Abkürzungsverzeichnis
Bspw.:
Beispielsweise
BWK:
Brustwirbelkörper
BWS:
Brustwirbelsäule
CISS:
constructive interference in steady state
cMRT:
craniale Magnetresonanztomografie
CSF:
cerebrospinal fluid
CT:
Computertomografie
CTM:
computertomografische Myelografie
DSM:
digitale Subtraktionsmyelografie
EBP:
epiduraler Blutpatch
FLAIR:
fluid attenuated inversion recovery
fs:
fat saturation
FTLD:
frontotemporale lobäre Degeneration
Ggf. :
Gegebenenfalls
Ggü.:
Gegenüber
HASTE:
half acquisition single-shot turbo spin echo
HWK:
Halswirbelkörper
HWS:
Halswirbelsäule
KM:
Kontrastmittel
LWK:
Lendenwirbelkörper
LWS:
Lendenwirbelsäule
MPRage:
magnetization prepared gapid gradient echo
MRT:
Magnetresonanztomografie
POTS:
posturales Tachykardiesyndrom
SIH:
spontane intrakranielle Hypotension
SLEC:
spinal longitudinal extradural CSF collection
SPACE:
sampling perfection with application optimized contrast using different flip angle
evolution
SWI:
susceptibility weighted imaging
T1w:
T1-gewichtet
T2w:
T2-gewichtet
TSE:
turbo spin echo
z.B. :
zum Beispiel
2D:
Zweidimensional
3D:
Dreidimensional
Einleitung
Die spontane intrakranielle Hypotension (SIH), erstmals 1938 von einem deutschen Neurologen
als „Hypoliquorrhoe“ beschrieben, hat in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante
Entwicklung der Diagnostik und Therapie erfahren [1]. Trotz zunehmender Aufmerksamkeit für das Erkrankungsbild ist jedoch von einer hohen
Rate an initialen Fehldiagnosen auszugehen [2]
[3]. Untersuchungen zeigen, dass die SIH häufiger ist als ursprünglich angenommen –
allerdings ist die Datenlage zur Inzidenz insgesamt gering [4]. Es werden Häufigkeiten von 5/100.000 Patienten pro Jahr beschrieben, was annähernd
der globalen Inzidenz einer aneurysmalen Subarachnoidalblutung entspricht [5]
[6]
[7].
Ursache des Krankheitsbildes ist ein spinaler Liquorverlust, welcher durch einen Durariss
oder durch eine direkte Verbindung des Liquorraums zu einer paravertebralen Vene (Liquor-Vene-Fistel)
verursacht wird [8]. Ein Liquorleck an der Schädelbasis mit Rhino- oder Otoliquorrhoe hingegen ruft
in der Regel keine SIH-Symptomatik hervor [9]. Betroffen sind meist Frauen (w:m ca. 3:2) im mittleren Alter [6]. Die daraus resultierende Klinik variiert stark und kann neben orthostatischen Kopfschmerzen,
dem Leitsymptom, ein breites Spektrum an Symptomen bis hin zu komatösen Zuständen
als schwerste Ausprägung hervorrufen [10]. Untersuchungen zeigen auch schwerwiegende Auswirkungen der Unterdruck-Symptomatik
auf die Lebensqualität: Depression, Angstgefühle und Suizidgedanken sind in diesem
Kollektiv häufig [11]
[12]. Wird die Diagnose nicht korrekt gestellt, kann dies zudem zu einem fehlerhaften
therapeutischen Work-Up führen – bis hin zu unnötigen operativen Eingriffen [3].
In den letzten Jahren zeigte sich eine rasante Entwicklung der diagnostischen und
therapeutischen Möglichkeiten: Mittels hochauflösender Bildgebung lassen sich selbst
Mikro-Pathologien darstellen und durch verschiedene interventionelle Therapien behandeln.
Durch die Weiterentwicklung von Diagnostik und Therapie kann das Krankheitsbild zunehmend
früher erkannt und adäquat behandelt und somit ernste Komplikationen vermieden werden.
