CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2024; 84(04): 346-356
DOI: 10.1055/a-2200-4122
GebFra Science
Original Article

Forschung in der Frauenheilkunde im internationalen und nationalen Vergleich auf Basis einer bibliometrischen Analyse von Publikationen

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Bertram Häussler
1   IGES Institut GmbH, Berlin, Germany (Ringgold ID: RIN14939)
,
Barbara Schmalfeldt
2   UKE Hamburg, Hamburg, Germany
,
Senta Häussler
1   IGES Institut GmbH, Berlin, Germany (Ringgold ID: RIN14939)
,
Angela Köninger
3   Gynecology and Obstetrics, University Regensburg, Regensburg, Germany
,
Stefan Loos
1   IGES Institut GmbH, Berlin, Germany (Ringgold ID: RIN14939)
,
Gert Naumann
4   Gynecology and Obstetrics, HELIOS Klinikum Erfurt, Erfurt, Germany (Ringgold ID: RIN62480)
,
Anton Scharl
5   Onkologische Fachklinik Bad Trissl, Oberaudorf, Germany
,
Christian J. Thaler
6   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Hormon- & Kinderwunschzentrum Großhadern, München, Germany
7   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Hormon- & Kinderwunschzentrum Innenstadt, München, Germany
,
Martin Weiss
8   Universitäts-Frauenklinik, Eberhard-Karls-Universität Tübingen Medizinische Fakultät, Tübingen, Germany (Ringgold ID: RIN54188)
,
Martin Albrecht
1   IGES Institut GmbH, Berlin, Germany (Ringgold ID: RIN14939)
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Hintergrund

In der Frauenheilkunde hat in den vergangenen Jahren eine starke Verschiebung von Ärzten zu Ärztinnen stattgefunden. Diese sind traditionell stärker in die Familienplanung eingebunden. Für das Fachgebiet könnte daraus die Gefahr erwachsen, dass wissenschaftliche Aktivitäten abnehmen, insbesondere in Form von wissenschaftlichen Publikationen.

Methoden

Vor diesem Hintergrund wurden in einer vergleichenden Beobachtungsstudie für das Jahr 2022 insgesamt 1306 Publikationen den 1786 Ärztinnen und Ärzten zugeordnet, die an einem der 44 universitären frauenheilkundlichen Standorte auf deren Internetseiten dokumentiert waren. Zusätzlich wurde das Publikationsvolumen von 2014 bis 2022 zwischen Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten verglichen sowie – auf Deutschland begrenzt – mit dem Output der Fachgebiete Urologie und Unfallchirurgie.

Ergebnisse

Frauenheilkundliche Publikationen sind in Deutschland seit 2014 mit 225% weniger stark gewachsen als in den Vergleichsländern (238%/252%/260% für F/UK/USA). Im Vergleich zu den deutschen Fachgebieten sind die Publikationen in der Urologie geringer gewachsen (196%), in der Unfallchirurgie dagegen schneller (286%). In der unteren Hierarchiestufe „Assistenzarzt“ beträgt der Anteil der Frauen zu Beginn des Jahres 2023 81%. Die Publikationsleistung war bei den Ärztinnen in den Hierarchiestufen „Assistenzarzt“ bis „Leitender Oberarzt“ pro Kopf zwischen 40% und 80% geringer als bei den männlichen Ärzten. Direktorinnen publizierten jedoch gleich häufig wie Direktoren. In den unteren Hierarchiestufen waren Männer bis zu 14% häufiger ohne akademischen Titel. Prädiktoren für eine stärkere Publikationstätigkeit von jüngeren Ärztinnen und Ärzten waren die Stärke der Publikationsleistungen von Ärzten in Senior-Positionen, die Verfügung über ein Comprehensive Cancer Center sowie ein Humangenetik-Institut am Standort und die gemeinsame Publikation mit ausländischen Autoren.

Schlussfolgerungen

Für die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ ergeben sich zahlreiche Ansatzpunkte für eine Stärkung der Nachwuchsförderung. Von besonderer Bedeutung bleibt weiterhin die Förderung von jungen Ärztinnen, um sie als wissenschaftlichen Nachwuchs langfristig zu gewinnen.


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1. Hintergrund und Ziel der Analyse

Publikationen haben in der Wissenschaft eine bedeutende Funktion, die nicht zuletzt zu der Redewendung „publish or perish“ geführt haben: Die Sichtbarkeit eines Fachgebietes, seiner Institutionen und Wissenschaftler ist in starkem Maße an den Output an Publikationen gebunden [1]. Neben der Quantität von Publikationen ist auch deren Signifikanz von Bedeutung, darunter die Anzahl von Zitierungen einer Publikation oder das Journal, in dem die Publikation erscheint, wodurch sich der Impact-Faktor ergibt [2].

Deutschland gehört in Bezug auf die Bedingungen des wissenschaftlichen Publizierens in der Medizin nicht unbedingt zu den Spitzenreitern. Es gibt Hinweise darauf, dass das Land zwar eine gute Beteiligung an klinischen Studien aufweist, nicht aber an der Umsetzung dieser Aktivitäten in Publikationen [3].

Vor diesem Hintergrund rücken die Arbeitsbedingungen ins Zentrum der Betrachtung, weil in der Medizin die Zeit, die für eine gute Patientenversorgung erforderlich ist, mit der Zeit für wissenschaftliche Tätigkeit konkurriert. Es finden sich Hinweise, dass viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den daraus entstehenden langen Arbeitszeiten unzufrieden sind [4]. Wenn berufliche und familiäre Aufgaben miteinander in Einklang zu bringen sind, erhöhen sich die zeitlichen Belastungen [5]. Für Frauen kommen durch Schwangerschaft und Geburt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch spezielle Herausforderungen hinzu. Ungünstige Arbeitsbedingungen können die Ursache sein für unzureichende wissenschaftliche Leistungen, darunter auch Publikationen.

Eine weitere Entwicklung, die unter dem Aspekt der Entwicklung des wissenschaftlichen Outputs Aufmerksamkeit verdient, ist die starke Zunahme des Anteils von Frauen am ärztlichen Personal in der Frauenheilkunde (häufig als „Feminisierung des Arztberufes“ bezeichnet) [6] [7].

