Schlüsselwörter Rheuma - Schwangerschaft - Lupus erythemathodes - Antiphospholipid-Antikörper - Arthritis
- Vaskulitis
1 Einleitung
Antizelluläre Autoantikörper (gerichtet gegen humane Zellmembranen, zelluläre und/oder
nukleäre Strukturen) können Jahre vor (!) der klinischen Diagnose einer autoimmunen
Erkrankung im Körper
zirkulieren [1 ]. Sie können im Rahmen von Krankheitsbildern wie systemischer Lupus erythematodes
(SLE), Sjögren-Syndrom, systemische Sklerose, Dermatomyositis
und rheumatoide Arthritis auftreten. Sekundär im Rahmen dieser Erkrankungen oder auch
primär können Antiphospholipid-Antikörper (aPL) auftreten, die zu einem
Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom (APS) mit verschiedenen klinischen Ausprägungen,
vornehmlich aber thromboembolischen Ereignissen und Schwangerschaftskomplikationen
führen können.
Schwangere und deren Kinder, die transplazentar bestimmte dieser Autoantikörper erhalten,
sind hierbei besonderen Risiken (u. a. von rezidivierenden Aborten, schwersten Plazentainsuffizienzen
mit entsprechenden Gefahren für Mutter und Kind bis hin zum kongenitalen Lupus) ausgesetzt.
Die immunsuppressive Therapie zum Remissionserhalt der Grunderkrankung ist vor Planung
einer
Schwangerschaft, insbesondere beim SLE, essenziell. Risiken für Mutter und Kind können
damit oft erheblich reduziert werden.
Umgekehrt können physiologische Veränderungen der Schwangerschaft den Verlauf bzw.
die klinische Erscheinung einer rheumatischen Erkrankung beeinflussen: So kann die
schwangerschaftsinduzierte Hyperkoagulabilität das eventuell ohnehin durch die Grunderkrankung
bestehende Thromboserisiko erhöhen. Normale Schwangerschaftsveränderungen (u. a. Chloasma
gravidarum, Anämie, diffuse Arthralgien) können fälschlicherweise als Symptome der
rheumatischen Grunderkrankung fehlinterpretiert werden. Die Differenzialdiagnosen
Präeklampsie und HELLP zu
Schüben einer Lupusnephritis, einer Vaskulitis oder einer renalen Krise im Rahmen
einer Systemsklerose bedürfen der interdisziplinären Zusammenarbeit.
Zumeist liegen Beobachtungs-, selten randomisiert kontrollierte Studien an oft kleinen
Patientenkollektiven vor. Dies führt dazu, dass viele Empfehlungen zum Thema weniger
auf Evidenzen,
sondern auf Expertenmeinungen beruhen.
2 Methoden
Für die vorliegende Arbeit wurden im März 2023 Empfehlungen von relevanten Fachgesellschaften,
Fachtagungen und Institutionen zu rheumatischen Erkrankungen im reproduktiven Alter,
mit den
Schwerpunkten Lupus erythematodes und Antiphospholipid-Antikörper durchgesehen und
auf ihre Aktualität überprüft. Dazu gehören Empfehlungen und Aussagen folgender Organisationen,
Institutionen
und Autoren: European League Against Rheumatism (EULAR) [2 ]
[3 ]
[4 ], American College of Rheumatology
Guideline (ACR) [5 ], 16th International Congress on Antiphospholipid-Antibodies Task Force Report [6 ], British Society for
Rheumatology [7 ], Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie [8 ].
Ergänzend wurden Metaanalysen, systematische Übersichtsarbeiten, Leitlinien sowie
einschlägige andere Publikationen (von 1993 bis 2022) recherchiert und bewertet. Dabei
wurde keine
systematische Recherche und Evidenzbewertung durchgeführt. Die nach intensiver Diskussion
formulierten Aussagen entsprechen deshalb dem Evidenzniveau einer Expertenempfehlung.
Die
Formulierungsweise wurde weitgehend an die von Leitlinien angelehnt, wobei „soll“
auf eine starke und „sollte“ auf eine mäßig starke Empfehlung hinweist. Diese Handlungsempfehlungen
werden mit
Grundlagen für diese Empfehlung sowie mit relevanten Hintergrundinformationen hinterlegt
– zum besseren Verständnis der einzelnen Empfehlungen und/oder zu deren praktischer
Umsetzung.
3 Generelle Empfehlung
AGG-Empfehlung (1)
Patientinnen mit rheumatoiden Erkrankungen und Kinderwunsch sollten darüber aufgeklärt
werden, dass
aktive Inflammation – egal an welchen Manifestationsorten (z. B. Gelenke, Haut, innere
Organe wie Niere, Darm) – einen ungünstigen Prädiktor für den Schwangerschaftsverlauf
darstellt.
gute Kontrolle der Erkrankungsaktivität mit eindeutig besseren Schwangerschaftsverläufen
korreliert.
die Medikation mit dem Kinderwunsch/der Schwangerschaft abgestimmt werden muss und
dass ggf. auch eine (vorübergehende) sichere Kontrazeption sinnvoll ist.
Folsäure in erhöhter Dosis (5 mg/d) bei Frauen mit Risikofaktoren wie Diabetes, Adipositas,
anamnestischen Risikofaktoren für Neuralrohrdefekte sowie unter Sulfasalazin bereits
präkonzeptionell erforderlich ist.
bei erkennbaren Thrombembolierisiken eine entsprechende, nach Leitlinienvorgaben indivdualisierte,
Thrombembolieprophylaxe während Schwangerschaft- und/oder Stillzeit notwendig ist.
ASS 150 mg/d abends ab 11. SSW als Präeklampsieprophylaxe, bei einem Antiphospholipid-AK
Syndrom zusätzlich niedermolekulares Heparin empfohlen ist.
Hintergrundinformation
Anhand der Anamnese, klinischer und laborchemischer Untersuchungen können individuelle
Risiken identifiziert, eingeschätzt und ein Behandlungsplan aufgestellt werden. Auch
der Geburtshelfer
sollte die Grundzüge der serologisch-rheumatologischen Untersuchungsergebnisse sowie
die rheumatologischen Behandlungsstrategien kennen, um eine Frau mit Autoantikörpern
und/oder
entsprechender klinischer Diagnose betreuen und in ihren Risiken abschätzen zu können.
AGG-Empfehlung (2)
Geburtshelfer und Rheumatologen sollten (ggf. auch in Zusammenarbeit mit Hämostaseologen,
Nephrologen und Kardiologen) bereits vor der Konzeption die Schwere der Erkrankung,
deren Aktivität
und kompatible Medikamente prüfen sowie die Patientin über ihr individuelles Risikoprofil
bezüglich Schwangerschaftskomplikationen aufklären.
AGG-Empfehlung (3)
Frauen mit SLE, Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, Sjögren-Syndrom, systemischer
Sklerose und rheumatoider Arthritis sollten mindestens einmal vor oder im 1. Trimenon
auf für die
Schwangerschaft relevante Autoantikörper (SS-A/SS-B, Lupusantikoagulans, Anti-Cardiolipin,
Anti-β2-Glykoprotein I) getestet werden.
AGG-Empfehlung (4)
Bei ungeplanter Schwangerschaft sollte umgehend eine entsprechende Expertise (RheumatologIn,
GeburtshelferIn) hergestellt werden, um Medikation und Schwangerschaftsrisiken sowie
entsprechende Kontrollintervalle zu bestimmen.