Infolge der steigenden Aufmerksamkeit ist mit einer zunehmenden Erkennung des Krankheitsbildes
und damit auch steigenden Inzidenz zu rechnen. Diese Übersichtsarbeit liefert einen
Leitfaden für den Umgang mit betroffenen Patienten.
Definition und Pathophysiologie
In der aktuellen, dritten Auflage der Internationalen Klassifikation der Kopfschmerzsyndrome
wird der Kopfschmerz im Rahmen einer SIH als orthostatischer Kopfschmerz beschrieben,
der meist von Nackensteifigkeit und Hörstörungen begleitet wird [13]. Die Diagnosekriterien von Unterdruckkopfschmerzen sind in [Tab. 1] zusammengefasst. Aufgrund der unterschiedlichen Genese und Prognose sollte zwischen
der spontanen Hypotension und anderen Unterdruck-Kopfschmerzen unterschieden werden.
Zum einen ist hier der postpunktionelle Kopfschmerz zu nennen („postdural puncture
headache“, PDPH), zum anderen Kopfschmerzen durch eine Liquorfistel nach vorangegangener
Operation oder Trauma [13].
Tab. 1 Modifizierte Diagnosekriterien der spontanen intrakraniellen Hypotension (SIH) basierend
auf der 3. Auflage der Internationalen Klassifikation der Kopfschmerzsyndrome [10]
[13]. Diese Kriterien können nicht auf Patienten angewendet werden, bei welchen eine
Lumbalpunktion oder ein vorangegangenes Trauma zur Entwicklung des Liquorverlustes
geführt hat.
Modifizierte Diagnosekriterien der spontanen intrakraniellen Hypotension
|
A.
|
Jeder Kopfschmerz, der Kriterium C erfüllt
|
B
|
Liquoreröffnungsdruck <6cm H2O und/oder Nachweis eines Liquorlecks in der Bildgebung
|
C
|
Kopfschmerz, der in zeitlichem Zusammenhang zu dem niedrigen Liquordruck oder Liquorleck
auftritt oder zu dessen Entdeckung geführt hat
|
D
|
Nicht besser durch eine andere ICHD-3 Diagnose erklärt
|
Wenn auch die SIH klassisch über einen erniedrigten Liquoreröffnungsdruck (<6cm H2O) definiert wurde, zeigen neuere Untersuchungen, dass der größte Anteil der Patienten
einen normalen intrathekalen Druck aufweist [14]. Insofern ist der Terminus „spontane intrakranielle Hypotension“ im eigentlichen
Sinne irreführend, da es sich wohl mehr um eine Hypovolämie als eine echte Hypotension
handelt [15]
[16]. Aufgrund dieser neueren Erkenntnisse und der hohen Sensitivität der MRT in der
primären Diagnostik der SIH (s.u.) ist eine intrathekale Druckmessung als diagnostische
Intervention nicht mehr notwendig [13].
Entsprechend der Monro-Kellie-Doktrin führt der Volumenverlust in einem Kompartiment
eines abgeschlossenen Systems zur Volumenerhöhung eines anderen Kompartiments. Übertragen
auf den Liquorverlust bei SIH kommt es in der Folge zu einer Erweiterung der venösen
Blutleiter mit hierdurch charakteristischen bildmorphologischen Veränderungen [10]
[17]. Dabei wird angenommen, dass durch ein Absinken („brain sagging“) des Gehirns und
dadurch bedingte Traktion der Meningen der meist okzipital betonte Kopfschmerz resultiert
[3].
Modifiziert nach Schievink et al. und Farb et al. haben sich in der klinischen Praxis
die folgenden drei Haupttypen von Liquorlecks etabliert [8]
[18]:
-
Typ 1 (ca. 50% der Fälle) [18]: Ventraler Durariss, welcher meist durch einen Knochensporn, selten auch durch einen
weichen Bandscheibenvorfall verursacht wird [19]. ⅔ der Typ-1-Leaks sind im oberen thorakalen Abschnitt lokalisiert [20].
