empfehlungen
E38: Als bevorzugte Beatmungsform zur Behandlung der hyperkapnischen Insuffizienz
sollte die Positivdruckbeatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung (d. h. assistierender
Modus) kombiniert mit PEEP (EPAP) und Einstellen einer Back-up-Frequenz zum Apnoe-Schutz
sowie einer bedarfsweisen Gabe von Sauerstoff zur Sicherstellung einer adäquaten Sättigung
durchgeführt werden.
E39: In der Initialphase sollte die Nasen-/Mundmaske als Interface eingesetzt werden.
E40: NIV als Therapie der ARI mit pH < 7,30 sollte auf der Intensivstation/IMC/Notaufnahme
durchgeführt werden.
E41: Auf Normalstationen, die auf häusliche Beatmung spezialisiert sind, kann NIV
bei leichtgradiger ARI (pH > 7,30) infolge akut-auf-chronischer ventilatorischer Insuffizienz
eingesetzt werden, wenn die personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen dazu
gegeben sind.
E42: Der Beginn der NIV sollte in halbsitzender Position erfolgen.
E43: Eine bestmögliche Synchronisierung des Ventilators mit den Spontanatmungsversuchen
des Patienten sollte erzielt werden.
E44: Bei unzureichender Effektivität der NIV in der Adaptationsphase soll nach möglichen
Ursachen gesucht werden.
E45: Zur Erzielung einer NIV-Toleranz und -Effektivität kann eine leichte Sedierung
(Rass-Score 0 bis –1 oder Ramsey-Score 2) durchgeführt werden.
E46: BGA-Verlaufskontrollen sollen nach 30, 60 und 120 Minuten erfolgen.
E47: Bei Fortführung der NIV sollen bezogen auf Indikation und klinische Symptomatik
weitere BGAs durchgeführt werden. Zusätzlich soll eine kontinuierliche Überwachung
der SpO2 erfolgen.
Eine Übersicht der Mindestanforderungen an Ventilatoren und der Vor- und Nachteile
gebräuchlicher Interfaces liefern die [
Tab. 5
] und [
Tab. 6
].
Tab. 6
Vor- und Nachteile gebräuchlicher Interfaces.
Aspekt
Nasemaske
Full-Face-Maske
Helm
Mundleckage
–
+
+
Volumen-Monitoring
–
+
–
initiales Ansprechen der Blutgase
o
+
o
Sprechen
+
–
+
Expektoration
+
–
○
Aspirationsrisiko
+
o
+
Aerophagie
+
o
o
Klaustrophobie
+
o
o
Totraum (Kompressibles Volumen)
+
o
–
Lärm und Irritation des Gehörs
+
+
–
Anwendungsdauer
o
o
+
+ Vorteil, o neutral, – Nachteil
11.2 Beatmungsmodus
11.2.1 Beatmung im assistierten Modus mit Druckvorgabe
Prinzipiell stehen in der NIV Negativ- und Positivdruckbeatmung zur Verfügung. Die
Negativdruckbeatmung (Negative Pressure Ventilation, NPV) wird nur noch in einigen
spezialisierten Zentren als Therapie der ersten Wahl in der Behandlung der AECOPD
eingesetzt. Maskenbeatmung kommt dort erst bei NPV-Versagen zur Anwendung [398 ]
[399 ]. Der Vergleich zwischen NPV und invasiver Beatmung bei AECOPD ergab den gleichen
Effekt auf den Gasaustausch und eine Tendenz für geringere Komplikationsraten bei
NPV [400 ] (Ib). Üblich ist in der Akutmedizin jedoch die NIV in Form der Positivdruckbeatmung,
auch weil sie viel einfacher durchzuführen ist.
NIV zur Therapie der ARI wird international vorwiegend im assistierten Modus mit einer
Backup-Frequenz angewendet, d. h. der Patient triggert die Inspiration und erhält
eine inspiratorische Druckunterstützung. Abhängig von der Pathophysiologie wird gleichzeitig
ein PEEP appliziert. Bei Bradypnoe oder Apnoe wird der Patient mit einer individuell
einzustellenden Sicherheitsfrequenz beatmet. Sofern erforderlich, sollte zusätzlich
Sauerstoff gegeben werden, um eine adaequate Sauerstoffsättigung zu erreichen [8 ]. Da es sich hierbei um ein weit verbreitetes Standardverfahren handelt, wurde die
Empfehlung auf Evidenzlevel B angehoben.
11.2.2 Beatmung mit Volumenvorgabe
Die volumenkontrollierte Beatmung wird bei der ARI selten eingesetzt [401 ]
[402 ]
[403 ]. Allerdings können Patienten, die im Rahmen einer außerklinischen Beatmung an eine
NIV im volumenkontrollierten Modus adaptiert sind und eine ARI entwickeln, oft mit
geänderten Einstellparametern im volumenkontrollierten Modus beatmet werden.
11.2.3 Beatmung im kontrollierten Modus
Die elektive Einstellung auf eine NIV bei stabiler chronischer Hyperkapnie kann –
so häufig in Deutschland – im kontrollierten Modus [404 ]
[405 ] oder aber – wie im angloamerikanischen und südeuropäischen Raum – im assistierten
Modus erfolgen. Im Notfall einer ARI ist der Patient allerdings i. d. R. nicht in
der Lage, einen kontrollierten Modus zu akzeptieren. Hier droht durch Asynchronität
zwischen Patient und Beatmungsgerät („Fighting“) eine zusätzliche Belastung der Atemmuskulatur,
die unbedingt vermieden werden sollte.
Ein rein kontrollierter Modus, d. h. mit starrer Frequenz, ist i. d. R. nur beim stärker
sedierten Patienten möglich. Er gelingt aber auch bei Patienten, die z. B. bei schon
vorbestehender elektiver häuslicher Beatmung an einen kontrollierten Modus gewöhnt
sind. Bei einer Exazerbation ihrer Grunderkrankung ist es dann auf der Intensivstation
oft kein Problem, sie weiterhin kontrolliert zu beatmen, was die Atemmuskulatur deutlich
mehr entlastet als die assistierte Beatmung [406 ].
11.2.4 Proportional Assist Ventilation (PAV)
PAV wurde v. a. unter wissenschaftlicher Fragestellung im Vergleich zur Pressure Support
Ventilation (PSV) untersucht. Fernandez-Vivas et al. verglichen druckunterstützte,
assistierte Spontanatmung mit PAV und fanden keinen Unterschied hinsichtlich Gasaustausch,
Atemmuster, Intubationsrate oder Letalität [407 ]. Eine jüngere Studie [408 ] verglich PAV mit CPAP beim akuten Lungenödem. Hier war ebenfalls kein Unterschied
sichtbar. Untersuchungen an hyperkapnischen COPD-Patienten haben jedoch gezeigt, dass
das Umschaltverhalten in die Exspirationsphase (sog. cycling off) bei der PAV-Beatmung
v. a. bei höheren Drücken im Vergleich zum PSV-Modus unsensibler zu sein scheint [409 ].
11.2.5 CPAP
CPAP beschreibt die kontinuierliche Applikation eines positiven Atemwegsdrucks, die
im Wesentlichen dem Recruitment von bisher nicht an der Ventilation beteiligten Arealen
der Lunge dient. Pathophysiologisch hierfür ist je nach Genese des ARI v. a. eine
Verhinderung des exspiratorischen Kollapses verantwortlich (hypoxämische ARI) oder
aber eine Kompensation des intrinsischen PEEP (hyperkapnische ARI). Gerade hier ist
CPAP aber nicht als Ersatz der tidalen Ventilation zu werten, sodass in aller Regel
eine inspiratorische Druckunterstützung kombiniert werden muss.
11.2.6 Neue Beatmungsformen
11.2.6.1 NAVA
Ein neues Beatmungsverfahren ist NAVA (neurally adjusted ventilator assist). Bei diesem
Beatmungsmodus wird über Ringelektroden, die auf einem Ösophaguskatheter (der gleichzeitig
als Ernährungssonde dient) angebracht sind, das Zwerchfell-EMG abgeleitet. Dieses
Signal dient im Gegensatz zur bisherigen pneumatischen zu einer neuronalen Triggerung
und Steuerung des Beatmungsgerätes, sodass das Beatmungsgerät sehr früh getriggert
werden kann, noch bevor ein Fluss- oder Drucksignal entsteht. Für dieses Verfahren
gibt es klinische Studien, die eine bessere Synchronisierung zwischen Patient und
Beatmungsgerät zeigen. Besonders bei chaotischem Atemmuster sind Vorteile gegenüber
herkömmlichen assistierenden Beatmungsverfahren beschrieben mit besserer Synchronizität
unter NAVA [410 ]
[411 ]
[412 ]
[413 ]
[414 ]
[415 ]
[416 ]
[417 ]
[418 ]
[419 ]
[420 ]. Die Rate des NIV-Versagens bei NAVA-NIV im Vergleich zu einer PSV-NIV zeigte aber
in mehreren Studien keinen Unterschied zwischen den Verfahren [416 ]
[417 ]
[421 ].