4 Schwangerschaft bei Lupus erythematodes
4 Schwangerschaft bei Lupus erythematodes
4.1 Präkonzeptionelle Beratung
Hintergrundinformation
Große Studienkollektive zeigen eindeutig schlechtere Schwangerschaftsverläufe mit
vermehrt frühen Aborten, Frühgeburten und erhöhten Präeklampsieraten bei Schwangerschaften,
die während
einer aktiven Lupuserkrankung, insbesondere bei aktiven Lupusnephritiden ausgetragen
werden. Je länger der SLE in Remission und die Patientin unter adäquater Therapie,
desto besser die
Prognose [9 ].
Die Bedeutung der SLE-Aktivität für den Schwangerschaftsverlauf ist seit Langem bekannt.
Rheumatologen benutzen verschiedene Indices, um die Erkrankungsaktivität bestehend
aus verschieden
gewichteten klinischen und laborchemischen Parametern herauszuarbeiten. Hierbei findet
häufig Verwendung der sogenannte SLEDAI = Systemic Lupus Erythematodes Disease Index:
Ein Score ≥ 4 in
den 6 Monaten vor der Konzeption ist mit Erkrankungsschüben und Präeklampsien assoziiert
[9 ]. Zudem ist ein Schub in der Schwangerschaft prädiktiv für Früh-
oder Fehlgeburten. Das höchste Risiko für Frühgeburten und Präeklampsie besteht in
der Kombination von hoher klinischer und serologischer Aktivität (Hypokomplementämie
oder hohe
DNS-Antikörper) [10 ]. In einer US-amerikanischen prospektiven, multiethischen „PROMISSE“-Beobachtungsstudie
(= Predictors of Pregnancy Outcome: Biomarkers in
Antiphospholipid Antibody Syndrome and Systemic Lupus Erythematodes), wurden Vorhersagefaktoren
von Schwangerschaftskomplikationen bei Frauen mit stabilem SLE untersucht [11 ]. Ein Drittel der Patienten hatte eine zum Zeitpunkt der Schwangerschaft inaktive
Nierenbeteiligung ohne funktionelle Einschränkung, 60% nahmen
Hydroxychloroquin (HCQ) ein. Mehr als 80% der Schwangerschaften verlief ohne Komplikationen.
Verluste von Schwangerschaften bzw. Frühgeburten im Rahmen hypertensiver Komplikationen
traten
bei 19% der Frauen auf. Prädiktoren für ein schlechtes Outcome waren eine höhere klinische
SLE-Aktivität bei Konzeption, ein positives Lupusantikoagulanz, nicht weiße Ethnizität,
die
Verwendung von Antihypertensiva und eine Thrombozytopenie. Die Vorgeschichte einer
Lupusnephritis (LN) und ein niedriges C4-Komplement in der Frühschwangerschaft waren
unabhängig voneinander
mit einem renalen Schubrisiko assoziiert [8 ], [12 ]. Die Erstmanifestation einer Lupusnephritis war mit 2% selten [12 ].
Eine brasilianische Untersuchung an Frauen mit proliferativer Klasse-III/IV-Lupusnephritis
zeigte mehr SLE-Schübe und Aktivitäten während der Schwangerschaft und auch nach der
Geburt, was
zu signifikant häufigeren Krankenhausaufenthalten und Präeklampsien führte [8 ], [13 ].
Zusammengefasst ist das Risiko für einen renalen Schub am höchsten, wenn Frauen in
der Frühschwangerschaft eine aktive LN zeigen. Das Risiko ist am geringsten bei Frauen
mit längerer
Remission.
Günstig ist die Planung einer Schwangerschaft bei inaktiver LN (mindestens 6 Monate
unter einer mit der Schwangerschaft kompatiblen Therapie) mit Proteinuriewerten < 0,5 g/24 h,
normaler
Nierenfunktion und normalem Blutdruck [8 ].
AGG-Empfehlung (5)
Eine Schwangerschaft sollte – in Abhängigkeit von mütterlichen Faktoren (z. B. Nierenbeteiligung)
– bei mindestens 6 Monaten inaktivem bzw. mild-moderat stabilem SLE geplant werden.
4.2 Präeklampsierisiko
Hintergrundinformation
Das Präeklampsierisiko ist deutlich höher bei Frauen mit SLE. Bei Frauen mit LN und
Antiphospholipid-Antikörpern ist es noch höher [14 ]. Eine systematische
Literaturrecherche (10 Studien mit 6389 SLE-Patientinnen) bestätigt ein etwa 3-fach
erhöhtes Präeklampsierisiko im Vergleich zu gesunden Kontrollen [15 ].
Innerhalb eines kalifornischen Geburtenregisters waren beim SLE hypertensive Schwangerschaftskomplikationen
mit verantwortlich für etwa 30% der Frühgeburten und „Small for Gestational
Age“-Kinder [16 ]. Daten eines norwegischen Geburtenregisters zeigten zudem, dass die Wahrscheinlichkeit
einer PE bei aktivem SLE versus inaktivem SLE deutlich
erhöht ist [17 ]. LN, höhere Glukokortikoiddosen, Antiphospholipid-Antikörper und arterielle Hypertonie
stellen somit Risikofaktoren dar [8 ].
AGG-Empfehlung (6)
Eine Patientin mit SLE, insbesondere bei zusätzlich vorliegenden Antiphospholipid-Antikörpern
soll über ein etwa 3-fach erhöhtes Präeklampsierisiko gegenüber gesunden Frauen aufgeklärt
werden (damit verbunden FGR, IUGR, IUFT, Plazentainsuffizienz- und Frühgeburtsrisiken).
4.3 Präpartales Management
4.3.1 Immunsuppression während Schwangerschaft
Die EULAR publiziert regelmäßig evidenzbasierte Empfehlungen zur Therapie in Schwangerschaft
und Stillzeit [4 ]. Idealerweise werden bei einer Patientin mit
SLE, eine kompatible Immunsuppression und HCQ in der Schwangerschaft fortgesetzt.
Kontrollierte Studien haben gezeigt, dass Frauen, die HCQ in der Schwangerschaft fortsetzen,
weniger
Schübe aufweisen und weniger Steroide benötigen [18 ]. In einer retrospektiven klinischen Beobachtung war die Präeklampsierate bei SLE-Patientinnen,
die HCQ
fortsetzen, niedriger (7,5 vs. 19,7, p = 0,032) und das Gewicht der Neugeborenen höher
(2757 vs. 2542 g, p = 0,01) als bei Frauen, die HCQ abgesetzt hatten [19 ]. Eine Metaanalyse, die 7 prospektiv erhobene Kohorten mit insgesamt 668 Lupuspatientinnen
in Schwangerschaften bezüglich HCQ analysierte, zeigte statistisch signifikant positive
Effekte auf eine verminderte Lupusaktivität, wenn HCQ in der Schwangerschaft eingenommen
wurde, jedoch keinen Effekt auf das Schwangerschafts-Outcome [20 ].
Weitere Studien weisen auf das Risiko von Frühgeburten und Thrombosen bei SLE-Patientinnen
hin [21 ].