-
Typ 2 (ca. 20% der Fälle) [18]: Lateraler Durariss im Bereich der Nervenwurzeltasche, wobei die genaue Ursache
für den Durariss bislang unklar ist. Diskutiert werden eine durale Schwachstelle oder
Mikrotraumen [21]. Meist sind Typ-2-Leaks zwischen der mittleren BWS und oberen LWS vorzufinden.
-
Typ 3 (ca. 25% der Fälle) [18]: die Liquor-Vene Fistel, also eine direkte Verbindung vom Liquorraum zum inneren
oder äußeren spinalen Venenplexus. Möglicherweise sind in der Pathogenese Einrisse
spinaler Pacchioni-Granulationen beteiligt [22]. Typ-3-Leaks haben eine rechtsseitige Prädilektion und sind überwiegend in der mittleren
und unteren BWS lokalisiert [23].
Neben diesen drei Typen gibt es Hinweise auf eine vierte Gruppe in der sakralen Region
(Vorkommen ca. 6%), wobei auffällt, dass diese fast ausschließlich bei Frauen gefunden
wurden [24]. Weitere Erkenntnisse zu sakralen Leaks, wie auch zur Ätiologie, bleiben abzuwarten.
Klinische Manifestation
Leitsymptom der SIH ist der lageabhängige, orthostatische Kopfschmerz mit Besserung
der Symptome im Liegen [3]. Entsprechend berichten Patienten auch häufig von einem zunehmenden Kopfschmerz
vor allem in der zweiten Tageshälfte (sog. „second half of the day headache“ [25]), während die Symptome beim Aufwachen nur milde bis gar nicht ausgeprägt sind [25]
[26]
[27]. Dabei können die Patienten nicht selten den genauen Beginn der Beschwerden benennen
[3]. Typisches Symptom ist auch die mentale Beeinträchtigung („brain fog“) sowie ein
Gefühl von Wasser in den Ohren („aural fullness“) [10]
[26]
[27]
[28]. Darüber hinaus gibt es eine große Variabilität potenzieller Begleitsymptome ([Tab. 2]).
Tab. 2 Häufigkeit und Varianz assoziierter Symptome bei SIH. Tabelle angelehnt an eine Metaanalyse
von D’Antona et al. [6].
Symptome bei SIH
|
Häufigkeit
|
Kopfschmerzen
|
94–99% [6]
87–96% [6]
4–13% [6]
|
Übelkeit, Erbrechen
|
46–62% [6]
|
Nackensteifigkeit
|
32–53% [6]
|
Schwindel
|
13–42% [6]
|
Hörstörungen
|
18–38% [6]
|
Tinnitus
|
14–26% [6]
|
Lichtscheu
|
5–16% [6]
|
Doppelbilder
|
3–10% [6]
|
Andere visuelle Symptome
|
7–21% [6]
|
Bewusstseinsveränderungen
|
8–22% [6]
|
Kognitive Einschränkungen
|
2–11% [6]
|
Wichtige Differenzialdiagnosen der SIH sind beispielsweise das posturale Tachykardiesyndrom
(POTS), Migräne oder der zervikogene Kopfschmerz [29]
[30]. Aber auch gegenüber anderen Erkrankungen, wie der Chiari-Malformation oder der
frontotemporalen Demenz, kann die Abgrenzung erschwert sein (s.u.).
Grundsätzlich können sich die Beschwerden der SIH im Krankheitsverlauf verändern,
wobei der Kopfschmerz selbst oder die Lageabhängigkeit des Kopfschmerzes in den Hintergrund
treten kann, während andere Symptome an Bedeutung gewinnen [3]
[31].
