1. Hintergrund
1.1 Die Notwendigkeit von besseren Behandlungsergebnissen bei HNSCC
Die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit
Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (HNSCC) beschränken sich auf
drei Hauptmodalitäten: Operation oder Strahlentherapie mit oder ohne
Chemotherapie. Die Entscheidung hinsichtlich der Behandlung richtet sich nach
dem Tumorstadium und der Resektabilität, der chirurgischen Expertise, den
Vorerkrankungen und der Patientenpräferenz. Das Ausmaß der Operation, die
Notwendigkeit einer lokalen Rekonstruktion sowie die Dosierung und der Umfang
der Bestrahlung führen zu einem hohen Maß an Behandlungsvariabilität und
Individualisierung. Als dritte Behandlungsmodalität kommt die klassische
zytoreduktive Chemotherapie in der primären Strahlentherapie und die adjuvante
Strahlentherapie bei entsprechenden Risikofaktoren hinzu [1]
[2]. In den letzten Jahrzehnten gab es Verbesserungen und Innovationen im
gesamten Behandlungsspektrum: Die transorale Roboterchirurgie (TORS, transoral
robotic surgery) kann die chirurgische Morbidität minimieren, [3] die intensitätsmodulierte
Strahlentherapie (IMRT, intensity-modulated radiotherapy) reduziert die
Bestrahlung von gesundem Gewebe außerhalb des Zielgebiets, [4] und innovative monoklonale Antikörper
wie Cetuximab können in Fällen, in denen Cisplatin nicht in Frage kommt, als
Alternative eingesetzt werden [5]. Die
Verbesserung des Patientenüberlebens insgesamt war jedoch eher minimal [6] und wurde wahrscheinlich hauptsächlich
durch eine Zunahme von HPV-assoziierten Oropharynxkarzinomen verursacht [7].
Für die Patienten und ihre Familien ist natürlich das onkologische Ergebnis,
gemessen als rezidivfreie und Gesamtüberlebenszeit, das wichtigste Anliegen.
Hier sind die entscheidenden prognostischen Faktoren nach wie vor das
Tumorstadium und die Lage des Tumors zum Zeitpunkt der Diagnose. Mit dem
Aufkommen HPV-assoziierter HNSCC als eigenständige biologische und klinische
Entität gibt es zwar eine Untergruppe von Patienten mit guten Gesamtergebnissen.
Dies ist jedoch auf die zugrundeliegende Pathophysiologie der Tumorgenese und
nicht die verbesserten Behandlungsalgorithmen zurückzuführen [7]. Bei nicht-HPV-assoziierten
Krebserkrankungen, mit Ausnahme von Erkrankungen der Glottis und der Mundhöhle,
die früh und in resektablen Stadien auftreten, sind die Überlebensergebnisse
unbefriedigend. Dies ist vor allem angesichts der hochinvasiven und
umfangreichen chirurgischen Eingriffe und der intensiven
Hochdosis-Radiochemotherapiefestzustellen, der sich die Patienten unterziehen
müssen, um diese Ergebnisse zu erzielen. Eine detaillierte Analyse der
SEER-Daten, in der die Veränderungen der relativen Überlebensrate über vier
Jahrzehnte (1976–2015) verglichen wurden, zeigt einen deutlichen Anstieg der
Überlebensrate nur für oropharyngeale und Zungentumore, während sich die
Überlebensrate für andere Tumoren – des Larynx, Hypopharynx, Nasopharynx und der
Mundhöhle – in der multivariaten Analyse über 40 Jahre kaum veränderte [8]. So ergab die Studie auch ein
unbefriedigendes relatives 5-Jahres-Überleben für die jüngste Kohorte von 2006
bis 2015 von 38,4% bei Mundhöhlenkarzinomen (ohne Zunge), 31,2% bei
Hypopharynxkarzinomen und 35,8% bei Kehlkopfkarzinomen im lokal
fortgeschrittenem Stadium. Dies ist besonders relevant, da sich ein hoher
Prozentsatz der Patienten in eben diesem fortgeschrittenen Krankheitsstadium
vorstellen [9].
Bei Patienten, die ein langfristiges Überleben erreichen, ist dies mit einer
erheblichen Morbidität und einer eingeschränkten Lebensqualität verbunden. Je
nach Lage des Primärtumors können eine oder mehrere der grundlegenden
physiologischen und alltäglichen sozialen Funktionen wie Atmen, Sprechen,
Schlucken, Schmecken und Riechen gestört sein [10]. Das Ausmaß des Funktionsdefizits variiert je nach Ausmaß der
Primärerkrankung und der gewählten Behandlungsmodalität, ist aber dennoch bei
allen Therapien und Patienten vergleichbar. Stimm- und Sprechprobleme wurden bei
zwei Dritteln der HNSCC-Patienten festgestellt – auch noch 10 Jahre nach der
primären Strahlentherapie [11]. Dysphagie
und eingeschränkte orale Nahrungsaufnahme sind ebenfalls häufige Probleme,
welche durch intensive Sprechtherapie und Rehabilitation behandelt werden müssen
[12]. Xerostomie und Geschmacksverlust
wurden meist mit der primären Strahlentherapie in Verbindung gebracht und sind
nach wie vor langfristige Folgen dieser Therapie mit begrenzten
Behandlungsmöglichkeiten [13]. Weitere
Behandlungsfolgen, die im Rahmen eines multidisziplinären Ansatzes bei der
Langzeitbetreuung von Kopf- und Halskarzinomen behandelt werden sollten, sind
Müdigkeit, sexuelle Funktionsstörungen, chronische Schmerzen, Karies und
Zahnprobleme, Lymphödeme und zervikale Dystonie [14]. Chirurgische Eingriffe, ob in der Primär- oder in der
Salvagephase, mit Problemen verbunden, die langfristig zu einer Störung des
Körperbilds führen können [15]. Dies gilt
insbesondere für mutilierende Eingriffe wie Laryngektomien, Exenteratio orbitae
oder Ablatio nasi sowie für die Notwendigkeit von gestielten oder freien
Gewebetransfers. All dies kumuliert und führt zu einer langfristigen
Beeinträchtigung der Lebensqualität von HNSCC-Überlebenden [16]
[17]
[18]. Alarmierenderweise
zeigen Berichte, dass das Risiko, durch Selbstmord zu sterben, bei
Kopf-Hals-Tumorpatienten im Vergleich zu anderen Krebsarten doppelt so hoch ist
[19].
Zusammengenommen unterstreichen diese Befunde, dass trotz erheblicher
Anstregungen und Fortschritte bei der Verbesserung der Mortalität und Morbidität
von HNSCC-Patienten die derzeitigen, modernen Therapieoptionen keine
zufriedenstellenden Ergebnisse sowohl hinsichtlich des Langzeitüberlebens als
auch der Behandlungsfolgen und der daraus resultierenden Lebensqualität
bieten.
Abb. 1 Therapien, die den Krebsimmunitätszyklus beeinflussen könnten. Quelle:
Dietz A, Stöhr M, Zebralla V et al. Immunonkologie bei Kopf-Hals-Tumoren.
Laryngo-Rhino-Otologie 2021; 100(04): 303–321. doi:10.1055/a-1337–0882
1.2 Die Einführung der Immuntherapie als vierte Säule der
HNSCC-Behandlung
In den letzten zehn Jahren hat die Einführung von Behandlungsmöglichkeiten, die
das Immunsystem zur Erkennung und Eliminierung von Krebszellen nutzen, sowohl
bei den Patienten als auch bei den Behandlern Hoffnungen auf bessere klinische
Ergebnisse geweckt [20]. Seit Jahrzehnten
gibt es klinische Indizien für die Rolle des Immunsystems bei der Interaktion
zwischen Tumor und Wirt. Beispiele hierfür sind die spontane Rückbildung von
Karzinomen, die manchmal mit fieberhaften Infektionen zusammenfällt [21], das Wiederauftreten von Metastasen in
transplantierten Organen, wie z. B. im Falle von Melanommetastasen, die von
einem Spender auf einen Nierentransplantationspatienten übertragen wurden [22], und das vermehrte Auftreten von
Krebserkrankungen bei Personen mit genetisch bedingter oder erworbener
Immunsuppression [23]
[24]. Neben diesen klinischen Beobachtungen
gibt es auch grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse, die mit der Hypothese
einer schützenden Wirkung des Immunsystems gegen Krebs übereinstimmen. Hierzu
gehört unter anderem eine Korrelation zwischen tumorinfiltrierenden Lymphozyten
(TIL, tumor infiltrating lymphocytes) und der Prognose [25]. Die Idee einer schützenden Wirkung des
Immunsystems wurde durch Studien an immunsupprimierten Mausmodellen untermauert,
die zur Hypothese zum Konzept der Immunüberwachung („immune surveillance“)
führten [26]. welche im Folgenden näher
erläutert wird. Nach einer langen Ära der Skepsis wurden diese Erkenntnisse
letztendlich in die Klinik übertragen. Zunächst wurden Zytokine, die das
Immunsystem auf breiter Basis stimulieren, wie IL-2 zur Behandlung des
metastasierten Nierenzellkarzinoms und des Melanoms [27] oder alpha-Interferon bei der
Haarzellleukämie [28], von der FDA
zugelassen. Andere frühe innovative und bahnbrechende Interventionen waren die
Ex-vivo-Expansion und Reinfusion von TIL [29]. Weitere Studien zur Rolle der T-Zellen und ihrer Interaktion mit
Tumorzellen (die weiter unten ausführlicher beschrieben werden), insbesondere
zur Bedeutung der Checkpoint-Rezeptoren bei dieser Interaktion, ebneten den Weg
für die aktuelle Ära der Checkpoint-Inhibitoren, monoklonaler Antikörper, die
die Hemmung der Antitumor-Immunantwort durch Krebszellen blockieren. Hier
markierte die Zulassung von Ipilimumab, einem Anti-CTLA-4-Antikörper, beim
metastasierten Melanom im Jahr 2011 den Ausgangspunkt für eine explosionsartige
Zunahme der Indikationen [30]. Bei HNSCC
zeigte die CheckMate-141-Studie, dass Nivolumab, ein Anti-PD1-Antikörper, das
Gesamtüberleben von Patienten mit rezidivierter oder metastasierter Erkrankung,
die gegenüber platinbasierten Behandlungen refraktär ist verbessert [31]. Darüber hinaus zeigte die
KEYNOTE-048-Studie einen Gesamtüberlebensvorteil für Pembrolizumab, einen
Anti-PDL1-Antikörper, im Vergleich zum EXTREME-Schema (Chemotherapie plus
Cetuximab) bei der Erstlinienbehandlung von rezidivierten oder metastasierten
Tumoren [32]. Es ist nun als Monotherapie
für Patienten mit einer PD-L1-Expression von >1% und in Kombination mit
Chemotherapie bei PD-L1-negativen Tumoren zugelassen. Weitere Innovationen auf
diesem Gebiet, die den Rahmen dieser Übersichtsarbeit übersteigen, werden an
anderer Stelle ausführlich erörtert [33].