Wenn die Gabe von Prednison in der Schwangerschaft dauerhaft notwendig ist, wird eine
möglichst niedrige Dosis (≤ 7,5 mg/d) empfohlen. Höhere Dosen oder die Gabe von Methylprednisolon
sowie der Einsatz anderer immunsuppressiver Substanzen wie Azathioprin und Calcineurininhibitoren
(wie Ciclosporin A, Tacrolimus) können nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Analyse zur
Therapie von Schüben bzw. zur notwendigen Immunsuppression erfolgen [2 ], [8 ].
AGG-Empfehlung (7)
Beim SLE soll (falls notwendig eine kompatible Immunsuppression und) bereits präkonzeptionell
begonnenes HCQ in der Schwangerschaft fortgesetzt werden.
4.3.2 Präeklampsieprophylaxe während Schwangerschaft
Die Wahrscheinlichkeit einer PE wird bei Risikopatientinnen für PE durch die prophylaktische
Gabe von 150 mg ASS um mehr als 60% reduziert. In der ASPRE-Studie erhielten Frauen
mit
erhöhtem PE-Risiko doppelt blind entweder ASS (150 mg/d) oder Placebo (ab 11. – 14.
bis 36. SSW). Der primäre Endpunkt, eine PE mit Entbindung vor der 37. SSW, trat bei
1,6% (13/798) in
der ASS-Gruppe auf, verglichen mit 4,3% (35/822) in der Placebogruppe (OR in der ASS-Gruppe
0,38; 95%-KI 0,2 – 0,74) [22 ]. Es gibt einen dosisabhängigen
Effekt mit hohen Resistenzraten gegenüber der Wirkung von ASS auf die Thrombozytenfunktion
bei Dosen von weniger als 100 mg/d [23 ]. Zudem scheint die
Einnahme vor dem Schlafengehen von Vorteil [24 ].
AGG-Empfehlung (8)
Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) soll allen Frauen (ab 11. – 14. SSW bis
zur vollendeten 36. SSW) mit SLE zur PE-Prophylaxe (150 mg abends eingenommen) empfohlen
werden.
4.3.3 Verlaufskontrollen während Schwangerschaft
Auffälligkeiten im C-reaktiven Protein, der Blutsenkungsgeschwindigkeit, dem Differenzialblutbild,
der Urinanalyse inklusive Protein/Kreatinin-Ratio sowie Anti-DNS, Komplementverbrauch
mit sinkenden C3- oder C4-Werten, Transaminasen und LDH können einen Lupusschub auch
bei der (noch) asymptomatischen Patientin anzeigen. Lupus-Aktivitäts-Indices wurden
mittlerweile auch
für an Lupus erkrankte Schwangere validiert (u. a. der LAI-P oder BILAG2004-Pregnancy
Index [25 ], [26 ]. Zur
Differenzialdiagnose Präeklampsie kann mit den Angiogenesemarkern sFlt1/PlGF ein Hinweis
auf eine plazentare Beteiligung gewonnen werden. In einer prospektiv durchgeführten
multizentrischen Beobachtungsstudie (PROMISSE) wurden als prognostisch relevante Vorhersagefaktoren
zum Ausgang einer Schwangerschaft neben dem anamnestischen Zustand nach Thrombose,
perikonzeptioneller Lupusaktivität, nicht weißer Ethnizität, die Notwendigkeit von
Antihypertensiva und Thrombopenie, im 1. Trimenon der sFlt1 sowie im 2. Trimester
der sFlt1/PlGF-Quotient
als stärkste Prädiktoren für den Schwangerschaftsausgang herausgearbeitet [27 ].
AGG-Empfehlung (9)
Die SLE-Erkrankungsaktivität sollte mindestens einmal pro Trimester mittels Anamnese,
klinischer Untersuchung und Labortests getestet werden, da ein Lupusschub die mütterliche
und
Gesamtprognose der Schwangerschaft erheblich beeinflussen kann.
Aufgrund des erhöhten Präeklampsie- und damit erhöhten fetalen Wachstumsrestriktionsrisikos
(s. o.):
AGG-Empfehlung (10)
Eine Patientin mit SLE soll neben dem Routine-Ultraschallscreenig im 3. Trimenon mindestens
alle 4 Wochen eine Biometrie und fetale sowie uterine Doppler-Sonografien erhalten.
Ein Erst-
und Zweittrimesterscreening inklusive Widerstandsmessung der Aa. uterinae sollte angeboten
werden.
AGG-Empfehlung (11)
Mittels sFlt1-Bestimmung im 1. Trimenon bzw. sFlt1/PlGF-Quotient im 2. und 3. Trimenon
kann man differenzialdiagnostisch eine plazentare Beteiligung prognostisch umschreiben.
5 Antiphospholipid-Antikörper/Lupusantikoagulanzien
5 Antiphospholipid-Antikörper/Lupusantikoagulanzien
Antiphospholipid-Antikörper (aPL-Ak) sind Immunglobuline (Ig) vom Isotyp G und M,
die in vivo an Phospholipid-Protein-Komplexe auf Membranoberflächen, beispielsweise
an das Endothel oder an
plazentare Oberflächen binden können. In vitro stören sie durch die Abbindung von
Phospholipiden funktionelle Gerinnungstests, was für die Diagnostik verwendet wird
und in Zusammenhang mit der
Assoziation u. a. zum Systemischen Lupus zum Namen „Lupusantikoagulanzien“ geführt
hat. Zusätzlich können sie auch direkt durch immunologische Tests (ELISA) nachgewiesen
werden; die im
klinischen Alltag wichtigsten Vertreter sind die Cardiolipin- und β2-Glykoprotein-I-Antikörper.
Klinisch wird der asymptomatische Nachweis von Phospholipid-Antikörpern vom Antiphospholipid-Syndrom
unterschieden. Das Antiphospholipid-Syndrom (APS) äußert sich entweder durch häufig
atypische venöse und arterielle Thromboembolien (insbesondere bei jungen Menschen,
ohne zuvor erkennbare Risikofaktoren, größere kardiovaskuläre Ereignisse, immune Thrombozytopenien)
oder
durch Schwangerschaftskomplikationen („geburtshilfliches APS“). Für die Diagnose müssen
bestimmte Kriterien erfüllt sein, u. a. der zweimalig positive Nachweis von Phospholipid-Antikörpern
oder/und von Lupusantikoagulanzien im Abstand von 12 Wochen [28 ].
Das Antiphospholipid-AK Syndrom (APS) kommt selten als primär eigenständiges (idiopathisches)
Krankheitsbild vor. Häufiger tritt es sekundär als „Begleitsymptom“ von Kollagenosen
(z. B. SLE),
rheumatischen Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis), Tumoren, Infektionen oder
in Folge von Medikamenteneinnahmen auf ([Abb. 1 ]) [29 ].
Abb. 1 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom – Genese.
Beim katastrophal verlaufenden APS kommt es innerhalb einer Woche zu thromboembolischen Manifestationen in mindestens 3 Gefäßprovinzen oder Organen. Die Mortalität liegt bei 50%.
Differenzialdiagnostisch sind vor allem eine disseminierte intravasale Koagulation
(DIC) und thrombotische Mikroangiopathien (TMA) abzuklären ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrome – Definitionen.
Für die Diagnose eines geburtshilflichen APS (GBH APS) werden neben der klinischen
Diagnose ([Tab. 1 ]) der serologische Nachweis eines Lupusantikoagulans
und/oder mittelhohe bis hohe Titer von IgG-/IgM-Cardiolipin-Antikörpern (AK) bzw.
IgG-/IgM-Antikörper gegen β2-Glykoprotein I gefordert [28 ].