Insbesondere in den operativen Fächern werden die Arbeitsbedingungen als belastend empfunden, weil häufig unplanbare Dienstzeiten vorkommen [8]. Dies wird auch explizit aus der Gynäkologie [9] und insbesondere aus der Geburtshilfe berichtet [10]. Auch andere Fachgebiete wie die Urologie oder die Unfallchirurgie teilen diese Arbeitsbedingungen und eignen sich daher für eine vergleichende Einschätzung.

Vor diesen Hintergründen hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) die Aufgabe gesehen, einen Überblick über die Publikationsleistung in der Frauenheilkunde zu gewinnen, um damit Forschung und Wissenschaft in ihrem Fach auch in Zukunft fördern zu können. Sie hat dafür das unabhängige IGES Institut gewonnen, welches das Konzept entwickelt, relevante Daten erhoben und analysiert hat.

Das Konzept basiert wesentlich auf Vergleichen, darunter auch in internationaler Hinsicht und zwischen klinischen Fächern mit ähnlichen Anforderungen im Hinblick auf die Frage, welche hemmenden oder fördernden Einflussfaktoren auf die Publikationsleistung zu erkennen sind.

Zusätzlich wurde die Frage gestellt, ob die erfolgreiche Einwerbung von Forschungsfördergeldern bei öffentlichen Förderträgern einen Einfluss auf die Publikationsaktivität hat.

Vor diesem Hintergrund werden mögliche Maßnahmen diskutiert, die insbesondere für die DGGG als Fachgesellschaft relevant sind.


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2. Daten und Methoden

Die empirischen Grundlagen für diese Studie bilden im Wesentlichen Daten über wissenschaftliche Publikationen von Universitätsabteilungen für Gynäkologie und/oder Geburtshilfe in Deutschland. Datenquelle ist die Datenbank „PubMed“ (National Library of Medicine [NLM]). Diese wurde am 14. März 2023 mit folgenden search string abgefragt: (((("gynecology"[Affiliation]) OR ("gynaecology"[Affiliation])) OR ("obstetrics"[Affiliation])) OR ("geburtshilfe"[Affiliation])) OR ("frauenheilkunde"[Affiliation]). Zusätzlich wurden analoge Abfragen für die Urologie sowie die Unfallchirurgie (trauma surgery) durchgeführt.

Für international vergleichende Analysen wurden für die 3 Fachgebiete zusätzlich abgefragt, ob eine Publikation mit einer Affiliierung aus jeweils einem der Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten von Amerika assoziiert ist. Mit der Funktion „timeline“ wurden für die 4 Länder Zeitreihen für die Jahre 2014 bis 2022 erstellt.

Für vertiefende Analysen in der Gynäkologie und Geburtshilfe in Deutschland wurden jene 2050 Publikationen fokussiert, die dem Jahr 2022 und einer deutschen Universitätsabteilung zugeordnet sind. In die Analyse eingegangen sind aber letztlich nur jene 1306 Publikationen, für welche Autorinnen oder Autoren von deutschen universitären Abteilungen aus Gynäkologie oder Geburtshilfe zugeordnet werden konnten (siehe folgenden Abschnitt).

Für die Zuordnung zu einer Abteilung der Gynäkologie oder Geburtshilfe wurden im Februar 2022 für insgesamt 51 Abteilungen sämtliche Ärztinnen und Ärzte recherchiert, die der Krankenversorgung zugeordnet werden konnten. Grundlage waren die Internetseiten dieser Einrichtungen. Für diese wurden ihr Geschlecht, ihr akademischer Grad (keiner, Dr. med., PD und Prof.) sowie ihre Funktionsbezeichnung erfasst. In dieser Hinsicht wurde zwischen Assistenzärztin oder Assistenzarzt, Fachärztin oder Facharzt, Oberärztin oder Oberarzt, Oberärztin oder Oberarzt mit leitender Funktion sowie Direktorin oder Direktor unterschieden. Damit ergeben sich indirekt auch Hinweise auf die Altersstufe der Personen. Insgesamt wurden 1786 Ärztinnen oder Ärzte erfasst. Die 51 Abteilungen konnten zu 44 Standorten von Universitäten zusammengefasst werden. In einige Analysen konnten allerdings nur 40 Standorte mit insgesamt 1749 Ärztinnen oder Ärzten einbezogen werden, weil an 4 Standorten Assistenzärztinnen oder Assistenzärzte nicht ausgewiesen waren.

Als zentralem Berichtsindikator wurde die „Publikationsbeteiligung“ gewählt[1], wie sie sich aus der Perspektive der einzelnen Autorin oder des Autors darstellt. Dies bedeutet, dass zwar gewertet worden ist, ob jemand aus dem Pool der 1786 deutschen Ärztinnen oder Ärzte an einer der 1306 Publikationen beteiligt war. Nicht gewertet wurde, ob jemand ggf. mehrere Affiliierungen[2] angegeben hatte. Insgesamt wurden 3754 Publikationsbeteiligungen beobachtet.

Für die einzelnen Standorte wurden 2 Parameter berechnet: zum einen der „Big-Shot-Faktor“ als Quotient der Publikationsbeteiligungen von Führungskräften (Oberärzte mit Leitungsfunktion oder Direktoren) an allen Publikationsbeteiligungen eines Standorts. Ferner wurde der „Auslandsfaktor“ ermittelt, also die Publikationsbeteiligungen der selektierten Ärztinnen und Ärzte mit einer ausländischen Affiliierung gemessen an allen Publikationsbeteiligungen.

Zusätzlich wurden Dokumentationen des Fördergeschehens der DFG sowie des BMBF herangezogen und den frauenheilkundlichen sowie den anderen Fächern zugeordnet.

Ferner wurden über die Internetseiten der universitären Standorte besondere medizinische Einrichtungen recherchiert, die an den jeweiligen Standorten verfügbar sind und von denen angenommen werden kann, dass sie Ressourcen für Forschung und wissenschaftliche Publikationen sein können: „Koordinationszentren für klinische Studien“ (KKS), „Comprehensive Cancer Center“ (CCC)[3] und Institute oder Abteilungen für medizinische Genetik.

Folgende Analysen wurden durchgeführt: einfache Zeitreihen von Publikationsbeteiligungen, Vergleiche zwischen Pro-Kopf-Werten, bivariate oder multivariate Regressionsrechnungen mit Test auf Signifikanz.