11.2.6.2 Beatmungsformen mit Regulation des Expirationsdruckes zur Therapie der expiratorischen
Flusslimitation bei obstruktiven Atemwegserkrankungen
Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Gerätehersteller mit Techniken, die den
Druck während der Expirationsphase modulieren, um den exspiratorischen Kollaps der
Atemwege zu minimieren und damit der exspiratorischen Flusslimitation entgegenzuwirken.
Hierbei gibt es Konzepte mit nicht-variabler und variabler Druckstreurung in der Exspirationsphase.
11.2.6.2.1 Nicht-variable Drucksteuerung
Jünger und Kollegen konnten zeige, dass mit dieser Methode bei vergleichbarem Effekt
der Beatmung auf die CO2 -Werte, die Inspirationsdrücke um etwa 30 % gesenkt werden konnten und sich dabei
gleichzeitig die 6-Minuten-Wegstrecke um 35 % verbesserte [422 ]. Dasselbe Verfahren führte in einer anderen Studie zu einer Reduktion der Dyspnoe
nach dem Absetzen der NIV-Maske (dem sog. Deventilationssyndrom) [423 ].
11.2.6.2.2 Variable Drucksteuerung
Eine seit langem bekannte Methode zur Bestimmung der Resistance und Reactance ist
die Impulsozillometrie [424 ]. Durch Verwendung verschiedener Frequenzen kann unterschieden werden, ob die zentralen
oder peripheren Atemwege betroffen sind [425 ]
[426 ]. Eine erste Studie, die ein Beatmungsgerät mit dieser Technik verwendet zeigte,
dass das Ausmaß der exspiratorischen Flusslimitation während des nächtlichen Schlafes
stark variiert und mit einer entsprechenden Anpassung des Exspirationsdruckes erfolgreich
behandelt werden kann. Weitere klinische Studien hierzu sind aktuell noch nicht publiziert.
11.2.6.2.3 Extrakorporaler Gasaustausch und NIV
Aktuelle Therapieansätze kombinieren Verfahren zum extrakorporalen Gasaustausch mit
NIV. Aussagen zum klinischen Stellenwert sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht
möglich.
Wurde die extrakorporale Membranoxiginierung anfangs nur in Kombination mit einer
invasiven Beatmung durchgeführt, so mehren sich nun die Berichte und Studien zum Einsatz
des Verfahrens in Kombination mit einer nichtinvasiven Beatmung oder sogar bei spontan
atmenden Patienten.
Burki und Mitarbeiter verwendeten ein low-flow ECMO-System bei 7 Patienten, die unter
NIV ein hohes Risiko für ein NIV-Versagen hatten, sowie an 2 Patienten, die nicht
von der NIV entwöhnt werden konnten. In allen Fällen wurde die Intubation vermieden
und die Entwöhnung von der NIV verlief erfolgreich ohne Therapie bedingte Komplikationen
[427 ]. Paternoster et al. behandelten 7 wache Patienten mit COVID-assoziiertem ARDS, die
entweder eine NIV oder nasalen High-Flow erhielten, mit einer ECMO. Hiervon erlitten
4 Patienten schwerwiegende Komplikationen und 2 Patienten verstarben [428 ]. Del Sorbo behandelte mit seiner Arbeitsgruppe 25 Patienten mit hyperkapnischem
respiratorischen Versagen mit respiratorischer Azidose (pH < 7,3) und Tachypnoe (Atemfrequenz
> 30/min) mit einer ECMO-Therapie und verglich diesen Ansatz mit einem historischen
Kollektiv. Die Intubationsrate war mit 12 % in der ECMO-Gruppe geringer als in der
Vergleichsgruppe, deren Intubationsrate bei 33 % lag. Der Unterschied war nicht statistisch
signifikant und 52 % der Patienten erlitten ECMO-assoziierte Komplikationen [429 ]. Braune und Mitarbeiter behandlten 25 Patienten mit NIV-refraktärem hyperkapnischen
Versagen (pH < 7,35) mit einer ECMO-Therapie und verglichen diese Gruppe mit einer
gleichgroßen historischen Kohorte, die bei NIV-Versagen intubiert wurden. Eine Intubation
wurde in 14 Patienten (56 %) vermieden, relevante ECMO-assoziierte Komplikationen
wurden bei 11 Patienten (44 %) beobachtet, davon schwerwiegende Blutungskomplikationen
bei 9 Patienten (36 %). Die 90-Tage-Mortalität war in beiden Gruppen 28 % [430 ]. In einer retrospektiven Datenanalyse beschreiben Fuehner und Mitarbeiter den Verlauf
von 26 Patienten, die als Bridging to Transplant mit einer Wach-ECMO behandelt wurden,
und verglichen diese Daten mit einer historischen Kohorte von 34 Patienten, die invasiv
beatmet wurden. Hierbei verstarben in der ECMO-Gruppe 23 % und in der Beatmungsgruppe
28 % vor einer Organallokation. Die 6-Monats-Überlebensrate war in der ECMO-Gruppe
mit 80 % besser als in der Beatmungsgruppe (50 %; p = 0,02) [431 ].
Aktuell läuft mindestens eine randomisierte Studie zum Einsatz von ECMO unter NIV
[432 ]. Bis dahin fehlen aber Ergebnisse randomisierter Studien zum Einsatz der ECMO bei
nicht intubierten Patienten, sodass zum jetzigen Zeitpunkt keine Empfehlung ausgesprochen
werden kann.
11.3 Beatmungsgeräte (Ventilatoren)
11.3.1 Unterschiede Intensiv-/Heimventilatoren
Historisch betrachtet, wurden bei NIV als Therapie der ARI zunächst portable Heimventilatoren
oder Intensivventilatoren ohne NIV-Algorithmen verwendet. Mit dem technischen Fortschritt
verwischen die Unterschiede zwischen portablen und stationären Intensivventilatoren
in den letzten Jahren immer mehr, sodass hier auf eine weitere Beschreibung der technischen
Details verzichtet wird. Da gehäuft Beatmung via Tubus am sedierten und via Maske
am wachen Patienten durchgeführt wird, empfiehlt es sich, für die Maskenbeatmung Geräte
mit einer schnellen Einstellzeit zu verwenden, damit nur ein kurzer Zeitverzug zwischen
Einstellung der Beatmungsparameter und Änderung des Atemmusters der Maschine besteht
und der Patient hierdurch möglichst wenig irritiert wird. Intensivrespiratoren werden
zunehmend mit einem NIV-Modus ausgerüstet, der zur Verbesserung der Synchronität zwischen
Ventilator und Patient führen soll [433 ].
11.3.2 Eigenschaften NIV-tauglicher Beatmungssysteme
Auch wenn für NIV sehr unterschiedliche Beatmungsgeräte gebräuchlich sind, wird zumeist
eine druckgesteuerte Beatmung verwendet. Meistens kommen Einschlauchsysteme ohne aktive
Ausatemventilsteuerung zum Einsatz, die zwangsläufig eine definierte Leckage haben
müssen, um den Totraum des Schlauches während der Exspiration auszuwaschen. Deswegen
benötigen diese Geräte dazu einen minimalen EPAP.
Auf eine ausreichende Sauerstoffzufuhr muss geachtet werden. Intensivventilatoren
besitzen die Möglichkeit einer genauen FiO2 -Einstellung, Heimventilatoren werden mit Hilfe eines Niederdruck- Sauerstofflusses
kombiniert. Hierbei führt die Verwendung der Einschlauchsysteme ohne aktive Austatemventilsteuerung
jedoch infolge des Leckageflusses zu einer Reduktion des FiO2 an der Maske, welches bei der Oxygenierung des Patienten berücksichtigt werden muss.
Haben die Geräte eine Ventilsteuerung an der Maske mit aktivem Verschluss des Exspirationsschenkels,
so kann der EPAP auf Null eingestellt werden, sofern dieser nicht aus anderen Gründen
erforderlich ist (z. B. COPD, ARDS). Die meisten Geräte geben eine Druckdifferenz
oder ein Volumen vor. Neuere Geräte haben beide Optionen. In der Literatur werden
diese im Gegensatz zu den o. g. Bilevel-Geräten häufiger als „druckkontrollierte“
oder „volumenkontrollierte“ Beatmungsgeräte bezeichnet, was begrifflich nur bedingt
korrekt ist. Von einer Kontrolle des Druckes oder des Volumens kann man nur sprechen,
wenn das applizierte Beatmungsvolumen bzw. der Druck auch wirklich am Patienten gemessen
wird. Dieses ist infolge der inkonstanten Maskenleckagen nur über eine Bestimmung
des Exspirationsvolumens (über ein Zweischlauchsystem) zuverlässig möglich. Neuere
Geräte steuern bei der Exspiration oft gleichzeitig den Flow herunter. Diese Flow-Änderung
muss geräteintern gemessen werden, um das wirkliche Exspirationsvolumen zu bestimmen.
Bei größeren Leckagen kann diese Kompensation unzureichend sein, sodass die ungenau
gemessenen Atemzugvolumina zu einer insuffizienten Ventilation führen ([
Tab. 5
]).