Letztendlich zeigen diese Studien eine Verbesserungen der Behandlungsergebnisse,
d. h. ein besseres Überleben und eine geringere Morbidität, die bei Patienten
mit rezidivierter oder metastasierter Erkrankung. Diese Ergebnisse
unterstreichen die Durchführbarkeit dieser Behandlungsmodalität und regen dazu
an, sie in frühere, kurative Therapiestadien, wie z. B. die adjuvante oder
neoadjuvante Behandlung, einzubeziehen.
Abb. 2 Effektorfunktionen von CD8+-zytotoxischen T-Zellen. Quelle: Wagener C,
Müller O. Tumorimmunologie und Immuntherapie. In: Wagener C, Müller O, Hrsg. Molekulare
Onkologie. 4., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2022.
doi:10.1055/b000000085
Abb. 3 P2C-Weg der Kreuzpräsentation. Quelle: Wagener C, Müller O. T-Zell-Hilfe
und Kreuzpräsentation. In: Wagener C, Müller O, Hrsg. Molekulare Onkologie. 4.,
aktualisierte und erweiterte Auflage. Thieme; 2022. doi:10.1055/b000000085
Abb. 4 Wirkprinzip der Immun-Checkpoint-Blockade. Quelle: Müller M, Weisel K, Kanz
L. Immunescape. In: Blum H, Müller-Wieland D, Hrsg. Klinische Pathophysiologie. 11.,
unveränderte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020. doi:10.1055/b000000121
1.3 Grundsätze der Immunonkologie und Grundlagen der aktuellen
HNSCC-Immuntherapie
1.3.1 Immun-Eliminierung, Gleichgewicht (Equilibrium) und Escape
Die Grundfunktion der adaptiven Immunreaktion ist die Entwicklung einer
spezifischen Reaktion gegen eine Struktur, das Antigen, das vom Immunsystem als
fremd erkannt wird. Diese Reaktion unterscheidet sich je nach Zelltyp und
Kontext und kann in der Produktion spezifischer Antikörper durch B-Zellen oder
in der zytokingesteuerten Organisation der Immunantwort (CD4+Helferzellen)
bestehen. Die direkte Abtötung von als fremd erkannten Strukturen ist die
Aufgabe der zytotoxischen T-Zellen [34].
Die Antigene können in verschiedenen Kontexten erkannt werden: in infizierten
somatischen Zellen bei akuten oder chronischen Infektionen, in autologem Gewebe
bei Autoimmunität, in einem Spenderorgan bei einer Abstoßungsreaktion oder in
mutierten Zellen bei der Anti-Tumor-Immunität.
Die Idee, dass das Immunsystem Krebszellen erkennen und eliminieren kann – die
sogenannte Immunüberwachungshypothese – wurde in den frühen 1960er Jahren
vorgeschlagen, aber aufgrund fehlender wissenschaftlicher Beweise und
unzureichender experimenteller Modelle nicht weiter verfolgt [26]. Da sich die Forschungslandschaft auf
die Krebszelle und ihre genetischen Störungen, wie Onkogene und
Tumorsuppressorgene, konzentrierte, gab es eine lange Zeit keine Fortschritte
auf dem Gebiet der Immunonkologie [35].
Das Interesse an der Tumor-Wirt-Interaktion erwachte in den 2000er Jahren
wieder, aufbauend auf neuen und ermutigenden Erkenntnissen aus dem
vorangegangenen Jahrzehnt [36]. Dabei
wurde der konzeptionelle Rahmen der Immunüberwachung auf die 3-Es des
Immunoeditierungsmodells ausgeweitet. Hiermit wurde anerkannt, dass die
Interaktion zwischen Krebs und Wirt nicht mit der Zerstörung klinisch
inapparenter Tumorläsionen, dem Zustand der Immunüberwachung oder
„Eliminierung“, endet, sondern dass der „immunogene Phänotyp des Tumors
kontinuierlich von den immunologischen Kräften in seiner Umgebung geformt wird“
[36]. Wenn der Tumor nicht eliminiert
wird, tritt er in einen „Equilibrium“ (Gleichgewichtszustand) ein, in dem er
klinisch nicht auffällig ist, aber vom Immunsystem nicht beseitigt werden kann.
Danach kommt es zu einer dritten, „Escape“-Phase, in der der Tumor aus der
Pattsituation mit dem Immunsystem herauswächst und klinisch sichtbar wird.
1.3.2 Erkennung und Aktivierung von T-Zellen-Antigenen
Aufgrund der Potenz aktivierter T-Zellen ist die Initiierung der zytotoxischen
Effektorfunktion hochgradig reguliert und umfasst mehrere Schritte oder Signale
[[37] Damit eine Immunantwort aus der
Erkennung eines auf einer Krebszelle exprimierten Tumorantigens entsteht, muss
dasselbe Antigen der T-Zelle ein zweites Mal von einer Antigen-präsentierenden
Zelle gezeigt werden (das erste Signal), zusammen mit einem co-stimulatorischen
oder co-inhibitorischen Rezeptor (das zweite Signal) sowie einer modulierenden
Zytokinsekretion (das dritte Signal). Wenn dieser Prozess zum ersten Mal im
Rahmen einer akuten Immunreaktion wie einer Infektion oder einer Impfung
auftritt, entwickelt sich eine naive T-Zelle, d. h. eine Zelle, die noch nie mit
ihrem Antigen in Kontakt war, zu einer Effektor-T-Zelle, die sich dann teilt und
ihre zytotoxische Funktion ausübt. Parallel dazu entwickeln sich
Gedächtnis-T-Zellen, die bei einem späteren Wiederauftreten des Antigens im
Organismus schnell eine Immunantwort bereitstellen [38]. Je nach Lokalisation dieser Zellen
werden sie in zentrale Gedächtnis-T-Zellen in lymphatischen Organen oder in
Effektor-Gedächtniszellen im Gewebe unterteilt [39].
Die zytotoxische Effektor-T-Zelle und ihre Aktivierung stehen im Mittelpunkt des
sogenannten Tumor-Immunitäts-Zyklus (Abb. 1. Therapien, die den
Krebsimmunitätszyklus beeinflussen könnten), in dem bei jedem Schritt
tumorbegünstigende und tumorverhindernde Einflüsse des Immunsystems auftreten
können: Freisetzung des Tumorantigens, Präsentation des Tumorantigens,
Aktivierung der T-Zelle, Invasion des Tumors durch die T-Zelle,
T-Zell-vermittelte Erkennung des Tumors und Abtötung von Tumorzellen. Der Zyklus
dient als gutes Modell für das Verständnis der wichtigsten Komponenten und
Interaktionen sowie möglicher therapeutischer Interventionen. Analog zur
Interaktion zwischen dem Wirt und Infektionen steht im Mittelpunkt des
Tumor-Immunitätszyklus die Erkennung von Antigenen durch das adaptive
Immunsystem. Durch den immunogenen Zelltod werden Antigene in das extrazelluläre
Milieu freigesetzt. Dendritische Zellen (DCs, dendritic cells) fangen dann diese
Antigene ab und wandern zu den tumor-drainierenden Lymphknoten, wo sie naiven
T-Zellen über MHC-Moleküle präsentiert werden. Die Bindung von T-Zell-Rezeptoren
durch MHC-Antigen-Komplexe in Anwesenheit von co-stimulatorischen Molekülen wie
CD28 führt zur Aktivierung der T-Zellen. Diese kehren dann zum Tumor zurück, wo
sie ihr jeweiliges Tumorantigen erkennen und durch ihre zytotoxischen
Eigenschaften die Abtötung der Krebszellen einleiten. Die zytotoxische
Effektor-Funktion besteht hier in der Freisetzung von Perforin und
Granzyme-B-Granula, der Aktivierung des Fas-Rezeptors durch den Fas-Liganden und
der Aktivierung anderer Immunzellen durch proinflammatorische Zytokine wie
Interferon-gamma und TNF-alpha [REF: [40].
Perforin bildet Poren in der Membran der Zielzelle, durch die Granzyme
eindringen und die Caspase-abhängige Apoptose innerhalb der Krebszelle
aktivieren können, während Fas extrinsische apoptotische Wege auslöst (Abb. 9.6
Effektorfunktionen von CD8+-zytotoxischen T-Zellen). Der Tod der Krebszelle mit
der Freisetzung von Antigenen kann dann zu einer Rückkopplungsschleife der
Anti-Tumor-Reaktion führen.
1.3.3 Umgehung der Anti-Tumor-Immunität bei HNSCC
HNSCC entzieht sich der Erkennung und Zerstörung durch das Immunsystem auf
verschiedene Weise, die mit den oben erörterten Prinzipien zusammenhängen.
Komponenten der Antigenverarbeitungsmaschinerie (APM, antigen processing
machinery) werden zu wenig exprimiert oder sind mutiert, was zu einer
verminderten Präsentation von Tumorantigenen und einer geringeren Erkennung
durch T-Zellen führt, [41]
[42]
[43]
[44] wenn auch nicht in
einem solchen Ausmaß, dass es zu einer Aktivierung von NK-Zellen führt, als
Zellen zu eliminieren, die kein HLA exprimieren. In der Tat wurde eine
mangelhafte APM mit schlechterem Überleben bei HNSCC in Verbindung gebracht.
[45] (Abb. 9.10 P2C-Weg der
Kreuzpräsentation).
In einigen Fällen kann eine geringe MHC-Expression durch eine Interferon-γ
(IFN-γ)-Reaktion hochreguliert werden. Wenn sich IFN-γ mit seinem Rezeptor
verbindet, löst es die Phosphorylierung der Janus-Kinase 1/2 (JAK1/2) und des
Signaltransducers und Aktivators der Transkription 1 (STAT1) aus, wodurch der
JAK/STAT-Signalweg in Gang gesetzt wird. STAT1 fungiert als Transkriptionsfaktor
und steigert die Produktion des Interferon-Regulationsfaktors 1 (IRF1) und von
p48. Dies wiederum führt zu einer verstärkten Expression von MHC I. Die
Interferon-γ-Signalübertragung kann jedoch bei HNSCC reduziert sein, [46] was zu einer Beeinträchtigung der
Antigenpräsentation und der T-Zell-Funktion führt [47].