Bei der Studie handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, deren Beschränkungen im Abschnitt 5 diskutiert werden.


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3. Ergebnisse

Um die Position der Frauenheilkunde im Wettbewerb wissenschaftlicher Publikationen sowie die hemmenden und fördernden Einflussfaktoren ihrer Publikationsaktivitäten zu untersuchen, wurde im Rahmen der bibliometrischen Analysen eine Reihe von Vergleichen durchgeführt: zunächst für die Publikationen des Fachgebiets insgesamt mit anderen Fachgebieten, ein internationaler Vergleich innerhalb der Gynäkologie und Geburtshilfe, anschließend zwischen Männern und Frauen und insbesondere zwischen den einzelnen Universitätsstandorten.

3.1 Vergleiche zwischen Fachgebieten

Die Entwicklung der Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen in der Gynäkologie und Geburtshilfe in Deutschland wurde zunächst mit derjenigen in den Fachgebieten Urologie und Unfallchirurgie verglichen. Die Entwicklung der 3 Fachgebiete zeigt zunächst strukturgleiche Verläufe mit einem stetigen Anstieg mit Ausnahme des letzten Jahres und einer deutlichen Steigerung in den Jahren 2020 und 2021, den ersten beiden Jahren der COVID-19-Pandemie ([Abb. 1]). Die auffällige Steigerung, die sich auch im internationalen Vergleich wiederfindet ([Abb. 2]), könnte damit in Verbindung stehen, dass während des stark reduzierten Krankenhausbetriebs mehr Zeit für Publikationen zur Verfügung gestanden hat.

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Abb. 1 Entwicklung der Publikationen in 3 verschiedenen Fachgebieten in Deutschland über die Zeit nach Indexwerten. Quelle: eigene Recherchen und Analysen auf der Basis von PubMed (National Library of Medicine [NLM]).
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Abb. 2 Entwicklung der Publikationen in 4 verschiedenen Ländern über die Zeit nach Indexwerten. Quelle: eigene Recherchen und Analysen auf der Basis von PubMed (National Library of Medicine [NLM]).

Die Entwicklung der Publikationen von gynäkologisch-geburtshilflichen Einrichtungen verläuft in Deutschland etwas dynamischer als in der Urologie, aber deutlich weniger dynamisch als in der Unfallchirurgie. Dieser auffällige Unterschied geht im Wesentlichen auf die COVID-Jahre zurück. In diesen beiden Jahren ist die Zahl der Verkehrsunfallverletzten gegenüber 2019 um mehr als 15% zurückgegangen [11] (Statistisches Bundesamt 2023), während die Zahl der Geburten in diesem Zeitraum leicht gestiegen ist.


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3.2 Internationale Vergleiche

Eine isolierte Betrachtung der Entwicklung in der Frauenheilkunde zeigt im Vergleich zwischen ausgewählten Ländern (Frankreich, Großbritannien, USA) ebenfalls eine analoge Entwicklung. Allerdings bleibt die Entwicklung seit 2018 deutlich hinter den anderen Ländern zurück. Von 2014 bis 2022 sind die Publikationen mit USA-Affiliierung um 260% und damit um 16% stärker gewachsen als die Publikationen mit deutscher Affiliierung, die lediglich um 225% gewachsen sind ([Abb. 2]).


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3.3 Geschlechtsspezifische Vergleiche von Publikationsleistungen und akademischen Titeln

Gegenwärtig gibt es den klaren Trend, dass der Anteil der Frauen in der Medizin umso höher ist, je niedriger die Position ist ([Abb. 3]). Da sich dieser Sachverhalt aus einer Querschnittsbetrachtung ergibt, sollte darauf hingewiesen werden, dass sich dahinter die Entwicklung verbirgt, dass zunehmend mehr Frauen den Arztberuf ergreifen. Diese „Feminisierung des Arztberufes“ wird dann als relevant für die Entwicklung des wissenschaftlichen Outputs eines Fachs angesehen, wenn jüngere Frauen oder Frauen im Allgemeinen eine geringere publizistische Aktivität entfalten.

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Abb. 3 Geschlechtsstruktur der 1786 ärztlichen Mitarbeiter der frauenheilkundlichen Abteilungen und Kliniken nach Positionsgruppen. Quelle: eigene Recherchen im Februar 2023.

Die Betrachtung des Publikationsoutputs pro Ärztin oder Arzt zeigt in den unteren 4 Hierarchiestufen, dass Männer relativ zu den Frauen deutlich mehr publizieren ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Geschlechtsspezifische Intensität von Publikationsbeteiligungen pro Ärztin oder Arzt in unterschiedlichen Positionsgruppen. Quelle: eigene Recherchen und Analysen im Februar 2023.

Betrachtet man allerdings die Gruppe der Direktorinnen und Direktoren, erkennt man eine leicht erhöhte Publikationsleistung der Frauen verglichen mit männlichen Kollegen.

Die Differenzierung nach akademischen Titeln wurde zu dem Merkmal „hat keinen Titel“ aggregiert. Erwartungsgemäß zeigt sich, dass dieses Merkmal mit der Höhe der Position abnimmt. Es gibt keinen ärztlichen Direktor oder Direktorin ohne mindestens einen Doktortitel ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Anteil der Ärztinnen und Ärzte ohne einen akademischen Titel in unterschiedlichen Positionsgruppen. Quelle: eigene Recherchen und Analysen im Februar 2023.

Die Differenzierung nach Geschlecht zeigt, dass bis hinauf zur Position des Oberarztes der Anteil der Frauen ohne Titel geringer ist. Nur bei den Leitungspositionen sind Frauen etwas häufiger als Männer ohne Titel.

Dieser Befund kann in Verbindung gebracht werden mit dem Befund, dass Frauen bis hinauf zur Leitungsposition weniger Publikationen pro Kopf aufweisen. Somit zeigt sich bei Frauen eine gegenläufige Präferenz zum Erwerb des akademischen Titels.


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3.4 Vergleiche zwischen Standorten

Entsprechend den Ausführungen zur erkenntnistheoretischen Einordnung dieser Studie am Ende von Abschnitt 1 sollen im Folgenden verschiedene Untergruppen dargestellt werden, bei denen Unterschiede der Ausprägung von Befunden Hinweise auf Ursachen liefern können.