11.4 Beatmungszugang (Interface)
Interfaces unterliegen, ähnlich der Parameterwahl für die Beatmung, einer hohen Individualität
und auch einer Lernkurve des Teams wie auch des Patienten. Dem muss bei der Anwendung
unbedingt Rechnung getragen werden. Eine Zusammenfassung der Vor- und Nachteile verschiedener
Interfaces liefert die [
Tab. 6
].
11.4.1 Masken
Als Beatmungszugang der NIV zur Therapie der ARI steht die Nasen-/Mundmaske ganz im
Vordergrund. Nasenmasken sind im Einzelfall oder nach Stabilisierung des Patienten
[434 ] anwendbar.
Verschiedene Komplikationen einer Maskenbeatmung wie z. B. Ulzerationen im Gesichtsbereich,
Konjunktivitis oder Aerophagie begrenzen die Anwendungsdauer der NIV mit Nasen-, Mund-Nasen-
und Vollgesichtsmasken. Der Anpressdruck einer Maske auf der Gesichtshaut steigt,
wenn der Maskeninnendruck vom höheren Inspirationsdruck auf den niedrigeren Exspirationsdruck
fällt. Masken mit einem kleinen Maskenkörper aber dafür großen Kontaktfläche auf der
Haut bieten hier Vorteile [435 ]. Patienten mit einem akuten hypoxämischen Lungenversagen sind oftmals von der dauerhaften
Aufrechterhaltung eines positiven Atemwegsdruckes abhängig, um alveolaren Kollaps
und als Folge davon eine Hypoxämie zu verhindern. Daraus resultierte die Entwicklung
von neuen Interfaces zwischen Patient und Respirator, um maskenbedingte Komplikationen
sowie Leckagen durch das Interface zu reduzieren und den Komfort sowie die Synchronizität
von Patient und Respirator zu verbessern. Zur Vermeidung maskenbedingter Probleme
und zur Erhöhung des Patientenkomforts kann es sinnvoll sein, zwischen verschiedene
Interfaces (Nasenmaske, Mund-Nasenmaske, Vollgesichtsmaske, Beatmungshelm) zu wechseln.
11.4.2 Beatmungshelm
11.4.2.1 Einsatz bei Hypoxämischer ARI
Der Beatmungshelm, der den gesamten Kopf umschließt, wurde bisher vorwiegend zur CPAP-Therapie
bei Patienten mit hypoxämischer ARI eingesetzt [436 ]. Der Beatmungshelm wurde besser und länger toleriert als die Maske. Gleichzeitig
konnten mit dem Helm die typischen Komplikationen der Maskenbeatmung verhindert werden
und es war die Anwendung höherer PEEP-Niveaus möglich. Der Beatmungshelm ist eine
Alternative zu den herkömmlichen Beatmungsmasken, insbesondere wenn die Aufrechterhaltung
eines PEEP mit gleichzeitiger O2 -Gabe im Vordergrund steht. Bei Patienten mit einer nachgewiesenen Pneumonie konnte
die Intubation in 55 % der Fälle vermieden werden vs. 0 % bei Patienten mit nicht
pneumonischem Lungenversagen [437 ]. Die Letalität war bei Patienten ohne Nachweis einer Pneumonie signifikant erhöht
(56 % vs. 91 %). Für diese Patientengruppe stellt der Beatmungshelm neben den üblichen
Gesichtsmasken seit Neuerem eine Alternative dar [438 ]. Beim Vergleich von CPAP mit Helm oder mit Gesichtsmaske fanden Principi et al.
bei Patienten mit ARDS oder Pneumonie einen vergleichbaren Effekt auf den Gasaustausch
[439 ]. Allerdings war die CPAP-Vergleichsgruppe ein historisches Kollektiv. Der Einsatz
des Helmes ging mit einer höheren Toleranz der Patienten, einer geringeren Komplikationsrate
hinsichtlich Hautverletzungen, Augenirritationen und Magenüberblähung und einer Reduktion
der Intubationsrate und der Letalität einher [439 ]
[440 ]. Adi und Mitarbeiter konnten in einer randomisierten Studie bei hypoxämischen Patienten
in der Notaufnahme eine geringere Intubationsrate feststellen, wenn ein Helm als Interface
benutzt wurde [441 ]. Eine im Jahr 2017 publizierte Metaanalyse attestiert der Helm-NIV im Vergleich
zur Masken-NIV eine niedrigere Intubationsrate, eine kürzere Dauer der Intensivbehandlung
sowie eine geringere in Hospital und 90-Tage-Mortalität [442 ]. In einer im Jahre 2022 veröffentlichten Metaanalyse, die einen Vergleich zwischen
Masken- und Helm-NIV zieht, zeigt sich bei geringer Evidenzsicherheit ein Vorteil
in der Mortalität und der Intubationshäufigkeit nach NIV-Versagen zugunsten des Helmes
bei hypoxämischem und hyperkapnischem Versagen [143 ].
Im Rahmen der Corona-Pandemie wurden zahlreiche Studien zur Verwendung des Helmes
bei an COVID-Erkrankten publiziert. Hierbei handelte es sich hauptsächlich um Machbarkeitsstudien
ohne Vergleichsgruppe, die die Anwendung des Helmes in Kombination mit CPAP oder NIV
beschrieben [443 ]
[444 ]
[445 ]
[446 ]
[447 ]. Einige Autoren beschreiben dabei, dass auf Grund der Ressourcenknappheit während
der Pandemie diese Therapien auch außerhalb von Intensivstationen und teilweise in
Kombination mit einer Bauchlagerung durchgeführt wurde [448 ]
[449 ]
[450 ]. Eine Vergleichsstudie zwischen Helm und Maskenanwendung zeigte, dass die Anwendung
des Helmes in Verbindung mit CPAP oder NIV eine bessere Toleranz durch die Patienten,
eine bessere Oxygenierung und eine geringere Intubationsrate [451 ] bewirkt. In einer randomisierten Studie, die Helm-PSV mit nasaler High-Flow-Therapie
verglich, zeigte sich kein Unterschied bei den beatmungsfreien Tagen an Tag 28 und
der In-Hospital-Mortalität, jedoch eine geringere Intubationsrate, wenn der Helm verwendet
wurde [452 ].
11.4.2.2 Einsatz bei hyperkapnischer ARI
Im Vergleich zur Ganzgesichtsmaske wurde der Helm von COPD-Patienten zwar ähnlich
gut toleriert, die Absenkung des PaCO2 war jedoch geringer, vorwiegend bedingt durch das hohe kompressible Volumen [453 ]. Wird der Helm bei hyperkapnischer ARI eingesetzt, ist auf hohe Flüsse zu achten
und die Beatmungsqualität engmaschig zu überwachen. Außerdem ist die Messung der applizierten
Tidal- und Atemminutenvolumina problematisch, da durch das große kompressible Volumen
des Helms nicht ohne Weiteres bestimmt werden kann, welcher Anteil des vom Gerät applizierten
Volumens nur zu einer Zunahme des Helmvolumens führt bzw. tatsächlich die Lunge des
Patienten erreicht. Aus dem gleichen Grund ist eine sinnvolle Einstellung der Volumenalarme
bei der Helmbeatmung praktisch nicht möglich. Im Gegensatz zur CPAP-Therapie mittels
eines Helmes kann es bei Zweidruck-Therapie (PSV, BIPAP) bei der Anwendung des Helmes
im Vergleich zur Gesichtsmaske zur Erhöhung der Atemarbeit [454 ] und zu einer geringeren CO2 -Elemination [455 ] kommen.
11.4.2.3 Grenzen beim Einsatz des Beatmungshelms
Durch das große kompressible Volumen des Helms verschlechtert sich jedoch die Triggerempfindlichkeit
des Gesamtsystems aus Helm und Demand-Flow-Respirator im Vergleich zur Gesichtsmaske
erheblich. Die Atmungsmuskulatur wird weniger effektiv entlastet und es kommt zu frustranen
Triggerversuchen [456 ]. Bei höheren Beatmungsdrücken wird die Triggerempfindlichkeit tendenziell etwas
besser. Daher sollte ein PEEP > 5 cmH2 O eingestellt werden.
Bei der Anwendung assistierender Beatmungsverfahren besteht weiterhin die Gefahr von
Desynchronisation zwischen Patient und Beatmungsgerät, besonders bei hohen Atemfrequenzen
und hoher inspiratorischer Druckunterstützung [457 ]. Bei der Verwendung von Demand-Flow-Respiratoren kann auch das Problem der CO2 -Rückatmung klinisch relevant werden kann. Am ehesten ist der Beatmungshelm in Kombination
mit einem High-Flow-CPAP-System zur Behandlung eines hypoxämisch, nicht-hyperkapnischen
Lungenversagens geeignet.