Ein klinisch wichtiger Weg, wie sich HNSCC der Immunüberwachung und -zerstörung
entziehen kann, ist die Expression von Immun-Checkpoints. In einer
physiologischen Umgebung haben diese die Aufgabe, die übermäßige Zerstörung von
gesundem Gewebe durch das Immunsystem bei akuten Infektionen zu begrenzen und
Autoimmunität zu verhindern. Krebserkrankungen können sich diesen Mechanismus
zunutze machen, indem sie hemmende Rezeptoren wie PD1, CTLA-4, LAG-3, TIGIT oder
Tim-3 exprimieren. Aufgrund seiner klinischen Anwendung steht PD1 im Mittelpunkt
des Forschungsinteresses. In der Interaktion zwischen dem Rezeptor für den
programmierten Zelltod 1 (PD-1) und seinen Liganden, dem programmierten
Todesliganden 1 (PD-L1) und dem programmierten Todesliganden 2 (PD-L2), [48] die auf der Oberfläche von Tumorzellen
sowie von Antigen-präsentierenden Zellen überexprimiert sind, überträgt der
PD-1-Rezeptor ein inhibitorisches Signal, das die T-Zell-Aktivierung und die
Effektor-Funktionen abschwächt und die Immunantwort dämpft (Abb. 2.19
Wirkprinzip der Immun-Checkpoint-Blockade). Auf der Ebene einer einzelnen
T-Effektorzelle wird ein zunehmend dysfunktionaler (erschöpfter) Zustand der
T-Zelle induziert, der von der Stärke, d. h. einer hohen Antigenbelastung, sowie
von der Dauer der Stimulation abhängt [49]
[50]. Zu den grundlegenden
Merkmalen erschöpfter T-Zellen gehören eine Abnahme der Effektorfunktionen
(Zytotoxizität, Zytokinsekretion), eine verringerte Proliferation, ein
verändertes metabolisches Zellprogramm, eine epigenetische Umprogrammierung und
eine erhöhte Expression inhibitorischer Checkpoint-Rezeptoren [51].
Ein Durchbruch, der letztlich das Aufkommen von Checkpoint-Inhibitoren als neue
Medikamentenklasse für die Behandlung von Krebs ermöglichte, war die Erkenntnis,
dass T-Effektorzellen bei chronischen Virusinfektionen durch die Blockierung von
Checkpoint-Rezeptoren verjüngt oder wiederbelebt werden können [52]
[53]. Es ist wichtig, die Heterogenität innerhalb dysfunktionaler
T-Zellen anzuerkennen, da es eine hierarchische, abgestufte Entwicklung der
T-Zell-Erschöpfung gibt: CD127+KLRG1-Effektor-T-Zellen entwickeln sich in
mindestens zwei Subpopulationen, PD1midT-bethigh Tex sowie PD1highEOMEShigh Tex,
von denen nur erstere durch Blockade der PD1/PDL1-Achse wiederbelebt werden
können [54]
[55]. In ähnlicher Weise können Zellen, die
verschiedene Checkpoint-Rezeptoren gemeinsam exprimieren, durch eine Kombination
von Checkpoint-Inhibitoren reaktiviert werden [56]. Bei HNSCC hat sich gezeigt, dass das Ausmaß der PD1-Expression
ein kritischer Aspekt ist, wobei hohe Frequenzen von PD1-high-Patienten mit mehr
dysfunktionalen T-Zellen und schlechterem Überleben in Verbindung gebracht
wurden [57].
1.3.4 Die Mikromilieu von Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinomen
Unabhängig von der Immunsynapse zwischen der T-Zelle und der Krebszelle hat die
Mikroumgebung des Tumors einen starken Einfluss auf das Potenzial zur
Eliminierung oder Umgehung des Immunsystems. Bei HNSCC sind mehrere
immunsuppressive Zelltypen beschrieben worden.
Die Rolle der regulatorischen T-Zellen (Tregs) in der Tumormikroumgebung von
Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (HNSCC) wurde charakterisiert,
obwohl ihre endgültige prognostische oder therapeutische Bedeutung noch nicht
feststeht [58]. Tregs missbrauchen ihre
physiologische Funktion – die Regulierung der T-Zell-Hyperaktivität und die
Verhinderung von Autoimmunität – zugunsten eines immunsuppressiven Milieus, das
dem Tumorwachstum förderlich ist [59].
Insbesondere hemmen Tregs die Antitumorimmunität, indem sie sich gegen
zytotoxische T-Zellen richten. Ihre Supressionsmechanismen umfassen die
Aufrechterhaltung der Expression der hochaffinen IL-2-Rezeptor-alpha-Kette,
wodurch die IL-2-induzierte Aktivierung in Effektorzellen abgeschwächt wird, die
Expression von Immun-Checkpoint-Molekülen wie CTLA-4, die mit den
ko-stimulatorischen Molekülen CD80/CD86 interagieren und dadurch die
T-Zell-Aktivierung hemmen, sowie die Sekretion von immunsuppressiven Zytokinen
wie IL-10 und TGF-beta [60]. Neue
Erkenntnisse aus der Darmkrebsforschung deuten darauf hin, dass die herkömmliche
Klassifizierung von CD4+FoxP3+Tregs zu oberflächlich ist [61]
[62]. Möglicherweise ist eine differenziertere Stratifizierung auf der
Grundlage der CD45RA- und FoxP3-Expression erforderlich, bei der naive
(CD45RA– und FoxP3niedrig, nTreg), nicht-suppressive
(CD45RA+und FoxP3niedrig, nsT-reg) und Effektor-
(CD45RA+und FoxP3hoch) Treg-Subtypen abgegrenzt
werden. Naive Tregs werden nach Antigenexposition im Tumor zu suppressiven
Effektorzellen. Spezialisierte suppressive Treg-Untergruppen, die durch
CD39+und Tim3+-Expression gekennzeichnet sind, wurden
bei HNSCC identifiziert und zeigten ein erhöhtes immunsuppressives Potenzial
[63]
[64].
Ein weiterer Zelltyp, der an der Resistenz des Tumors gegen Immuntherapie und an
der Pro-Tumor-Immunität beteiligt ist, sind neutrophile Granulozyten. Diese
Zellen spielen eine zweifache Rolle, da sie nachweislich sowohl tumorfördernde
als auch tumorhemmende Funktionen besitzen [65]. Die Forschung der letzten Jahre hat den bedeutenden Einfluss der
tumorassoziierten Neutrophilen (TANs, tumor-associated neutrophils) auf die
Tumorangiogenese und das Tumorwachstum aufgezeigt, der weitgehend durch die
Sekretion spezifischer Zytokine und Wachstumsfaktoren vermittelt wird [66]. Darüber hinaus begünstigen TANs die
Ausbreitung von Metastasen und schwächen Anti-Tumor-Immunreaktionen, indem sie
eine prämetastatische Nische schaffen [67]. Die Plastizität der Neutrophilen wird durch die Mikroumgebung des
Tumors entscheidend beeinflusst, beispielsweise durch die Polarisierung der
Neutrophilen, die durch Faktoren wie Typ-I-Interferone, TGF-beta und G-CSF
moduliert wird. Pro-tumorale neutrophile Granulozyten, insbesondere solche, die
in Abwesenheit von Typ-I-Interferonen entstehen – wie in
IFN-Knockout-Mausmodellen beobachtet – fördern die Angiogenese und das
Tumorwachstum durch die Hochregulierung von proangiogenen Molekülen wie VEGF und
MMP9. Darüber hinaus weisen diese neutrophilen Granulozyten im Vergleich zu
ihren antitumoralen Gegenspielern eine längere Lebensdauer und eine erhöhte
Chemokinsekretion auf [68]
[69]
[70]
[71]. Bei HNSCC haben
In-vivo-Bildgebungsmodelle einen verringerten Kontakt zwischen Neutrophilen und
T-Zellen in Mäusen mit Interferonrezeptordefizit (Ifnar1–/–) gezeigt,
was zu einer verminderten T-Zell-Proliferation und -Aktivierung führt [72]. Das Verhältnis von Pro-Tumor- zu
Anti-Tumor-Neutrophilen kann mit der Tumorprogression schwanken, wodurch sich
ihr Einfluss auf die Tumordynamik verändert [73]. In diesem Zusammenhang haben jüngste Studien gezeigt, dass bei
HNSCC mit Antigenen beladene TANs in die Lymphknoten wandern, wo sie
T-Zell-abhängige Anti-Tumor-Immunantworten stadienabhängig modulieren. In frühen
Phasen vor der lymphatischen Metastasierung (cN0) haben Neutrophile einen
Antigen-präsentierenden Phänotyp
(HLA–DR+CD80+CD86+ICAM1+PD-L1–)
und aktivieren T-Zellen. In späteren Krebsstadien produzieren
Lymphknotenmetastasen (cN+) GM-CSF, das über die Aktivierung des
STAT3-Signalwegs die Bildung von PD-L1+immunsuppressiven neutrophilen
Granulozyten auslöst, was zur Unterdrückung von T-Zell-Reaktionen und zum
weiteren Wachstum des Tumors führt [74].
In jüngster Zeit haben Einzelzell-RNA-Sequenzierungsanalysen (eng. single cell
RNA sequencing, scRNAseq) der Kopf-Hals-Tumorumgebung dazu beigetragen, die
Heterogenität des Kopf-Hals-Tumormikromilieus zu aufzulösen und prognostisch
relevante Zelltypen zu identifizieren. ScRNAseq ist eine Technik der Grundlagen-
und der translationalen Forschung, die sich von einer hochspezialisierten
Nischenmethode zu einer Mainstream-Anwendung entwickelt hat [75]. Begünstigt durch verschiedene
technische Entwicklungen ist die Zahl der Versuchsplattformen in den letzten
Jahren explosionsartig gestiegen und die Methode erfreut sich großer Beliebtheit
[76]. Vereinfacht ausgedrückt
ermöglicht die Einzelzell-RNA-Sequenzierung die Darstellung des gesamten
Transkriptoms einer Probe bei gleichzeitiger Beibehaltung der
Einzelzellauflösung. Auf diese Weise wird eine bioinformatische Karte der
einzelnen Zellen sowie ihres mRNA-Gehalts erstellt. Je nach Methode können auf
diese Weise Millionen von Zellen mit durchschnittlich Tausenden von Genen
ausgelesen werden. Bei HNSCC hat scRNAseq dazu beigetragen, kritische
Unterschiede zwischen der Immunstruktur von HPV-assoziierten und
nicht-HPV-assoziierten HNSCC zu beschreiben, und gezeigt, dass
CD4+T-Helferzellen und B-Zellen zwischen diesen beiden Ätiologien divergieren
[77]. Darüber hinaus ist die
Genexpressionssignatur von CD4+T-follikulären Helferzellen mit einem längeren
progressionsfreien Überleben bei HNSCC-Patienten verbunden. Des weiteren sind
Tumor-infiltrierende B-Zellen und tertiäre lymphoide Strukturen mit besserem
Überleben bei HNSCC assoziiert [78].
Außerdem kann man scRNAseq HNSCC verwenden, um die Rolle von Nicht-Immunzellen
und ihre Interaktion mit dem Immunsystem zu erforschen und die zelluläre
Heterogenität zwischen Krebszellen, Perizyten, Fibroblasten und Endothelzellen
aufzuzeigen [79]. Bei der Analyse des
Spektrums intratumoraler T-Zellen wird, analog zu Studien in anderen Entitäten
wie dem malignen Melanom, kolorektalen Karzinom, hepatozellulären Karzinom sowie
nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom – deutlich, dass der Erschöpfungszustand von
T-Zellen ein Kontinuum ist.
