Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(11): 1331-1349
DOI: 10.1055/a-2169-8539
GebFra Science
Guideline/Leitlinie

Bakterielle Vaginose: Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 015/028, Juni 2023)

Article in several languages: English | deutsch

Authors

  • Alex Farr

    1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien, Wien, Austria
  • Sonja Swidsinski

    2   MDI Limbach Berlin GmbH, Berlin, Germany
  • Daniel Surbek

    3   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Feto-maternale Medizin, Inselspital Bern, Universität Bern, Bern, Switzerland
  • Brigitte Frey Tirri

    4   Frauenklinik, Kantonsspital Baselland, Liestal, Switzerland
  • Birgit Willinger

    5   Abteilung für Klinische Mikrobiologie, Medizinische Universität Wien, Wien, Austria
  • Udo Hoyme

    6   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Ilm-Kreis-Kliniken, Arnstadt, Germany
  • Gisela Walter

    7   Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e. V. (ÄGGF), Hamburg, Germany
    8   Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG), Bochum, Germany
  • Inge Reckel-Botzem

    9   Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF), Landesverband Hessen, Hainburg, Germany
  • Werner Mendling

    10   Deutsches Zentrum für Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe, Wuppertal, Germany
 

Zusammenfassung

Ziel Das Ziel dieser offiziellen Leitlinie, die von der DGGG, OEGGG und SGGG unter Beteiligung weiterer Gesellschaften publiziert und koordiniert wurde, ist es, durch die Evaluation der relevanten Literatur einen konsensbasierten Überblick über die Diagnostik und das Management der bakteriellen Vaginose zu geben.

Methoden Diese S2k-Leitlinie wurde durch einen strukturierten Konsens von repräsentativen Mitgliedern verschiedener Professionen im Auftrag der Leitlinienkommission der genannten Gesellschaften entwickelt.

Empfehlungen Diese Leitlinie gibt Empfehlungen zu Diagnostik, Management, Beratung, Prophylaxe und weiteren Aspekten der bakteriellen Vaginose.


I  Leitlinieninformationen

Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG

Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.


Zitierweise

Bacterial Vaginosis: Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k-Level, AWMF Registry No. 015/028, June 2023). Geburtsh Frauenheilk 2023; 83: 1331–1349


Leitliniendokumente

Die vollständige deutsche Langfassung und eine DIA-Version dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der Interessenkonflikte aller Autoren befinden sich auf der Homepage der AWMF: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-028.html


Leitliniengruppe

Siehe [Tab. 1] und [2].

Table 1 Federführender und/oder koordinierender Leitlinienautor.

Autor

AWMF-Fachgesellschaft

Ap.Prof. Priv.-Doz. Dr. Dr. Alex Farr, MPH

Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG)

European Society for Infectious Diseases in Obstetrics and Gynecology (ESIDOG)

Österreichische Gesellschaft für Prä- und Perinatale Medizin (ÖGfPPM)

Table 2 Beteiligte Leitlinienautor/-innen.

Autor/-in

Mandatsträger/-in

DGGG-Arbeitsgemeinschaft (AG)/
AWMF/Nicht-AWMF-Fachgesellschaft/
Organisation/Verein

* Diese Person wurde als Experte (nicht stimmberechtigt im Konsensusverfahren) entsandt.

Alex Farr

OEGGG, ÖGfPPM, ESIDOG

Brigitte Frey Tirri

SGGG

Udo Hoyme*

AGII

Werner Mendling

DGGG, AGII

Inge Reckel-Botzem

BVF

Daniel Surbek

SGGG

Sonja Swidsinski

DGHM

Gisela Walter

DSTIG, AEGGF

Birgit Willinger

OEGHMP

Die folgenden Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine haben Interesse an der Mitwirkung bei der Erstellung des Leitlinientextes und der Teilnahme an der Konsensuskonferenz bekundet und Vertreter dafür benannt ([Tab. 2]).


Verwendete Abkürzungen

BV: bakterielle Vaginose
BVAB: BV-assoziierte Bakterien
CDC: Center for Disease Control and Prevention
CFU: Colony Forming Units
CST: Community State Types
FISH: Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung
HIV: humanes Immundefizienzvirus
HPV: humane Papillomaviren
HSV: Herpes-simplex-Virus
IVF: In-vitro-Fertilisierung
KOH: Kalilauge
NAAT: Nucleic Acid Amplification Test
NGS: Next Generation Sequencing
PID: Pelvic Inflammatory Disease
spp.: Abkürzung für Spezies (Plural)
STI: sexuell übertragbare Infektionen (engl., Sexually Transmitted Infection)
VVC: Vulvovaginalkandidose
WSW: Frauen mit gleichgeschlechtlichem Sex von Frau-zu-Frau (engl., Women having Sex with Women)



II  Leitlinienverwendung

Fragestellung und Ziele

Ziel ist die optimale Betreuung von Patientinnen mit bakterieller Vaginose im ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungssektor. Bei entsprechender Symptomatik soll eine zielgerichtete Diagnostik angestrebt werden. Hierdurch sollen unnötige oder insuffiziente Therapien vermieden werden. Ebenso stellen die Prävention und Früherkennung der bakteriellen Vaginose ein Ziel dieser Leitlinie dar.


