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DOI: 10.1055/a-2273-9072
Mehr Wirksamkeit durch Zusammenarbeit
Die Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) und der Berufsverband Deutscher Radiologen (BDR) haben eine strategische Partnerschaft vereinbart. Prof. Dr. Hermann Helmberger, Präsident des BDR, und Prof. Dr. Konstantin Nikolaou, Präsident der DRG, erläutern im Interview die Hintergründe.
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Herr Professor Helmberger, Herr Professor Nikolaou, BDR und DRG vertreten seit vielen Jahren die Interessen der Radiologie. Wie schwer ist es, sich im Haifischbecken Gesundheitswesen Gehör zu verschaffen und eigene Positionen durchzusetzen?
Prof. Helmberger:
Als vergleichsweise kleine Fachgruppe Radiologie hat der BDR seit jeher versucht strategische
Allianzen zur Erreichung seiner Ziele zu schmieden, ohne dabei die eigene Identität
aufzugeben. Genannt seien dabei die Mitgliedschaft im Dachverband der Diagnostikfächer
(DVÄD) und im Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa). Nur als gemeinsame Gruppe
der Fachärzte bekommt man Zugang zu den Entscheidungsgremien der Politik und kann
dort eigene Sorgen und Nöte – aber auch Forderungen – direkt adressieren. Mit der
zunehmenden Einbindung der medizinischen Fachgesellschaften in berufspolitische Themen
durch das BMG ist eine engere Abstimmung mit der DRG für den BDR noch entscheidender
geworden. Nichts wäre fataler als sich hier auseinander dividieren zu lassen und damit
eigenen Einfluss für die Radiologie zu verspielen.
Prof. Nikolaou:
Gesundheitspolitisch erleben wir spannende, aber auch herausfordernde Zeiten. Krankenhausreform,
Ambulantisierung, Digitalisierung – in vielen Bereichen stehen wir vor grundlegenden
Veränderungen und neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen. All diese Entwicklungen betreffen
auch die Radiologie. Deshalb müssen wir uns in diesen wichtigen Fragen klar positionieren.
Wir haben aber auch die Chance, selbst neue Wege aufzeigen. Wenn es um die Gesundheitsversorgung
der Zukunft geht, hat die Radiologie als Querschnittsfach einen klaren Mitgestaltungsanspruch.
Als diagnostische und therapeutische Disziplin müssen wir aber lauter und sichtbarer
werden. Deshalb bringen wir uns mit eigenen Positionen in die laufenden Debatten ein,
sind mit den Entscheidungsträgern in Politik und Selbstverwaltung im Gespräch, arbeiten
aktiv mit in strategisch relevanten Gremien, z. B. der AWMF-Kommission zur fachlichen
Mitgestaltung der Krankenhausreform. Vor allem aber müssen wir als vergleichsweise
kleines Fach mit einer Stimme sprechen. Wenn wir nachhaltig Gehör finden und etwas
bewegen wollen, ist die enge Kooperation mit dem Berufsverband ein erfolgskritischer
Faktor.




Wofür stehen die DRG bzw. der BDR und inwieweit ergänzen sich Berufsverband und Fachgesellschaft in ihrer Arbeit?
Prof. Nikolaou:
Als wissenschaftliche Fachgesellschaft ist die DRG stark. Stetig zunehmende Mitgliederzahlen
zeigen uns, dass wir auf einem guten Kurs sind. Das verpflichtet uns aber auch. Unsere
Mitglieder erwarten, dass wir sie fachlich und zunehmend auch politisch gut vertreten.
Vor allem berufspolitisch ist das nur mit dem Berufsverband gemeinsam zu schaffen.
Der BDR verfügt hier über eine exzellente, jahrzehntelange Expertise. Für die Radiologie
als Ganzes sind diese Kompetenzen unverzichtbar. Das zeigt sich, um ein aktuelles
Beispiel zu nennen, an der Implementierung der Koronar-CTA in die Regelversorgung.