Die Anwendung des Helmes erfordert eine besonders engmaschige Überwachung, da Unterbrechungen
des Flows sowie Diskonnektionen bei allen Helmen zu einem Abfall des FiO2 führen und bei Helmen ohne zusätzliches Sicherheitsventil einen gegebenenfalls bedrohlichen
Anstieg des pCO2 aufgrund von CO2 -Rückatmung zur Folge haben [458 ]. Vermutlich gibt es wegen der vielen Probleme zum Einsatz des Helmes zur Behandlung
der hyperkapnischen ARI keine neuen Daten bis 2012.
11.5 Aspekte zur praktischen Durchführung der NIV
11.5.1 Einsatzort
Die Literaturanalyse ergibt, dass die NIV bei ARI im Wesentlichen auf der Intensivstation
durchgeführt wird, wobei der Therapiebeginn idealerweise schon im Rahmen der medizinischen
Erstversorgung, z. B. im Rettungswagen, oder in der Notfallaufnahme erfolgen kann.
Über Ausnahmesituationen im Rahmen der Corona-Pandemie wurde im Kapitel 11.4.2.1.
eingegangen.
Existiert eine spezialisierte Intermediate Care Station, so kann auch hier NIV durchgeführt
werden, sofern keine komplizierenden Begleiterkrankungen bzw. relevante Co-Morbidität
vorhanden sind [459 ]. Eine generelle Empfehlung lässt sich nicht formulieren; vielmehr muss in Abhängigkeit
vom Einzelfall – d. h. der klinischen Situation des Patienten und den lokalen fachlichen
wie strukturellen Voraussetzungen – entschieden werden.
11.5.1.1 Intensivstation
Wichtige Argumente für die Intensivstation als Ort des Einsatzes der NIV alternativ
zur invasiven Beatmung sind die kontinuierliche Überwachung des Patienten (Monitoring)
und die Möglichkeit des unverzögerten Beginns vital indizierter therapeutischer Maßnahmen
sowie der erhöhte pflegerische Aufwand in der Initialphase der Therapie [397 ] (IV). Zudem ist offensichtlich, dass NIV hinsichtlich der Qualifikation des Personals
in dieser Phase die Struktur einer Intensivstation erfordert. Es gibt aber auch Ausnahmen
von dieser Sichtweise. Dies kann z. B. Patienten betreffen, die an einer ventilatorischen
Insuffizienz, z. B. im Rahmen einer AECOPD, leiden. Hier kann die Beatmung im Einzelfall
auch auf einer auf Beatmung spezialisierten Intermediären Intensivstation durchgeführt
werden.
11.5.1.2 Intermediate Care Station
Es existiert international keine einheitliche Definition der Intermediate Care Station
[459 ]
[460 ]
[461 ]
[462 ]
[463 ]. Von der DGAI ist 2014 ein Kompetenzmodul IMC erstellt worden, das die Qualitätsanforderungen
an eine IMC-Station enthält [464 ]. Vereinfachend lässt sich sagen, dass wie auf der normalen Intensivstation eine
apparative wie personelle Infrastruktur vorhanden sein muss, die im Sekundenbereich
auf Notfälle (z. B. Kammerflimmern, respiratorischer Notfall) reagieren kann. Auf
der Intermediate Care Station mit dem Schwerpunkt Pneumologie befinden sich Patienten
mit im Vordergrund stehender respiratorischer Insuffizienz und weitgehend stabilen
Begleiterkrankungen. Hier muss die apparative und personelle Ausstattung so strukturiert
sein, dass ein Notfall (z. B. verstopfter Tubus) unverzüglich behandelt werden kann.
Allerdings sind die Anzahlen von Intermediate Care Stationen in Deutschland wieder
rückläufig und die kränkeren Patienten mit ARI werden zunehmend auf der Intensivstation
betreut.
Im Algorithmus ([
Abb. 3
]) wird der Ort der Beatmung von der Komplexität bzw. akuten Bedrohlichkeit der Begleiterkrankungen
abhängig gemacht. Das entscheidende Kriterium ist das Vorliegen eines Einorgan- oder
Mehrorganversagens, wobei Letzteres immer auf der Intensivstation betreut wird [439 ].
Abb. 3 Algorithmus zur Einleitung der NIV. Quelle: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-004 [rerif].
Bei Patienten mit bereits bestehender NIV ist der Übergang zwischen einer klinisch
stabilen chronisch ventilatorischen Insuffizienz und einer beginnenden Dekompensation
oft fließend. Hier kann bei gegebener fachlicher und struktureller Voraussetzung vereinzelt
die NIV auch auf der spezialisierten Normalstation durchgeführt werden. In England
wurde gezeigt, dass NIV bei frühzeitigem Einsatz mit einer simplen Geräteeinstellung
und nach kurzer Einweisung der Pflegekräfte bei Patienten mit AECOPD und pH-Werten
zwischen 7,30 und 7,35 erfolgreich auf der Normalstation eingesetzt werden kann [38 ] (Ib). In diesem Zusammenhang wurde auch der Nutzen eines Pflege-basierten „NIV-Services“
für Normalstationen gezeigt [465 ] (IV). Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass die in den genannten Studien gegebene
Infrastruktur auf Normalstationen in Deutschland vielfach nicht in vergleichbarer
Weise existiert.
11.5.1.3 Notfallaufnahme und Rettungswagen
Ein weiterer Ort für den frühen Einsatz der NIV ist die Notfallaufnahme im Akutkrankenhaus.
Zum Einsatz der NIV als erste Notfallmaßnahme in der Prähospitalphase wird auf das
Kapitel 9 verwiesen.
11.5.2 Adaptationsphase
NIV sollte bevorzugt in halbsitzender Position durchgeführt werden, da beides zur
Reduktion der Atemarbeit führt [466 ]
[467 ]. Eine Auswahl an Full-Face-Masken, Nasalmasken und Pillows in verschiedenen Größen
sollte verfügbar sein. Es empfiehlt sich allerdings im Notfall, zu Beginn eine Nasen-Mundmaske
zu verwenden (es sei denn, der Patient ist bereits an eine Nasenmaske adaptiert).
Bei Vorliegen von Maskenintoleranz oder Inkompatibilität kann anstelle einer Maske
ein Beatmungshelm verwendet werden. Der Patient wird mit der Maske durch Vorhalten
vor das Gesicht vertraut gemacht oder kann ggf. die Maske selber halten. Bei guter
Kooperationsfähigkeit kann im Einzelfall die Maske auch direkt aufgesetzt und mit
der Bänderung fixiert werden. Anschließend wird die Maske bei laufendem Beatmungsgerät
mit dem Beatmungsschlauch verbunden. Gleichfalls möglich sind die direkte Kopplung
der Maske mit dem Beatmungsgerät und das anschließende Vorhalten vor das Gesicht des
Patienten bzw. das direkte Aufsetzen. Hierdurch kann eine Adaptation in Abstimmung
mit dem Beatmungsmuster des Patienten erfolgen.
Ein alternatives Verfahren ist in der Hand des Geübten das Vorhalten oder Aufsetzen
der Maske und anschließende Beatmen des Patienten über einen Beatmungsbeutel unter
gleichzeitiger Sauerstoffzufuhr. Der Vorteil besteht in der Abschätzung, wie gut sich
der Patient beatmen lässt. Erfahrungsgemäß wird der Patient zunehmend ruhiger, wenn
über einige Minuten sein spontanes Atmungsmuster mit der Beutelbeatmung unterstützt
wird. Zeichnet sich eine Stabilisierung ab, kann die Maske mit dem Kopfgeschirr befestigt
und die Beatmungsmaschine angeschlossen werden. Primäres Ziel dieser Adaptationsphase
ist das Herstellen einer Synchronisierung der Spontanatmung des Patienten mit dem
Ventilator. Hierbei sollte auf die Vermeidung von Leckagen an der Maske geachtet werden,
da Leckagen eine große Bedeutung für die Entstehung einer Asynchronie zwischen Patient
und Ventilator zugeschrieben werden [468 ]. Bei der Einstellung der NIV am Patientenbett verbessert sich die Qualität der Einstellung,
wenn die vom Gerät angezeigten Kurven zusätzlich zu den numerisch angegebenen Daten
Berücksichtigung finden [469 ]
[470 ]. Ist nach Beurteilung der Sauerstoffsättigung bzw. der PaCO2 -Werte die Ventilation erfolgreich, wird diese fortgesetzt. Führt NIV nicht zu einer
Besserung der Oxygenierung bzw. der Ventilation oder nimmt die Unruhe des Patienten
zu, müssen mehrere potenzielle Ursachen ausgeschlossen werden. Eine Enge im Bereich
der Atemwege als Ursache einer Obstruktion kann sowohl funktioneller als auch mechanischer
Natur sein. So können Patienten sich mit einem durch die Beatmung selbst getriggerten
Glottisschluss gegen eine Maskenbeatmung sperren, oder es besteht eine Atemwegsverlegung
durch einen Fremdkörper, einen Tumor oder eine Schleimhautschwellung in der Glottisregion
bzw. im Tracheobronchialsystem. Das Vorliegen oder der Verdacht auf eine Atemwegsobstruktion
erfordern eine Abklärung, ggf. auch durch endoskopische Verfahren.