Tab. 1 Laborchemische Definitionen/Risikoprofile, Daten aus [3 ].
aCL: Cardiolipinantikörper, aβ2-GP I: β2 Glykoprotein-I-Antikörper, aPL: Antiphospholipid-Antokörper,
Ig: Immunglobulin, ISTH: International Society on Thrombosis and Haemostasis,
LA: Lupusantikoagulans
laborchemische Definitionen/Risikoprofile von Antiphospholipid-Antikörpern für thrombembolische
oder Schwangerschaftskomplikationen
2-maliger Nachweis im Abstand von mindestens 12 Wochen gefordert
Definitionen (EULAR) laborchemische Risikokonstellationen für Thrombembolien oder
Schwangerschaftskomplikationen
hohes Risiko
Lupusantikoagulans (gemessen nach ISTH-Richtlinien) oder
aPL-Doppelpositivität (jede Kombination von LA, aCL oder aβ2-GP I) oder
aPL-Dreifachpositivität (Nachweis von LA, aCL und aβ2-GP I) oder
dauerhaft hohe aPL Titer
geringes Risiko
isolierte aCL oder aβ2-GP I in niedriger bis mittlerer Titerhöhe, insbesondere bei
nur transientem Nachweis
AGG-Empfehlung (12)
Bei Verdacht auf ein GBH-APS sollten Anti-β2-Glykoprotein IgG/IgM, Anti-Cardiolipin
IgG/IgM und Lupusantikoagulans als Antiphospholipid-Antikörper getestet werden.
Hintergrundinformation
Antiphospholipid-AKs sind in verschiedenen Studienkollektiven ausgeprägte Risikofaktoren
für erhebliche Schwangerschaftskomplikationen bis hin zum Verlust der Schwangerschaft,
insbesondere
bei Patienten mit SLE. Das Lupusantikoagulans zeigte in der PROMISSE-Studie [27 ] bei Frauen mit und ohne SLE das größte Risiko für
Schwangerschaftskomplikationen an (RR für „Adverse Pregnancy Outcome“ mit positiven
Lupusantikoagulanzien betrug 12,15, 95%-KI 2,92 – 50,54, p = 0,0006). Andere unabhängige
Risikofaktoren bei
aPL-positiven Frauen sind junges Alter, positive Thrombembolie-Anamnese sowie SLE.
Die European League against Rheumatism (EULAR) hat ein serologisches Hochrisikoprofil
für APS ([Tab. 1 ]) definiert [3 ].
Die Empfehlungen der EULAR zur Therapie bei Antiphospholipid-Antikörpern/Lupusantikoagulanzien
werden in Auszügen [3 ], [8 ]
übernommen ([Tab. 2 ]).
Tab. 2 Empfehlungen zur Therapie von Frauen mit Antiphospholipid-Antikörpern vor und in
der Schwangerschaft (Daten aus [3 ], [8 ]).
APS: Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom, aPL: Antiphospholipid-Antikörper, HCQ: Hydroxychloroquin,
LMWH: niedermolekulares Heparin, LoE: Evidenzlevel, SSW: Schwangerschaftswoche,
SLE: systemischer Lupus erythematodes
Primärprophylaxe bei aPL-positiven Frauen außerhalb der Schwangerschaft
nicht schwanger
Für asymptomatische aPL-Trägerinnen (die keine vaskulären oder geburtshilflichen APS-Kriterien
erfüllen) mit einem Hochrisiko-aPL-Profil mit oder ohne traditionelle Risikofaktoren
wird eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter ASS (75 – 100 mg/d) empfohlen.
Frauen mit SLE ohne bisherige Thrombembolien oder Schwangerschaftskomplikationen
Bei Hochrisiko-aPL-Profil wird eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter
ASS (75 – 100 mg/d) empfohlen.
Bei Niedrigrisiko-aPL-Profil kann eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter
ASS (75 – 100 mg) empfohlen werden.
Bei nicht schwangeren Frauen mit der Vorgeschichte eines rein geburtshilflichen APS
(mit oder ohne SLE) wird eine prophylaktische Therapie mit niedrig dosierter ASS nach
entsprechender Nutzen-Risiko-Abschätzung (aPL-Profil, weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren,
Verträglichkeit von ASS) empfohlen.
Therapie von aPL-positiven Frauen in der Schwangerschaft
schwanger
Bei Frauen mit Hochrisiko-aPL-Profil, aber ohne Vorgeschichte von Thrombosen oder
Schwangerschaftskomplikationen (mit oder ohne SLE) sollte eine Therapie mit niedrig
dosierter ASS
während der Schwangerschaft in Betracht gezogen werden.
Frauen mit ausschließlich Schwangerschaftskomplikationen eines APS in der Anamnese
(keine thrombotischen Ereignisse), mit oder ohne SLE:
Bei Vorgeschichte von > 3 wiederholten spontanen Fehlgeburten < 10. SSW und/oder bei
Fehlgeburt nach der 10. SSW (ohne sonstige Ursache) wird eine kombinierte Gabe von
niedrig dosierter ASS (150 mg/d) und LMWH prophylaktisch während der Schwangerschaft
empfohlen.
Bei Vorgeschichte einer Entbindung < 34. SSW aufgrund von Eklampsie, schwerer Präeklampsie
oder Plazentainsuffizienz wird eine Behandlung mit niedrig dosierter ASS oder
Kombination von ASS (150 mg/d) und LMWH prophylaktisch unter Berücksichtigung des
individuellen Risikoprofils empfohlen.
Bei für die klinischen Kriterien nicht ausreichender geburtshilflicher Vorgeschichte
eines APS, wie z. B. 2 rezidivierende spontane Fehlgeburten < 10. SSW oder Entbindung
≥ 34. SSW aufgrund einer schweren Präeklampsie oder Eklampsie, kann eine Behandlung
allein mit niedrig dosierter ASS (150 mg/d) allein oder in Kombination mit LMWH in
Betracht
gezogen werden, dies basierend auf dem individuellen Risikoprofil.
Bei Therapie mit LMWH in prophylaktischer Dosierung während der Schwangerschaft bei
geburtshilflichem APS sollte ein Fortsetzen des LMWH in prophylaktischer Dosis für
6 Wochen
nach der Geburt in Betracht gezogen werden, um das Risiko einer maternalen Thrombose
zu verringern.
Bei Frauen mit Kriterien eines geburtshilflichen APS und wiederholten Schwangerschaftskomplikationen
trotz Kombination von LMWH und niedrig dosierter ASS (150 mg/d) kann
eine Erhöhung auf therapeutische LMWH-Dosis oder
die Zugabe von HCQ oder
niedrig dosiert Prednisolon im 1. Trimenon oder
die Gabe intravenöser Immunglobuline in sehr speziellen Fällen in Betracht gezogen
werden.
Bei APS-Patientinnen mit Thrombembolien in der Vorgeschichte wird die Kombination
von niedrig dosierter ASS und LMWH in therapeutischer Dosis während der Schwangerschaft
und im
Wochenbett empfohlen.