3.4.1 Akquisition von Mitteln von öffentlichen Förderträgern

Öffentliche Förderträger wie beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vergeben auf Antrag Mittel, die für Forschung und damit letztlich auf für Publikationen verwendet werden können.

In Bezug auf die Zahl der DFG-Förderungen zeigte sich gegenüber den Jahren von 1999 bis 2002 ein Rückgang der mittleren Zahl der bewilligten Anträge von 22 auf 12 in den Jahren 2019 bis 2022.[4] In der Gesamtheit medizinischer Fachgebiete kam es in diesem Zeitraum hingegen zu einem leichten Anstieg.

Bezogen auf den Zeitraum 2018 bis 2022 ordnet die DFG 64 der bewilligten Anträge dem Fachgebiet Frauenheilkunde zu. Damit liegt das Fachgebiet an Maßnahmen hinter der Urologie mit 99 und der Orthopädie/Unfallchirurgie mit 153 bewilligten Anträgen Maßnahmen. Von den 64 Förderungen im Fachgebiet Frauenheilkunde sind lediglich 34 auf Antragstellung von universitären Einrichtungen der Frauenheilkunde zurückzuführen. Die DFG-Förderungen verteilten sich in den Jahren 2018–2022 auf nur 17 universitäre gynäkologisch-geburtshilfliche Standorte mit einer relativ ausgeprägten Konzentration auf 3 Standorte.

Von den 34 DFG-Förderungen auf Antragstellung von universitären Einrichtungen der Frauenheilkunde im Zeitraum 2018–2022 entfiel der Großteil (24) auf Sachbeihilfen, 7 Förderungen gingen an Personen für Stipendien und wissenschaftliche Projekte und nur 2 Förderungen bezogen sich auf klinische Studien.

Hinsichtlich der fachlichen Schwerpunkte der DFG-Förderungen dominierte die gynäkologische Onkologie mit einem durchschnittlichen Anteil von rund 67% im Zeitraum 2018–2022.[5] Auf die Geburtshilfe und Perinatalmedizin entfielen im Durchschnitt 25% und auf die gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin ein durchschnittlicher Anteil von 8% der DFG-Förderungen.

Im Unterschied zur DFG ordnet das BMBF seine Förderungen nicht explizit medizinischen Fachbereichen zu, enthält aber Angaben zur Fördersumme. Für eine Recherche auf Basis fachlicher Suchbegriffe konnten für den Zeitraum 2016 bis 2022 insgesamt 106 Fördermaßnahmen mit Bezug zu gynäkologischen und geburtshilflichen Themen identifiziert werden, davon 63 mit Hochschulbeteiligung, allerdings nur 13 mit Beteiligung einer universitären Einrichtung der Gynäkologie und Geburtshilfe. Die mittlere Fördersumme dieser 13 Fördermaßnahmen betrug knapp 850 Tausend Euro, wobei das Spektrum von knapp 40 Tausend Euro bis knapp 4,1 Mio. Euro reichte.

Die 13 vom BMBF geförderten Projekte mit universitärer Beteiligung der Frauenheilkunde fokussieren ebenfalls auf onkologische Themen.


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3.4.2 Größe von Standorten

Die an der Zahl der Ärzte gemessene Größe der Standorte wirkt sich positiv auf die Zahl der Publikationen eines Standortes aus, weil mehr Personen mehr publizieren können. Allerdings ist auch eine positive Beziehung zwischen der Zahl der Ärztinnen und Ärzte pro Standort und der Zahl der Publikationen pro Ärztin oder Arzt festzustellen ([Abb. 6]). In der Tendenz steigt daher der Output pro Ärztin oder Arzt mit der Größe der Standorte. Dies könnte auf Synergien zurückzuführen sein, die sich zwischen den verschiedenen Wissenschaftlern ergeben können, sowie auf die Möglichkeiten, wissenschaftliches Publizieren zu unterstützen, die an größeren Standorten eher gegeben sind.

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Abb. 6 Anzahl der Publikationsbeteiligungen je Ärztin oder Arzt und Anzahl der ärztlichen Mitarbeiter der 40 frauenheilkundlichen Universitätsstandorte. Quelle: eigene Recherchen und Analysen unter Verwendung von PubMed (National Library of Medicine [NLM] für das Jahr 2022.

In einem mittleren Bereich von 40 bis 60 Ärztinnen und Ärzten pro Standort ist allerdings eine Varianz zwischen 0,4 bis 2,1 Publikationen pro Arzt oder Ärztin festzustellen. Dieser Befund weist darauf hin, dass es weitere Einflussfaktoren geben kann, siehe Abschnitt 3.4.4, und dass es aber auch Gestaltungsspielräume gibt, die durch standortspezifische Initiativen genutzt werden können.


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3.4.3 Gibt es Unterschiede zwischen Standorten mit erkennbaren Schwerpunkten in Geburtshilfe und Onkologie?

Vor dem Hintergrund der bisher berichteten Befunde zeichnet sich ab, dass die Arbeitsbelastungen aus der Patientenversorgung ein hemmender Faktor für die Wahrnehmung von Publikationstätigkeiten sein können. In dieser Hinsicht rücken geburtshilfliche Abteilungen bzw. Standorte mit einer hohen Arbeitsintensität außerhalb der regulären Dienstzeit ins Zentrum des Interesses. Vor diesem Hintergrund wurden die verschiedenen Standorte danach kategorisiert, in welcher Häufigkeit Publikationen dokumentiert sind, die Abteilungen zugeordnet werden können, die „Geburtshilfe“ im Namen tragen.[6] Es ergaben sich 7 Standorte, bei denen geburtshilfliche Abteilungen überdurchschnittlich stark zum Output an Publikationen beitrugen.

Eine solche Zuordnung wurde auch für Standorte gemacht, an denen es Abteilungen gab, die „Krebs“ bzw. „Cancer“ im Namen trugen. Dies war bei 3 Standorten der Fall. Insgesamt 30 Standorte konnten keinem der beiden Schwerpunkte zugeordnet werden.