Besteht eine Kontraindikation für eine Maskenbeatmung, sollte der Patient oral intubiert
werden. Die nasale Intubation sollte grundsätzlich vermieden werden, da sie durch
den kleineren Tubus einerseits die Atemarbeit während der Spontanatmungsphasen deutlich
erhöht (und damit das Weaning erschwert) und zum anderen durch eine Verlegung der
Zugänge zu den Nasennebenhöhlen bereits nach 3 Tagen praktisch immer eine Sinusitis
induziert [471 ]. Nur wenn anatomische Gründe gegen eine orale Intubation (z. B. unklare Sichtverhältnisse)
sprechen oder der Patient den oralen Endotrachealtubus so schlecht toleriert, dass
eine tiefe Sedierung erforderlich wird, kann vorübergehend nasal intubiert werden.
11.5.3 Beatmungsparameter
11.5.3.1 Hyperkapnische ARI
Bei der Auswahl der Beatmungsparameter bei COPD ist auf ausreichend hohe inspiratorische
Spitzendrücke (d. h. zwischen 15–25 cmH2 O) sowie auf hohe inspiratorische Flüsse zu achten, um über eine ausreichende alveoläre
Ventilation und eine Reduktion der Atemarbeit die Hyperkapnie zu beseitigen. Bei COPD
ist es ratsam, die inspiratorische Druckunterstützung (IPAP) mit einem externen PEEP
von etwa 3–6 cmH2 O zu kombinieren, um den intrinsischen PEEP und die hiermit verbundene Atemarbeit
zu reduzieren [472 ]. Für das Asthma bronchiale wird empfohlen, mit niedrigen Inspirationsdrücken (5–7 cmH2 O) bei einem PEEP von 3–5 cmH2 O zu beginnen und den Inspirationsdruck schrittweise bis maximal 25 cmH2 O zu steigern [473 ].
Bei OHS-Patienten kommen druckassistierte Beatmungsmodi (BiPAP ST, ass. PCV) zum Einsatz.
Der Einsatz von Hybrid-Beatmungsmodi hat in einzelnen Studien bislang keine Verbesserung
hinsichtlich Mortalität oder Beatmungsqualität erbracht und kann aktuell nicht empfohlen
werden [81 ]
[83 ]
[474 ]. Aus pathophysiologischen Erwägungen wird empfohlen, das EPAP-Level zu titrieren,
um die Oxygenierung zu verbessern und ein begleitendes OSAS zu therapieren. Die inspiratorische
Druckunterstützung (ΔEPAP-IPAP) sollte ausreichend breit gewählt werden, um eine adäquate
Augmentation der Ventilation zu erreichen, und die Inspirationsdauer (Ti) im Sinne
einer I:E-Ratio von 1:1 verlängert werden [60 ].
11.5.3.2 Hypoxämische ARI
Bei hypoxämischer ARI, z. B. infolge Pneumonie oder ARDS, steht die CPAP-Therapie
im Vordergrund. Ein Zweidruckverfahren kann darüber hinaus den Sauerstoffbedarf der
Atemmuskulatur reduzieren, die sog. Oxygen Cost of Breathing. Hierbei muss die Beatmung
zu einer deutlichen Reduktion der Atemarbeit führen, was man i. d. R. an einer Reduktion
der Atemfrequenz oder des Rapid Shallow Breathing Index erkennt. Dabei sollte auf
die komplexen Interaktionen zwischen Beatmung und Hämodynamik geachtet werden [475 ].
11.6 Sedierung
Stark agitierte Patienten sollten zur Reduktion des Gesamtsauerstoffverbrauches und
des Atemantriebes leicht sediert werden (Rass-Score 0 bis –1 oder Ramsey-Score 2).
Wegen der guten Steuerbarkeit eignet sich Morphium i. v.. Zur Anwendungssicherheit
von Sufentanil [476 ] und Remifentanil als kurzwirksames Opiat [477 ] liegen positive Daten aus Pilotstudien an kleinen Patientengruppen vor. Die Dosierung
sollte individuell titriert werden. Bei Angstzuständen werden gemäß der S3-Leitlinie
„Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin“ kurzwirksame Benzodiazepine
bolusweise niedrigdosiert empfohlen [478 ].
11.7 Monitoring
Blutgasanalysen und die Überwachung der Sauerstoffsättigung sind geeignete Verfahren.
Nicht nur die Ausgangswerte, sondern auch der Verlauf der BGA (d. h. der pH-, PaO2 und PaCO2 -Werte) in der Initialphase der NIV sind für den Therapieeffekt der NIV ausschlaggebend.
Ebenso wichtig ist eine engmaschige klinische Beobachtung des Patienten, einschließlich
der Atemfrequenz. Große Leckagen im Bereich des Beatmungszuganges aber auch eine Asynchronie
zwischen Patient und Ventilator müssen vermieden werden. Ein Monitoring der wichtigen
Verlaufsparameter ist nach 30, 60 und 120 Minuten erforderlich, um Therapieerfolg
bzw. -versagen frühzeitig zu erkennen. So sollen BGA-Verlaufskontrollen nach 30, 60
und 120 Minuten erfolgen. Die transkutane CO2 -Messung ist, sofern verfügbar, ein geeignetes Instrument zur Verlaufskontrolle. Bei
Fortführung der NIV sollen bezogen auf Indikation und klinische Symptomatik weitere
BGAs durchgeführt werden. Zusätzlich soll eine kontinuierliche Überwachung der SpO2 erfolgen.
Zeichnet sich keine Besserung des PaCO2 und des pH ab, sollten Abbruch der NIV und die Einleitung einer invasiven Beatmung
erwogen werden [8 ].
11.8 Atemgasbefeuchtung
Die Notwendigkeit eine Atemgasbefeuchtung im Rahmen einer NIV ist umstritten. Hierbei
sollte der Patientenkomfort berücksichtig werden [479 ]. Der erhöhte Atemfluss kann zu einer Austrocknung der Atemwege führen und zu einer
Erhöhung der Atemwegswiderstände. Diese Phänomene wurden insbesondere beim Auftreten
von Maskenleckagen beobachtet [480 ]. Auf die unterschiedliche Leistung von Befeuchtern sei an dieser Stelle hingewiesen
[481 ]. Für die Atemgasbefeuchtung stehen sowohl aktive als auch passive Befeuchtungssysteme
zur Verfügung. Beide Systeme zeigten in bisherigen Studien im Rahmen der NIV keine
Unterschiede hinsichtlich der Beatmungsqualität [482 ].
11.9 Besonderheiten bei respiratorischer Infektiosität
Erreger egal welcher Art (Bakterien, Viren und Pilze) aus dem Menschlichen Atemtrakt
werden immer gebunden an und in Aerosolen übertragen. Als Aerosol bezeichnet man ein
Gemisch aus Luft mit darin verteilten festen oder flüssigen Partikeln [483 ]). Partikel, die aus der menschlichen Lunge abgeatmet werden, haben einen Mass Median
Aerodynamic Diameter (MMAD) von durchschnittlich 0,4 µm. Man geht davon aus, dass
diese feuchten Partikel während der Inspiration in den terminalen Atemwegen entstehen,
dabei korreliert die Menge der abgeatmeten Partikel mit der Atemzugtiefe und nicht
mit der Strömungsgeschwindigkeit der Atemluft. Größere Partikel entstehen beim Sprechen
und/oder Singen und kommen nicht aus den tiefen Atemwegen. Partikel mit einer Größe
von 5–15 µm stammen hauptsächlich aus dem Larynx/Pharynx bzw. aus dem Mundraum, wenn
sie größer als 15 µm messen [487 ]. Partikel aus dem menschlichen Respirationstrakt bestehen zum größten Teil aus flüssigen
Bestandteilen und schrumpfen in etwa um den Faktor 4,5, wenn sie aus der hohen Luftfeuchtigkeit
der Atemwege in die Umgebungsatmosphäre gelangen [487 ]. Nach dem Stokschen Gesetz verhindern die Reibungskräfte in der Luft, dass Partikel
unterhalb einer Größe von 0,5–1 µm der Schwerkraft folgen und zu Boden sedimentieren
[483 ]
[488 ]. Partikel von 5 µm z. B. haben eine Sedimentationsgeschwindigkeit von 740 µm/Sekunde,
also einem Meter in etwas mehr als 20 Minuten. Die Reichweite der Ausatemluft liegt
bei normaler Atmung in etwa bei einem Meter [489 ]. Beim Singen und Sprechen legt die ausgestoßene Aerosolwolke bis zu 2 Meter zurück
[490 ], und beim Husten und Nießen beträgt die Reichweite bis zu 8 Meter [491 ]. Da die abgeatmeten Partikel nur langsam oder gar nicht der Schwerkraft folgen und
zu Boden sinken (man spricht auch von ‚airborne‘ oder ‚hanging particles)‘, kommt
es zu einer Akkumulation in der Luft. Ein gutes Vergleichsmodell zur Risikoabschätzung
ist der Zigarettenrauch, dessen Partikel ebenso wie abgeatmete natürliche Partikel
0,3–0,4 µm (MMAD) messen [492 ]. Zigarettenrauch entfernt sich von seiner Quelle und verteilt sich über die Zeit
gleichmäßig im Raum. Gleiches gilt für abgeatmete Aerosole, sodass in geschlossenen
Räumen die Abstandsempfehlung (1,5 Meter) nur bedingt effektiv ist. Aus den bis hierher
aufgeführten Betrachtungen wird ersichtlich, dass es v. a. in Innenräumen mit fehlender
Lüftung oder Luftreinigung zu einer Akkumulation infektiöser Aerosole kommen kann.