Stufendiagnostik
Hinweise für das Vorliegen einer SIH (MRT und SIH-Score)
Der erste Schritt im diagnostischen Work-Up besteht in der Evaluation der Wahrscheinlichkeit
eines vorliegenden Liquorverlustes, wofür die nicht-invasive MRT, sofern mit geeigneten
Sequenzen durchgeführt, ausreichend ist [32].
MRT des Kopfes
Ein Standardprotokoll sollte mindestens eine sagittale T1w-Sequenz nach Kontrastmittel
(KM), besser noch 3D-Sequenz (z.B. MPRage, „magnetization prepared rapid acquisition
with gradient echoes“) und eine native FLAIR-Sequenz („fluid attenuated inversion
recovery“) des Kopfes enthalten [30].
Auf Basis dieser Sequenzen erfolgt die Berechnung des sog. „Bern SIH-Score“, welcher
sich zur Abschätzung eines vorhandenen CSF Leaks in der Literatur etabliert hat ([Abb. 1]) [17]
[33]. In diesem Score werden verschiedene SIH-Zeichen unterschiedlich stark gewertet:
So sind insbesondere das pachymeningeale Enhancement, die Erweiterung der venösen
Sinus und der verringerte supraselläre Abstand sehr sensitive Zeichen für eine SIH
und werden daher doppelt (jeweils 2 Punkte) gewertet [17]. Dabei ist das Wissen um die ubiquitäre pachymeningeale Kontrastmittel-Aufnahme
bei SIH entscheidend für die Differenzierung gegenüber entzündlichen oder neoplastischen
Zuständen (die meist leptomeningeal anreichern) [29]. Minorkriterien sind der verringerte präpontine und mamillopontine Abstand und das
Vorliegen von Hygromen bzw. Subduralhämatomen (jeweils mit 1 Punkt bewertet) [17]. Durch Addition der Punkte ergibt sich eine Punkteskala zwischen 0 bis 9. Dabei
hat ein Score von ≤2 eine niedrige, ein Score von 3–4 eine mittlere und ein Score
von ≥5 eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Liquorverlustes und hilft
somit bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen [17].
Abb. 1 SIH-Score zur Wahrscheinlichkeitsabschätzung für das Vorliegen einer SIH. Sagittale,
fettgesättigte T1w-Sequenz nach Kontrastmittel (KM) zeigt die Messung des suprasellären
Abstandes (offener weißer Pfeil in A; ≤4mm ergibt 2 Punkte), des mamillopontinen Abstandes
(Asterisk in A; ≤6,5mm ergibt 1 Punkt) sowie des präpontinen Abstandes (Raute in A; ≤5mm ergibt
1 Punkt). Die gleiche Sequenz in B zeigt einen ballonierten, konvex (statt konkav) konfigurierten Sinus transversus
(solide weiße Pfeile in B; ergibt 2 Punkte). Die koronare, fettgesättigte T1w-Sequenz nach KM zeigt ein pachymeningeales
Enhancement (solide weiße Pfeile in C; ergibt 2 Punkte). Darunterliegend zeigt sich ein hypointenser Saum im Sinne eines
Hygroms (gestrichelte weiße Pfeile in C; ergibt 1 Punkt), welches sich in der koronaren FLAIR-Sequenz als schmales, hyperintenses
Band darstellt (weiße gestrichelte Pfeile in D). 0–2 ergibt eine geringe, 3–4 eine intermediäre und ≥5 eine hohe Wahrscheinlichkeit
für das Vorliegen einer SIH.
MRT der Wirbelsäule
Zu betonen ist die Bedeutung einer MRT-Untersuchung nicht nur vom Kopf sondern auch
der Wirbelsäule. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf können die Zeichen im Kopf
und damit der SIH-Score abnehmen und epidurale Flüssigkeitskollektionen entlang der
Wirbelsäule das einzige SIH-Zeichen im MRT sein [18]
[34]
[35].