Während die DRG das fachlich-wissenschaftliche Methodenbewertungsverfahren zur Herz-CT
im Gemeinsamen Bundesausschuss eng begleitet hat, übernimmt der BDR in den kommenden
Monaten eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Abrechnungsmodalitäten und Qualitätssicherung
für die neue Leistung in der vertragsärztlichen Versorgung auszuhandeln. Ich bin davon
überzeugt, dass sich eine engere Kooperation zwischen DRG und BDR auch positiv auf
andere Bereiche auswirkt, die für beide Organisationen von größtem Interesse sind.
Ich nenne beispielhaft die starke Nachwuchsarbeit innerhalb der DRG im Forum Junge
Radiologie.
Prof. Helmberger:
Der BDR vertritt alle Ärztinnen und Ärzte in der Radiologie unabhängig von ihrem Wirkungsort
in Klinik und Praxis, selbständig oder angestellt, in Weiterbildung oder nach der
Facharztprüfung. Angesichts der föderalen Organisationsform von Ärztekammern und Kassenärztlichen
Vereinigungen sind dabei unsere Landesverbände die Ansprechpartner für unsere Mitglieder
vor Ort. Im Länderausschuss stimmen sich zum einen die Landesverbände untereinander
ab, zum anderen werden übergeordnete Themen so an den Bundesvorstand des BDR herangetragen.
Letzterer ist dabei der Ansprechpartner für die Bundesgremien der Selbstverwaltung
wie Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, GKV-Spitzenverband aber
auch die bereits angesprochenen Spitzenverbände der Haus- und Fachärzte sowie die
Gremien der bundespolitischen Ebene. DRG und BDR haben somit ganz unterschiedlichen
Zugang zu den verschiedenen Entscheidungsträgern. Da berufspolitische Entscheidungen
stets von unterschiedlichster Seite beeinflusst und geprägt werden, ist ein Zugang
zu allen Ebenen wichtig und für den Erfolg ausschlaggebend. Sich hier abzustimmen,
gemeinsam das Wissen zu nutzen und, wie in vielen Fällen auch bereits erfolgt gemeinsam
in den Gesprächen präsent zu sein, nützt vor allem der Radiologie als Fach und den
dort Tätigen.
Welche aktuellen Themen sollten aus Ihrer Sicht am besten gemeinsam angegangen werden bzw. in welchen Bereichen haben BDR und DRG in der jüngsten Vergangenheit zusammengearbeitet?
Prof. Helmberger:
Im Prinzip gilt das gemeinsame Vorgehen für alle Fragestellungen, die unser Fach betreffen.
Das aktuelle Thema Herz-CT wurde bereits erwähnt. Weitere Großthemen sind aus meiner
Sicht die geplante Einführung eines Lungenkrebsscreenings, die Begleitung und Fortentwicklung
der Reformvorhaben Krankenhaus, Ambulantisierung, Notfallversorgung, aber auch die
Reform der Fachkunden im Strahlenschutz. Nicht zuletzt seien die erforderlichen Änderungen
der Approbationsordnung und der ärztlichen Weiterbildung genannt. Es ist für DRG und
BDR ein großes gemeinsames Anliegen die Ausbildung unserer künftigen Radiologinnen
und Radiologen auf hohem Niveau – unter Wahrung der Fachgebietsgrenzen – auch in Zukunft
sicher zu stellen. Die gewaltigen Veränderungen im Gefüge ambulant-stationär machen
hier ein Umdenken absolut erforderlich. Nur wenn es uns gelingt auch weiterhin eine
strukturierte, vollständige Weiterbildung anzubieten, können wir die Radiologie als
Fach in seiner derzeitigen Form und für nachfolgende Generationen attraktiv erhalten.
Hier ist einiges an Innovationsgeist gefragt, den wir gemeinsam aus den Blickrichtungen
Universität, Klinik und Praxis einbringen können.