Versorgungsbereich

Ambulanter, teilstationärer, stationärer Versorgungssektor und spezialisierte Versorgung.


Anwenderzielgruppe/Adressaten

Diese Leitlinie richtet sich an folgende Personenkreise: Gynäkologinnen/Gynäkologen mit Klinikanstellung und in der Niederlassung, Mikrobiologinnen/Mikrobiologen mit Klinikanstellung und in der Niederlassung. Weiter Adressaten sind (zur Information): Hausärztinnen/Hausärzte, Hebammen mit Klinikanstellung und in der Niederlassung, Pflegekräfte, Biomedizinische Analytikerinnen/Analytiker, Medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften und Berufsverbände, Gesundheitspolitische Einrichtungen und Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene und Kostenträger.


Verabschiedung und Gültigkeitsdauer

Die Gültigkeit dieser Leitlinie wurde durch die Vorstände/Verantwortlichen der beteiligten medizinischen Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften, Organisationen und Vereine sowie durch den Vorstand der DGGG, SGGG, OEGGG sowie der DGGG/OEGGG/SGGG-Leitlinienkommission im Juni 2023 bestätigt und damit in ihrem gesamten Inhalt genehmigt. Diese Leitlinie besitzt eine Gültigkeitsdauer vom 01.06.2023 bis 30.05.2027. Diese Dauer ist aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge geschätzt. Bei dringendem Bedarf kann eine Leitlinie früher aktualisiert werden, bei weiterhin aktuellem Wissensstand kann ebenso die Dauer verlängert werden.



III  Methodik

Grundlagen

Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es wird zwischen der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden. Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen, erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe S2 in die systematische evidenzrecherchebasierte (S2e) oder strukturelle konsensbasierte Unterstufe (S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.

Diese Leitlinie entspricht der Stufe: S2k.


Empfehlungsgraduierung

Die Evidenzgraduierung nach systematischer Recherche, Selektion, Bewertung und Synthese der Evidenzgrundlage und eine daraus resultierende Empfehlungsgraduierung einer Leitlinie auf S2k-Niveau ist nicht vorgesehen. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen nur sprachlich – nicht symbolisch – unterschieden ([Tab. 3]).

Table 3 Graduierung von Empfehlungen (deutschsprachig).

Beschreibung der Verbindlichkeit

Ausdruck

starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit

soll/soll nicht

einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit

sollte/sollte nicht

offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit

kann/kann nicht


Statements

Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als einfache Darlegung Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen Statements ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.


Konsensusfindung und Konsensusstärke

Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH-Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen die berechtigten Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements und Empfehlungen ab. Der Ablauf war wie folgt: Vorstellung der Empfehlung, inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge. Bei Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen), Diskussion und erneute Abstimmung. Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmer die Stärke des Konsensus ermittelt ([Tab. 4]).

Table 4 Einteilung zur Zustimmung der Konsensusbildung.

Symbolik

Konsensusstärke

prozentuale Übereinstimmung

+++

starker Konsens

Zustimmung von > 95% der Teilnehmer

++

Konsens

Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer

+

mehrheitliche Zustimmung

Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer

kein Konsens

Zustimmung von < 51% der Teilnehmer


Expertenkonsens

Wie der Name bereits ausdrückt, sind hier Konsensusentscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements ohne vorige systemische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlender Evidenzen (S2e/S3) gemeint. Der zu benutzende Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP). Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung beschrieben ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik, sondern rein semantisch („soll“/„soll nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).



IV  Leitlinie

1  Zusammenfassung der Empfehlungen

Die bakterielle Vaginose (BV) ist durch eine stark erhöhte Bakterienzahl, vor allem von Gardnerella (G.) species (spp.), eine hohe bakterielle Diversität an anaeroben und fakultativ anaeroben Bakterienarten sowie durch die Verdrängung potenziell protektiver Laktobazillen im Vaginalsekret gekennzeichnet.

Bei der BV sind Gardnerella spp. die prädominanten Bakterienarten und jene mit dem höchsten Virulenzpotenzial. Sie sind in eine Biofilm-Matrix mit weiteren BV-assoziierten Bakterienarten (BVAB) integriert, was für ein eventuelles Therapieversagen und chronisch rezidivierende Verläufe verantwortlich zu sein scheint. Von einer chronisch-rezidivierenden BV, welche auf eine biofilmbedingte Genese der Erkrankung hinweisen kann, spricht man bei einer Erkrankungshäufigkeit von zumindest 3 Episoden pro Jahr. Es existieren bestimmte Risiken für eine BV, denen besondere Aufmerksamkeit bei der Abklärung eingeräumt werden sollte. Sofern möglich, sollte das Ausschalten von prädisponierenden Wirtsfaktoren angestrebt werden.