2. Immuntherapie in der neoadjuvanten Situation
2.1 Mögliche Risiken und Vorteile der Anwendung der Immuntherapie in der
neoadjuvanten Phase
Bevor die Gründe für eine neoadjuvante Immuntherapie im Detail erörtert werden,
ist es wichtig, sich die Unterschiede zwischen Checkpoint-Inhibition sowie
klassischen, zytoreduktiven Chemotherapien vor Augen zu führen. Während die
Immuntherapie darauf abzielt, die körpereigene Antitumorreaktion zu verstärken,
greifen die klassischen Chemotherapeutika, die bei HNSCC eingesetzt werden, in
die Fähigkeit der schnellen Zellteilung ein. Der am häufigsten eingesetzte
Wirkstoff Cisplatin wirkt vor allem durch die Bildung von Intra- und
Interstrang-DNA-Addukten [80]. Dies führt
zu Strukturveränderungen und löst eine Kaskade von Zellreaktionen aus, darunter
beeinträchtigte DNA-Reparaturmechanismen, Zellzyklusstillstand und Apoptose. In
der Primär- oder Induktionstherapie werden sie daher in erster Linie eingesetzt,
um die Symptome einer großen Tumorlast zu lindern und den Tumor vor Beginn der
primären Strahlentherapie zu verkleinern. Im Rahmen der Kombinationstherapie
dient Cisplatin als wirksamer Radiosensibilisator, der die zytotoxische Wirkung
ionisierender Strahlung auf Krebszellen verstärkt. Die von Cisplatin gebildeten
DNA-Addukte wirken synergistisch mit strahleninduzierten Brüchen, erschweren
deren Reparatur und fördern so die Apoptose.
In Anbetracht des bisher erörterten grundlagenwissenschaftlichen und klinischen
Hintergrunds gibt es mehrere Gründe, die für den Einsatz der Immuntherapie,
insbesondere der Checkpoint-Inhibition, in der neoadjuvanten, präoperativen
Phase bei HNSCC sprechen.
In erster Linie besteht angesichts der schlechten Ergebnisse der derzeitigen
Therapien eindeutig ein medizinischer Bedarf an einer Intensivierung der
Behandlungsverfahren. Angesichts der Morbidität und der negativen Auswirkungen
auf die Lebensqualität der Patienten, die sich der aktuell gängigen Behandlung
unterziehen, ist es jedoch offensichtlich, dass dies mit den derzeitigen
Modalitäten allein nicht erreicht werden kann. Hier erscheint es sinnvoll, eine
vierte Modalität mit einem anderen Wirkmechanismus und einem anderen
Nebenwirkungsspektrum in die Primärbehandlung aufzunehmen.
Dies gilt insbesondere angesichts der bekannten klinischen Wirksamkeit und des
relativ guten Sicherheitsprofils der Checkpoint-Inhibition. Darüber hinaus
wurden in den letzten zehn Jahren umfangreiche klinische Erfahrungen mit der
Überwachung und Behandlung von unerwünschten Ereignissen bei
Checkpoint-Inhibitoren in der Palliativmedizin bei einer Vielzahl von Krebsarten
gesammelt. Wie im Folgenden näher erläutert wird, zeigte die Immuntherapie einen
mäßigen, aber klinisch bedeutsamen Überlebensvorteil bei rezidivierten oder
metastasierten Krebserkrankungen und wies gleichzeitig ein überlegenes
Sicherheitsprofil auf.
Tatsächlich gibt es Grund zu der Annahme, dass die Ansprechraten in der
präoperativen Phase höher sein könnten als in der adjuvanten oder palliativen
Situation, was auf eine Reihe von patienten- und tumorbezogenen Faktoren
zurückzuführen ist. Erstens gibt es in unbehandelten Fällen mehr Tumorgewebe und
damit mehr Möglichkeiten für eine Interaktion des Immunsystems mit den
Tumorzellen. Dies könnte sowohl für die absolute Quantität der Tumorantigene als
auch für die Vielfalt und Qualität der Antigene gelten, da sie nicht durch den
evolutionären Druck einer Langzeiterkrankung und mehrerer vorheriger Therapien
selektiert wurden. Daher könnte die Wahrscheinlichkeit einer wirksamen
Antitumorreaktion in einem Anfangsstadium stochastisch höher sein. Dasselbe gilt
im Prinzip auch für die tumordrainierenden Lymphknoten, die bei HNSCC in der
Regel während der Operation entfernt oder im Rahmen der primären
Strahlentherapie hoch bestrahlt werden. Im unbehandelten Zustand kann hier das
Priming von T-Zellen durch dendritische Zellen ungehindert stattfinden. Auf der
Patientenseite ist die Wahrscheinlichkeit einer behandlungsbedingten
Beeinträchtigung der Immunantwort zu Beginn einer Behandlung geringer. Die
undifferenzierte zytotoxische Wirkung der Chemotherapie in der primären oder
adjuvanten Behandlung kann die Fähigkeit des Patienten, eine wirksame
Antitumorreaktion zu entwickeln, beeinträchtigen. Ebenso können umfangreiche
chirurgische Eingriffe mit der Notwendigkeit einer mühsamen Rehabilitation oder
die Belastung einer wochenlangen Strahlentherapie die Effektivtät des
Immunsystems einschränken.
In diesem Sinne könnte eine frühzeitige Stimulation des Immunsystems durch
Checkpoint-Inhibition nicht nur zu einer intensiveren Primärreaktion, sondern
auch zu einer länger anhaltenden, im Idealfall sogar dauerhaften Remission
führen. Dies kann durch eine effektivere Gedächtnisbildung geschehen. Eine
Zunahme der Breite und Menge der Gedächtnis-Effektor-T-Zellen, die nach der
Primärtherapie im Körper verbleiben, könnte besser in der Lage sein,
mikroskopische Tumorresiduen lokal oder in entfernten Mikrometastasen zu
bekämpfen und zu beseitigen. Klinisch könnte dies zu einer Verringerung lokaler
und regionaler sowie entfernter Rezidive führen und somit das Gesamtüberleben
und das rezidivfreie Überleben verbessern.
Gleichzeitig kann eine neoadjuvante Immuntherapie zu einem signifikanten lokalen
Ansprechen des Tumors führen. Dies könnte – nach strenger Bewertung in
entsprechenden klinischen Studien, in denen zuverlässige Biomarker für ein
Ansprechen definiert wurden – dazu führen, dass weniger umfangreiche Resektionen
und Rekonstruktionen erforderlich sind oder organschonende Protokolle verbessert
werden. Ebenso könnte eine Verkleinerung des Primärtumors oder der lokalen
Lymphknotenmetastasen dazu führen, dass weniger Hochrisiko-Merkmale wie knappe
Resektionsränder oder extrakapsuläre Ausbreitung der Lymphknoten auftreten, was
wiederum die Notwendigkeit an adjuvanten Therapien und ihren jeweiligen
Behandlungsfolgen minimieren würde. Somit könnte die Hinzunahme einer vierten
Behandlungsmodalität eine Möglichkeit zur Deeskalation der Behandlung oder
zumindest zur Verringerung der Morbidität bei ausgewählten Patientengruppen
bieten.
Nicht zuletzt bietet der Zeitraum zwischen Panendoskopie und Diagnose und der
chirurgischen Primärbehandlung ein treffend bezeichnetes „(Zeit)Fenster der
Möglichkeiten“ (eng. „window-of-opportunity“). Dieses kann genutzt werden, um
zahlreiche grundlagenwissenschaftliche und translationale Forschungsfragen zu
untersuchen [81]. Dazu gehören unter
anderem Details der Tumor-Wirt-Interaktion, Resistenzmechanismen, die
Auswirkungen immunsuppressiver Zellpopulationen sowie Biomarker für das
Ansprechen oder die Identifikation von Hochrisikoszenarien, die eine adjuvante
Therapie rechtfertigen. Im Idealfall führt dies zu einer positiven
Rückkopplungsschleife von Innovationen, die vom Labor zum Krankenbett und zurück
gelangen.
Angesichts der möglichen Vorteile einer frühzeitigen Immuntherapie in der nicht
vorbehandelten Situation ist es ebenso wichtig, potentielle Nachteile zu
berücksichtigen, damit diese bedacht oder vermieden werden können. In Anbetracht
der theoretischen Zunahme des Ansprechens auf die Behandlung in der
Erstbehandlung besteht genauso ein Risiko für ausgeprägtere Nebenwirkungen in
Bevölkerungsgruppen mit einem gesunden Immunsystem. Dies könnte bedeuten, dass
unerwünschte Ereignisse, insbesondere Autoimmunkrankheiten, häufiger und in
größerem Umfang auftreten. Bei der neoadjuvanten Behandlung ist es wichtig zu
bedenken, dass sich diese Patienten in einem potenziell heilbaren
Krankheitsstadium befinden und für den Rest ihres Lebens mit dauerhaften
Nebenwirkungen leben müssen, insbesondere mit Autoimmunerkrankungen wie
Diabetes, Schilddrüsenunterfunktion oder Hypophysenfehlfunktion. Außerdem
könnten unerwünschte Ereignisse der Grade 3 oder 4 den geplanten
Operationstermin des Patienten verzögern und somit ein Fortschreiten des Tumors
begünstigen, während sich der Patient erholt. Außerdem ist es wichtig, die
Möglichkeit einer negativen Studie in Betracht zu ziehen, bei der nicht alle
Patienten ausreichend von einer zusätzlichen Immuntherapie vor der
Primärbehandlung profitieren.
Ein letzter praktischer Aspekt ist, dass der multimodale Ansatz der Integration
der neoadjuvanten Immuntherapie in die Standardbehandlung eine Reihe spezieller
Herausforderungen mit sich bringen kann, insbesondere was die Anwendbarkeit
außerhalb der kontrollierten Umgebung klinischer Studien betrifft. Er erfordert
die Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Disziplinen, darunter Onkologie,
Chirurgie, Radiologie und Pathologie. Die Koordinierung der Versorgung in diesen
verschiedenen Bereichen kann komplex sein und zu logistischen und kommunikativen
Problemen führen. Für Patienten kann es entmutigend sein, sich in dieser
Behandlungslandschaft zurechtzufinden, vor allem wenn sie zwischen verschiedenen
Therapiephasen wechseln und mit mehreren Behandlern zu tun haben. Die
Komplexität der Terminplanung, das Verständnis der verschiedenen
Behandlungsaspekte und die Bewältigung der Nebenwirkungen, die sich aus einem
solch umfassenden Ansatz ergeben können, kann eine große Herausforderung
darstellen. Diese Überlegungen machen deutlich, wie wichtig optimierte
Behandlungspfade und die Therapie von Patienten in spezialisierten Zentren
sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Potenzial der neoadjuvanten
Immuntherapie bei der Behandlung von HNSCC in der Tat vielversprechend ist, dass
sie aber in diesem frühen Stadium unbedingt mit Bedacht und Vorsicht eingesetzt
werden muss. Inwieweit sie eingesetzt werden kann, hängt entscheidend von der
Konzeption und Durchführung sorgfältig ausgearbeiteter klinischer Studien und
Biomarkeranalysen ab. Diese müssen so strukturiert sein, dass nicht nur der
potenzielle Nutzen untersucht wird, sondern auch alle damit verbundenen
langfristigen Schäden oder seltenen unerwünschten Nebenwirkungen erfasst werden.