Um diese epidurale Flüssigkeit (als Ausdruck eines Durarisses) mit einer hohen Sensitivität
zu detektieren oder auszuschließen, eignen sich stark T2w (sog. heavily-T2w) 3D-Sequenzen
der Wirbelsäule, bspw. eine T2 SPACE („sampling perfection with application optimized
contrast using different flip angle evolution“) mit Fettsättigung ([Abb. 2]
C–F) [30]
[36]. Dabei sollte auf die vollständige Miterfassung des Sakrums geachtet werden [30]. Die Fettsättigung in den T2w-Sequenzen ist zur Differenzierung zwischen epiduralem
Fett und epiduraler Flüssigkeit maßgeblich. Andere T2w 3D-Sequenzen, wie die fettgesättigte
T2 TSE („turbo spin echo“) oder eine T2 CISS („constructive interference in steady
state“) sind ebenfalls möglich, können aber gelegentlich störende Flussartefakte aufweisen
[30]
[37]. Mindestens sollten isotrope Schichten akquiriert werden (Schichtdicke von ≤ 1,0
mm; Dauer ca. 5 min pro Untersuchungsblock), um eine achsenkorrigierte, dreidimensionale
Darstellung des Spinalkanals zu ermöglichen [30]
[36]. Auch koronare 2D T2w HASTE („half acquisition single-shot turbo spin echo“) -Übersichtsmyelogramme
sind schnell akquiriert (ca. 20 s pro Untersuchungsblock) und hilfreich, um epidurale
Flüssigkeit oder auffällige Wurzeltaschenzysten sichtbar zu machen ([Abb. 2]
A, B) [24].
Abb. 2 Spinale MRT-Sequenzen im SIH Work-Up. Koronare, 2D T2w HASTE-Myelogramme der mittleren
BWS bis einschließlich Sakrum in Abb. A und B mit prominenter Wurzeltaschenzyste Höhe BWK 10/11 rechts (offener Pfeil in A, in diesem Fall Ursprung einer Liquor-Vene-Fistel, siehe auch [Abb. 5]
C und D) und Beispiel einer streifigen Flüssigkeitsansammlung sakral (gestrichelter, ovalärer
weißer Ring in B), was später als sakrales Duraleck bestätigt wurde. 0,74mm messende 3D isotrope,
fettgesättigte T2 SPACE-Sequenz der HWS/oberen BWS zeigt spinale epidurale Flüssigkeit
(SLEC) ventral in sagittaler Schichtführung (offene weiße Pfeile in C) und in axialer Rekonstruktion (offene weiße Pfeile in D), was häufig für ein ventrales Liquorleck spricht. Dieselbe Sequenz, diesmal im Bereich
der mittleren und unteren BWS, stellt in einem anderen Fall eine Flüssigkeitskollektion
mit ventraler aber auch lateraler und dorsaler Komponente dar (offene weiße Pfeile
in E und F), was häufig für ein laterales Liquorleck spricht. Dabei ist in axialer Schichtführung
die Dura als hypointense Linie gut gegenüber der epiduralen Flüssigkeitskollektion
abgrenzbar (D und F).
Die Bedeutung von Wurzeltaschenzysten ist ein häufiger Diskussionspunkt, was nicht
zuletzt daran liegt, dass diese auch bei Gesunden regelmäßig vorzufinden sind. Zudem
ist die Datenlage zu deren Bedeutung bei Liquorunterdruck gering. Aktuell kann lediglich
festgehalten werden, dass Liquor-Vene-Fisteln in ca. 80% von Wurzeltaschenzysten entspringen
[38]
[39] (welche erfahrungsgemäß häufig prominent sind; s. [Abb. 2]A). Typ-2-Leaks scheinen häufiger mit breitbasig-duraständigen Wurzeltaschenzysten
assoziiert zu sein (als Ausdruck einer arachnoidalen Herniation durch den lateralen
Durariss) [40]. Das alleinige Vorliegen von Wurzeltaschenzysten stellt jedoch keinen Anhalt für
eine SIH dar [41].