In der klinischen Routine sollen Frauen mit vulvovaginalen Beschwerden, vor allem bei dünnflüssigem, homogen gräulichem Ausfluss (mit oder ohne Amingeruch) und alkalischem vaginalen pH-Wert bezüglich einer BV abgeklärt werden. Hierbei soll die orientierende Diagnostik anhand von Anamnese, Klinik und dem mikroskopischen Nachweis von Schlüsselzellen (Clue Cells) im Nativpräparat, ggf. auch mit Beurteilung der Amsel-Kriterien, erfolgen. Die Labordiagnostik sollte die Gram-Färbung mit einer quantitativen Gegenüberstellung verschiedener Morphotypen im Sinne des Nugent-Scores umfassen. Die Labordiagnostik mittels molekulargenetischer Verfahren spielt eine untergeordnete Rolle und sollte derzeit noch speziellen Fällen vorbehalten sein.

Die Therapie der BV soll nur nach einer korrekt durchgeführten und ärztlich gesicherten Diagnose erfolgen. Frauen mit vulvovaginalen Beschwerden und gesicherter BV sollen leitliniengerecht behandelt werden, wobei die Therapie mit oralem oder topischem Clindamycin oder Metronidazol erfolgen soll. Alternativ können lokale Antiseptika zur Anwendung kommen. Die Therapie der bakteriellen Vaginose während der Schwangerschaft soll primär mit vaginalem Clindamycin oder Antiseptika erfolgen. Im Falle einer chronisch rezidivierenden BV sollte mit lokalen Antiseptika oder einer suppressiven Erhaltungstherapie mit topischem Metronidazol behandelt werden, gefolgt von vaginalen Probiotika, um die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs zu reduzieren.

Milchsäure und Probiotika scheinen sich positiv auf die Therapie und Rezidivprophylaxe auszuwirken und können nach Therapieabschluss zur Regeneration der Laktobazillen-Flora komplementär angewendet werden. Bei chronisch rezidivierenden Verläufen kann eine Partnerbehandlung erwogen werden, wobei die Evidenz hierzu begrenzt ist. In jedem Fall sollen Frauen mit BV darüber aufgeklärt werden, welche Maßnahmen dem Wiederauftreten der bakteriellen Vaginose in ihrem Fall vorbeugen können. Frauen mit BV und unmittelbar bevorstehendem Kinderwunsch sollten behandelt werden, auch wenn sie asymptomatisch sind. Dasselbe gilt für Frauen mit einer aeroben oder desquamativen inflammatorischen Vaginitis.

Die zukünftige Forschung im Bereich im Bereich der BV sollte sich darauf konzentrieren, die hohe Rate an Rückfällen und chronisch rezidivierenden Verläufen zu vermeiden.


2  Begriffsdefinition

Konsensbasiertes Statement 2.S1

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die bakterielle Vaginose ist durch stark erhöhte Bakterienzahlen, vor allem von Gardnerella species, eine hohe bakterielle Diversität an anaeroben und fakultativ anaeroben Bakterienarten sowie durch die Verdrängung potenziell protektiver Laktobazillen im Vaginalsekret gekennzeichnet.

Konsensbasierte Empfehlung 2.E1

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die chronisch-rezidivierende bakterielle Vaginose ist durch eine Erkrankungshäufigkeit von zumindest 3 Episoden pro Jahr definiert und kann auf eine biofilmbedingte Genese hinweisen.

Die BV ist das weltweit häufigste Krankheitsbild der Vagina mit einer Prävalenz zwischen 23% und 29% bei sexuell aktiven Frauen [1]. Sie wurde bisher als Dysbiose verstanden, bei der die Vaginalmikrobiota im Vergleich zu gesunden Frauen ohne BV deutliche Veränderungen aufweisen, wie stark erhöhte Bakterienzahlen besonders von Gardnerella spp., eine hohe bakterielle Diversität an fakultativ und strikt anaeroben Bakterien, sowie die Verdrängung von protektiven Laktobazillen. Es existieren Hinweise auf einen Biofilm auf dem Vaginalepithel, der hauptsächlich aus Gardnerella spp. besteht, aber auch eine Vielzahl weiterer BVAB enthält. Dieser Biofilm erklärt einige der Veränderungen der Vaginalmikrobiota und gilt als pathogenetischer Faktor [2].


3  Mikrobiologie

Konsensbasiertes Statement 3.S2

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei der bakteriellen Vaginose sind Gardnerella species die prädominanten Bakterienarten und jene mit dem höchsten Virulenzpotenzial. Sie sind in eine Biofilm-Matrix mit weiteren BV-assoziierten Bakterienarten integriert und scheinen für ein eventuelles Therapieversagen und chronisch rezidivierende Verläufe verantwortlich zu sein.