Ein Beispiel für eine solche klinische Studie ist die PIONEER – Window of
opportunity study of preoperative immunotherapy with atezolizumab (Tecentriq) in
local head and neck squamous cell carcinoma (NCT04939480) – Studie, die derzeit
Patienten in Essen rekrutiert. Diese klinischen Studien sollten so angelegt
sein, dass sie ein breites Spektrum von Patienten erfassen und sicherstellen,
dass die Ergebnisse repräsentativ und auf die vielfältige Patientenpopulation,
die von HNSCC betroffen ist, anwendbar sind.
2.2 Lehren aus der neoadjuvanten Chemotherapie bei HNSCC
Vor der Ära der Immuntherapie wurden neoadjuvante Behandlungsstrategien bei HNSCC
in der kurativen, präoperativen Phase mit einer ähnlichen Intention angewandt –
in der Hoffnung, bislang unbefriedigende Ergebnisse zu verbessern.
Beispielsweise wurden 256 Patienten in einer randomisierten Phase-3-Studie bei
operablen HNSCC im Stadium III oder IVA entweder einer Chemotherapie (Docetaxel,
Cisplatin, Fluorouracil) plus Operation oder einer Operation allein zugeführt,
wobei in beiden Gruppen eine adjuvante Strahlentherapie durchgeführt wurde [82]. Obwohl diese Studie eine gute
Durchführbarkeit (91,6% der Patienten wurden innerhalb von vier Wochen nach der
Chemotherapie operiert) und ein gutes klinisches Ansprechen (80,6%
RECIST-Ansprechrate und 27,7% pathologische Ansprechrate) nachwies, wurde der
primäre Endpunkt der Studie verfehlt, da sich kein Vorteil in Bezug auf das
Gesamtüberleben oder das rezidivfreie Überleben feststellen ließ. Auch für die
Chemotherapie vor der Strahlentherapie – in diesem Zusammenhang als
"Induktion" bezeichnet – zeigt die große, aktualisierte
MACH-NC-Metaanalyse von 93 Studien und 17.493 Patienten keinen Nutzen dieses
Ansatzes (Hazard Ratio 0,96, 95% CI 0,90–1,02) [83].
Abb. 5 Overview of published neoadjuvant immunotherapy trials in HNSCC.
Pembro=Pembrolizumab, Nivo=Nivolumab, Ipi=Ipilimumab, Durva=Durvalumab,
Treme=Tremelimumab, Camre=Camrelizumab, Toripa=Toripalimab, pCR=pathological complete
response, MPR=major pathological response
Angesichts der Diskrepanzen zwischen dem klinischen Ansprechen und der
Übertragung desselben in einen Überlebensvorteil für die Patienten, welcher
letztlich die Behandlungsentscheidungen bestimmt, ist dies ein warnendes
Beispiel für die derzeitigen neoadjuvanten Studien.
2.3 Lessons learned aus der Immuntherapie bei HNSCC in der
RM-Situation
Seit der Einführung der Checkpoint-Inhibition bei rezidivierten oder
metastasierten Patienten in der Erstlinie sowie bei platinrefraktären Patienten
gab es vielfältige Gelegenheit, die Behandlungseffekte, Sicherheitsprofile und
Biomarker für das Ansprechen zu untersuchen.
Die ersten Studien, die zur FDA-Zulassung von Nivolumab und Pembrolizumab
führten, haben bereits einen moderaten, aber signifikanten Überlebensvorteil der
Immuntherapie gegenüber der konventionellen Chemotherapie in dieser Situation
gezeigt. Die langfristige Nachbeobachtung dieser Kohorten sowie die laufenden
Phase-IV-Studien haben gezeigt, dass es eine kleine Untergruppe von Patienten
gibt, die ein dauerhaftes Ansprechen – sogar eine Heilung – ihrer eigentlich
palliativen Erkrankung erfahren. In einer 2-Jahres-Nachbeobachtung der
Checkmate-141-Studie betrug das Gesamtüberleben 16,9% in der Nivolumab-Gruppe
gegenüber 6,0% in der Standard Therapiegruppe [84]. Außerdem deuten die langfristigen 4-Jahres-Follow-up-Daten der
KEYNOTE-048-Studie darauf hin, dass die Gesamtüberlebensrate in der Gruppe mit
Pembrolizumab allein und in der Gruppe mit Pembrolizumab und Chemotherapie bei
etwa 20% liegt (Gesamtkohorte und CPS≥ 1) [85]. Ähnliche Ergebnisse lassen sich aus einer gepoolten Analyse der
Ausgangs- und der Erweiterungskohorte der KEYNOTE-012-Studie ableiten, bei der
71% der Patienten auf Pembrolizumab ansprachen, und dieses Ansprechen mehr als
ein Jahr anhielt [86]. Dies deutet darauf
hin, dass, auch wenn nur ein relativ kleiner Teil der Patienten von
Immuntherapien profitiert, diejenigen, die eine dauerhafte Reaktion zeigen,
diese wahrscheinlich auf eine Gedächtnisbildung des adaptiven Immunsystems
zurückzuführen ist.
Wichtig ist, dass sich das Nebenwirkungsprofil der Checkpoint-Inhibitoren
langfristig als günstig erwies: 7,2% der Patienten in der Check-Mate-141-Studie
hatten schwerwiegende Nebenwirkungen, verglichen mit 15,3% in der
konventionellen Therapiegruppe [84].
Ebenso unterstreichen die Langzeitdaten von KEYNOTE-048 das relativ bessere
Sicherheitsprofil der Checkpoint-Inhibitoren: Bei 17,0% der Patienten, die eine
Pembrolizumab-Monotherapie erhielten, traten unerwünschte Ereignisse ab Grad 3
auf, gegenüber 71,7% in der Pembrolizumab-Chemotherapie- und 69,3% in der
Cetuximab-Chemotherapie-Gruppe [85].
Besonders relevant und interessant in diesem Zusammenhang ist die Einführung von
Lebensqualitätsmessungen als explorative Endpunkte. In der Checkmate-141-Studie
wurden die von den Patienten berichteten Ergebnisse (PROM, patient-related
outcome measures) mit Hilfe von drei Fragebögen erhoben [87]. Im EORTC Quality of Life
Questionnaire-Core 30 (QLQ-C30) wurde eine klinisch bedeutsame Verschlechterung
in 8/15 (53%) Bereichen in der Chemotherapie-Gruppe beobachtet, während sich die
PROM in der Nivolumab-Gruppe stabilisierte. Ein ähnlicher Effekt wurde im
EORTC-Modul für Kopf- und Halskrebs (EORTC QLQ-H&N35) beobachtet. Auch der
dreistufige europäische Lebensqualitätsindex EQ-5D (Quality of Life-5
Dimensions), ein Maß für den allgemeinen Gesundheitszustand, zeigte in der
Nivolumab-Gruppe einen Vorteil.
Anhand von Studien in der metastatischen Situation wurden prädiktive Biomarker
untersucht. Die Expression von PDL1 ist ein offensichtlicher, aber
unvollkommener Prädiktor für das Ansprechen auf eine Checkpoint-Inhibition, die
auf die PD1-PDL1-Interaktion abzielt [88].
Eine explorative Biomarker-Analyse der Checkmate-141-Studie deutet darauf hin,
dass eine Tumor-PD-L1-Expression von≥ 1% eine ausgeprägtere Wirkung haben könnte
[31]. In der KEYNOTE-040, einer
randomisierten, offenen Phase-3-Studie mit Pembrolizumab im Vergleich mit der
Standardtherapie bei HNSCC, das unter einer platinbasierten Therapie
fortgeschritten war, ergab es einen klaren Überlebensvorteil in Abhängigkeit von
der PDL1-Expression. Beim kombinierten positiven Score (CPS)≥1 gegenüber<1
betrug die Hazard Ratio 0,74 (95% CI 0,58–0,93, p= 0,0049) bzw. 1,28 (95% CI
0,80–2,07, p=0,8476),89 mit vergleichbaren Ergebnissen für einen Tumor
Proportion Score (TPS)≥50% oder<50%. In ähnlicher Weise zeigte eine
Untergruppenanalyse der KEYNOTE-048-Studie, bei der Pembrolizumab in der
Erstlinienbehandlung eingesetzt wurde, einen erhöhten Überlebensvorteil bei
höherer PD-L1-Expression, gemessen als CPS [90].
2.4 Lehren aus der adjuvanten Immuntherapie bei HNSCC
Angesichts der Tatsache, dass das niedrige Gesamtüberleben bei HNSCC-Patienten in
erster Linie auf lokale oder regionale Rezidive zurückzuführen ist und nicht auf
Patienten, die primär oder sekundär Fernmetastasen aufweisen, schien es
hinreichend begründet, die Immuntherapie in die adjuvante Behandlung nach
primärer Radiochemotherapie aufzunehmen, in der Hoffnung, lokale und regionale
Rezidive zu reduzieren.
Bei der Javelin Head and Neck 100-Studie handelte es sich um eine randomisierte,
doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die die Überlegenheit des
Anti-PD-L1-Antikörpers Avelumab gegenüber Placebo nach einer primären
Radiochemotherapiebei 697 Patienten untersuchen sollte [91]. Die Studie wurde nach einer geplanten
Zwischenanalyse abgebrochen, die zeigte, dass das primäre Ziel, das
progressionsfreie Überleben gemäß den RECIST-Kriterien, nicht erreicht
wurde.
In einem ähnlichen Patientenkollektiv wurde bekannt gegeben, dass KEYNOTE-412,
eine randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie, in der Pembrolizumab oder
Placebo gleichzeitig mit der primären Radiochemotherapie und als adjuvante
Erhaltungstherapie appliziert wurde, ihren primären Endpunkt, das ereignisfreie
Überleben, nicht erreicht hat, obwohl die publizierten Ergebnisse noch nicht
vorliegen. Eine dritte randomisierte Phase-III-Studie, die IMvoke010, in der
Atezolizumab im Vergleich zu Placebo nach primärer Radiochemotherapie getestet
wird, rekrutiert derzeit aktiv, ohne dass Informationen über die Ergebnisse
vorliegen.