Sequenzen der Wirbelsäule nach i.v. KM-Gabe sind nicht nötig und bringen keine zusätzlichen
Informationen [30]
[36]. Auch die intrathekale Gabe von Gadolinium ist der nativen, stark T2-gewichteten
MRT der Wirbelsäule hinsichtlich der Detektion epiduraler Flüssigkeit nicht überlegen
– gleiches gilt für die herkömmliche CT-Myelografie mit intrathekalem iodhaltigem
Kontrastmittel in Rückenlage [32]
[36]
[42].
Identifikation des Leaks
Bei Entscheidung zu einer gezielten Behandlung besteht der zweite Schritt im diagnostischen
Work-Up in der genauen Identifikation und Lokalisation des Liquorlecks.
Für die digitale Subtraktionsmyelografie (DSM) wird eine spezielle Myelografie- oder
eine Angiografieanlage (am besten mit kippbarem Tisch) benötigt, für die CT-Myelografie
(CTM) ist jedes herkömmliche CT-Gerät grundsätzlich ausreichend, wobei gewisses Equipment
für eine gute Patientenpositionierung hilfreich ist. Hierzu wird in unserer Klinik
ein speziell angefertigter, auf der CT-Liege aufgesetzter kippbarer Tisch verwendet,
um eine Kopftieflage zu erzeugen (was aber grundsätzlich auch durch die Lagerung mit
Kissen unter Bauch oder Becken möglich ist). Durch Akquise mehrerer, unmittelbar aufeinanderfolgender
Spiralen in dem verdächtigen Wirbelsäulenabschnitt kann eine dynamische Untersuchung
erzeugt werden (notwendig bei Typ 1 oder Typ 2).
Untersuchung in Bauchlage
Die richtige Lagerung ist für eine suffiziente Diagnostik entscheidend: Besteht anhand
der MRT-Bilder der Verdacht auf ein ventrales Leak (Typ 1), sollten die Patienten
in Bauchlage und ausreichender (ca. 10–20°) Kopftieflagerung positioniert werden.
Diese deutliche Kippung in Bauchlage ist notwendig, damit das KM die natürliche Kyphose
der Wirbelsäule überwinden kann und sich bis zur Schädelbasis gleichmäßig verteilt
[20]. Nach unserer Erfahrung weisen ventrale Leaks meist eine hohe Flussrate auf, sodass
eine dynamische DSM mit sehr hoher zeitlicher Auflösung unerlässlich ist. Da der Kontrastmittel-Austritt
hier nicht selten schon innerhalb von Sekunden zu sehen ist, kann der Austrittsort
des Liquorlecks bei späterer Darstellung leicht verpasst werden. Alternativ kann eine
dynamische CT-Myelografie durchgeführt werden.
Untersuchung in Seitenlage
Bei Verdacht auf ein laterales Leak (Typ 2) oder eine Liquor-Vene-Fistel (Typ 3) ist
eine Seitenlage-Untersuchung (DSM oder CTM) notwendig, in welcher schon eine geringe
(ca. 6–7°) Kopftieflage meist ausreicht, um das Kontrastmittel entlang der Wirbelsäule
und insbesondere entlang der Wurzeltaschen zu verteilen. Für das laterale Leak ist
dabei analog zum ventralen Leak eine dynamische Untersuchung notwendig (DSM oder CTM).
Die Darstellung der Liquor-Vene-Fistel (Typ 3) ist häufig herausfordernd. Grundsätzlich
eignen sich hierzu beide Modalitäten; in einer aktuellen Studie hat sich die CTM gegenüber
der DSM hierfür jedoch als sensitiver erwiesen [43]. Eine dynamische Untersuchung ist dabei nicht erforderlich, allerdings sollte der
Scan unmittelbar nach intrathekaler KM-Gabe erfolgen.
Beispiele für die Darstellung eines Typ-1, -2 und -3-Liquorlecks mittels DSM, CTM
und Cone-Beam CT finden sich in den [Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5].