Bei 95 – 100% der Frauen mit BV sind Gardnerella spp. die prädominanten Bakterienarten [3] mit 4 unterschiedlichen Spezies namens G. vaginalis, G. piotii, G. leopoldii, G. swidsinskii und weiteren 9, bisher unbenannten Spezies [4]. Gardnerella spp. sind grampositive Bakterien, die zur Familie der Bifidobacteriaceae gehören [5]. In gramgefärbten Präparaten erscheinen sie wegen ihrer ungewöhnlich dünnen Zellwand als gramnegative oder gramlabile kokkoide Stäbchenbakterien [6]. Als besondere Virulenzfaktoren von Gardnerella spp. gelten ihr ausgeprägtes Adhäsionsvermögen an Vaginalepitelzellen und die Fähigkeit zur Biofilmbildung [7]. Der BV-Biofilm wird hauptsächlich von dicht gepackten, nebeneinander liegenden Gardnerella spp. gebildet. In deren Matrix sind stets eine Vielzahl weiterer, sehr unterschiedlicher BVAB integriert. Ihre Keimkonzentration liegt deutlich höher als in der normalen Vaginalmikrobiota, aber niedriger als die Gardnerella-spp.-Konzentration. Keine der Non-Gardnerella-Spezies, mit der Ausnahme von Fannyhessia vaginae (vormals Atopobium vaginae), ist in > 60% der BV-Biofilme enthalten. Das Spektrum der BVAB ist enorm und umfasst neben Fannyhessia vaginae, Fusobacterium nucleatum, Mobiluncus mulieris, Mycoplasma hominis, Prevotella bivia, Ureaplasma urealyticum als den häufigsten Vertretern, auch Laktobazillen wie L. iners [8], [9]. Der Gardnerella-spp.-dominierte polymikrobielle Biofilm bedingt eine erhöhte Resistenz gegenüber Wasserstoffperoxid, Milchsäure, Bakterioziden bzw. der Wirtsimmunabwehr [10] und ist eine wesentliche Ursache für die hohe Rate an Versagen der Standard-Antibiotikatherapie bzw. BV-Rezidiven [11]. Auch STI-Erreger profitieren von ökologischen Interaktionen mit dem BV-Biofilm. Das Risiko, an sexuell übertragbaren Infektionen zu erkranken, ist bei Frauen mit BV signifikant höher als bei Frauen mit normalen Vaginalmikrobiota [12], [13]. Frauen mit BV sind auch anfälliger für andere genitale Infektionen [14].


4  Wirts-, Virulenz- und Risikofaktoren

Konsensbasierte Empfehlung 4.E2

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Es existieren bestimmte Risiken für eine bakterielle Vaginose, denen besondere Aufmerksamkeit bei der Abklärung eingeräumt werden sollte. Sofern möglich sollte ein Ausschalten von prädisponierender Wirtsfaktoren angestrebt werden.

Ein eindeutiger Genlocus, der für die Entstehung einer BV mitverantwortlich ist, wurde bisher noch nicht beschrieben [15]. Ein Zusammenhang mit der ethnischen Zugehörigkeit der Frau ist jedoch schon beschrieben [16], [17]. Frauen aus Süd- und Ostafrika leiden etwa häufiger an BV als Frauen in Westafrika, Europa, Australien oder Neuseeland. In den USA wurde bei Afroamerikanerinnen eine BV-Prävalenz von 51% beschrieben, während diese bei Hispanierinnen bei 32%, bei weißen US-Amerikanerinnen bei 23% und bei Frauen indianischer Herkunft bei 33% lag [11], [18], [19]. Zu den exogenen Wirtsfaktoren der BV zählen u. a. Rauchen, übertriebene vaginale Hygiene, chronischer Stress, häufige Partner*innenwechsel, oder das zeitnahe Vorhandensein der Menstruation [18], [20] – [22]. Brookheart et al. [23] berichteten ebenso über ein gehäuftes Auftreten von BV im Zusammenhang mit einem erhöhten Körpergewicht bzw. Body-Mass-Index. Es gibt Hinweise für eine sexuelle Übertragung von BV-Biofilmen. Ebenso haben Frauen, die aufgrund einer BV behandelt wurden, ein erhöhtes Risiko für ein Rezidiv, wenn sie mit demselben Partner ohne Kondomnutzung wieder Verkehr haben [24], [25], [26]. Frauen mit gleichgeschlechtlichem Sex (WSW, engl., Women having Sex with Women) haben per se ein erhöhtes Risiko für BV [27]. Die Einnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva ist mit einer niedrigeren Prävalenz von BV verbunden [28], [29], [30], wobei dies vor allem mit dem Vorhandensein des Östradiols vergesellschaftet zu sein scheint [31]. Die Anwendung von Kupfer-Intrauterinpessaren scheint jedenfalls mit einem erhöhten Risiko für BV vergesellschaftet zu sein [32].


5  Symptomatik

Konsensbasierte Empfehlung 5.E3

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Frauen mit vulvovaginalen Beschwerden, vor allem bei dünnflüssigem, homogen gräulichem Ausfluss (mit oder ohne Amingeruch) und alkalischem vaginalen pH-Wert, sollen bezüglich einer bakteriellen Vaginose abgeklärt werden.