Die Analyse der verschiedenen Standorte im Hinblick auf die Häufigkeit der Publikationsbeteiligungen pro Ärztin oder Arzt ergab, dass die mit Schwerpunkt „Geburtshilfe“ bezeichneten Standorte etwas geringere Werte (2,1) aufwiesen als die breite Zahl der Standorte ohne eine Zuordnung zu einem Schwerpunkt (2,2) und vor allem die Standorte mit dem Schwerpunkt „Krebs“ (2,4) ([Abb. 7]).

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Abb. 7 Anzahl der Publikationen pro Ärztin oder Arzt nach Standorten an Abteilungen mit Abteilungsnamen, die auf „Geburtshilfe“ bzw. „Krebs“ hinweisen. Quelle: eigene Recherchen und Analysen unter Verwendung von PubMed (National Library of Medicine [NLM]) für das Jahr 2022.

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3.4.4 Einflüsse auf die Publikationshäufigkeit von Ärztinnen und Ärzten in Senior-Positionen auf die Publikationshäufigkeit in Junior-Positionen

Während man in der Praxis die Position „Oberarzt“ nicht mehr als „Junior-Position“, sondern eher als „Senior“ verstehen würde, zeigt die in Abschnitt 3.3 dargestellte Analyse, dass in Bezug auf die Publikationshäufigkeit diejenigen Oberarztpositionen mit einer ausgewiesenen Leitungsfunktion deutlich näher an den Direktorenpositionen sind ([Abb. 4]). Aus dieser Perspektive wird die Position „Oberarzt“ noch den „Junior-Positionen“ (oder „Juniors“) zugerechnet und lediglich oberärztliche Leitungspositionen zusammen mit den Direktorinnen und Direktoren als „Senior-Positionen“ (oder „Seniors“) bezeichnet.

Bei Betrachtung der untersuchten Standorte nach Anzahl der Publikationen, die auf „Juniors“ und „Seniors“ entfallen, stellt man eine deutliche Korrelation fest: Die Pro-Kopf-Zahlen der Junior-Publikationen ist eng mit derjenigen der Senior-Publikationen verknüpft ([Abb. 8]). Wie bereits oben erwähnt, publizieren Seniors knapp 20-mal so viel wie Juniors. Es sollte aber darauf hingewiesen werden, dass es mindestens 5 Standorte gibt, an denen Junioren weit über den erwarteten Wert hinaus publizieren (grüner Bereich), und 4 Standorte, an denen das Gegenteil der Fall ist (roter Bereich).

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Abb. 8 Anzahl der Publikationsbeteiligungen je Arzt nach Senior- und Junior-Positionen der 40 frauenheilkundlichen Universitätsstandorte. Quelle: eigene Recherchen und Analysen unter Verwendung von PubMed (National Library of Medicine [NLM] für das Jahr 2022.

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3.5 Die Publikationsleistung von Standorten in Relation zu verschiedenen Einflussfaktoren

Wie bereits in Abschnitt 2 erwähnt, gibt es eine Reihe von Standortfaktoren, die als Ressourcen für wissenschaftliche Arbeit gelten können. Sowohl mit bi- als auch mit multivariaten Regressionsrechnungen wurde untersucht, ob sich signifikante Zusammenhänge ergeben zur Zahl der Publikationen pro Kopf, und zwar getrennt für alle ärztlichen Mitarbeiter sowie fokussiert für die Publikationen der Junior-Positionen, die ja im Zentrum des Interesses stehen.

Hierzu wurden zunächst alle bivariaten Zusammenhänge ermittelt, die wenigstens auf dem 5%-Niveau signifikant waren. Diejenigen bivariaten Zusammenhänge, für die dies zutraf, wurden in multivariate Regressionsrechnungen eingebracht. Die zusammengefassten Ergebnisse werden in [Tab. 1] vorgestellt. Den Einflussfaktoren wurde ein qualitativer Indexwert zugeordnet, der Art und der Stärke der signifikanten Beziehungen zu den verschiedenen Pro-Kopf-Publikationsbeteiligungen aggregiert.

Tab. 1 Einflussfaktoren der Publikationstätigkeit (2022) der 40 gynäkologisch-geburtshilflichen Universitätsstandorte.

+

Variable/Einflussfaktor

alle Positionen

Junior-Positionen

bivariat

multivariat

bivariat

multivariat

Quelle: eigene Berechnungen auf der Basis von Daten von PubMed (National Library of Medicine [NLM])

(+) Eigener Indexwert für die Bedeutsamkeit der verschiedenen Einflussfaktoren

●●●●

Publikationen von Senioren

***

***

***

*

●●

CCC

***

**

●●

Anzahl ärztliche Mitarbeiter

**

**

●●

Auslands-Faktor

*

*

Humangenetik-Institut

*

Big-Shot-Faktor

Geburtshilfe als Schwerpunkt

KKS

DFG-Mittel

BMBF-Mittel

3.5.1 Publikationen von Senior Positionen

Eine herausragende Bedeutung kommt der Variable „Publikationen von Senior-Positionen“ zu. Sowohl für die Gesamtzahl aller Ärztinnen oder Ärzte als auch bei den Junioren sind die „Publikationsbeteiligungen pro Kopf“ signifikant höher, wenn die Publikationsbeteiligungen der Senioren höher sind. Dies trifft bei bivariater wie auch bei multivariater Betrachtung zu. Dies mag in Bezug auf die Gesamtzahl der Publikationen nicht überraschen, weil die Senioren eine publikationsstarke Teilmenge darstellen. In Bezug auf die Junioren kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Publikationen der Senioren signifikant mit den Publikationen der Junioren korrelieren. Je mehr die Senioren eines Standortes publizieren, desto mehr publizieren auch die Junioren.


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3.5.2 Vorhandensein eines „Comprehensive Cancer Center“, „Anzahl ärztlicher Mitarbeiter“ und „Auslands-Faktor“

28 von 40 Standorten verfügen über ein „Comprehensive Cancer Center“. Das Vorhandensein einer solchen Einrichtung ist bivariat sowohl mit den Publikationen aller ärztlicher Mitarbeiter als auch der Junioren signifikant assoziiert. Die bereits erwähnte deutlich höhere Zahl der Publikationen an Standorten mit explizitem Ausweis des Bezugs zur Onkologie (siehe Abschnitt 3.4.3) koinzidiert mit diesem Befund.

