ergopraxis 2024; 17(02): 44-46
DOI: 10.1055/a-2175-9122
Perspektiven

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess – Qualitätsmanagement in der Praxis

Isabel Arens
 

Verbesserungen ohne Veränderungen? Das ist kaum möglich. Viele Menschen sind allerdings Veränderungen gegenüber skeptisch. Sie wünschen sich zwar Verbesserungen, lehnen aber die dafür notwendigen Veränderungen von Verhaltensweisen, Abläufen und anderem ab. Dabei gibt es eine wunderbare Methode, sich stetig weiterzuentwickeln.


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Planen, den Plan durchführen, das Ergebnis überprüfen und das künftige Handeln entsprechend anpassen – der PDCA-Zyklus ist die Grundlage für gutes QualitätsmanagementQuelle: © S. Schaaf/Thieme

Im therapeutischen Arbeitskontext unterliegen Sie ständigen Veränderungen, zum Beispiel durch den krankheitsbedingten Ausfall einer Kollegin, auf den Sie und Ihr Team reagieren. Im Praxisalltag ist es langfristig förderlich, Veränderungen mithilfe eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) herbeizuführen. Dieser Prozess ist sozusagen das Herzstück des Qualitätsmanagements und eignet sich hervorragend dazu, betriebliche Abläufe im Sinne der stetigen Qualitätssicherung zu überprüfen und Veränderungen und Verbesserungen aktiv einzuleiten.

In der therapeutischen Arbeit und bei vielen anderen Abläufen des täglichen Lebens handeln Sie bereits im Sinne eines KVP, vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein: Sie planen Ihre Behandlungen und führen sie durch. Sie nehmen den Verlauf anschließend unter die Lupe und reflektieren: Was war hilfreich und was nicht? Sind Therapieerfolge zu erkennen? Bei Bedarf suchen Sie Unterstützung bei Kolleg*innen, recherchieren Behandlungsmethoden und besuchen gegebenenfalls eine Fortbildung. Im Anschluss planen Sie auf Grundlage Ihrer Reflexion und der Maßnahmen die nächsten Therapieeinheit. In der folgenden Einheit erproben Sie das neue Wissen, die veränderten Methoden und entwickeln nach den neuen Erfahrungen erste Veränderungen. Wenn sich diese als positiv herausstellen, werden Sie sie in den Behandlungsplan mit aufnehmen und standardisieren.

All diese Schritte sind unter dem Begriff „kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ zusammenzufassen. Diesem liegt zunächst der PDCA-Zyklus (PDCA-ZYKLUS) zugrunde, die Abkürzung steht für Plan – Do – Check – Act (Planen – Durchführen – Überprüfen – Handeln).

Da Sie sich vermutlich nach jeder weiteren Einheit die Frage stellen, was im Sinne der zu Behandelnden zu verbessern ist, ist dieser Zyklus kein einmaliger Vorgang, sondern wie in unserem Beispiel ein sich wiederholender Ablauf. So entsteht der KVP, der kontinuierliche Verbesserungsprozess.

PRAXISBEISPIEL ZUM THEMA KOMMUNIKATION

Beziehen Sie Ihre Mitarbeitenden in den Aufbau des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses mit ein. Listen Sie gemeinsam alle Themen auf, für die Verbesserungen oder Veränderungen erwünscht sind. Das kann etwa durch Brainstorming oder Mindmapping geschehen.

Priorisieren Sie anschließend mit dem Team. Bringen Sie die Themen beispielsweise mit der Klebepunktmethode in eine Rangfolge und legen Sie so fest, was Sie zuerst bearbeiten wollen, zum Beispiel: Kommunikation. Die übrigen Punkte werden in einem Themenspeicher für eine spätere Bearbeitung aufbewahrt.

Sammeln Sie nun zum gewählten Bereich Situationen, in denen sich Kommunikationsschwierigkeiten zeigen. Was sind die möglichen Ursachen? Hier lassen sich beispielsweise Brainstorming oder das Ishikawa-Modell (ISHIKAWA-MODELL) anwenden. Manchmal ist es sinnvoll, sich zunächst mit den Ursachen eines Problems zu beschäftigen, um Maßnahmen und Lösungen herbeizuführen.

Am Beispiel des Themas Kommunikation ist Ihnen und Ihrem Team möglicherweise aufgefallen, dass es an der Schnittstelle Praxismanagement und Therapeutenteam zu Informationsverlust und Missverständnissen kommt. Bisher wurden vielleicht keine geplanten Gespräche geführt, Absprachen fanden zwischen Tür und Angel statt.

Hier werden Sie und Ihr Team vermutlich eine Vielzahl an Verbesserungsmöglichkeiten sammeln können. Eine Priorisierung kann erneut über die Klebepunktmethode erfolgen, die übrigen Themen aus dem Bereich Kommunikation bleiben im Themenspeicher „Kommunikation“. Sie können sich jedoch auch für die Schwierigkeit entscheiden, die am einfachsten und schnellsten zu verändern und zu verbessern ist. Eine zeitnahe Umsetzung und das Verbuchen erster Erfolge werden Ihnen und Ihrem Team die notwendige Motivation geben, sich auch im Anschluss mit dem kontinuierlichen Veränderungsprozess zu beschäftigen, da Sie die Wirkung bereits gespürt haben.