Das charakteristische Symptom der BV ist der verstärkte, meist homogene vaginale Fluor [33], [34]. Der Ausfluss ist dünnflüssig und von gräulicher, leicht milchiger Farbe gekennzeichnet [35], [36], [37]. Begleitet wird er von einem fischigen Geruch („Amingeruch“) und einem pH-Wert des Scheidensekrets von pH > 4,5 [34]. Zusätzlich können Irritationen im Intimbereich wie Brennen, Rötung, Juckreiz, Dyspareunie oder Dysurie auftreten. Viele Frauen stellen sich u. a. wegen Blutungsstörungen oder Symptomen einer Harnwegsinfektion vor [33], [38]. Während der Schwangerschaft kann sich die BV durch Symptome wie vorzeitige Wehen, Zervixverkürzung oder einen vorzeitigen Blasensprung bemerkbar machen [39], [40]. Bei Frauen mit sexuell übertragbaren Infektionen, einschließlich HIV-Infektion, können Symptome einer BV die Diagnostik erschweren [41], [42], [43]. Die Vulvovaginalkandidose (VVC) ist die wichtigste Differenzialdiagnose, wobei deren Hauptsymptom der vestibuläre Juckreiz ist [44], [45]. Bei einer Trichomoniasis hingegen ist die Mehrheit der betroffenen Frauen (85%) asymptomatisch [46], [47], wobei ein Drittel dieser Frauen innerhalb von 6 Monaten symptomatisch wird [48]. Zu den klassischen Symptomen gehören ebenso vaginaler Ausfluss, der sich jedoch oft übelriechend und gelbgrün präsentiert, begleitet von Dysurie, Juckreiz und Bauchschmerzen. Im Gegensatz zur BV ist eine Infektion mit Chlamydia trachomatis meistens durch einen gering ausgeprägten zervikalen Fluor, Kontaktblutungen der Portio, Urethritis, Blutungsstörungen, ggf. auch durch eine Endometritis, Salpingitis und Unterbauchschmerzen gekennzeichnet [44].


6  Diagnostik

Konsensbasierte Empfehlung 6.E4

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die orientierende Diagnostik der bakteriellen Vaginose soll anhand von Anamnese, Klinik und dem mikroskopischen Nachweis von Schlüsselzellen (Clue Cells) im Nativpräparat, ggf. auch mit Beurteilung der Amsel-Kriterien, erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 6.E5

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Labordiagnostik der bakteriellen Vaginose sollte nach erfolgter orientierender Diagnostik die Gram-Färbung mit einer quantitativen Gegenüberstellung von verschiedenen Morphotypen im Sinne des Nugent Scores umfassen.

Konsensbasierte Empfehlung 6.E6

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Labordiagnostik der bakteriellen Vaginose mittels molekulargenetischer Verfahren spielt in der klinischen Routine eine untergeordnete Rolle und sollte derzeit nur speziellen Fällen vorbehalten sein.

Die korrekte Diagnostik der BV ist bei Frauen mit rezidivierenden Verläufen, ebenso wie nach Versagen einer First-Line-Therapie [49], sowie bei Frauen mit Kinderwunsch bzw. Frühgeburtenanamnese [50], [51] von besonderer klinischer Relevanz. Bis heute werden klassische mikroskopische Verfahren wie das Nativ- oder Gram-Präparat als Referenzmethoden empfohlen [49], [50]. Diese Verfahren können jedoch lediglich Morphotypen bestimmen, und lassen somit nur orientierende Aussagen über die vorliegenden Veränderungen der Vaginalmikrobiota zu. In den letzten Jahren sind molekulargenetische Verfahren für die BV-Diagnostik etabliert worden (FISH, NAAT/PCR, NGS), welche die Veränderungen der Vaginalmikrobiota wesentlich genauer abbilden und damit eine exaktere Diagnostik und gezieltere Therapie ermöglichen [52].

Bei Patientinnen mit den typischen Beschwerden einer BV kann die Diagnose anhand der Anamnese, des Lokalbefundes, der Begutachtung des Nativpräparats und der Bestimmung des vaginalen pH-Werts erhoben werden [44]. Das Nativpräparat des vaginalen Fluors (Phasenkontrast × 400) zeigt bei der BV reichlich kurze, kokkoide Stäbchenbakterien, die überwiegend auf den Vaginal-Epithelzellen gelagert sind und von Gardner als „Schlüsselzellen“ (Clue Cells) benannt wurden [53]. Laktobazillen und andere Morphotypen bzw. Leukozyten sind kaum oder nicht nachweisbar [44]. Die Amsel-Kriterien liegen vor, wenn 3 der 4 folgenden Merkmale zutreffen: homogener, grau-weißlicher Fluor genitalis, pH-Wert des Vaginalsekrets > 4,5, fischiger Amingeruch des Fluors, insbesondere nach Zugabe eines Tropfens 10%iger Kalilauge (KOH) und/oder der Nachweis von mindestens 20% Schlüsselzellen im Verhältnis zur Gesamtheit der pro Blickfeld sichtbaren Vaginal-Epithelzellen im Nativpräparat [54].