So geht man bei der SARS-CoV-2-Pandemie z. B. davon aus, dass etwa 99,9 % aller Infektionen
innerhalb von geschlossenen Räumen stattgefunden haben [493 ]
[494 ]. Das Übertragungsrisiko durch infektiöse Aerosole wird dabei durch folgende Faktoren
beeinflusst:
Der Konzentration des Erregers in der Exspirationsluft des Infizierten
Der vitalen Halbwertszeit des Erregers in der Atmosphäre
Der Minutenventilation des Infizierten
Dem Verteilungsvolumen (Raumvolumen)
Der Aufenthaltsdauer des potenziellen Empfängers im Raum
Der Minutenventilation des potenziellen Empfängers
Das Vorhandensein von Maßnahmen zur Luftreinigung
Dem Tragen von persönlicher Schutzausrüstung (Masken)
Der Infektiösität des Erregers
Bei Patienten mit vermuteter oder nachgewiesener Infektion, die über Aerosole eine
dritte Person infizieren könnte, sind daher folgende Maßnahmen empfohlen und Risiken
zu beachten:
Bei NIV-Versagen und invasiver Beatmung sollte der Exspirationsschenkel mit einem
virendichten Filter versehen sein. Besondere Vorsicht ist bei der Intubation geboten,
da durch die Nähe zum Patienten und durch Husteninduktion das Infektionsrisiko erheblich
steigt (Odds Ratio 13,3 [495 ]. Bei erforderlicher Intubation sollte diese, wenn möglich endoskopisch, um einen
größtmöglichen Abstand zum Patienten halten, oder videolaryngoskopisch erfolgen. Die
Abdeckung des gesamten Kopfes mittels Plexiglashaube oder der Mund und Nasenöffnung
des Patienten durch eine Maske, die Tubus und Endoskop passieren lässt, kann das Infektionsrisiko
potenziell reduzieren. Geschlossene Absaugsysteme sind zu bevorzugen.
Bei nichtinvasiver Beatmung sollten Full-Face-non-vented-Masken (Masken ohne Leckagesystem)
verwendet werden. Bei Einschlauchsystemen mit Exspirationsventil ist ein virendichter
Filter patientenseitig vor dem Exspirationsventil zu verbauen, bei Zweischlauchsystemen
sollte ein virendichter Filter im Exspirationsschenkel eingebaut werden.
Bei Verwendung einer nasalen High-Flow-Therapie kommt es nicht zur vermehrten Abgabe
infektiöser Aerosole [496 ], die Aerosolwolke hat aber in Abhängigkeit von der eingestellten Flussrate eine
Reichweite von bis zu 4 Metern [489 ] und verteilt sich daher schneller im Raum. Das Tragen einer Mund-Nasenmaske über
der High-Flow-Brille reduziert die Partikelabgabe und Ausbreitung der Aerosole [489 ]
[496 ].
Eine nasale Sauerstofftherapie scheint keinen wesentlichen Einfluss auf die Partikelabgabe
durch den Patienten zu haben [497 ].
Neben dem Tragen von persönlicher Schutzausrüstung durch das Personal kann das Tragen
einer Schutzmaske durch den Patienten die Aerosolausbreitung reduzieren und trägt
so zum Fremdschutz bei [498 ].
12 ARI bei Kindern und Jugendlichen
12 ARI bei Kindern und Jugendlichen
12.1 Empfehlungen und Statements
E50: NIV sollte bei Kindern mit gemischter ARI aufgrund von Bronchiolitis, Asthma
oder bei ARI bei vorbestehender syndromaler, neuromuskulärer, Lungen- oder Atemwegserkrankung
als primäre Beatmungsform eingesetzt werden.
E51: NIV kann bei leichtem oder moderatem pädiatrischem ARDS oder bei Sepsis unter
der Beachtung der Kontraindikationen als Beatmungsform versucht werden, wenn keine
unmittelbare Intubationsnotwendigkeit besteht.
S13: Eine Behandlung der ARI mit NIV bei immunsupprimierten Kindern kann generell
nicht empfohlen werden und bedarf einer Einzelfallentscheidung im Hinblick auf Schwere
der Immunsuppression, Alter des Kindes, Erfahrung des Behandlungsteams.
E52: NIV sollte perioperativ und im Weaning bei Kindern mit vorbestehender syndromaler,
neuromuskulärer, Lungen- oder Atemwegserkrankung sowie vor/nach Operationen angeborener
Herzfehler angewendet werden.
S14: NIV zur Therapie der ARI im Kindesalter erfordert ein intensives Monitoring inkl.
regelmäßiger Blutgase und klinischer Reevaluation sowie Intubationsbereitschaft
E53: NIV als Therapie der ARI sollte bei Kindern auf der Intensivstation durchgeführt
werden.
12.2 Anwendung von nichtinvasiver Beatmung bei Säuglingen und Kindern
Die nichtinvasive Beatmung zu Behandlung der ARI hat ihren festen Stellenwert in der
Behandlung von Säuglingen und Kinder auf der pädiatrischen Intensivstation. Die Evidenz
zum Nutzen der NIV kommt u. a. aus kleineren randomisierten Studien [499 ]
[500 ]
[501 ]
[502 ]
[503 ]
[504 ]
[505 ]
[506 ]
[507 ]
[508 ], Cross-over-Studien [509 ]
[510 ]
[511 ]
[512 ], prospektiven [90 ]
[94 ]
[101 ]
[513 ]
[514 ]
[515 ]
[516 ]
[517 ]
[518 ]
[519 ]
[520 ]
[521 ]
[522 ]
[523 ]
[524 ]
[525 ]
[526 ]
[527 ]
[528 ]
[529 ]
[530 ]
[531 ]
[532 ]
[533 ]
[534 ]
[535 ]
[536 ]
[537 ]
[538 ]
[539 ] und retrospektiven Kohortenstudien [91 ]
[93 ]
[95 ]
[97 ]
[540 ]
[541 ]
[542 ]
[543 ]
[544 ]
[545 ]
[546 ]
[547 ]
[548 ]
[549 ]
[550 ]
[551 ]
[552 ]
[553 ]
[554 ]
[555 ]
[556 ]
[557 ]
[558 ]
[559 ]
[560 ]
[561 ]
[562 ]
[563 ]. Trotz der vielen Studien ist aufgrund der meist kleinen Fallzahlen und Heterogenität
der untersuchten Kohorten eine Überlegenheit von NIV im Vergleich zu Standardtherapie
für viele Indikationen im Kindesalter außerhalb der Neugeborenen Periode unzureichend
belegt.
NIV wurde zur Behandlung von ARI eingesetzt aufgrund von PARDS [517 ]
[518 ]
[540 ]
[547 ]
[548 ]
[549 ]
[564 ], Pneumonien [95 ]
[499 ]
[513 ]
[514 ]
[517 ]
[519 ]
[521 ]
[540 ]
[543 ]
[547 ]
[549 ]
[550 ]
[565 ]
[566 ], Lungenödem [550 ], obere Atemwegsobstruktionen [514 ]
[517 ], Bronchiolitis [499 ]
[510 ]
[511 ]
[517 ]
[522 ]
[524 ]
[525 ]
[554 ]
[555 ]
[565 ], perioperativ insbesondere nach Wirbelsäulenchirurgie und Kardiochirurgie [513 ]
[521 ]
[540 ]
[544 ]
[545 ]
[549 ], Sichelzellanämie [540 ]
[551 ] sowie im Weaning. Oft hatten die behandelten Kinder vorbestehende chronische Atemwegs-
oder Lungenerkrankungen (v. a. zystische Fibrose) [97 ]
[547 ], neuromuskuläre Erkrankungen [90 ]
[94 ]
[95 ]
[97 ]
[514 ]
[517 ]
[518 ]
[521 ]
[542 ]
[543 ]
[547 ], Adipositas [515 ]
[553 ], kardiale [513 ]
[521 ]
[523 ], onkologische [515 ]
[518 ]
[540 ]
[543 ]
[547 ]
[548 ]
[550 ]
[564 ] oder hämatologische Grunderkrankungen [101 ]
[514 ]
[518 ]
[521 ]
[547 ]
[551 ]
[564 ] sowie einen Zustand nach Lebertransplantation [520 ]
[540 ]
[541 ]
[547 ].