Qualität bedeutet, nicht nur einem bestimmten Standard zu entsprechen, sondern in einem lebendigen und dynamischen Prozess stetige Verbesserungen zu erzielen.

William Edwards Deming 1900–1993, US-amerikanischer Physiker und Statistiker und Pionier des Qualitätsmanagements


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START DES PDCA-ZYKLUS

Jetzt startet der PDCA-Zyklus. Im ersten Schritt – Plan – haben Sie im Team festgelegt, dass Sie sich als Erstes um den Ablauf der Kommunikation zwischen Therapeut*innen und Praxismanagement kümmern möchten. Gemeinsam bestimmen Sie die Ziele (ich empfehle hier die SMART-Formel, also spezifisch, messbar, ansprechend, realisierbar und terminiert), also zum Beispiel Einzelgesprächstermin dienstags 9:00–9:15 Uhr zur wöchentlichen Absprache zwischen dem Praxismanagement und Therapeut*in X.

Im zweiten Schritt – Do – werden nun die Gespräche zwischen Therapeut*in X und dem Praxismanagement, wie in Schritt eins festgelegt, durchgeführt. Sie sollten je nach Thema einen realistischen Zeitrahmen vereinbaren, wie lange Sie diese Neuerung überprüfen möchten (zum Beispiel vier Wochen).

Nach vier Wochen überprüfen Sie gemäß Schritt drei – Check – gemeinsam im Team: Welche Maßnahmen waren erfolgreich und hilfreich? Was bedarf einer weiteren Verbesserung? Dabei können Sie folgende Bereiche beleuchten: War der Zeitumfang ausreichend? Haben die richtigen Personen miteinander kommuniziert? Wurden Störungen (durch Kolleg*innen oder Telefonate) beobachtet, die den Ablauf erschwerten?

Im vierten Schritt – Act – vereinbaren Sie Standards, indem Sie Abläufe und Maßnahmen, die erfolgreich waren, von nun an regelmäßig einsetzen. Beispiel: einmal wöchentlich eine 15-minütige Besprechung zwischen Therapeut*in und Praxismanagement.

PDCA-Zyklus

Plan

  • Planen Sie Ihr Tun.

  • Legen Sie Ihr Ziel für eine Tätigkeit, einen Prozess oder ein Projekt fest.

  • Planen Sie die benötigten Ressourcen: Beteiligte, Zeit, Geld, Kompetenzen, Material.

Do

  • Setzen Sie das Geplante um.

  • Orientieren Sie sich an der vorherigen Planung von Ziel und Ressourcen.

Check

  • Überprüfen Sie die Durchführung.

  • War es möglich, das Ziel zu erreichen?

  • Haben Sie Ressourcen und Prozesse richtig gewählt?

Act

  • Ergreifen Sie Maßnahmen zur Verbesserung.

  • Überlegen Sie, wie die Tätigkeit oder das Projekt im Hinblick auf die Zielerreichung (noch) besser gelingen kann.

  • Standardisieren Sie erfolgreiche Maßnahmen und Abläufe.

Das Ishikawa-Modell

Kaoru Ishikawa hat 1940 ein Diagramm erstellt, das der Fehler- oder Problemanalyse und Ideenfindung dient. In die Grafik einer Fischgräte wird am „Kopf“ das Problem/die Idee geschrieben. An acht Gräten wird je einer der folgenden Begriffe, die auf das Problem oder die Idee Einfluss nehmen, notiert: Mensch, Maschine, Messung, Material, Management, Methode, Mitwelt, Money. Systematisch werden zu jedem Begriff der jeweiligen Gräte die Problemursachen oder möglichen Ideen herausgearbeitet.

Das Modell eignet sich optimal, um komplexe Ursache-Wirkungs-Geflechte gemeinsam im Team aufzulösen.

10-Schritte-Checkliste
  • Themensammlung erstellen (allgemein)

  • Priorisierungsliste anfertigen (allgemein)

  • Thema X: Sammeln von Veränderungsbedarfen und gegebenenfalls Problemursachen/Priorisierungsliste zum Thema X

Start PDCA

  • Plan: Planung einer Tätigkeit/eines Prozesses/eines Projekts, Festlegung von Ziel, Ressourcen, Abläufen: Was soll erreicht werden und wie?

  • Do: Durchführung

  • Check: Überprüfung – Verbesserungsbedarf? Erfolge?

  • Act: Ableiten von Maßnahmen – Verbesserungsmöglichkeiten und Standardisierung

Start KVP

  • Plan: Planung der Tätigkeit/des Prozesses/des Projekts unter Anwendung der unter „Act“ entwickelten Verbesserungsmaßnahmen und der festgelegten Standards; PDCA-Zyklus fortsetzen

  • Zeitpunkt X: Standard über Ablauf festlegen; Themenspeicher bearbeiten

  • Abläufe regelmäßig überprüfen – auch nach dem Festlegen von Standards

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Wo es noch weiteren Verbesserungsbedarf gibt, beschließen Sie neue Maßnahmen im Team. Möglicherweise ist während der Umsetzung aufgefallen, dass der Zeitpunkt aufgrund des besonders hohen Patientenaufkommens ungünstig gewählt wurde (mögliche Maßnahme: neue Zeit bestimmen). Es könnten in den Besprechungen auch gehäuft Fragen auftauchen, die zwischen Praxismanagement und Therapeut*in nicht zu klären sind (mögliche Maßnahme: Anwesenheit Praxisleitung).