Der Nugent Score stellt ein standardisiertes Bewertungsverfahren für gramgefärbte Vaginalabstriche mit einem Punktesystem von 0 bis 10 dar, welches auf einem Abstufungssystem für die semiquantitative Bewertung von grampositiven Stäbchen (0 bis 4), kleinen gramvariablen und gramnegativen Stäbchen (0 bis 4) und gekrümmten, „Mobiluncus-ähnlichen“ Stäbchen (0 bis 2) beruht [55]. Bei Anwendung dieses Systems weisen Frauen mit klinischen BV-Symptomen in der Regel Werte von 7 bis 10 auf, während Gesunde Werte von 0 bis 3 zeigen. Werte von 4 bis 6 gelten als „intermediär“ und lassen keine klinisch relevanten Aussagen zu [56]. Alternativ wird der Hay-Ison Score empfohlen, der 5 Kategorien (Grad 0 bis 4) unterscheidet, wobei Grad 0 das ausschließliche Vorhandensein von Epithelzellen ohne Laktobazillen oder Hinweis auf BV beschreibt. Grad 1 beschreibt den Normalzustand mit der Prädominanz vaginaler Laktobazillen, Grad 2 eine intermediäre Mischflora mit teilweisem Vorhandensein von Gardnerella und Mobiluncus-Morphotypen, Grad 3 die typische BV mit Clue Cells und Dominanz der Anaerobier (ohne oder wenig Laktobazillen). Grad 4 beschreibt ein Bild grampositiver Kokken, ohne Hinweis auf BV oder Laktobazillus-Morphotypen [57].

Die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) ermöglicht es, eine taxonomisch eindeutige Identifizierung von Mikroorganismen, die Beurteilung ihrer räumlichen Anordnung sowie der morphologischen Besonderheiten des Untersuchungsmaterials vorzunehmen [58]. Next Generation Sequencing (NGS) ermöglicht die genotypische Identifizierung von Mikroorganismen in mikrobiellen Gemeinschaften, auch wenn sie in einer klinischen Probe nur in geringer Menge vorhanden sind [59]. Mit der quantitativen Multiplex Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) kann eine Sensitivität von 80% und Spezifität von 92% erreicht werden [60]. Diese Methode sollte jedoch Frauen mit Kinderwunsch, Schwangerschaft, IVF oder zum Screening bei Patienten mit erhöhtem STI-Risiko vorbehalten sein. Weitere Labormethoden umfassen den BD Affirm VPIII Assay als synthetischen Oligonukleotid-Sondentest [61], [62], [63], [64] sowie diverse Point-of-Care Tests, wie etwa den OSOM BVBLUE Test, der auf dem Nachweis der Sialidase-Aktivität basiert [65], [66], und den FemExam Test, der Trimethylamin als Stoffwechselprodukt und die Aktivität der Prolin-Aminopeptidase nachweist [64], [67].


7  Therapie

Konsensbasierte Empfehlung 7.E7

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Frauen mit vulvovaginalen Beschwerden und gesicherter bakterieller Vaginose sollen leitliniengerecht behandelt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E8

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Therapie der bakteriellen Vaginose soll mit oralem oder topischem Clindamycin oder mit Metronidazol erfolgen. Alternativ können lokale Antiseptika zur Anwendung kommen.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E9

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Therapie der chronisch-rezidivierenden bakteriellen Vaginose sollte mit lokalen Antiseptika oder einer suppressiven Erhaltungstherapie mit topischem Metronidazol, gefolgt von vaginalen Probiotika erfolgen, um die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs nach der Therapie zu reduzieren.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E10

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Frauen mit symptomatischer bakterieller Vaginose in der Schwangerschaft sollen zwecks Beschwerdereduktion sowie Reduktion von Schwangerschafts- und Wochenbettkomplikationen behandelt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E11

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Therapie der symptomatischen bakteriellen Vaginose während der Schwangerschaft soll primär mit Clindamycin erfolgen. Alternativ können vaginale Antiseptika zur Anwendung kommen.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E12

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Therapie der bakteriellen Vaginose soll nur nach einer korrekt durchgeführten und ärztlich gesicherten Diagnose erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E13

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Milchsäure und Probiotika scheinen sich positiv auf die Therapie und Rezidivprophylaxe der bakteriellen Vaginose auszuwirken und können daher komplementär angewendet werden.

Konsensbasiertes Statement 7.E14

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei chronisch rezidivierenden Verläufen einer bakteriellen Vaginose kann eine Partnerbehandlung erwogen werden, wobei die Evidenz hierzu begrenzt ist.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E15

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Frauen mit bakterieller Vaginose sollen darüber aufgeklärt werden, welche Maßnahmen dem Wiederauftreten der bakteriellen Vaginose in ihrem Fall vorbeugen können.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E16

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Frauen mit bakterieller Vaginose und unmittelbar bevorstehendem Kinderwunsch sollten behandelt werden, auch wenn diese asymptomatisch sind. Dasselbe gilt für Frauen mit aerober oder desquamativer inflammatorischer Vaginitis.