6 Neonatales Lupussyndrom (bei mütterlichen Autoantikörpern ohne oder mit Sjögren-Syndrom)
6 Neonatales Lupussyndrom (bei mütterlichen Autoantikörpern ohne oder mit Sjögren-Syndrom)
Die maternalen Autoantikörper SS-A (Ro52/Ro 60) bzw. SS-B (La/47kd Protein) sind beim
Kind (im Sinne einer passiv erworbenen Autoimmunkrankheit) mit dem Risiko eines neonatalen
Lupus (NL)
assoziiert. Das Risiko steigt, wenn hohe maternale Antikörpertiter (> 50, vor allem
> 100 U/l) vorliegen bzw. beide Autoantikörper nachweisbar sind [30 ], [31 ].
Diese Autoantikörper kommen überwiegend bei Frauen mit Sjögren-Syndrom, aber auch
bei Patientinnen mit SLE, rheumatoider Arthritis sowie bei klinisch gesunden Schwangeren
vor ([Abb. 3 ]). Das Kind wird während seiner intrauterinen Entwicklung transplazentar passiv ab
etwa der 11. SSW von den maternalen Autoantikörpern attackiert. Dies kann
nicht nur im Rahmen von vulnerablen kardialen Entwicklungsstadien (zumeist zwischen
16. – 24. SSW) zu Myokarditis, Kardiomyopathie und irreversiblem fibrotischen Umbau
des AV-Knotens, sondern
auch zu kutanen Krankheitszeichen, Leberschäden und (Pan-)Zytopenien beim Neugeborenen
führen [30 ], [32 ], [33 ] ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Vorkommen von Autoantikörpern gegen Sjögren-Syndrom-Autoantigene.
Klinik
fetaler AV-Block (CHB), Myokarditis, Kardiomyopathie
postnatal innerhalb der ersten Lebenswochen auftretende Lupus-typische Hautefflorezenzen
(häufig UV-Licht-getriggert)
selten: Anämie, Leuko-/Thrombopenie, Leberschäden
AGG-Empfehlung (13)
Frauen mit SS-A und/oder SS-B-Antikörpern sollten über ein CHB-/konnatales Lupus-Risiko
von 0,7 – 2% aufgeklärt werden. Wurde bereits ein Kind mit CHB/konnatalem Lupus geboren,
sollte über
ein deutlich höheres Risiko von 15 – 20% aufgeklärt werden.
6.1 Kongenitaler AV-Block, kardiale Beteiligung
Klinisch am wichtigsten ist die kardiale Form des NL: ein irreversibel fibrotischer
Umbau des AV-Knoten-Bereichs mit kongenitalem AV-Block (CHB). Das CHB-Risiko von Kindern
SS-A/SS-B-AK-positiver Mütter liegt in der Erstgravidität bei 0,7 – 2%. Das Rezidivrisiko
(bereits ein Kind mit NL/CHB geboren) liegt deutlich höher bei 15 – 20% [8 ], [32 ]. Die meisten CHB werden intrauterin zwischen der 20. und 24. SSW diagnostiziert.
Die Gesamtmortalität liegt bei etwa 20%, davon stirbt ein
Viertel intrauterin, knapp die Hälfte der Kinder sterben in den ersten 3 Lebensmonaten.
Bei zwei Drittel ist im frühkindlichen Verlauf eine Schrittmacherversorgung erforderlich.
Die
kumulative 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Lebendgeborenen mit CHB
liegt bei etwa 85%. Die Prognose wird vor allem durch eine begleitende Kardiomyopathie
(myofibrotischer
Umbau des kardialen Muskelgewebes/Myokarditis) bestimmt [8 ], [32 ].
Ein CHB entsteht innerhalb kürzester Zeit (< 24 h) und ist mit bisher getesteten Untersuchungsmethoden
(wie der mechanischen PR-Zeitmessung oder seriellem Heimmonitor) weder zuverlässig
vorhersagbar [34 ] noch (im Idealfall reversibel) therapierbar [35 ]. Die meisten CHB werden zum Zeitpunkt des
Zweittrimesterscreenings entdeckt. Die Diagnose eines fetalen CHB zieht nach derzeitigem
Kenntnisstand keine direkte klinische Konsequenz im Sinne von medikamentöser Therapieinduktion
nach
sich [36 ]. Somit führen serielle Echokardiografien bei Frauen mit „nur“ SS-A/SS-B Positivität
ohne ein Kind mit NL oder CHB in der Vorgeschichte zu unnötigem
Verbrauch von Ressourcen und maternaler Beunruhigung. Bei Frauen mit hohen Risiken
für CHB wird das serielle Screening jedoch empfohlen.
Serielle echokardiografische Kontrollen des Fetus mit CHB sowie die Entscheidung,
wann entbunden werden muss, obliegen dem Geburtshelfer zusammen mit dem Neonatologen.
Das Setting rund um
die Geburt muss bei Kindern mit CHB interdisziplinär gebahnt werden.
AGG-Empfehlung (14)
Bei Frauen mit positiven SS-A und/oder SS-B-Antikörpern sollte ein Zweit- und ein
Drittrimesterscreening inklusive fetaler Echokardiografie erfolgen. Zum Zeitpunkt
der Routinekontrollen
im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinien sollte alle 4 Wochen ein Bradykardiescreening
erfolgen (z. B. durch Auskultation, CTG oder Ultraschall).
AGG-Empfehlung (15)
Bei Frauen, die bereits ein Kind mit kongenitalem AV-Block (CHB) und/oder neonatalem
Lupus geboren haben, sollten ab der 16. bis 24. SSW wöchentliche Kontrollen der fetalen
Herzfrequenz
sowie ein Zweit- und Drittrimesterscreening inklusive fetaler Echokardiografie erfolgen.
AGG-Empfehlung (16)
Ein Kind mit kongenitalem AV-Block (CHB) soll in einem Perinatalzentrum Level I mit
der Möglichkeit einer unmittelbaren kardiologischen Notfallversorgung entbunden werden.
AGG-Empfehlung (17)
Ein kardial in der Schwangerschaft gesund erscheinendes Kind einer Mutter mit SS-A/SS-B-Antikörpern
sollte postnatal ein EKG erhalten.
6.2 Kutaner neonataler Lupus
Das Neugeborene kann innerhalb der ersten Lebenswochen lupustypische Hautefflorezenzen
entwickeln, die durch ein (passiv erworbenes) antikörpervermitteltes Autoimmungeschehen
mit
histopathologischen Befunden wie bei einem kutanen Lupus erythematodes einhergehen.
Sehr viel seltener werden Coombs-positive hämolytische Anämien, Thrombo-, Leukopenien
oder
Organbeteiligungen (durch z. B. Transaminasenerhöhungen) diagnostiziert. Zumeist sind
diese Veränderungen selbstlimitierend im Verlauf innerhalb von 6 – 9 Monaten.
In prospektiven Untersuchungen trat ein kutaner NL bei 16 – 40% der Kinder auf [37 ], [38 ]. Meist sind die Hauterscheinungen
reversibel. In einer retrospektiven Untersuchung fanden sich jedoch Folgeerscheinungen
bei 34% von 106 Kindern mit NL (13% hatten Teleangieektasien, 17% Pigmentierungsstörungen,
9%
atrophische Narben) [39 ].
AGG-Empfehlung (18)
Bei Frauen, die bereits ein Kind mit CHB und/oder neonatalem kutanen o. a. Organsysteme
betreffenden Lupus geboren haben, sollten ab der 16. bis 24. SSW wöchentliche Kontrollen
der
fetalen Herzfrequenz sowie ein Zweit- und Drittrimesterscreening inklusive fetaler
Echokardiografie erfolgen.
