Aktuelle Urol 2024; 55(01): 65-74
DOI: 10.1055/a-2155-0941
Fortbildung

Thrombektomie bei Nierentumoren: Level-I und -II-Thrombus

Axel Haferkamp
,
Igor Tsaur
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Level-I-Thrombus

Steckbrief

Bei 4–10 % der Patienten mit einem Nierenzellkarzinom lässt sich eine intrakavale Ausbreitung im Sinne eines sogenannten Tumorthrombus nachweisen, der den Operateur je nach kranialer Extension vor eine Herausforderung stellt. Bis zu 2 % der Patienten zeigen eine Ausdehnung des Tumorthrombus bis in den Bereich des rechten Vorhofs. Die onkologische Rationale für ein chirurgisches Management liegt darin, dass effektive systemische medikamentöse Verfahren zur Verkleinerung des Tumorthrombus fehlen und dass tumorspezifische 5-Jahres-Überlebensraten von ca. 60 % bei kompletter Resektion erzielt werden können. Mit zunehmender Erfahrung und interdisziplinärer Kooperation auf dem Gebiet der Thorax-, Leber- und Herzchirurgie ist die Entfernung großer supradiaphragmaler oder intraatrialer Tumorthromben möglich.


Synonyme

  • keine Angabe möglich


Keywords

  • Nierenzellkarzinom

  • Nephrektomie

  • Level-I-Thrombus


Definition

  • Nephrektomie mit Entfernung des Level-I-Thrombus


Indikationen

  • Nierenzellkarzinom mit Level-I-Thrombus bei fehlender systemischer Metastasierung

  • Die radikale Tumornephrektomie stellt in Kombination mit einer Thrombektomie abhängig von der kranialen Extension des Thrombus einen Eingriff mit durchaus hoher perioperativer Morbidität und Mortalität dar.

  • Notwendig sind die

    • onkologische Abklärung und

    • umfassende Abklärung

      • der kardiopulmonalen Komorbiditäten

      • des Allgemeinzustands des Patienten.

Indikationen
  • Nierenzellkarzinom mit Level-I-Thrombus

  • fehlende systemische Metastasierung


Kontraindikationen

Kontraindikationen
  • reduzierter Allgemeinzustand (ECOG 2 und höher [ECOG: Eastern Cooperative Oncology Group])

  • signifikante Begleiterkrankungen


Anästhesie

  • Vollnarkose


Aufklärung und spezielle Risiken

  • Verletzungen von Nachbarstrukturen wie

    • Kolon, Dünndarm, Leber, Pankreas und Milz

  • Nierenversagen/-insuffizienz

  • thromboembolisches Ereignis

  • kardiales Ereignis


Präoperative/präinterventionelle Diagnostik

  • Routinelabor inkl. Gerinnungsparametern, Transaminasen

  • triphasisches Spiral-CT Abdomen/Becken, ggf. MRT-Abdomen falls kraniales Ende des Thrombus im CT uneindeutig

  • zum Metastasenausschluss

    • CT Thorax

    • CT/MRT des Schädels

  • Skelettszintigrafie bei erhöhter alkalischer Phosphatase

  • ggf. kardiologische Funktionsdiagnostik

  • Wesentliche Grundlage einer effektiven und unter kurativer Intention indizierten Operation ist eine suffiziente bildgebende Diagnostik, die eindeutig die Fragen nach

    • der kranialen Extension des Tumorthrombus,

    • der Invasion oder Infiltration der Kavawand oder

    • der Präsenz von lokoregionären oder systemischen Metastasen beantwortet.

  • Abhängig von der kranialen Ausdehnung des Thrombus ist der operative Zugangsweg zu wählen und ggf. ein interdisziplinäres operatives Vorgehen zu planen.

  • Die kraniale Thrombusextension wird in aller Regel in 4 anatomische Höhen differenziert ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Anatomische Höhen der kranialen Thrombusextension nach Staehler.

Material

  • spezielles Instrumentarium

    • selbsthaltende Retraktoren (z. B. Omnitract-Sperrer, Finocetto-Sperrer)

    • Gefäßclips unterschiedlicher Größe

    • Bändchen aus Polyethylenterephthalat (z. B. Mersilene) und Tourniquets

    • Satinsky-Klemmen unterschiedlicher Größe

    • gerade Gefäßklemmen

  • Nahtmaterial

    • monofile nicht resorbierbare Fäden 4–0 zum Verschluss der V. cava inferior


Durchführung

Vor Beginn des Eingriffs

  • Überprüfung der

    • Seitenrichtigkeit

    • Patientenzuordnung

    • Aufklärung

    • Labor- und Gerinnungsparameter

  • CT am Röntgenschirm

  • Single-Shot-Antibiose mit z.B. Cephalosporin der 3. Generation


Zugangswege

  • retroperitonealer Zugang

  • mediane Laparotomie

  • subkostaler, transperitonealer Zugang


Lagerung

  • Flankenlagerung ([Abb. 2]) oder

  • überstreckte Rückenlagerung ([Abb. 3])

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Abb. 2 Flankenlagerung.
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Abb. 3 Überstreckte Rückenlagerung.

Schnittführung

  • gemäß dem Zugang


Operationsschritte

Zugang und Präparation der Niere

  • saubere Darstellung der A. und V. renalis und Anzügeln derselben

  • Durchtrennen

    • des Ureters in der Fossa iliaca

    • der A. renalis am Abgang aus der Aorta

  • Bei nicht obstruktivem und kurzem Thrombus wird dieser manuell in die Nierenvene retromanipuliert.


Resektion der Nierenvene, Entfernung des Präparates und Verschluss der Kavawand

  • Setzen einer Satinsky-Klemme und Resektion der Nierenvene mit einer Kavamanschette ([Abb. 4])

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Abb. 4 Setzen einer Satinsky-Klemme und Resektion der Nierenvene mit einer Kavamanschette.

Entfernen des Präparates

  • Entfernen des Präparats en bloc mit der ipsilateralen Nebenniere


Verschluss der Kavawand

  • Verschluss der Kavawand mit fortlaufender Naht eines monofilen Fadens der Stärke 4–0

  • Kontrolle der Hämostase


Wundverschluss

  • Einlage einer Robinson-Drainage (20 Charr)

  • schichtweiser Wundverschluss

  • Hautklammern

  • steriler Verband




Mögliche Komplikationen

Intraoperative Komplikationen

  • Splenektomie bei linksseitigem Thrombus in bis zu 15 %

  • Myokardinfarkt in ca. 1 %

  • Lungenembolie, Pneumothorax


Postoperative Komplikationen

  • zerebrovaskuläre Ischämie

  • apoplektischer Insult in bis zu 8 %

  • transiente Enzephalopathie

  • akutes Nierenversagen mit der Notwendigkeit einer passageren Hämodialyse

  • perioperative Mortalität in Abhängigkeit von der Thrombushöhe in bis zu 4 %

  • systemische Rezidive



OP-Bericht

  • intraoperativer Befund

  • makroskopisch komplette Resektion

  • intraoperative Verletzungen

  • ggf. Erweiterung des Eingriffs

  • postoperative Verfahrensanweisung


Postoperatives Management

  • 24-Std.-Überwachung

  • zügiger Kostaufbau




Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
08. Februar 2024

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