Die Therapie der BV ist bei allen Patientinnen mit vulvovaginalen Beschwerden indiziert [49]. Allerdings profitieren auch asymptomatische Frauen mit einer BV durch die Risikoreduktion von Endometritis, PID und STI mit ggf. folgender Infertilität indirekt von einer Therapie [68]. Bei Frauen mit rezidivierenden Verläufen oder Versagen der First-Line-Therapie kann dies zu einer signifikanten Beeinträchtigung in deren Lebensqualität führen, ebenso wie zu einer oft schwierigen und langwierigen Therapie.

Bei der First-Line-Therapie der BV mit Metronidazol führen die Resistenzmechanismen von Gardnerella spp. häufig zu einem Therapieversagen [69]. Bei einer oralen Therapie mit Metronidazol 500 mg wird dieses 2-mal täglich für 7 Tage oder für 2 g 1- bis 2-malig innerhalb von 48 Stunden empfohlen. Weniger häufig durch Resistenzen eingeschränkt ist die Therapie mit Clindamycin 300 mg 2- bis 3-mal täglich für 7 Tage. Als alternative topische Therapien können vaginales Metronidazol oder 2%ige Clindamycin-Crème 1-mal täglich für 7 Tage empfohlen werden, ebenso wie vaginale Clindamycin-Ovula für 3 Tage. In einigen randomisiert kontrollierten Studien zeigten Antiseptika, wie etwa Dequaliniumchlorid 10 mg 1-mal täglich für 6 Tage, Octenidin-Vaginalspray oder jodhaltige Präparate gute Ergebnisse bei der Behandlung einer BV [70] – [74]. Antiseptika als Therapiealternative einzusetzen erscheint – insbesondere in Anbetracht des im BV-Biofilm oft unwirksamen Metronidazol sowie zunehmender Antibiotikaresistenzen – sinnvoll, wiewohl durch Antiseptika der bei BV ohnehin geringe Anteil an Laktobazillen weiter reduziert wird [75] – [77]. Seltenere Therapiealternativen sind Secnidazol 2 g oral als Einmaltherapie oder Tinidazol 2 g oral für 2 Tage bzw. 1 g oral für 5 Tage. Die auf eine antibiotische bzw. antiseptische Therapie nachfolgende Gabe von Probiotika soll dazu dienen, die vaginale Mikrobiota wiederaufzubauen [78]. Das Risiko, nach Beendigung einer First-Line-BV-Therapie wiederholt an derselben Symptomatik zu leiden, ist hoch. Übersichtsartikel führen etwa eine Rezidivrate von 80% innerhalb von 3 – 12 Monaten nach Therapie an [34], [79]. Die für die Rezidive häufig verantwortlichen Biofilme können mit den First-Line antibiotischen Methoden nicht aufgelöst werden [80], [81], wobei in vitro z. B. bei Dequaliniumchlorid entsprechende Effekte beobachtet wurden [82]. Lokale Antiseptika können daher bei rezidivierenden Verläufen eine sinnvolle Alternative darzustellen [72]. Es wurden einige Regime zur Unterdrückung von Rezidiven versucht, die jedoch durchwegs keinen anhaltenden Erfolg zeigten, sodass – ähnlich wie bei der chronisch rezidivierenden VVC – suppressive Erhaltungstherapien vorgeschlagen werden können. Hierzu kann etwa topisches Metronidazol 2-mal wöchentlich für insgesamt 16 Wochen einen Therapieversuch darstellen [83].

Während einer Schwangerschaft ist die antibiotische Behandlung einer BV effektiv, wobei das Gesamtrisiko einer Frühgeburt dadurch wohl nicht signifikant reduziert werden kann [84]. Die Therapie wird jedenfalls allen symptomatischen schwangeren Frauen empfohlen, um die Beschwerden zu verringern und da eine symptomatische BV während der Schwangerschaft u. a. mit dem Auftreten eines vorzeitigen Blasensprungs, Frühgeburt, Amnioninfektionssyndrom und postpartaler Endometritis in Zusammenhang gebracht wurde [85] – [87]. Neben den symptomatischen Frauen gibt es Hinweise, dass die Diagnostik und Therapie einer asymptomatischen BV vor der 23. Schwangerschaftswoche die Rate an Frühgeburten senken kann [88]. Clindamycin erscheint aufgrund seiner antiinflammatorischen und zytokinhemmenden Wirkung sowie aufgrund seines breiten antibiotischen Spektrums während der Schwangerschaft besser geeignet zu sein als Metronidazol [49]. Die Gabe von Tinidazol während der Schwangerschaft sollte vermieden werden. Aufgrund der klinisch vergleichbar guten Wirksamkeit können alternativ auch Antiseptika wie Dequaliniumchlorid oder Octenidin als geeignete Alternativen angesehen werden [71], [73]. Auf die Gabe von Povidon-Jod sollte während der Schwangerschaft jedoch verzichtet werden.