6.3 Medikamentöse Therapie
Das Antimalariamittel Hydroxychloroquin (HCQ) wird seit Jahrzehnten als gut tolerierte
immunmodulierende Substanz in der Therapie des SLE eingesetzt. Es vermindert sowohl
die
Erkrankungsaktivität als auch die notwendige Glukokortikoiddosis. Bei HCQ vermutet
man eine Halbwertszeit von 50 – 60 Tagen (wahrscheinlich durch lange Bindung in Geweben
bedingt) und –
niedrig dosiert (< 5 mg/kg/d) – eine relativ geringe Toxizität: Das Retinopathie-Risiko
wird am häufigsten diskutiert; es scheint kumulativ dosisabhängig nach 10 Jahren Einnahme
bei etwa
2% zu liegen. Aus diesem Grund werden vor bzw. zu Beginn der Therapie und später im
Therapieverlauf jährliche augenärztliche Untersuchungen empfohlen [40 ].
Registerdaten zeigten unter mütterlicher HCQ-Therapie ein um mehr als 60% reduziertes
Rezidivrisiko eines CHBs [36 ]. Eine prospektive Phase-II-Studie hat
diese Daten kürzlich bestärkt: Eingeschlossen wurden 54 Frauen, die bereits ein Kind
mit CHB in der Vorgeschichte entbunden hatten. Ihnen wurde HCQ (400 g/d) vor der 10. SSW
verabreicht.
Vier von 54 (7,4%) Feten entwickelten einen 2° oder 3 ° CHB. Somit war die Rate an
CHB signifikant (p = 0,02) niedriger als in historischen Kohorten [41 ].
Auch im Wochenbett scheint HCQ einen protektiven Effekt auf die Krankheitsaktivität
eines SLE zu haben, sodass für HCQ – zumindest bei zusätzlich bestehendem SLE – die
weitere Einnahme
diskutiert werden sollte [42 ].
AGG-Empfehlung (19)
Bei Frauen, die bereits ein Kind mit CHB und/oder neonatalem Lupus geboren haben,
soll spätestens ab 10. SSW mit 400 mg/d HCQ bis zum Ende des Wochenbettes behandelt
werden.
AGG-Empfehlung (20)
Bei Frauen mit positiven SS-A- und/oder SS-B-Antikörpern sollte die prophylaktische
Therapie mit 400 mg/d HCQ diskutiert und großzügig empfohlen werden.
7 Peripartales Management
7 Peripartales Management
AGG-Empfehlung (21)
Die Betreuung einer rheumatisch erkrankten Frau sollte als Risikoschwangerschaft analog
einer Präeklampsie-/Plazentainsuffizienz-gefährdeten Frau erfolgen.
AGG-Empfehlung (22)
Es besteht keine Indikation zur Geburtseinleitung oder elektiven Sectio bei asymptomatischer
rheumatologischer Erkrankung, eine Geburtseinleitung ab 39 + 0 SSW kann angeboten
und empfohlen
werden. Bei aktiven, symptomatischen Erkrankungen muss individuell entschieden werden.
8 Postpartales Management
8 Postpartales Management
8.1 Medikation
Es gibt einige Studiendaten, die auf eine erhöhte SLE-Schubrate postpartal hinweisen
[43 ], [44 ]. Zusätzlich zu beachten ist
das vor allem beim Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom häufig erhöhte, individuelle
Thromboserisiko der Patientin. Hier verweisen wir auf aktuelle Leitlinien und Empfehlungen
der
Fachgesellschaften [45 ].
AGG-Empfehlung (23)
Die SLE-spezifische Medikation soll während Schwangerschaft und Wochenbett verabreicht
werden. Rheumatologische Kontrolluntersuchungen 12 und 24 Wochen postpartal sollen
empfohlen
werden.
AGG-Empfehlung (24)
Wenn keine peripartale Infektion anderer Ursache vorliegt, können Biologika (wie z. B.
TNF-α oder IL-Inhibitoren) 24 h nach vaginaler Geburt und 48 h nach Sectio cesarea
wieder begonnen
werden.
8.2 Stillen
AGG-Empfehlung (25)
Frauen soll das Stillen für mindestens 6 bis 12 Monate empfohlen werden. Die erkrankungsspezifische
Medikation soll mit für die Laktation kompatiblen Medikamenten fortgesetzt werden.
Das Raynaud-Phänomen der Brustwarze (extrem schmerzhafte transiente Ischämie mit zunächst
weißlicher, dann bläulicher gefolgt von roter Hautverfärbung periareolär und/oder
im Bereich der
Brustwarze) wird in der Literatur als unter-, oft fehldiagnostizierte Problematik
bei Schwangeren und stillenden Müttern erwähnt. Hierzu liegen Fallberichte, aber keine
systematischen
Untersuchungen vor [46 ], [47 ]. Mögliche Triggerfaktoren können digital initiierte Vasospasmen, Kälte und Stress
sein. Es ist
anzunehmen, dass Frauen mit rheumatischen Erkrankungen, bei denen das Raynaud-Phänomen
von Fingern und Zehen oft zur Symptomatik ihrer Grunderkrankung gehört, davon häufiger
betroffen sind.
Die Sympotomatik ist relativ einfach mit Wärme, ggf. mit vasodilatativen Substanzen
wie Nifedipin (10 – 60 mg retard) zu therapieren [48 ].
AGG-Empfehlung (26)
Das Raynaud-Phänomen der Brustwarze sollte bei rheumatisch erkrankten Schwangeren
aktiv erfragt, aufgeklärt und ggf. therapiert werden.
Eine Übersicht zu den Empfehlungen zum perikonzeptionellen, Schwangerschafts- und
postpartalen Management wurden von Fischer-Betz und Haase [8 ] erarbeitet und
den Autoren der AGG-Empfehlungen ergänzt ([Tab. 3 ]).
Tab. 3 Empfehlungen zu Untersuchungen und Maßnahmen vor Konzeption und in und nach der Schwangerschaft
bei systemischem Lupus erythematodes (SLE), Daten aus
[8 ], mit geburtshilflich relevanten Empfehlungen ergänzt.
a SLEDAI = Systemic Lupus Erythematodes Activity Index, ein Score > 4 in den 6 Monaten
vor Konzeption ist mit erhöhter Wahrscheinlichkeit von Schüben/Präeklampsien
assoziiert [1 ].
b Doppler-Sonografie Aa. uterinae zur Abschätzung des individuellen Präeklampsierisikos.
c Biometrie.
d sFlt/PlGF-Quotient zur Abschätzung und Differenzialdiagnose einer plazentaren Beteiligung
am Krankheitsgeschehen.
vor Konzeption
allgemein
vorangegangene Schwangerschaften/Schwangerschaftskomplikationen?
Komorbiditäten (z. B. Hypertonie, Diabetes, thrombembolische Ereignisse)?
Impfschutz?
Folsäure 4 bis 12 Wochen vor geplanter Konzeption
Vitamin-D-Substitution (ggf. Spiegel bestimmen)
SLE-spezifisch
Schwere der Erkrankung (v. a. renal, pulmonal, kardial – ggf. interdisziplinäre Zusammenarbeit
bzw. Kontraindikationen prüfen) – Dokumentation des letzten kardiopulmonalen Checks,
ggf. aktualisieren? Aktuelle Nierenwerte?