Diese negativen Ergebnisse kamen unerwartet, da sich die adjuvante Immuntherapie
bei anderen Krankheitsbildern als vorteilhaft erwiesen hat [92]. Translationale Studien haben seitdem
eine überzeugende Erklärung für die fehlende Wirkung der adjuvanten
Immuntherapie bei HNSCC geliefert und gleichzeitig ihren möglichen Wert in der
neoadjuvanten Situation unterstrichen. Nach der Entwicklung eines Modells für
die Halslymphknotenausräumung bei Mäusen wurde gezeigt, dass die chirurgische
Entfernung der tumordrainierenden Lymphknoten das Ansprechen auf eine
anschließende Anti-PD1- oder Anti-CTLA4-Therapie hemmt. In ähnlicher Weise
führte eine Bestrahlung des lokalen Lymphknotenbeckens zu einer verminderten
Anti-CTLA4-Antwort [93]. Darüber hinaus
wurde eine elektive Lymphknotenbestrahlung, wie sie in den derzeitigen primären
und adjuvanten Protokollen für HNSCC als Standardbehandlung durchgeführt wird,
in einem anderen Mausmodell untersucht. Hier zeigte sich eine verminderte
Tumorkontrolle, systemische Immunität und T-Zell-spezifische Immunantwort [94]. Diese Ergebnisse werden durch
Ex-vivo-Analysen systemischer Biomarker von Patienten, die sich einer
Radiochemotherapie unterzogen, unterstützt, die eine Zunahme immunsuppressiver
Zelltypen beim Vergleich von Proben vor und nach der Behandlung zeigten [95]. Zusammengenommen können diese Studien
dazu beitragen zu erklären, warum Therapien, die auf die lokalen,
tumordrainierenden Lymphknoten abzielen, die Anti-Tumor-Immunantwort des Wirts
einschränken. Außerdem legen diese Daten nahe, die Behandlung so zu planen, dass
die Checkpoint-Inhibition vor der chirurgischen Lymphknotenentfernung oder
Strahlentherapie verabreicht wird, wie dies bei neoadjuvanten
Behandlungsschemata der Fall ist.
2.5 Lehren aus der neoadjuvanten Immuntherapie bei
Nicht-HNSCC-Krebserkrankungen
In Anbetracht der Notwendigkeit, die Behandlungsergebnisse auch bei
Tumorerkrankungen außerhalb des Kopf- und Halsbereichs zu verbessern, ist es
nicht überraschend, dass die Immuntherapie auch bei anderen Krankheitsbildern im
Rahmen der neoadjuvanten Therapie eingesetzt wird. In der Tat gab es
bemerkenswerte klinische Reaktionen und Patientenergebnisse, die sogar zur
FDA-Zulassung für einige dieser Indikationen führten.
Angesichts der pathologischen und klinischen Ähnlichkeiten können Studien bei
nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC, non-small cell lung cancer) einen
geeigneten Vergleich und ein Modell für Studien bei Kopf- und Halskarzinomen
bieten. Tatsächlich wurde die erste klinische Studie, die den präoperativen
Einsatz einer Anti-PD1-Therapie untersuchte, bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs
durchgeführt, wobei 21 Patienten vor der chirurgischen Tumorresektion mit
Nivolumab behandelt wurden [96]. Selbst
diese frühe und kleine Studie lieferte Erkenntnisse, die einen Hinweise für
künftige Untersuchungen liefern. Fast die Hälfte der Patienten zeigte ein
deutliches pathologisches Ansprechen mit einer >10%igen Tumorregression in
den chirurgischen Präparaten. Außerdem gab es einen deutlichen Unterschied
zwischen dem radiologischen Ansprechen, gemessen nach den RECIST-Kriterien, und
dem histologischen Befund im Tumorpräparat, wobei ersterer die Wirkung der
neoadjuvanten Behandlung deutlich unterschätzte. Außerdem erwies sich die
Behandlung in dieser Studie als sicher, ohne größere unerwünschte Ereignisse
oder Verzögerungen bei der Operation. Folglich wurden in einer großen
Phase-III-Studie (Checkmate-816) 385 Patienten mit resektablem NSCLC in eine
dreimonatige Chemotherapie mit oder ohne Nivolumab und eine anschließende
Operation randomisiert [97]. Es gab keine
Nachteile in Bezug auf Sicherheit, zusätzliche Toxizität oder Verzögerungen bei
der Operation in der Behandlungsgruppe mit zusätzlicher Immuntherapie. In dieser
Gruppe waren sogar weniger umfangreiche Operationen erforderlich. Was die
Behandlungsergebnisse betrifft, so war das ereignisfreie Überleben (EFS,
event-free survival) in der experimentellen Gruppe um etwa ein Jahr verlängert.
Analog zu diesen Ergebnissen stieg der Prozentsatz der Patienten, die ein
vollständiges pathologisches Ansprechen zeigten, von 2,2% in der Gruppe mit
alleiniger Chemotherapie auf 24,0% bei den Patienten, die zusätzlich eine
Immuntherapie erhielten. Diese bahnbrechende Studie unterstreicht die
tiefgreifende potenzielle Wirkung einer Immuntherapie in der präoperativen
Phase.
Abb. 6 Auftreten verschiedener Toxizitäten in Abhängigkeit der stattgefundenen
Therapiezeit mit PD-1- und PD-L1-Inhibitoren (Daten aus [32]). Aus: https://cme.thieme.de/cme-webapp/#journals/0935–8943/a_1337_0882_toc/10.1055-a-1337–0882
Eine weitere Krankheitsentität, bei der die neoadjuvante Immuntherapie inzwischen
zum Standard gehört, ist der dreifach negative Brustkrebs (eng. triple negative
breast cancer, TNBC), bei dem bisher nur eine neoadjuvante Chemotherapie
zugelassen war. Keynote 522, eine Phase-III-Studie, bei der 1174 Patientinnen
entweder eine Chemotherapie plus Pembrolizumab oder Placebo erhielten, gefolgt
von einer Operation, war die erste Studie, die letztlich zur FDA-Zulassung für
eine neoadjuvante Checkpoint-Inhibition führte. Sie konnte einen Anstieg des
ereignisfreien Überlebens von 76,8% in der alleinigen Chemotherapiegruppe auf
84,5% in der experimentellen Gruppe sowie einen Anstieg des pathologischen
vollständigen Ansprechens von 56% auf 63% zeigen.
Eine weitere Entität, die als interessante Fallstudie für die Leistungsfähigkeit
der Identifizierung prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf eine
neoadjuvante Immuntherapie dienen kann, ist Darmkrebs mit
Mismatch-Repair-Defizienz (dMMR). dMMR stellt eine wichtige molekulare
Aberration in einer kleinen Untergruppe von Darmkrebspatienten dar, die eng mit
dem Phänotyp der erhöhten Mikrosatelliteninstabilität (eng. microsatellite
instability – high, MSI-H) verbunden ist. Dieser Mangel entsteht durch den
Funktionsverlust von Schlüsselproteinen, die am Mismatch-Repair-System beteiligt
sind, MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2, was dazu führt, dass Basenpaar-Fehlpaarungen
während der DNA-Replikation nicht korrigiert werden. Folglich führt dMMR zu
einer Anhäufung von Fehlern in Mikrosatellitensequenzen, die sich als MSI-H
manifestieren. Dieser hypermutierte Zustand trägt nicht nur zur Tumorgenese bei,
sondern auch zu einer höheren Mutationslast und der Präsentation neuer,
immunogener Neoantigene. Klinisch sind Tumore mit dMMR in der Regel mit einer
besseren Prognose in frühen Stadien verbunden, sprechen aber paradoxerweise
weniger gut auf herkömmliche Chemotherapeutika wie Fluoropyrimidine an, die die
Grundlage der Dickdarmkrebsbehandlung in späten Stadien bilden. Diese
Chemoresistenz erfordert alternative Behandlungsparadigmen für dMMR-Patienten.
In einer kleinen einarmigen Phase-2-Studie wurde Dostarlimab, ein monoklonaler
Anti-PD-1-Antikörper, sechs Monate lang vor einer geplanten
Radiochemotherapieund Operation verabreicht. Allerdings zeigten 12/12 Patienten
(100%, 95% CI, 74–100) bei der endoskopischen Untersuchung mit Biopsie, MRT oder
PET-Bildgebung keine Anzeichen eines Resttumors, [98] sodass sie keine weitere Behandlung
erhielten. Dies unterstreicht die potenziell kurative Wirkung einer
Immuntherapie-Monotherapie bei einer sehr spezifischen Untergruppe von
Patienten.
2.6 Ergebnisse aus Studien zur neoadjuvanten Immuntherapie bei HNSCC
Neoadjuvante Immuntherapie-Studien, deren Ergebnisse veröffentlicht wurden, sind
in Abbildung zusammengefasst (hier bitte auf große Übersichtstabelle verweisen).
Es wird deutlich, wie vielfältig die Behandlungsschemata sind. Zu den Variablen
gehören das/die Behandlungsmedikament(e), die Dosierung, die Anzahl der Zyklen,
Immuntherapiekombinationen, die Dauer der neoadjuvanten Phase, die adjuvante
Therapie und sogar die Kombination mit präoperativer Bestrahlung oder
zielgerichteter Therapie.
2.6.1 Studien zur alleinigen Immuntherapie
In mehreren Studien wurde die präoperative Behandlung mit einer alleinigen
Immuntherapie untersucht. Im ersten hierzu veröffentlichten Bericht wurde in
einer multizentrischen Phase-II-Studie 36 Patienten mit nicht-HPV-assoziiertem
HNSCC in einem Zeitfenster von zwei bis drei Wochen vor der Operation eine
Einzeldosis Pembrolizumab verabreicht, gefolgt von einer risikoangepassten
adjuvanten Radiochemotherapie. Dieses Protokoll erwies sich als sicher, da keine
unerwünschten Ereignisse der Grade 3 oder 4 oder Verzögerungen bei der Operation
auftraten. Bei 22% der Patienten wurde eine pTR (pathologischen Tumoransprechen,
eng. pathological tumor response)≥ 50% und bei weiteren 22% eine pTR von 10–49%
erreicht. Es gab keine pCR (vollständiges pathologisches Ansprechen, eng.
pathologic complete response) [99]. In
einer Phase-II-Studie wurden 29 Patienten mit Mundhöhlenkrebs in einen Arm mit
entweder Nivolumab in Woche 1 und 3 oder Nivolumab plus Ipilimumab in Woche 1
und Nivolumab in Woche 3 randomisiert, gefolgt von einer Operation innerhalb
einer Woche. Hier traten bei 13% der Patienten im Nivolumab-Arm und bei 33% im
Nivolumab-plus-Ipilimumab-Arm unerwünschte Nebenwirkungen der Grade 3 oder 4
auf. Auch hier gab es keine Verzögerung der Operationstermine. Eine pTR von
10–49% wurde bei 38% der Patienten unter Nivolumab und bei 40% im
Kombinationsarm beobachtet, während eine pTR≥ 50% nur bei 15% der Patienten
unter Nivolumab, aber bei 33% im Nivolumab-plus-Ipilimumab-Arm beobachtet wurde,
darunter ein Patient mit pCR (7%) [100].