Nach bisherigen Erkenntnissen kann eine voll entwickelte oder auch eine chronisch rezidivierende BV mit Milchsäure oder Laktobazillus-Präparaten alleine nicht geheilt werden [89]. Plummer et al. [90] berichten in ihrem systematischen Review, dass wegen divergierender Methoden und Ergebnisse keine klare Empfehlung für oder gegen die Anwendung von Milchsäure zur Prophylaxe oder Therapie der BV gegeben werden kann. Ebenso wird der Einsatz vaginal oder oral applizierter Laktobazillen und Probiotika zur Prophylaxe bzw. Therapie einer BV kontrovers beurteilt [91], [92], [93], wiewohl einzelne Studien signifikante Vorteile für die Anwendung von Probiotika bei oder nach BV zeigten [78]. Orale Probiotika sind jedenfalls erst etwa 1 – 2 Wochen später in der Scheide nachweisbar und bleiben dort, solange sie weiter oral eingenommen werden [94], [95]. Weitere alternative und komplementäre Therapeutika umfassen etwa ein vaginales Präparat mit Ascorbinsäure [96] und ein Polymer aus einer Kombination der Aloe barbadensis und Milchsäure [97].

Die Rezidivrate der BV hängt von einigen Faktoren ab, wobei die Re-Infektion mit BVAB, die Re-Infektion durch endogene Quellen oder aber auch durch den Sexualpartner/in eine Rolle spielen [31], [98]. Das Center for Disease Control and Prevention (CDC) empfiehlt jedoch keine routinemäßige Mitbehandlung des Partners im Falle einer rezidivierenden BV. Eher kann durch die Vermeidung anderer prädisponierender Wirts- bzw. Risikofaktoren, wie etwa Stressvermeidung, gesunder Lebensstil und normales Körpergewicht, die Rezidivrate gesenkt werden [99]. Es besteht ein Zusammenhang zwischen BV und Unfruchtbarkeit, wobei der genaue Pathomechanismus noch unklar ist. Einerseits haben Frauen mit BV ein erhöhtes Risiko für aszendierende Infektionen wie Zervizitis, Endometritis und Pelvic Inflammatory Disease (PID) [68]. Eine chronische Endometritis kann oft über Jahre klinisch inapparent bestehen bleiben und inflammatorische Prozesse nach sich ziehen, welche die Implantation der befruchteten Eizelle beeinträchtigen und etwa zu tubarer Sterilität führen können [100], [101], [102], [103], [104]. Andererseits scheinen auch bei der Fertilität BV-Biofilme eine Rolle zu spielen [58]. Insgesamt wurden etwa schlechte IVF-Outcomes bei Frauen mit einer geringen mikrobiellen Diversität und jenen mit einem höheren Anteil an abnormer vaginaler Mikrobiota berichtet [105]. Die antibiotische Therapie mit Doxycyclin nach Hysteroskopie und Strichkürettage verbessert die Schwangerschaftsrate [106].


8  Ausblick

Konsensbasierte Empfehlung 8.E17

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die zukünftige Forschung im Bereich der bakteriellen Vaginose sollte sich darauf konzentrieren, die hohe Rate an Rückfällen und chronisch rezidivierenden Fällen zu vermeiden.

Die Vermeidung von Resistenzen und chronisch rezidivierenden Fällen, sowie die Prävention der BV stehen daher ganz oben auf der Agenda der zukünftigen Forschung. Die Wirksamkeit alternativer Therapien und der derzeitige Behandlungsplan sollten anhand der Ergebnisse neuer klinischer Studien zu modernen Verfahren und Präzisionsmedizin ausgebaut und ergänzt werden [28], [31], [107], [108]. Die Behandlung mit Lactobacillus crispatus CTV-05 (Lactin-V) könnte ebenso interessant werden, da gezeigt werden konnte, dass die Anwendung von Lactin-V nach der Behandlung mit vaginalem Metronidazol nach 12 Wochen zu einer signifikant geringeren Rückfallrate der BV führte [109]. Ebenso ist bisher die Evidenz zu Astodrimer relativ begrenzt [110], [111], ebenso wie jene zum vaginalen Medizinprodukt Polycarbophil, welches zuversichtliche Daten in der Reduzierung der BV-Rezidivrate lieferte [112], [113]. Ergebnisse klinischer Studien mit TOL-463, einem auf Borsäure basierenden Antiseptikum, das speziell gegen vaginale Biofilme von Bakterien und Pilzen wirksam ist, bleiben abzuwarten [114], [115]. Schlussendlich rückt auch die Partnerbehandlung immer mehr in den Fokus der Forschung [116].



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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The conflicts of interest of the authors are listed in the long version of the guideline./Die Interessenkonflikte der Autorinnen und Autoren sind in der Langfassung der Leitlinie aufgelistet.

Acknowledgements

Die Autoren möchten sich bei Alexander Swidsinski und Paul Gaß für ihre anhaltende Unterstützung bedanken.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Ap. Prof. Priv.-Doz. Dr. Dr. Alex Farr, MPH
Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien
Währinger Gürtel 18 – 20
1090 Wien
Austria   

Publication History

Received: 28 August 2023

Accepted: 29 August 2023

Article published online:
03 November 2023

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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