Ebenfalls nur bei bivariater Betrachtung zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang mit den Pro-Kopf-Publikationen sowohl aller ärztlicher Mitarbeiter als auch speziell der Junioren mit der Zahl an Ärztinnen und Ärzten an den Standorten. Die Anzahl ärztlicher Mitarbeiter kann als Hinweis auf die Größe eines Standortes, auch in Bezug auf die Zahl der versorgten Fälle und den Umsatz, gewertet werden.

Der „Auslands-Faktor“ bedeutet, mit wie vielen Publikationen auch eine ausländische Affiliierung der Autorinnen oder Autoren verknüpft sind. Dieser Indikator für die „internationale Verankerung“ der Autoren zeigt sich bei bivariater Betrachtung sowohl für Publikationen im Allgemeinen als auch für die Publikationen der Junioren publikationssteigernd.


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3.5.3 Vorhandensein von Instituten bzw. Abteilungen für Humangenetik

Nur bezüglich der Pro-Kopf-Publikationsbeteiligungen der Junioren findet sich ein signifikanter bivariater Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Instituten bzw. Abteilungen für Humangenetik am Standort[7].


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3.5.4 Weitere untersuchte Einflussfaktoren: „Big-Shot-Faktor“, „Geburtshilfe als Schwerpunkt“, Verfügung über ein KKS und Fördermittel von DFG und BMBF

Die genannten Faktoren zeigen weder in bi- noch in multivariater Betrachtung einen Einfluss auf die Pro-Kopf-Publikationsbeteiligungen. Dass der Umfang an Fördermitteln von DFG und BMBF nicht in einem signifikanten Zusammenhang zur Publikationsleistung steht, erklärt sich durch die Tatsache, dass in einem 4-jährigen Zeitraum deutlich weniger als die Hälfte der Standorte überhaupt Anträge gestellt hatten, und diese auch von ihrem Umfang her so marginal ausfielen, dass nicht erwartet werden kann, dass die Antragsaktivität mit der Publikationsaktivität korreliert sei.


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4. Schlussfolgerungen

In der vorliegenden Studie wurde versucht, die Forschungsintensität im Fach Frauenheilkunde mithilfe des Surrogatmarkers Publikationsoutput zu beschreiben und nach fördernden und hemmenden Einflüssen auf die Ausübung von Forschungsaktivitäten zu suchen.

4.1 Diskussion der Befunde

Die deskriptive Betrachtung zeigt, dass die zeitliche Entwicklung des Publikationsoutputs in der Frauenheilkunde im Vergleich mit klinischen Fächern wie der Urologie (vergleichbar aufgrund der Schwerpunkte in der operativen Therapie, der Onkologie und der Fertilitätsmedizin) oder der Unfallchirurgie (vergleichbar mit der Dienstbelastung wie in der Geburtshilfe) eine ähnliche Steigerung zeigt. Im Vergleich zu Frankreich, Großbritannien und den USA ist die zeitliche Entwicklung ebenfalls vergleichbar, wenn auch in den USA eine deutlich höhere Steigerung zu beobachten ist.

Im Hinblick auf die Publikationsleistung von Frauen bzw. Männern ist zum einen festzustellen, dass Ärztinnen, die am Anfang der Karriereleiter stehen, pro Kopf weniger publizieren als Ärzte in vergleichbaren Positionen, dass aber zwischen Frauen und Männern in Direktionspositionen keine Unterschiede mehr bestehen. Im Hinblick auf den Erwerb akademischer Titel zeigen sich gegenläufige Verhältnisse: Frauen haben zu Beginn ihrer Karriere häufiger einen Doktortitel als Männer.

Zur Erklärung für diese entgegengesetzten Befunde muss man einerseits fragen, ob sich dahinter unterschiedliche Präferenzen von Frauen und Männern verbergen: Möglicherweise ist jungen Ärztinnen die klinische Tätigkeit und zügige Erlangung der Facharztreife wichtiger als eine Forschungstätigkeit. Da ein Titel eine größere Sichtbarkeit bietet als Publikationen, könnte sein Erwerb für diejenigen die bessere Wahl sein, die bei knappem Zeitbudget einen möglichst großen Nutzen erzielen wollen.

Andererseits müssen diese Befunde vor dem Hintergrund beurteilt werden, dass die Mitglieder der Junior-Positionen überwiegend im Alter der Familienplanung sind und dass Frauen immer noch häufig einen größeren Anteil am Aufbau der Familie haben [7]. Es ist auch zu vermuten, dass die geringere Publikationsleistung jüngerer Ärztinnen mit deren höherer Teilzeitquote in Verbindung steht [6]. Zu prüfen ist weiterhin, ob sich männliche Kollegen bessere Freiräume für wissenschaftliches Arbeiten schaffen können.

Der Aspekt, dass Frauen in Weiterbildung und als junge Fachärztinnen weniger publizieren als Männer muss in Hinblick auf die zunehmende „Feminisierung“ [6] auch in der Frauenheilkunde kritisch betrachtet werden. Hier sind dringend die Entwicklung und Aufrechterhaltung von unterstützenden Maßnahmen erforderlich, damit in Zukunft keine negativen Effekte auf den publizistischen Output resultieren. Dies ist weiterhin wichtig im Hinblick auf eine ausreichende Besetzung von Leitungspositionen, für die der Nachweis von Publikationen eine Voraussetzung ist.

Die Analysen haben ferner Einflussfaktoren identifiziert, die möglicherweise fördernde oder hemmende Einflüsse auf die Forschungsaktivität haben und damit Gegenstand von Überlegungen sein können, wie die Publikationsleistung an einem Standort mittelfristig gesteigert werden könnte. Bei einer großen Varianz zwischen den Standorten lassen sich folgende Einflussfaktoren als unterstützend für wissenschaftliche Tätigkeit und Forschung ermitteln:

  • Einen wichtigen Einfluss auf die Publikationsaktivität insgesamt und insbesondere der Junioren hat die Publikationsaktivität der Ärztinnen oder Ärzte in Leitungsfunktionen und darunter insbesondere der Direktorinnen oder Direktoren. Dies unterstreicht die große Bedeutung der Aktivität und Vorbildfunktion der Führungskräfte. Demgegenüber scheint es für die Leistung der Junioren nicht von Bedeutung zu sein, wenn sich an einem Standort die Publikationsleistungen auf einzelne Führungskräfte konzentrieren („Big-Shot-Faktor“).