Abb. 3 Ventrales Liquorleck (Typ 1), dargestellt mit DSM und CTM. Digitale Subtraktionsmyelografie
(DSM; A) in Bauchlage sowie unsubtrahierte Bilder derselben Serie (B) mit Darstellung eines ventralen Liquoraustritts auf Höhe BWK 3/4 (weißer offener
Pfeil in A und B), wobei sich das KM im epiduralen Raum nach kranial ausbreitet. Ursächlich waren
zwei Knochensporne paramedian (solide weiße Pfeile in C), die in der anschließenden CT-Myelografie (CTM) in Rückenlage zu sehen sind. Dynamische
CTM in Bauchlage (mehrere CT-Spiralen): Die erste native CT-Spirale zeigt in diesem
Fall einen Knochensporn BWK 1/2 (solider weißer Pfeil in D). In der zweiten CT-Spirale sieht man schwach KM in den ventralen Epiduralraum auf
Höhe BWK 1/2 austreten, was in der dritten CT-Spirale deutlicher wird (großer solider
weißer Pfeil in E und F). Verteilung des KM nach kranial im Epiduralraum (kleine solide weiße Pfeile in E, F).
Abb. 4 Laterales Liquorleck (Typ 2), dargestellt mit DSM und CTM. Digitale Subtraktionsmyelografie
(DSM) in Rechtsseitenlage mit Darstellung eines KM-Austritts Höhe BWK 10/11 rechts
(offener weißer Pfeil in A) und linearer Kontrastmittel-Ausbreitung im Epiduralraum nach kranial (kleine solide
weiße Pfeile in A). Dynamische CT-Myelografie (CTM) in Rechtsseitenlage zur Darstellung eines lateralen
Liquorlecks in einem anderen Beispiel: In der ersten CT-Spirale auf der Höhe BWK 12/LWK1
rechts stellt sich koronar ein epiduraler KM-Austritt dar (offener weißer Pfeil in
B), welcher sich nach kranial im Epiduralraum ausbreitet (solider weißer Pfeil in B und in der axialen Schichtführung in C). In der unmittelbar gefolgten zweiten CT-Spirale nimmt das epidurale KM zu (solide
weiße Pfeile in D und E).
Abb. 5 Liquor-Vene-Fistel (Typ 3), dargestellt mit DSM, CTM und ultrahochauflösendem Cone-Beam
CT. Digitale Subtraktionsmyelografie (DSM) in Rechtsseitenlage zeigt eine kleine Wurzeltaschenzyste
(Asterisk in A), von der aus sich paravertebrale venöse Gefäße kontrastieren (solide schwarze Pfeile
in A) im Sinne einer Liquor-Vene-Fistel BWK 12/LWK1 rechts. Weiteres Beispiel einer Liquor-Vene-Fistel,
dargestellt in der CT-Myelografie (CTM), welche etwa 40s nach intrathekaler KM-Injektion
in Rechtsseitenlage durchgeführt wurde (keine dynamische CTM) und einen KM-Austritt
in die paravertebrale Vene BWK 10/11 rechts darstellt (offene weiße Pfeile in B). Ultrahochauflösende und stark gezoomte Darstellung einer weiteren Liquor-Vene-Fistel
BWK 10/11 rechts, die einer prominenten Wurzeltaschenzyste entspringt (s. auch [Abb. 2]A) mittels Cone-Beam CT bei einer Auflösung von 0,14mm (offene weiße Pfeile in axialer
Schichtführung in C und in koronarer Schichtführung in D). Innerhalb der Wurzeltaschenzyste ist ein feiner Kontrastmittel-Jet (schwarze solide
Pfeile in D) zwischen Wurzeltasche und Fundus der Zyste (schwarzer Asterisk in D) erkennbar, welcher die Zyste mit KM auffüllt (kein Bestandteil der eigentlichen
Liquor-Vene-Fistel).