Die Verbesserung des Gasaustausches durch NIV bei Kindern gemessen am paO2 bzw. der Sättigung [499 ]
[500 ]
[509 ]
[513 ]
[518 ]
[543 ]
[547 ]
[549 ]
[552 ]
[564 ], Reduktion der A-aDO2
[543 ]
[568 ] sowie an der Reduktion der Atemfrequenz [97 ]
[499 ]
[500 ]
[509 ]
[516 ]
[518 ]
[519 ]
[540 ]
[541 ]
[543 ]
[547 ]
[550 ]
[552 ]
[553 ]
[554 ]
[569 ] und des PaCO2
[513 ] konnte in vielen Studien nachgewiesen werden.
Durch Anwendung von NIV kann bei manchen Kindern die Intubation vermieden werden [92 ]
[101 ]
[499 ]
[513 ]
[514 ]
[515 ]
[521 ]
[522 ]
[540 ]
[548 ]
[568 ]. Die Erfolgsrate scheint besonders hoch bei akutem Thoraxsyndrom, Pneumonie, oberen
und unteren Atemwegsobstruktionen [518 ]
[540 ]
[551 ]
[553 ]
[570 ]. Weniger effektiv war die Anwendung der NIV im Weaning [101 ]
[540 ]. Beim PARDS ist die Versagerquote hoch [518 ]
[540 ]. Ähnlich wie im Erwachsenenalter scheint der größte Vorteil der NIV gegenüber invasiver
Beatmung bei hyperkapnischem oder gemischtem Atemversagen sowie bei zusätzlicher vorbestehender
syndromaler, neuromuskulärer, kardialer oder pulmonaler Grunderkrankung bzw. Erkrankung
der Atemwege gegeben.
Positive prädiktive Faktoren für eine erfolgreiche NIV waren initial niedrige Organdysfunktionscores
(PELOD oder Prism) [513 ]
[517 ]
[518 ]
[521 ]
[548 ], hämodynamische Stabilität [548 ] sowie gutes Ansprechen auf die NIV, gemessen am Abfall des PaCO2
[517 ]
[518 ]
[547 ] und der Atemfrequenz [94 ]
[517 ]
[547 ] bzw. rückläufigem FiO2
[513 ]
[517 ]
[547 ] in den ersten Stunden der NIV. Schwerwiegende Nebenwirkungen der NIV wurden in den
Studien nicht dokumentiert. [
Abb. 4
] zeigt den Algorithmus zum Einsatz der NIV als Therapie der ARI bei Kindern.
Abb. 4 Algorithmus: NIV als Therapie der ARI bei Kindern. *pH, PCO2 , PaO2 , BE, SaO2 , FiO2 , Atemfrequenz, Hämodynamik (ggf. invasiv), Erschöpfungszeichen. Quelle: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-004 [rerif].
12.3 Spezifische Krankheitsbilder
Die meiste Evidenz zu der Anwendung von NIV zur Behandlung der ARI bei Kindern resultiert
aus nicht kontrollierten Studien an gemischten Kollektiven pädiatrischer Intensivstationen.
Deshalb besteht Unsicherheit, bei welchen Krankheitsbildern vorteilshaft NIV eingesetzt
werden sollte.
12.3.1 PARDS/Sepsis im Kindesalter
NIV war in einer kleinen randomisierten Studie von Kindern mit akutem Atemversagen
mit einer etwas niedrigeren Intubationsrate assoziiert [499 ]. Einschränkend muss man sagen, dass viele Patienten in dieser Studie an einer viralen
Pneumonie oder Bronchiolitis litten. Einsatz von NIV reduzierte weiterhin in einer
größeren Propensity-Score-gematchten Analyse die Mortalität [531 ]. In anderen Kohortenstudien war die Rate an NIV-Versagen bei PARDS hoch [540 ]
[547 ]. NIV wird auch eher selten zur Behandlung des PARDS eingesetzt. In einer Punktprävalenzstudie
zum Beatmungsmanagement von Kindern mit akutem respiratorischen Versagen waren von
165 beatmeten Kindern nur 8,5 % nichtinvasiv beatmet [571 ], wobei der Einsatz der NIV häufiger zu werden scheint [572 ]. Aktuelle Konsensus-Empfehlungen aus den Jahren 2015 und 2017 empfehlen die Möglichkeit
einer Anwendung von NIV bei leichtem bis mäßiggradigem PARDS frühzeitig im Verlauf
der Erkrankung, wobei die NIV die Intubation nicht verzögern darf [573 ]
[574 ]. Weiterhin lässt die aktuelle Ausgabe der Surviving Sepsis Campaign bei Kindern
mit Sepsis-induziertem PARDS, bei denen keine klare Intubationsnotwendigkeit besteht
und die gut auf die initiale Therapie ansprechen, einen Versuch mit NIV unter sorgsamer
und häufiger Reevaluation des Patienten und bei Fehlen von Kontraindikationen zu [575 ].
12.3.2 Immunsupprimierte pädiatrische Patienten
In der kleinen randomisierten und kontrollierten Studie von Peters et al. an 42 immunsupprimierten
Kindern war früher CPAP bei Atemversagen mit höherer Mortalität und Trend zu häufigerer
Intubation assoziiert [501 ]. Andere Kohortenstudien legten nachteilige Effekte bei Anwendung von NIV bei Kindern
mit onkologischer Grunderkrankung oder Stammzelltransplantation nahe [576 ]. Auch bei Erwachsenen mit Atemversagen unter Immunsuppression stellen aktuelle Studien
[155 ]
[156 ]
[577 ]
[578 ] den Vorteil der NIV gegenüber High-Flow-Therapie oder Standardtherapie in Frage,
der in den früheren kleinen Studien gesehen wurde [146 ]
[147 ]
[153 ]. Aktuell kann NIV zur Behandlung des Atemversagens von Kindern außerhalb von Studien
nicht empfohlen werden.
12.3.3 Bronchiolitis
Mehrere randomisierte Studien belegen die sehr hohe Effektivität von NIV i. d. R.
appliziert als CPAP oder auch HFNC bei Bronchiolitis [499 ]
[567 ]
[579 ]
[580 ]
[581 ]
[582 ]. Die Besserung des Gasaustauschs ließ sich u. a. an der Abnahme der Atemfrequenz
sowie niedrigerem Sauerstoffbedarf und Verbesserung der Blutgase ablesen [510 ]
[522 ]
[524 ]
[525 ]
[554 ]. Zusätzliche Beatmung mit Heliox verbesserte den Gasaustausch in einer Studie zusätzlich
[511 ]. NIV-Versagen und folgende Intubation war selten, die Mortalität in den Studien
war sehr gering. Die Beobachtung eines allgemeinen Rückgangs invasiver Beatmung zugunsten
von NIV auf den pädiatrischen Intensivstationen lag oft an der vorzugsweisen Behandlung
von Säuglingen und Kindern mit Bronchiolitis mit NIV oder HFNC [505 ]
[572 ]. Folglich sollten NIV sowie HFNC zur Behandlung des Atemversagens bei Bronchiolitis
als primäre Beatmungsform eingesetzt werden.
12.3.4 Asthma
Eine kleine randomisierte Pilotstudie [500 ], eine randomisierte Cross-over-Studie [509 ] sowie mehrere Kohortenstudien [516 ]
[552 ]
[583 ]
[584 ]
[585 ]
[586 ]
[587 ] beschreiben bei akuter Asthmaexazerbation im Kindesalter eine schnellere Verbesserung
der respiratorischen Funktion durch NIV neben der weiteren Therapie. NIV wird mittlerweile
häufiger bei akutem Asthma eingesetzt als die invasive Beatmung [532 ]
[588 ]. NIV bei pädiatrischem Asthma erscheint sicher und effektiv, wenngleich Vorteile
gegenüber Standardtherapie nicht gesichert sind [589 ]. Entsprechend ist ein Versuch mit NIV zur Behandlung des Atemversagens bei Asthma
im Kindesalter indiziert.
12.4 Akut auf chronisches respiratorisches Versagen
12.4.1 Neuromuskuläre Erkrankungen
Kinder mit neuromuskulären Erkrankungen, syndromalen bzw. neurologischen Erkrankungen
im weiteren Sinn können oft bei akuten Infektionen die erhöhte WOB nicht mehr leisten,
um den ausreichenden Gasaustausch zu gewährleisten. Invasive Beatmung von Patienten
mit neuromuskulären Erkrankungen im Rahmen von akuten Infektionen ist jedoch mit erhöhter
Mortalität assoziiert [90 ]
[91 ]
[92 ]. Piastra et al. konnte in seiner Pilotstudie zeigen, dass in dieser Situation die
NIV zu einer raschen Besserung des Gasaustausch führt [98 ]. Durch NIV kann in vielen Fällen die Intubation verhindert und dadurch Komplikationen,
wie chronische Beatmungspflichtigkeit über Tracheostoma, die Mortalität und die Krankenhausverweildauer,
verglichen mit historischen Kontrollen reduziert werden [100 ]. Nach invasiver Beatmung kann Extubationsversagen in dieser Patientengruppe durch
NIV reduziert werden [94 ]
[101 ]. Bei Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen ist bei akutem Atemversagen immer
ein Versuch mit nichtinvasiver Beatmung indiziert, wenn nicht unmittelbare Intubationspflichtigkeit
oder Kontraindikationen vorliegen.