SLE-Aktivität aktuell bzw. in den letzten 6 bis 12 Monaten (idealerweise mit validiertem
Instrument, z. B. SLEDAI; Ziel SLEDAI ≤ 4)a
medikamentöse Therapie: Kontraindikationen? → Umstellung
Hydroxychloroquin fortsetzen oder ggf. neu beginnen
Labor: Blutsenkungsgeschwindigkeit (vor Schwangerschaft)/C-reaktives Protein, Blutbild
inklusive Thrombozyten, Kreatinin/Kreatininclearance, LDH, CK, Leberwerte
Urinstatus, ggf. Eiweißausscheidung (Protein/Kreatininratio)
Komplement (C3 und C4 oder CH50), DNS-AK, SS-A/SS-B-AK, Antiphospholipid-AK, Lupusantikoagulans
in der Schwangerschaft
in jedem Trimenon:
Überprüfung der Aktivität (idealerweise mit validiertem Instrument, z. B. SLEDAI)
Überprüfung/Anpassung der Therapie
Low-Dose Aspirin (150 mg/d) zur Präeklampsieprophylaxe, Beginn spätestens zwischen
11. – 16. SSW bis zur vollendeten 36. SSW
bei dauerhafter Glukokortikoideinnahme: 75 g oGTT-Screening-Test
Routineultraschallscreenings, zusätzliche Empfehlung zu
Ersttrimesterscreening inklusive Aa.-uterinae-Doppler-Sonografieb
Zweittrimesterscreen inklusive Aa.-uterinae-Doppler-Sonografieb
Drittes Trimester: monatliche Biometrie und feto-(maternale) Doppler-Sonografieb,c , ggf. Intensivierung bei Wachstumsabflachung/fetaler Wachstumsretardierung, ggf.
Zusatzuntersuchung mittels sFlt1/PlGF-Quotientd
SS-A/SS-B-positive Frauen erhalten bei jeder fachärztlichen Untersuchung ein fetales
Bradykardiescreening; eine Echokardiografie beim Erst-, Zweit-, Drittrimesterscreening
ist
empfohlen.
SS-A/SS-B-positive Frauen: Aufklärung über 1 – 2% Wahrscheinlichkeit neonatales Lupussyndrom
(AV-Block/Myokarditis, kutaner Lupus)
postpartal
SS-A/SS-B-positive Frauen: Neugeborene sollten ein EKG erhalten.
Nach 12 und 24 Wochen Überprüfung der SLE-Aktivität.
9 Rheumatoide Arthritis (rA), seronegative Spondylarthritis (SpA), Psoriasisarthritis
(PsA)
9 Rheumatoide Arthritis (rA), seronegative Spondylarthritis (SpA), Psoriasisarthritis
(PsA)
Ein systematischer Review sowie die damit kombinierte Metaanalyse konnten zeigen,
dass sich die Erkrankungsaktivität der rA in 60% während einer Schwangerschaft verbessert,
jedoch in knapp
50% post partum wieder verschlechtert [49 ]. Eine andere Metaanalyse konnte zeigen, dass im Vergleich zur gesunden Population
um den Faktor 1,4 bis 2,2-fach
erhöhte Risiken für das fetomaternale Outcome (wie erhöhte Spontanabortrate, Gestationshypertonie-,
Präeklampsie, SGA-/FGR, Frühgeburtsrisiken) bestehen [50 ].
Weniger Daten existieren zur PsA, die in etwa ⅓ der Fälle während einer Schwangerschaft
stabil verläuft, während ⅓ exazerbiert und ⅓ sich verbessert [51 ].
Genauso zeigt die Datenlage zur SpA kontroverse, sehr variable (von stabil bis exazerbierende)
Verläufe in Schwangerschaften. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sich ein erheblicher
Anteil der
Patientinnen in den postpartalen Monaten wieder verschlechtern kann [52 ]. Auch hier sind schwangerschafts- und stillzeitkompatible Medikamente zur Kontrolle
der
Krankheitsaktivität von entscheidender Bedeutung ([Tab. 4 ]). In den letzten Jahren erfolgt ein Paradigmenwechsel bezüglich der seit über 20
Jahren u. a. zur
Therapie der hier besprochenen Arthritiden eingesetzten TNF-α-Inhibitoren: Die meisten
dieser Substanzen haben IgG-Strukturen (Infliximab, Adalimumab, Golimumab, Etanercept)
und gelangen durch
die Plazenta zum Feten, wobei Etanercept aufgrund der besonderen Molekülstruktur einen
geringeren Übertritt in den kindlichen Kreislauf aufweist. Den geringsten Übertritt
in den kindlichen
Kreislauf besitzt der TNF-Blocker Certolizumab pegol, das aus einem gegen TNF gerichteten
pegylierten Fab-Fragment besteht. Trotzdem sollte eine gut auf einen anderen TNF-Blocker
eingestellte
Patientin nicht auf Certolizumab pegol umgestellt werden. Certolizumab pegol kommt
aber infrage, wenn in der Schwangerschaft oder bei Kinderwunsch eine TNF-α-Therapie
erstmals neu begonnen
werden soll [53 ].
Tab. 4 Antirheumatische Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit. Daten aus: EULAR-Empfehlungen
[4 ], [8 ].
Medikament
Kommentara
Stillzeita
a Unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung, u. a. in Abhängigkeit von der Schwere und
Aktivität der Erkrankung und nach ausführlicher individueller Information der
Patientin.
b Basierend auf Fallserien ungeplanter Schwangerschaften mit mütterlicher Exposition
im 1. Trimenon scheint es kein Muster von angeborenen Anomalien zu geben. Einsatz
in
der Schwangerschaft, wenn keine andere Therapie existiert, die die Krankheitsaktivität
ausreichend kontrolliert.
c Biologische DMARDs („Disease Modifying Antirheumatic Drugs“), zu denen keine oder
nur limitierte Daten zur Stillzeit vorliegen, sollten in der Stillzeit vermieden
werden, wenn die Erkrankungsaktivität mit anderen Therapien effektiv kontrolliert
werden kann. Basierend auf den pharmakologischen Eigenschaften von biologischen DMARDs
sollte vom
Stillen von der Verwendung dieser Substanzen nicht abgeraten werden, wenn keine anderen
Optionen verfügbar sind.
nicht selektive COX-Inhibitoren (klassische NSAIDs)
Im 1. und 2. Trimenon möglich.
kompatibel
selektive COX-Inhibitoren
Sollten vermieden werden.
Nur Celecoxib ist ausreichend untersucht und kompatibel.
Azathioprin
Fortsetzen, 2 mg/kg/d nicht überschreiten.
kompatibel
Ciclosporin
Fortsetzen, niedrigste effektive Dosis verwenden, 2 – 3,5 mg/kg/d nicht überschreiten.
kompatibel
Cyclophosphamid
Beim Menschen teratogen.
3 Monate vor geplanter Schwangerschaft absetzen (Einsatz bei lebensbedrohlichen Situation
ab 2. Trimenon erwägen).
keine Daten, vermeiden
Hydroxychloroquin
Wie außerhalb der Schwangerschaft dosieren.
kompatibel
Chloroquin
Wie außerhalb der Schwangerschaft dosieren.
kompatibel
Leflunomid
Im Tierversuch teratogen, sollte vermieden werden.