Ein ähnliches Protokoll und eine ähnliche Patientenkohorte wurden in der
IMCISION-Studie untersucht; im Phase-Ib-Teil der Studie zur Überprüfung der
Verträglichkeit wurden 6 Patienten in den Wochen 1 und 3 mit Nivolumab
behandelt, während 6 Patienten in Woche 1 Nivolumab plus Ipilimumab erhielten,
gefolgt von Nivolumab in Woche 3. Die Studie wurde zu einer einarmigen
IIa-Erweiterungskohorte mit 20 Patienten verlängert, die die letztgenannte
Kombinationstherapie erhielten. Die Sicherheitsbewertung ergab, dass bei 33% der
Patienten in der Nivolumab-Gruppe und bei 38% der
Nivolumab-plus-Ipilimumab-Patienten unerwünschte Ereignisse der Grade 3 oder 4
auftraten, wobei keines davon zu einer Verzögerung der Operation führte. Die
Patienten wurden auf der Grundlage zuvor beschriebener Kriterien aus
Melanomstudien in ein hochgradiges pathologisches Ansprechen (MPR, major
pathological response), ein partielles pathologisches Ansprechen (PPR, partial
pathological response) oder kein pathologisches Ansprechen (NPR, no pathological
response) eingeteilt [101]. In der
Nivolumab-Gruppe wurde bei 17% der Patienten ein MPR beobachtet, während in der
Kombinationsgruppe 35% der Patienten ein MPR aufwiesen, darunter 4% mit pCR
[102]. Eine stärker individualisierte
einarmige Studie wurde bei 12 Patienten mit Plattenepithelkarzinomen der
Mundhöhle durchgeführt, bei denen nach dreimaliger Verabreichung von Nivolumab
alle zwei Wochen eine klinische und radiologische Neubewertung darüber
entschied, ob eine vierte Dosis verabreicht wurde [103]. Es gab keine unerwünschten
Nebenwirkungen der Grade 3 oder 4, die definitiv oder möglicherweise mit der
neoadjuvanten Immuntherapie zusammenhingen, und es gab keine Verzögerung der
Operation. Das Ansprechen wurde durch den Vergleich des maximalen
Tumordurchmessers des chirurgischen Präparats mit der größten Tumorausdehnung
auf der Bildgebung vor der Behandlung gemessen, wobei ein partielles Ansprechen
als eine Verkleinerung um mehr als 30% definiert wurde. Von den Patienten
zeigten 33% eine stabile Erkrankung, 33% ein partielles pathologisches
Ansprechen, 0% ein vollständiges pathologisches Ansprechen und 33% ein
Fortschreiten der Erkrankung. In einer aktuellen, großen, multizentrischen
Phase-II-Studie wurde eine Einzeldosis Pembrolizumab ein bis drei Wochen vor der
Operation bei 96 Patienten untersucht. Ein partielles pathologisches Ansprechen,
definiert als Tumorregression≥20% bis<90%, wurde bei 32% der Patienten
erreicht, während ein hochgradiges pathologisches Ansprechen, d. h. eine
Tumorregression von≥90%, bei 7% beobachtet wurde [104].
Zwei Studien untersuchten die neoadjuvanten Immuntherapie vorwiegend im
Zusammenhang mit Oropharynxkarzinomen. CheckMate 358, eine multizentrische
Multikohortenstudie, umfasste neoadjuvante HNSCC-Kohorten von HPV-assoziierten
und nicht-HPV-assoziierten Krebsarten und rekrutierte 52 Patienten, die in Woche
1 und 2 Nivolumab erhielten, gefolgt von einer Operation in Woche 4 [105]. Unerwünschte Ereignisse der Grade 3
oder 4 wurden bei 19,2% der HPV-assoziierten und 11,5% der
nicht-HPV-assoziierten Krebsarten beobachtet, wobei sich die Operation nicht
aufgrund unerwünschter Ereignisse verzögerte. Das pathologische Ansprechen wurde
anhand der Bewertung des vitalen Resttumorgewebes (RVT, residual viable tumor)
beurteilt, wobei 0% RVT einem pCR , ≤10% RVT einem MPR und >10%-50% RVT einem
PPR entspricht. Von den 34 auswertbaren Patienten erreichten 7% der
HPV-assoziierten HNSCC eine MPR und 18% eine PPR, während nicht-HPV-assoziierte
Patienten in 6% der Fälle eine PPR erreichten. In einer ähnlichen
Patientenkohorte wurden in der CIAO-Studie Patienten auf zwei Zyklen Durvalumab
gegenüber Durvalumab plus Tremelimumab randomisiert. Schwere unerwünschte
Ereignisse der Grade 3 oder 4 wurden bei 20% der Patienten in der
Durvalumab-Gruppe gegenüber 7% in der Durvalumab-plus-Tremelimumab-Gruppe
beobachtet. Ein MPR, definiert als ≤10% vitalerer Tumor, wurde bei 7% des
Primärtumors in beiden Armen und bei 50% der Lymphknoten in der
Durvalumab-Gruppe gegenüber 22% in der Kombinationsgruppe erreicht [106].
Eine Studie, die in ihrem Protokoll und der Studienpopulation besonders
spezifisch ist, war eine Phase-II-Studie mit einer Einzeldosis Nivolumab und
Lirilumab (Anti-KIR) bei 28 Patienten mit rezidiviertem, aber potentiell
resektablem HNSCC [107]. Es gab keine
Verzögerungen bei der Operation aufgrund unerwünschter Ereignisse. Bei den an
der Studie teilnehmenden Patienten wurden bei 14% der Patienten ein MPR (≤10%
vitale Tumorzellen) erreicht, und bei 29% der Patienten ein pathologisches
Teilansprechen (pPR) (≤50% vitale Tumorzellen).
2.6.2 Immuntherapie in Kombination mit anderen Wirkstoffen
Es gibt mehrere veröffentlichte Studien, in denen die präoperative Immuntherapie
mit anderen Behandlungsmodalitäten wie zielgerichteter Therapie, Chemotherapie
und Strahlentherapie kombiniert wird.
In einer zweiarmigen, multizentrischen Studie wurde bei 45 Patienten Nivolumab in
den Wochen 1 und 2 mit einem täglichen Phosphodiesterase-5-Hemmer (Tadalafil)
kombiniert, gefolgt von einer Operation in Woche 4. Es gab keine unerwünschten
Ereignisse der Grade 3 oder 4 und keine Verzögerungen bei der Operation.
Patienten mit einem pathologischen Tumoransprechen von≥20% wurden als Responder
definiert, >0%-<20% als minimale Responder, 0% als Non-Responder und 100%
als komplette Responder. In beiden Kohorten hatten 51% der Patienten ein
Ansprechen und weitere 7% ein vollständiges Ansprechen. Es gab keinen
Unterschied in Bezug auf das pathologische Ansprechen zwischen den Armen mit und
ohne Tadalafil erhielten [108].
In einer anderen Kombinationsstudie wurden 10 Patienten mit Mundhöhlenkarzinomen
mit einer Dosis Nivolumab in Woche 2 in Kombination mit täglichem Sitravatinib,
einem oralen Rezeptortyrosinkinaseinhibitor, behandelt, gefolgt von einer
Operation in Woche 3 [109]. Es gab eine
behandlungsbedingte Nebenwirkung Grad 3, aber keine mit Grad 4. Es gab eine
Thrombozytopenie Grad 2, die zu einer zweiwöchigen Verzögerung der Operation
führte. Von den Patienten erreichten 10% ein vollständiges pathologisches
Tumoransprechen mit 0% verbleibenden Tumorzellen, 20% der Patienten ein
hochgradiges Ansprechen mit<10% verbleibendem vitalem Tumor und die übrigen
70% ein unvollständiges Ansprechen.
In einer Phase-I-Studie mit 20 Patienten mit Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle
wurde Camrelizumab, ein monoklonaler Anti-PD-1-Antikörper, in den Wochen 1, 2
und 4 mit einer vierwöchigen oralen Gabe von Apatinib, einem
Tyrosinkinaseinhibitor, der den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor 2
(VEGF-2, eng. vascular endothelial growth factor) hemmt, kombiniert. In der
präoperativen Phase traten keine Ereignisse der Grade 3 oder 4 auf, eine
Operation wurde aufgrund einer spontan regredienten Erhöhung des kardialen
Troponins I um eine Woche verschoben, die sich jedoch spontan erholte. Der
Gehalt an verbleibenden vitalenen Tumorzellen wurde bewertet, wobei 40% der
Patienten ein deutliches pathologisches Ansprechen zeigten (<10% vitaler
Resttumor), darunter 10% mit vollständigem pathologischem Ansprechen.
Bemerkenswert ist, dass 95% der Patienten ein Tumoransprechen von≥50% aufwiesen
[110].
In einer Phase-I-Studie wurden 14 Patienten mit einer oder zwei Dosen von
Bintrafusp alfa behandelt, einem bifunktionalen Fusionsprotein, das aus dem
TGF-β-Rezeptor II in Verbindung mit Anti-PD-L1 besteht, gefolgt von einer
Operation. Bei 7,1% der Patienten traten unerwünschte Ereignisse Grad 3 auf. Es
gab kein vollständiges oder hochgradiges pathologisches Ansprechen, und 36% der
Patienten zeigten ein partielles Ansprechen (>50% Rückbildung) [111].
In mehreren aktuellen Studien wurde die kombinierte Wirkung von Chemotherapie und
Immuntherapie im neoadjuvanten Setting untersucht. In einer einarmigen
Phase-II-Studie wurde die Wirkung von Paclitaxel oder Docetaxel plus Cisplatin
in Kombination mit Camrelizumab, einem monoklonalen Anti-PD1-Antikörper, über
drei Zyklen untersucht. In Bezug auf die Sicherheit traten bei 6,3% der
Patienten unerwünschte Ereignisse Grad 3 auf, aber es gab keine Toxizitäten Grad
4, keine Verzögerungen bei der Operation und keinen Abbruch der Studie. Ein
hochgradiges pathologisches Ansprechen wurde bei 74,1% erreicht, darunter 37,0%
mit einem vollständigen pathologischen Ansprechen [112]. In einer ähnlichen Studie mit
Plattenepithelkarzinomen der Mundhöhle erhielten 20 Patienten zwei Zyklen
Paclitaxel, Cisplatin und Toripalimab, einen monoklonalen Anti-PD1-Antikörper.
Bei 15% der Patienten traten unerwünschte Ereignisse Grad 3 oder 4 auf, von
denen keines zum Abbruch der Behandlung oder zur Verzögerung der Operation
führte. Ein sehr gutes pathologisches Ansprechen mit ≤10% verbleibenden
vitalenen Tumorzellen wurde bei 60% der Patienten festgestellt, wobei 30% ein
vollständiges pathologisches Ansprechen erreichten [113]. In einer weiteren Studie, einer
einarmigen Phase-Ib-Studie, wurden einer gemischten Kohorte von 23 Patienten mit
HNSCC zwei Zyklen Gemcitabin und Cisplatin mit Toripalimab verabreicht.