Prof. Nikolaou:
Die absehbaren Veränderungen der Rahmenbedingungen unserer Arbeit wirken sich sowohl
im stationären als auch im niedergelassenen Bereich aus. Deshalb ist es sinnvoll und
notwendig, die Dinge gemeinsam anzugehen. Genau das geschieht zum Beispiel in der
DRG-Vorstandskommission „Krankenhausreform und Ambulantisierung“. Dort beschäftigen
sich die Kolleginnen und Kollegen organisationsübergreifend mit den zentralen Fragen
in diesem Zusammenhang. Wie können und wollen wir die Möglichkeiten von Hybrid-DRG
oder AOP-Katalog für uns nutzen? Antworten darauf soll ein gemeinsames Positionspapier
geben, dass aktuell erarbeitet wird. Aber auch in der tagespolitischen Arbeit tauschen
wir uns schon heute regelmäßig im Koordinierungsausschuss zu den relevanten fachlichen
und gesundheitspolitischen Themen aus. Das Herz-CT hatte ich bereits genannt, aber
auch das Thema Lungenkrebsscreening wird uns vermutlich in Zukunft intensiver beschäftigen.
Oder nehmen Sie den MTR-Fachkräftemangel, dem wir nur gemeinsam, zusammen mit der
DGMTR, dauerhaft entgegenwirken können. Im Grunde müssen wir unsere Kooperation gar
nicht neu erfinden, stellen jetzt aber die Weichen für eine weitere Intensivierung.
Wie ist es zu dem Wunsch gekommen, die Zusammenarbeit in einer strategischen Partnerschaft zu formalisieren?
Prof. Nikolaou:
Die Stärke von Zusammenarbeit ist es ja, dass man mehr Wirksamkeit schafft. Für die
Radiologie ist es enorm wichtig, nicht nur die Einheit des Faches zu wahren, sondern
gemeinsame Anliegen auch mit einer starken Stimme zu vertreten. Wir haben in den zurückliegenden
Monaten bereits erlebt, dass sich das in gemeinsam geführten Gesprächen mit Politik
und Selbstverwaltung auszahlt. Wenn wir unsere unterschiedlichen Stärken weiter bündeln,
kann das nur Vorteile haben – für unser Fach, für unsere Mitglieder, für unser Standing
im fachöffentlichen Raum. Für die Zukunft bin ich sehr zuversichtlich, denn die Voraussetzung
für gelingende Zusammenarbeit ist Vertrauen, und das verbindet mich persönlich mit
Hermann Helmberger.
Prof. Helmberger:
Den Ball nehme ich gerne auf. Wenn man sich seit vielen Jahren persönlich kennt, wie
das bei Konstantin Nikolaou und mir der Fall ist und dann fast jeden Tag zusammen
telefoniert oder in einer Videokonferenz sitzt, entsteht ein Vertrauensverhältnis,
dass einen in größeren Dimensionen denken lässt. Über die Sinnhaftigkeit, ja Notwendigkeit
eines gemeinsamen strategischen Vorgehens in den Themen, die die Zukunft unseres Faches
betreffen, gibt es, denke ich, keinen Zweifel. Und sie wird ja auch bereits gelebt,
wie schon erläutert wurde. Umgekehrt ist das in weiten Bereichen weder den Mitgliedern
der DRG noch denen des BDR bekannt bzw. bewusst. Das möchten wir ändern, denn nur
mit dem Rückhalt unserer Mitglieder, die verstehen, dass es sowohl die starke Fachgesellschaft
als auch den etablierten Berufsverband braucht, werden wir weiterhin erfolgreich sein
können.
Welche konkreten Maßnahmen beinhaltet die Kooperationsvereinbarung von BDR und DRG?