  • Der Einfluss der Arbeitsbelastung zeigt sich indirekt daran, dass die eingeschränkte OP-Kapazität und Bettenreduktion während der Coronapandemie in den Jahren 2020 bis 2021 mit einem höheren Publikationsoutput korreliert war. Auch die insgesamt etwas geringere Publikationsrate aus geburtshilflich ausgerichteten Standorten könnte mit der höheren Arbeitsbelastung in der Geburtshilfe außerhalb der Regelarbeitszeit in Verbindung gebracht werden kann.

  • Zentrale Strukturen wie ein Comprehensive Cancer Center oder eine Abteilung für Humangenetik am Standort gehen mit höherer Publikationsaktivität einher. Dass für die KKS kein signifikanter Einfluss gezeigt werden konnte, liegt vermutlich daran, dass sie mittlerweile an 27 von 40 Standorten installiert sind.

  • Die höhere Publikationsrate aus Standorten mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt „Krebs“ dürfte dagegen eher mit der gegenwärtig starken Aufmerksamkeit gegenüber solchen Themen zusammenhängen, und damit auch mit der höheren Zahl von einschlägigen Studien bzw. deren Förderung durch inner- und außeruniversitäre Quellen.

  • Die Zahl der ärztlichen Mitarbeiter und damit die Größe eines Standortes sind ebenfalls von Bedeutung. Da sich an größeren Standorten klinische Tätigkeit und die Dienst- und Arbeitsbelastung auf eine größere Zahl von Personen verteilen, können vermutlich Freiräume für wissenschaftliche Tätigkeit geschaffen werden mit positivem Effekt auf die Publikationsleistung.

  • Ebenso wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit am Standort steigert die internationale Vernetzung mit ausländischen Universitäten den Publikationsoutput.

Zu denken gibt, dass bei DFG und BMBF bewilligte Anträge in Gynäkologie oder Geburtshilfe keine nachweisbaren Effekte auf die Publikationsleistung haben. Dieser Sachverhalt dürfte in anderen Fachgebieten nicht grundsätzlich anders sein, weil auch dort die Relation von bewilligten Anträgen und Publikationsleistungen in ähnlichen Größenordnungen liegen. In Gynäkologie oder Geburtshilfe haben die Bewilligungen über die Jahre sogar abgenommen. Es hat den Anschein, dass das Potenzial eines bewilligten Antrags in Hinblick auf die Publikation der Ergebnisse nicht gesehen oder nicht optimal genutzt wird.


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4.2 Ansätze zur Sicherung oder Steigerung der Publikationstätigkeit

Sowohl der Vergleich auf der fachlichen als auch der internationalen Ebene sollten Anlass sein, eine kritische Bestandsaufnahme und Maßnahmen zur Förderung von Forschungsaktivität auf verschiedenen Ebenen einzuleiten.

An der überragenden Bedeutung der Publikationshäufigkeit von Führungskräften kann angesetzt werden. Die Bedingungen für einen Ausbau der Vorbildfunktion können ermittelt werden. Es sollte nicht vergessen werden, dass die Varianz der Publikationsaktivität erheblich ist, was darauf hindeutet, dass es deutliche Unterschiede bei Motivation und Fähigkeiten gibt.

Geeignete Rahmenbedingungen wie Workshops und Coachings können entwickelt werden, in denen Führungskräfte ihre Möglichkeiten zu einer gezielten Förderung der Publikationstätigkeit an ihrem Standort entwickeln können, indem die Motivation jüngerer Kolleginnen und Kollegen gestärkt wird.

Der positive Effekt einer internationalen Vernetzung kann ebenfalls zum Gegenstand eines längerfristigen Prozesses gemacht werden, der die Stärkung von Netzwerken zum Gegenstand hat.

Für bereits bestehende Möglichkeiten der Förderung wissenschaftlicher Tätigkeit wie die „Clinician Scientist“-Programme [12] (Lange et al.) sollte überprüft werden, ob sie für die spezifischen Bedingungen des Fachgebiets geeignet sind und ggf. Vorschläge für eine geeignete Förderung erarbeitet werden.

Dazu sollten Anreize und Unterstützungsmöglichkeiten entwickelt werden, die bei der Antragsstellung bei öffentlichen Forschungsförderern wie DFG und BMBF helfen können. In diesem Kontext sollte auch darauf hingearbeitet werden, dass die Tätigkeit als Fachkollegen in den Entscheidungsgremien attraktiv bleibt.

Die Beteiligung an multizentrischen Studien mit dem Ziel der Zulassung neuer Arzneimittel kann insbesondere im Bereich der onkologischen Gynäkologie ebenfalls unterstützt werden und damit einen weiteren Impuls für Publikationen – auch mit in der Regel hohen Impact-Faktoren – setzen.

Darüber hinaus sollte mehr über die Präferenzstruktur von jüngeren Ärztinnen und Ärzten bekannt sein, damit geeignete Unterstützungsansätze hinsichtlich der Kompatibilität mit der familiären Situation ausgebaut werden können. Essenziell ist insbesondere die Entwicklung von Fördermaßnahmen zur Forschungsunterstützung nach Elternzeit und in Teilzeitarbeit. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich, dass die Aufrechterhaltung von Programmen zur Förderung von Frauen im Fach Frauenheilkunde immens wichtig ist.

Auch müssen innovative Konzepte entwickelt werden, wie sich Forschung in der Geburtshilfe besser verwirklichen lässt. Ein Ansatz könnte die forcierte Besetzung geburtshilflicher Leitungspositionen an universitären Einrichtungen mit W2- oder W3-Professuren mit eigenem Forschungs- und Lehrebudget sein.


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5. Limitationen

Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie, bei der die Datenerhebung nicht unter kontrollierten Bedingungen stattgefunden hat. Entsprechend können aus dieser Studie keine konfirmatorischen Ergebnisse aus der Testung von Hypothesen erwartet werden. Dennoch können auf der Basis von Vergleichen zwischen verschiedenen Subgruppen Eindrücke gewonnen werden über das Verursachungsgefüge hypothetischer Einflussfaktoren, woraus Hypothesen für zukünftige Studien formuliert werden können.