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START DES KVP

Jetzt beginnt der kontinuierliche Verbesserungsprozess. Sie planen nun den nächsten Durchlauf der Kommunikation zwischen Praxismanagement und Therapeut*in. Die festgelegten Zeiten (neu: 11:30–11:45 Uhr) und Besprechungsteilnehmende (neu: inklusive der Praxisleitung an jedem zweiten Dienstag) werden für einen weiteren Zeitraum (vier Wochen) geplant. Im Anschluss folgen dem PDCA-Zyklus entsprechend wieder die Schritte Do – Check – Act.

Zu einem zukünftigen Zeitpunkt werden Sie und Ihr Team mit dem Ablauf der Kommunikation zufrieden sein und einen Standard entwickelt haben. Es lohnt sich, dann erneut auf den Themenspeicher aus dem anfänglichen Brainstorming zu schauen und die nächsten Punkte aus dem Bereich Kommunikation zu bearbeiten.


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DAS IST NICHT DAS ENDE

Der Blick sollte auch nach der Entwicklung eines Standards auf der Verbesserung liegen. Veränderungsbedarfe entstehen weiterhin, zum Beispiel durch Arbeitszeitänderung, unterschiedliche Bedürfnisse der Therapeut*innen (neue Kolleg*innen etwa haben einen größeren Gesprächsbedarf). Der kontinuierliche Verbesserungsprozess endet nicht, sobald Sie und Ihr Team einen Standard festgelegt haben. Es lohnt sich, die Abläufe regelmäßig zu überprüfen, so wie Sie es im Fall Ihrer Behandlungseinheit wie oben genannt auch tun.

Den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu kennen und im Unternehmen zu beherzigen, hat viele Vorteile, darunter:

  • Akzeptanz von Veränderungen Durch das Einbinden der Mitarbeitenden in die Veränderungsprozesse erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass alle Teammitglieder die Veränderungen akzeptieren und mittragen.

  • Bindung der Mitarbeitenden Wer Veränderungsprozesse mitgestalten darf, wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach eher mit Ihnen und Ihrem Unternehmen identifizieren und als wichtiges Teammitglied erhalten bleiben.

  • Vielfalt Sie können durch den Einsatz der Mitarbeitenden auf eine Vielzahl an Ideen, Erfahrung und Perspektiven zurückgreifen (schon Aristoteles wusste: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“).

  • Achtsamkeit und Sicherheit Sie und Ihr Team lernen im Alltag ganz automatisch, den Blick für Verbesserungen zu schärfen, und können Anzeichen von Verbesserungspotenzial leichter erkennen und nutzen. Durch hilfreiche Methoden und Abläufe gelingt es Ihnen, im Team die Prozesse der Veränderungen zu managen.

  • Chancen Aus Fehlern und Schwierigkeiten werden automatisch Chancen, die Sie durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess managen können. Ihr Unternehmen wird eine offenere Fehlerkultur leben.


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FAZIT

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess lädt dazu ein, hinzuschauen und Fehler, Schwachstellen und Unsicherheiten aufzudecken. Gemeinsame Ideen und Maßnahmen ermöglichen es, das Team an einen Tisch zu bringen und die Veränderungen aktiv und nachhaltig zu entwickeln. Nutzen Sie die Ressourcen Ihres Teams. Viel Freude dabei.

Isabel Arens


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Isabel Arens ist Ergotherapeutin, Qualitätsbeauftragte, Fachwirtin und Systemischer Coach und Veränderungsmanagerin. Schwerpunktmäßig arbeitet sie mit Führungskräften und Teams aus Therapieberufen und verbindet das Systemische Coaching und Veränderungsmanagement mit dem Qualitätsmanagement. Die Einbindung der Ressourcen des Teams in nachhaltige Veränderungsprozesse ist ihr ein Herzensanliegen.Ressource – Isabel Arens: Workshops, Seminare und Coaching für Führungskräfte und Teams in Therapieberufen und Kita. www.arensressource.de

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
01. Februar 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Isabel Arens ist Ergotherapeutin, Qualitätsbeauftragte, Fachwirtin und Systemischer Coach und Veränderungsmanagerin. Schwerpunktmäßig arbeitet sie mit Führungskräften und Teams aus Therapieberufen und verbindet das Systemische Coaching und Veränderungsmanagement mit dem Qualitätsmanagement. Die Einbindung der Ressourcen des Teams in nachhaltige Veränderungsprozesse ist ihr ein Herzensanliegen.Ressource – Isabel Arens: Workshops, Seminare und Coaching für Führungskräfte und Teams in Therapieberufen und Kita. www.arensressource.de
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