12.4.2 Chronische Atemwegs- und Lungenerkrankung
In einer retrospektiven Studie an erwachsenen Patienten mit zystischer Fibrose (CF)
betrug die 1-Jahres-Überlebensrate nach Intensivbehandlung nur 52 % [590 ]. Invasive Beatmung von Patienten mit CF war mit hoher Mortalität assoziiert [590 ]. Andererseits kann durch NIV bei Patienten mit CF der Gasaustausch deutlich gebessert
werden [582 ]
[591 ]
[592 ]
[593 ] Atelektasenbildung wird reduziert. Das Abhusten von Schleim wird durch die forcierte
Inspiration erleichtert [67 ]
[594 ]
[595 ]. Weiterhin konnte durch NIV die Zeit bis zu einer Lungentransplantation bei vielen
Patienten erfolgreich überbrückt werden [596 ]
[597 ]. Erfahrungsgemäß ist die Compliance der Patienten für NIV in dieser Patientengruppe
aber niedrig. Zusammenfassend ist ein Beatmungsversuch mit NIV bei akuter respiratorischer
Verschlechterung der CF, anderen chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen wie
bronchopulmonaler Dysplasie oder Laryngo-Tracheomalazie sinnvoll.
12.4.3 Perioperativ/Weaning
NIV wird bei Kindern häufig perioperativ bzw. im Weaning nach längerer Beatmung eingesetzt.
Insbesondere bei Kindern mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen, angeborenen
Herzfehlern oder mit neuromuskulären Erkrankungen kann nach großen Operationen, wie
z. B. Wirbelsäulenoperationen, NIV hilfreich sein [506 ]
[560 ]
[561 ]
[598 ]. Bei Letzteren speziell ist die NIV am besten präoperativ zu beginnen, um perioperative
Komplikationen zu vermeiden [598 ]. Mehrere Kohortenstudien beschreiben die erfolgreiche perioperative Anwendung von
NIV nach kinderkardiologischen Operationen [537 ]
[538 ]
[539 ]. Die Anwendung von NIV ist im prolongierten Weaning nach akuter Erkrankung von Kindern
mit syndromaler, neuromuskulärer, Lungen- oder Atemwegserkrankung empfohlen [206 ].
12.5 Spezifische Aspekte zu NIV bei Kindern
12.5.1 Akzeptanz
Generell besteht auch bei kleinen Kindern und Säuglingen eine relativ hohe Akzeptanz
der NIV. Viele Kinder empfinden die NIV als Entlastung von Atemanstrengungen. Ältere
Kinder können, wenn klinisch noch möglich, durch Pausen und Beatmung mit zunächst
niedrigen Beatmungsdrücken an die Verwendung der Maske herangeführt werden. Eher selten
ist eine dauerhafte Sedierung notwendig, wobei die Verwendung von Benzodiazepinen,
Opiaten, Chloralhydrat, Dexmedetomidinen und Neuroleptika beschrieben ist [513 ]
[517 ]
[518 ]
[540 ]
[563 ]
[599 ]. Gerade wenig atemdepressive Medikamente wie Phenobarbital oder Clonidin/Dexmedetomidine
sind zu bevorzugen [563 ]. Agitiertheit hat ihre Ursache oft mehr in der Atemnot bei Hyperkapnie oder Hypoxämie
aufgrund der Verschlechterung der respiratorischen Insuffizienz, aufgrund schlecht
synchronisierter Beatmung oder falscher Respiratoreinstellung. Sedierung kann dann
sogar nachteilig sein ([
Tab. 7
]).
Tab. 7
Kontraindikationen der NIV bei Kindern.
absolute Kontraindikationen
fehlende Spontanatmung, Schnappatmung, Apnoen
fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege
gastrointestinale Blutung und Ileus
Linksherzversagen/Schock/drohender Herzkreislaufstillstand
relative Kontraindikationen
Koma, fehlende Schutzreflexe, Schluckstörungen
massive Agitation bzw. Abwehr trotz ausreichender Sedierung
Hypersekretion mit Unfähigkeit, Sekret abzuhusten
schwergradige Hypoxämie oder Azidose
hämodynamische Instabilität (z. B.: Katecholaminbedarf, intermittierende hämodynamisch
wirksame Herzrhythmusstörungen)
anatomische u/o subjektive Interface-Inkompatibilität
Z. n. oberer gastrointestinaler OP
12.5.2 Interfaces
Die technischen Voraussetzungen zur NIV sind prinzipiell für jede Altersstufe vorhanden.
Es gibt für jede Altersstufe verschiedenste vented- und non-vented-Nasen- und Fullface-Masken,
auch mit Einbeziehung der Augen. Zusätzlich wurde die Verwendung von Beatmungshelmen
bei guter Toleranz auch bei kleinen Kindern beschrieben [98 ]
[517 ]
[565 ]
[600 ]
[601 ]. Bei Säuglingen bietet sich auch die Verwendung von binasalen oder nasalen/pharyngealen
CPAP-Systemen aus der Neonatologie an, die teilweise auch in Säugingsgrößen gefertigt
werden und i. d. R. von Säuglingen gut toleriert werden. Bei langen Beatmungszeiten
muss häufig die Haut im Gesicht durch druckentlastende Wundverbände geschützt werden.
12.5.3 Monitoring und Lokalität
Nichtinvasive Beatmung bei akuter respiratorischer Erkrankung erfordert kontinuierliches
Monitoring von Respiration und Hämodynamik ([
Abb. 4
]). Niederschwellig ist bei instabiler Situation eine arterielle Blutdrucküberwachung
indiziert. Bei abdominaler Distension sollte eine offene Magensonde zur Entlastung
aber auch Ernährung angelegt werden. Durch Röntgenthorax-Verlaufskontrollen können
Komplikationen der NIV wie Pneumothorax oder Pneumomediastinum frühzeitig erkannt
werden. Aufgrund der im Gegensatz zum Erwachsenen geringeren respiratorischen Reserve
müssen Verschlechterungen frühzeitig erkannt werden. Steigender Sauerstoffbedarf,
progrediente Azidose, Auftreten von Apnoen oder zunehmende Erschöpfung erfordern die
rechtzeitige, zügige Intubation. Aus diesem Grund sollte die Behandlung der ARI durch
NIV bei Kindern nur auf Intensivstationen und in Intubationsbereitschaft durchgeführt
werden.
Westhoff M, Neumann P, Geiseler J et al. S2k-Leitlinie Nichtinvasive Beatmung als
Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz. Pneumologie 2023; 77 Im oben genannten Artikel ist in im Kapitel 3.3.4 die Nummerierung der Tabellen fehlerhaft.
Korrekt ist: Unabhängig vom Beatmungszugang muss auch in der Initialphase der Beatmung
eine ausreichende Ventilation gewährleistet sein. Erfolgskriterien für NIV sind in
Tab. 3 genannt.
Das Ausbleiben einer Besserung bzw. die Verschlechterung der in Tab. 3 genannten Parameter, wie auch das Eintreten einer Kontraindikation (Tab. 2 ) gelten als NIV-Versagen und erfordern den Abbruch der NIV und eine unverzügliche
Intubation, sofern keine Palliativsituation vorliegt.
Allerdings können während der NIV-Adaptation ein stabil erhöhter PaCO2 und ein auf niedrigem Niveau stabiler pH-Wert dann langer als 2 Stunden toleriert
werden, wenn sich gleichzeitig der klinische Zustand des Patienten und andere in Tab. 3 aufgeführte Erfolgskriterien bessern.
Im oben genannten Artikel ist in Kapitel 4.4 und in Kapitel 12.4.2 eine Literarturstelle
fehlerhaft angegeben. Korrekt ist: Zu beachten ist, dass in einer Metaanalyse bei
Patienten mit akutem Myokardinfarkt und häufig begleitendem Lungenödem eine liberale
Sauerstoffapplikation, die zu Sauerstoffsättigungen von 94–99 % führt, mit einer signifikant
erhöhten Mortalität assoziiert ist [140]. Weiterhin konnte durch NIV die Zeit bis
zu einer Lungentransplantation bei vielen Patienten erfolgreich überbrückt werden
[596, 597].
Im oben genannten Artikel ist die Literaturstelle [139] fehlerhaft angegeben. Korrekt
ist: 139. Winck JC, Azevedo LF, Costa-Pereira A et al. Efficacy and safety of non-invasive
ventilation in the treatment of acute cardiogenic pulmonary edema – a systematic review
and meta-analysis. Crit Care 2006; 10: R69.
Bereits korrigiert wurde am 13.10.2023 : Im oben genannten Artikel wurde der Vorname eines Autors falsch angegeben. Korrekt
ist: Wolfram Windisch.
Im oben genannten Artikel ist im letzten Satz im Abschnitt 3.5.1 ein Fehler. Korrekt
ist: Die Mortalität bei akutchronischem respiratorischem Versagen bei OHS ist deutlich
erhöht (1-Jahres-Mortalität 18%; 3-Jahres-Mortalität 31%) [77].