Beim Menschen keine ausreichenden Daten, Auswaschen vor geplanter Schwangerschaft.
keine Daten, vermeiden
Methotrexat
Beim Menschen teratogen, 1 – 3 Monate vor geplanter Schwangerschaft absetzen, danach
Folsäuresubstitution (1 – 5 mg/d) bis 1. Trimenon.
unzureichende Daten, vermeiden
Mycofenolat-Mofetil
Beim Menschen teratogen, mindestens 1,5 Monate vor geplanter Schwangerschaft absetzen.
keine Daten, vermeiden
Prednison, Prednisolon
Fortsetzen, niedrigste effektive Dosis verwenden.
kompatibel
Methylprednisolon
Im akuten Schub applizierbar.
Im akuten Schub applizierbar.
Sulfasalazin
Fortsetzen, 2 g/d nicht überschreiten + begleitend Folsäuresupplementation.
kompatibel
Tacrolimus
Fortsetzen, niedrigste effektive Dosis verwenden, Dosis ggf. an Plasmaspiegel adaptieren.
kompatibel
Colchicine
Fortsetzen, 1 mg/d nicht überschreiten.
kompatibel
intravenöses Immunglobulin
Fortsetzen.
kompatibel
Tofacitinib
Vermeiden, 2 Monate vor Konzeption absetzen.
keine Daten, vermeiden
Infliximab
Fortsetzen bis 20. SSW, streng indiziert auch in gesamter Schwangerschaft möglich.
kompatibel
Adalimumab
Fortsetzen bis 20. SSW, streng indiziert auch in gesamter Schwangerschaft möglich.
kompatibel
Golimumab
Limitierte Datenlage, bei fehlender Alternative streng indiziert auch in gesamter
Schwangerschaft möglich.
kompatibel
Etanercept
Fortsetzen bis 30. – 32 SSW, streng indiziert auch in gesamter Schwangerschaft möglich.
kompatibel
Certolizumab
Fortsetzen.
kompatibel
Rituximab
Begrenzte Datenb .
Bevorzugt zu anderer Therapie wechseln oder Gabe kurz vor Konzeption anstreben. Bei
Gaben im 2. und 3. Trimenon kann es zur B-Zell-Depletion beim Kind kommen.
begrenzte Datenc
Anakinra
Kann bei fehlenden Alternativen fortgesetzt werden.
keine Daten, vermeiden
Ustekinumab
Limitierte Evidenz – falls möglich alternative Medikation wählen.
keine Daten, vermeiden
Belimumab
Begrenzte Datenb .
Bevorzugt zu anderer Therapie wechseln, es existiert in Deutschland ein Belimumab-Schwangerschaftsregister.
keine Datenc
TNF-Blocker können noch Monate nach der Geburt noch in geringer Konzentration im Kind
nachweisbar sein, weshalb sie – bei stabilen Verläufen – im 3. Trimenon abgesetzt
und nach der Geburt
wieder angesetzt werden. Langzeitdaten der Kinder über 2 – 5 Lebensjahre hinaus existieren
nicht, jedoch gibt es bislang keine Daten, die auf einen negativen, immunkompromittierenden
Effekt
hinweisen. Sicherheitshalber sollen intrauterin exponierte Kinder in den ersten Lebensmonaten
nicht mit Aktivimpfstoffen geimpft werden [54 ], [55 ]. Die EULAR empfahl im Jahr 2022 Adalimumab und Infliximab um die 20. SSW, Etanercept
zwischen 30 – 32. SSW abzusetzen und mit geringer Evidenz, Certolizumab
pegol in indizierten Fällen auch die ganze Schwangerschaft hindurch zu applizieren
[53 ].
Antizelluläre Antikörper wie SS-A und SS-B, die mit o. a. Schwangerschaftskomplikationen
und Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, sollten auch bei der rA überprüft
werden ([Abb. 3 ]).
AGG-Empfehlung (27)
Frauen mit rA, SpA und PsA sollten zu Beginn ihrer Schwangerschaft darüber informiert
werden, dass die Erkrankung mit erhöhten Risiken für ein schlechteres fetomaternales
Outcome assoziiert
sein kann, weshalb vor und in der Schwangerschaft die regelmäßige rheumatologische
Kontrolle und Therapie zur Stabilität der Krankheitsaktivität empfohlen ist.
AGG-Empfehlung (28)
Frauen mit rA und anderen Autoimmunerkrankungen sollten – nach Rücksprache mit behandelnden
Rheumatologen – einmalig vor oder früh in der Schwangerschaft auf SS-A- und SS-B-Antikörper
getestet werden.
Postpartale Schübe in den Monaten nach der Schwangerschaft kommen bei etwa der Hälfte
aller Frauen vor [49 ].
10 Mischkollagenosen/undifferenzierte Kollagenosen
10 Mischkollagenosen/undifferenzierte Kollagenosen
Mischkollagenosen sind eine definierte Krankheitsentität mit einer bestimmten Autoantikörperkonstellation
(Nachweis von U1-RNP-Antikörpern) und klinischen Zeichen des systemischen Lupus
erythematodes, der systemischen Sklerose, der Dermatomyositis und des Sjögren-Syndroms.
Es ist davon auszugehen, dass bei Patientinnen mit Mischkollagenosen mit Antiphospholipid-Antikörpern,
Lupusantikoagulans und/oder SS-A/SS-B-Antikörpern mit entsprechenden o. a. Risiken
zu rechnen ist [56 ].
AGG-Empfehlung (29)
Frauen mit Misch- und anderen Kollagenosen sollten am besten vor bzw. zu Beginn ihrer
Schwangerschaft darüber informiert werden, dass die Erkrankung mit erhöhten Risiken
für ein
schlechteres fetomaternales Outcome assoziiert sein kann, weshalb vor und in der Schwangerschaft
die regelmäßige rheumatologische Kontrolle und Therapie zur Stabilität der
Krankheitsaktivität empfohlen ist.
AGG-Empfehlung (30)
Frauen mit Misch- und anderen Kollagenosen sollten einmalig vor oder früh in der Schwangerschaft
auf SS-A/SS-B- und Antiphospholipid-Antikörper getestet werden.
11 Vaskulitiden
Vaskulitiden können kleine (z. B. Granulomatose mit Polyangitis oder mikroskopische
Polyangitis), mittelgroße (Polyarteriitis nodosa) und große Gefäße (Takayasu-Arteriitis)
betreffen, auch
der Morbus Behçet und die IgA Vaskulitis werden zu dieser Gruppe rheumatischer Erkrankungen
gezählt. Diese Erkrankungen sind mit erhöhten Präeklampsie-, Plazentainsuffizienz-,
SGA-, FGR-,
Frühgeburts- und Hypertonierisiken assoziiert [57 ].
AGG-Empfehlung (31)
Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) soll allen Frauen (ab 11. – 14. SSW bis
zur vollendeten 36. SSW) mit Vaskulitiden zur PE-Prophylaxe (150 mg abends eingenommen)
empfohlen
werden.
AGG-Empfehlung (32)
Schwangerschaftskontrollen sowie das peri- und postpartale Management sollten analog
einer Hypertension-, Präeklampsie- und Plazentainsuffizienz-gefährdeten Frau erfolgen.
Die EULAR hat für gängige antirheumatische medikamentöse Therapien einen systematischen
Überblick über die vorhandene Datenlage zu Erfahrungen und Sicherheitsaspekten in
Schwangerschaft und
Stillzeit inklusive Expertenkonsensus vorgelegt [4 ]. Die [Tab. 4 ] fasst hieraus die wichtigsten Aspekte des Expertenkonsensus
zusammen.