Die Studie wurde auf universitäre Standorte beschränkt, um die Umgebung, in der Forschung und Publikation stattfinden, einigermaßen homogen zu halten. Daher soll hier deutlich gemacht werden, dass es darüber hinaus zahlreiche frauenheilkundliche Abteilungen an Häusern der Maximalversorgung gibt, die in der klinischen Forschung nicht hinter der universitären Forschung zurückstehen. Berücksichtigt wurde ferner nur ärztliches Personal, das der Krankenversorgung zugeordnet werden konnte, insbesondere weil die Praxis der Webseitengestaltung der verschiedenen Standorte nicht einheitlich ist. Selbstverständlich war den Informationen der Webseiten auch nicht zu entnehmen, in welchem zeitlichen Umfang die jeweilige Ärztin oder der Arzt beschäftigt waren. Daher konnte insbesondere der Frage nach den unterschiedlichen Publikationsleistungen nicht nachgegangen werden.

Ferner wurde schon darauf hingewiesen, dass Anzahl und Struktur der Ärztinnen oder Ärzte von den Homepages der Standorte abgelesen wurden, wodurch es in einem vermutlich geringen Ausmaß zu nicht aktuellen Angaben gekommen ist. Die Auswertung von Anträgen aus der öffentlichen Förderung beschränkte sich auf DFG und BMBF, wodurch kleinere Förderer unberücksichtigt bleiben. Außerdem konnten nichtöffentliche Drittmittel nicht berücksichtigt werden.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.

1 Diese wurde der Einfachheit halber an mehreren Stellen auch als „Publikation“ bezeichnet.


2 In PubMed dokumentierte Zugehörigkeit eines Autors zu einer Institution, meist akademischen Charakters („affiliation“).


3 Die Bezeichnung „Comprehensive Cancer Care Center“ (CCCC) wurde ebenfalls darunter subsumiert.


4 Teilprojekte wurden berücksichtigt, bei mehreren Antragstellern wurde alle einbezogen.


5 Hierbei wurden 51 der 64 DFG-Förderungen berücksichtigt, bei denen eine fachliche Zuordnung eindeutig möglich war.


6 Ausgeschlossen waren Namensbestandteile, die auf „Frauenheilkunde“ bzw. „Gynäkologie“ hinweisen (die englischen Schreibweisen jeweils eingeschlossen).


7 Insgesamt wurden 31 Einrichtungen ermittelt.


Supplementary Material


Correspondence

Prof. Bertram Häussler
IGES Institut GmbH
Friedrichstraße 180
10117 Berlin
Germany   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 02. Februar 2024

Angenommen: 08. Februar 2024

Artikel online veröffentlicht:
10. April 2024

© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Development of publications for three different medical specialties in Germany over time based on index values. Source: own research and analysis based on data from PubMed (National Library of Medicine [NLM]).
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Fig. 2 Increase in publications over time in four different countries based on index values. Source: own research and analysis using data from PubMed (National Library of Medicine [NLM]).
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Fig. 3 Gender structure of the 1786 medical staff in gynecological departments and hospitals according to the position they hold. Source: own research carried out in February 2023.
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Fig. 4 Gender-specific intensity of involvement in publications per female or male doctor according to their position in the hierarchy. Source: own research and analysis carried out in February 2023.
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Fig. 5 Percentage of female and male doctors with no academic title according to their position in the hierarchy. Source: own research and analysis carried out in February 2023.
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Fig. 6 Number of involvements in publications per female or male doctor and number of medical staff at the 40 university locations with gynecological facilities. Source: own research and analysis based on data from PubMed (National Library of Medicine [NLM] for 2022).
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Fig. 7 Number of publications per female or male doctor according to the locations of departments with departmental names which indicate a special focus on “obstetrics” or “cancer”. Source: own research and analysis based on data from PubMed (National Library of Medicine [NLM]) for 2022).
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Fig. 8 Number of involvements in publications per doctor according to senior and junior positions held at any of the 40 gynecological university locations. Source: own research and analysis based on data from PubMed (National Library of Medicine [NLM] for 2022).
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Abb. 1 Entwicklung der Publikationen in 3 verschiedenen Fachgebieten in Deutschland über die Zeit nach Indexwerten. Quelle: eigene Recherchen und Analysen auf der Basis von PubMed (National Library of Medicine [NLM]).
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Abb. 2 Entwicklung der Publikationen in 4 verschiedenen Ländern über die Zeit nach Indexwerten. Quelle: eigene Recherchen und Analysen auf der Basis von PubMed (National Library of Medicine [NLM]).
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Abb. 3 Geschlechtsstruktur der 1786 ärztlichen Mitarbeiter der frauenheilkundlichen Abteilungen und Kliniken nach Positionsgruppen. Quelle: eigene Recherchen im Februar 2023.
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Abb. 4 Geschlechtsspezifische Intensität von Publikationsbeteiligungen pro Ärztin oder Arzt in unterschiedlichen Positionsgruppen. Quelle: eigene Recherchen und Analysen im Februar 2023.
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Abb. 5 Anteil der Ärztinnen und Ärzte ohne einen akademischen Titel in unterschiedlichen Positionsgruppen. Quelle: eigene Recherchen und Analysen im Februar 2023.
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Abb. 6 Anzahl der Publikationsbeteiligungen je Ärztin oder Arzt und Anzahl der ärztlichen Mitarbeiter der 40 frauenheilkundlichen Universitätsstandorte. Quelle: eigene Recherchen und Analysen unter Verwendung von PubMed (National Library of Medicine [NLM] für das Jahr 2022.
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Abb. 7 Anzahl der Publikationen pro Ärztin oder Arzt nach Standorten an Abteilungen mit Abteilungsnamen, die auf „Geburtshilfe“ bzw. „Krebs“ hinweisen. Quelle: eigene Recherchen und Analysen unter Verwendung von PubMed (National Library of Medicine [NLM]) für das Jahr 2022.
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Abb. 8 Anzahl der Publikationsbeteiligungen je Arzt nach Senior- und Junior-Positionen der 40 frauenheilkundlichen Universitätsstandorte. Quelle: eigene Recherchen und Analysen unter Verwendung von PubMed (National Library of Medicine [NLM] für das Jahr 2022.