Unerwünschte Ereignisse Grad 3 traten bei 13,0% und Grad 4 bei 8,7% der
Patienten auf, wobei es zu keinen behandlungsbedingten Verzögerungen der
Operation kam. Von den Patienten erreichten 44,4% ein hochgradiges
pathologisches Ansprechen, darunter 16,7%, die ein vollständiges pathologisches
Ansprechen [114]. In einer weiteren
ähnlichen einarmigen, monozentrischen Studie mit einer gemischten Kohorte von
HNSCC wurden bei 22 Patienten 2–3 Zyklen Pembrolizumab mit Cisplatin und
Paclitaxel untersucht. Bei 9,2% der Patienten traten Toxizitäten Grad 3 auf,
jedoch keine Ereignisse Grad 4 und keine behandlungsbedingten Verzögerungen bei
der Operation. Das hochgradige pathologische Hauptansprechen lag bei 54,5%,
darunter 36,4% mit pathologischem Komplettansprechen [115].
In einer Phase-Ib-Studie wurde die Rolle der neoadjuvanten Nivolumab-Behandlung
mit zusätzlicher stereotaktischer Körperbestrahlung (SBRT, stereotactic body
radiation therapy) vor der Operation bei 21 Patienten untersucht, die in vier
Behandlungsgruppen eingeteilt wurden, welche sich hinsichtlich
Bestrahlungsintensität (40 Gy gegenüber 24 Gy), HPV-Status und Nivolumab-Gabe
unterschieden. Es gab keine Verzögerungen bei der Operation aufgrund
unerwünschter neoadjuvanter Behandlungsnebenwirkungen. Über alle Kohorten hinweg
lag das MPR bei 86%, davon 67% pathologisch vollständiges Ansprechen [116].
3. Offene Fragen und Herausforderungen bei der neoadjuvanten
Immuntherapie
3.1 Sicherheits- und Nebenwirkungsprofil
In Anbetracht der kurativen Absicht bei nicht-metastasiertem, potentiell
heilbaren HNSCC waren die Durchführbarkeit und Sicherheit eines neoadjuvanten
Ansatzes die Hauptanliegen in den bisher veröffentlichten Phase-I- und
-II-Studien. Wie oben ausführlich beschrieben, scheinen unerwünschte Ereignisse
selten und überschaubar zu sein (Abb. 12 Auftreten verschiedener Toxizitäten in
Abhängigkeit der stattgefundenen Therapiezeit). Eine Metaanalyse hierz von 344
Patienten, die die aktuellerem Studien zur Kombination aus Immun- und
Chemotherapie noch nicht einschließt, errechnete eine Rate von präoperativen
unerwünschten Ereignissen der Grade 3 bis 4 von 8,4% [117]. Wichtig ist, dass in allen oben
untersuchten Studien nur über zwei Verzögerungen der Operation berichtet wurde,
eine von zwei Wochen aufgrund von Thrombozytopenie [109] und eine von einer Woche aufgrund
eines selbstlimitierenden Troponinanstiegs [110]. Solange nicht in großen Phase-III-Studien über seltene schwere
oder späte unerwünschte Nebenwirkungen berichtet wird, ist die
Checkpoint-Inhibition in der neoadjuvanten Behandlung also als sicher
einzustufen. Auch wenn in einigen Studien über chirurgische Komplikationen
berichtet wurde, sind deren Zusammenhang mit einer neoadjuvanten
(Chemo-)Immuntherapie und deren Einfluss auf Morbidität und Lebensqualität nicht
konsequent und systematisch untersucht worden.
3.2 Radiologische Bewertung des Therapieansprechens
Ähnlich wie bei Lungenkrebs [96] gab es
auch bei HNSCC eine deutliche Diskrepanz zwischen der Bildgebung, die anhand der
RECIST-Kriterien gemessen wurde, und dem Ansprechen, das sich in der Histologie
zeigte. Bereits in der ersten publizierten neoadjuvanten Studie in HNSCC hatten
zwei der drei Patienten mit Erkrankungsprogress, gemessen nach RECIST, ein
pathologisches Tumoransprechen von 10–49% bzw. >50% [99]. Analoge Beobachtungen wurden in
anderen Studien gemacht und zugleich nach besser geeigneten Modalitäten gesucht.
In einer Studie wurden die Testvaliditätskriterien für das MRT zur Erkennung
eines sehr guten pathologischen Ansprechens bewertet, wobei sich eine hohe
Spezifität von 100%, aber eine geringe Sensitivität von 29% ergab [102]. Zugleich wurde in derselben Kohorte
eine Abnahme des metabolischen Tumorvolumens oder der Gesamtläsionsglykolyse vor
und nach der Immuntherapie als potenzieller Marker zur Erkennung des Ansprechens
identifiziert [118]. Zusammengenommen
deuten diese Studien darauf hin, dass die hybride Bildgebung zwar in der Lage
sein könnte, Responder zu identifizieren, die konventionelle Bildgebung mittels
MRT oder CT jedoch nicht in der Lage ist, eine stabile oder progrediente
Erkrankung von einer erfolgreichen Anti-Tumor-Immunantwort zu unterscheiden.
3.3 Pathologische Bewertung des Ansprechens
Während die radiologische Bestimmung des Tumoransprechens im Rahmen der
Immuntherapie nur begrenzt möglich ist, scheinen pathologische Ansprechkriterien
im chirurgischen Präparat optimal zur Beurteilung der Wirksamkeit geeignet zu
sein. Auf der Grundlage der Erfahrungen mit der neoadjuvanten Chemotherapie aus
der Zeit vor der Immuntherapie wurden entsprechende Kriterien entwickelt, die
sich bei verschiedenen Krebsarten als prognostische Marker erwiesen haben.
Vollständiges pathologisches Ansprechen, d. h. keine vitalen Tumorzellen, sowie
hochgradigies pathologisches Ansprechen, d. h.<10% vitale Tumorzellen, sind
die in diesem Zusammenhang am häufigsten verwendeten und beschriebenen Parameter
[119]. Obwohl diese Kriterien in den
oben beschriebenen neoadjuvanten Immuntherapie-Studien bis zu einem gewissen
Grad angewandt wurden, gibt es große methodische Unterschiede. In einigen
Studien wurden individuelle Kriterien festgelegt, wie z. B. PTR 10–49% gegenüber
PTR >50% [99] oder der Vergleich des
maximalen Tumordurchmessers der chirurgischen Probe mit der größten Tumorgröße
in der Bildgebung vor der Behandlung [103]. Andere Studien berichteten über PCR und MPR, legten aber
individuelle Grenzwerte für das partielle pathologische Ansprechen, wie z. B.
20–90%, [104] ≤50%, [107] oder >20% [108] vitales Tumorgewebe fest. Es ist
wichtig zu bedenken, dass die meisten dieser Kriterien auf der Grundlage des
Ansprechens auf eine Chemotherapie und nicht auf eine Immuntherapie entwickelt
wurden. Dies wurde im Zusammenhang mit dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom
(NSCLC) erarbeitet, wo die pathologischen Merkmale im Rahmen einer neoadjuvanten
Immuntherapie anders sein können. Dies führte zur Entwicklung eigenständiger,
immunbedingter pathologischer Ansprechkriterien (irPRC, immune-related
pathologic response criteria) führte [120]. Diese sind jedoch möglicherweise nicht auf Nicht-NSCLC-Entitäten
anwendbar, da selbst innerhalb des NSCLC der optimale Grenzwert für den
prozentualen Anteil des vitalenen Tumors zwischen Adenokarzinom und
Plattenepithelkarzinom variiert [121].
Dies gilt auch dann, wenn ein Entitäts-übergreifendes Pan-Tumor-Scoring-System
entwickelt wurde, das HNSCC-Proben einschließt [122]. Ein weiterer strittiger Punkt ist die Frage, inwieweit die
tumordrainierenden Lymphknoten in die Metrik des pathologischen Ansprechens
einbezogen werden sollten, da in mehreren HNSCC-Studien eine Divergenz zwischen
dem Ansprechens des Primarius und der Lymphknoten beschrieben wurde [106]
[113]
[123]. Dies macht deutlich,
wie wichtig es ist, HNSCC-spezifische pathologische Ansprechkriterien und
Grenzwerte zu entwickeln, bestenfalls unter Verwendung von 10%-Schritten des
verbleibenden vitalen Tumorsgewebes – möglicherweise getrennt für den Primarius
und die tumordrainierenden Lymphknoten. Dies würde den Vergleich zwischen
mehreren Studien. Alternativ hierzu sollte das Pan-Tumor-Scoring-System bei
HNSCC weiter validiert werden.
3.4 Prä- und intraoperative Entscheidungsfindung
Ein Aspekt, der bisher noch nicht im Detail untersucht wurde, ist der Einfluss
der Immuntherapie auf das Ausmaß der Operation. In dieser frühen Phase des
neoadjuvanten Behandlungsparadigmas bei HNSCC haben die meisten Studien
berichtet, in den prätherapeutischen Tumorgrenzen operiert zu haben. Um das
sicherzustellen haben einige die Tumorgrenzen detailliert tätowiert oder die
Bildgebung und Fotografie vor der Immuntherapie als Referenz verwendet [113]. Mit größeren Studien, mehr Erfahrung,
besseren Daten und präoperativen Markern für das Ansprechen könnte es möglich
sein, die Operation direkter auf die verbleibende Tumorlast des Patienten nach
der neoadjuvanten Behandlung abzustimmen. Dies ist vor allem bei entstellenden
Operationen wie Laryngektomien, Exenteratio orbitae oder Ablatio nasi von
Bedeutung. Hier könnten neue, organerhaltende Protokolle getestet werden.
3.5 Kombination und Timing der Behandlung
Angesichts der großen Zahl möglicher Kombinationen aus Immuntherapeutika (z. B.
Anti-PD1, anit-CTLA4, Anti-LAG3 usw.), konventioneller Chemotherapie,
zielgerichteter Therapie, Bestrahlung und sogar experimentellen Behandlungen wie
onkolytischen Viren oder therapeutischen Impfungen bleibt es eine große
Herausforderung, das optimale Behandlungsschema für jeden einzelnen Patienten zu
finden. Man muss vorsichtig sein beim Vergleich kleiner einarmiger, nicht
randomisierter Studien mit unterschiedlichen Therapieschemata und abweichender
Bestimmung des Therapieansprechens. In Bezug auf letzteres sind das vollständige
und hochgradige pathologische Ansprechen die am häufigsten und konsequentesten
berichteten Werte. Angesichts der bisher vorliegenden Daten scheint es einen
zusätzlichen Nutzen zu geben, wenn die Checkpoint-Inhibition durch eine
zielgerichtete Therapie oder Chemotherapie ergänzt wird. Hier steigen die
publizierten Raten an vollständigem pathologischen Ansprechen von Nivolumab (0%)
[99]. Nivolumab plus Ipilimumab (7%),
[100] oder 4% [102] auf 10% in zwei den Studien, in denen
die Immuntherapie mit einer zielgerichteten Therapie kombiniert wurde [109]
[110]. In der Kombination mit einer Chemotherapie stieg diese Rate
weiter auf 37,0%, [112] 30%, [113] 16,7%, [114] und 36,4%, [115]. Diese Einschätzung wird durch eine
kürzlich durchgeführte Metaanalyse des Gesamtansprechens (overall response rate,
ORR) beim Vergleich der neoadjuvanten Immuntherapie mit einer Immunchemotherapie
unterstützt. [125]