Prof. Helmberger:
Im Grunde verschriftlichen wir mit der Vereinbarung den gelebten Alltag und machen
damit die Zusammenarbeit auch für unsere jeweiligen Mitglieder transparent. Konkret
verpflichten sich BDR und DRG wechselseitig, den bereits bestehenden Informationsaustausch
kontinuierlich fortzuführen und Aktivitäten aufeinander abzustimmen. Beide Seiten
kooptieren zudem gegenseitig jeweils ein Vorstandsmitglied in die jeweiligen Vorstände,
was schon jetzt bereits Realität ist. Schließlich werden die Präsidien auch weiterhin
regelmäßig aktuelle gesundheits- und berufspolitische Themen im Gemeinsamen Koordinierungsausschuss
diskutieren und das weitere Vorgehen besprechen. Damit ist eine Basis gelegt, auf
der wir unsere Zusammenarbeit für die Zukunft weiterentwickeln können. Und wir sind
in diesem Punkt deutlich weiter als viele unserer Nachbardisziplinen.
Prof. Nikolaou:
Ein weiterer wichtiger Punkt der Kooperation ist die gegenseitige Unterstützung bei
radiologischen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Und Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung,
die neu in die DRG oder BDR eintreten, erhalten wechselseitig eine kostenlose Mitgliedschaft
für ein Jahr. Ich denke, dass wir mit dieser Vereinbarung einen weiteren wichtigen
Schritt hin zu einem konstruktiven und vertrauensvollen Miteinander gemacht haben
und zugleich die Richtung markieren, in die wir zukünftig gehen wollen.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Radiologie in Deutschland für die Zukunft ein?
Prof. Nikolaou:
Das Gesundheitswesen insgesamt, aber auch die Radiologie befinden sich in einer wichtigen
Phase. Es wird entscheidend sein, dass wir uns als diagnostisches, aber eben auch
als therapeutisches Fach besser positionieren. Dazu müssen wir nicht zuletzt auch
unsere Rolle in der ärztlichen Selbstverwaltung weiter stärken und uns dort aktiv
einbringen. Als wissenschaftliches Fach und als Fachgesellschaft leben wir davon,
dass wir bei innovativen und Technologie getriebenen Themen immer vorne mit dabei
sind. Dazu gehört auch und vor allem die Nutzung und Mitgestaltung von KI. Eine zentrale
Herausforderung jenseits der gesundheitspolitischen Veränderungen ist ganz sicher
der Fachkräftemangel, im ärztlichen Bereich, aber vor allem bei unseren MTR. Das ist
durchaus eine existenzielle Frage für die Radiologie. Hier müssen wir deutlich mehr
tun, um die Attraktivität des Berufes zu steigern und Menschen zu motivieren.
Prof. Helmberger:
Die medizinische Versorgung in Deutschland und damit natürlich auch die Radiologie
stehen vor den größten Umstrukturierungen seit Jahrzehnten. Dies hat nicht zuletzt
mit der Notwendigkeit der Versorgung einer größer werdenden Zahl von Patientinnen
und Patienten bei umgekehrt zumindest nicht zunehmender Anzahl von Ärztinnen und Ärzten,
aber auch den übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitswesen zu tun.
Die vielen strukturellen Veränderungen im Rahmen der angestoßenen bzw. geplanten Reformvorhaben
wurden bereits angesprochen. Zudem nehmen technische Neuerungen im Bereich Digitalisierung
und KI gerade richtig Fahrt auf. Die Radiologie ist heute schon die Schnittstelle
zwischen Diagnostik und Therapie, und das nicht nur in der Onkologie. In der Zukunft
wird die Radiologie die entscheidende Lotsenfunktion zwischen den Disziplinen einerseits
und zwischen Diagnostik und Therapie andererseits übernehmen. Diese spannende Entwicklung
mit vielen Möglichkeiten für unsere jungen Kolleginnen und Kollegen werden DRG und
BDR gerne gemeinsam weiter begleiten. Unsere strategische Partnerschaft liefert dazu
den perfekten äußeren Rahmen.
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Publication History
Article published online:
25 April 2024
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