DSM und CTM weisen verschiedene Vor- und Nachteile auf ([Tab. 3]), die je nach Verdacht auf Grundlage des MRT-Befundes einerseits, sowie je nach
Erfahrung und Möglichkeiten vor Ort (verfügbare Untersuchungsgeräte) andererseits
auf die unterschiedlichen Leak-Typen angepasst werden sollten. Während insbesondere
bei der dynamischen CT (mehrere aufeinanderfolgende Scans) teilweise hohe Dosen entstehen
können [20], besteht ein Vorteil der DSM generell in der geringeren Strahlenbelastung [44]. Neuere Entwicklungen beziehen in der Durchleuchtungsanlage auch das Cone-Beam CT
ein (durch Rotation einer Röhre), um fragliche Befunde zu überprüfen oder ggf. sehr
hochaufgelöste 3D-Bilder anzufertigen ([Abb. 5]
C, D) [22]
[45]
[46].
Tab. 3 Eigenschaften der verschiedenen Untersuchungstechniken beim Work-Up der SIH.
Modalität
|
Vorteile
|
Nachteile
|
DSM
|
-
Hohe zeitliche Auflösung (dynamische Untersuchung)
-
V.a. für High-Flow Leaks geeignet (Typ 1 und 2)
-
Relativ geringere Strahlenbelastung als CTM
-
Zusätzliche Möglichkeit einer Cone-Beam CT
|
-
Eingeschränkter Bereich abbildbar (i.d.R. 49cm Detektorfläche)
-
Komplexe Untersuchung
-
Anfällig für Artefakte (Atmung, Bewegung)
-
Projektionsbilder (Überlagerungsphänomene)
-
Kleine Läsionen können übersehen werden
-
Mit größerer Lernkurve des Untersuchers zu rechnen
|
CTM
|
-
Zeitliche Auflösung bzw. dynamische Untersuchung möglich
-
Hohe örtliche Auflösung durch 3D-Bildgebung (damit auch Darstellung kleiner Befunde,
z.B. bei Typ-3-Leak)
-
CT ist weit verfügbar
|
-
Relativ hohe Strahlenbelastung
-
Geringere zeitliche Auflösung als DSM
-
Mit größerer Lernkurve des Untersuchers zu rechnen
|
Zur Veranschaulichung des diagnostischen Vorgehens dient das Flussdiagramm in [Abb. 6]. Im wissenschaftlichen und klinischen Diskurs hat sich ein gewisser Terminus durchgesetzt,
mithilfe dessen sich der Workflow gut beschreiben lässt. Dabei werden Patienten mit
epiduraler Flüssigkeit im MRT als SLEC + (abgleitet vom englischen „spinal longitudinal
extradural CSF collection“) bezeichnet, wobei diese Flüssigkeit Hinweis auf einen
Durariss gibt (Typ 1 und 2 oder sakral); andererseits weisen ein hoher Bern Score
(kurz Head +) mit SLEC neg. Wirbelsäule auf den Typ 3, die Liquor-Vene-Fistel, hin
[18]
[26].
Abb. 6 Zweistufiges diagnostisches Konzept im Work-Up der SIH.
Durch Fallstricke in der richtigen Lagerung und im zeitlichen Ablauf der KM-Gabe stellen
beide Modalitäten, DSM und CTM, eine technisch herausfordernde Untersuchung dar und
bedürfen für ein qualitativ hochwertiges Ergebnis einer gewissen Routine. Andernfalls
besteht die Gefahr, den Patienten wiederholten Untersuchungen und damit einer unnötigen
Strahlenbelastung auszusetzen.
Ausblick
Technische Fortschritte, wie die Entwicklung des Photon Counting CT und der Einsatz
von Hybridgeräten (Angiographieanlage + CT), werden zukünftig potenziell von Bedeutung
sein: Die hohe räumliche Auflösung beim Photon Counting CT mit relativ weniger Strahlendosis
und spektraler Analyse kann helfen, die Diagnosefindung zu verbessern und die Strahlenbelastung
zu reduzieren [47]
[48]. Hybridgeräte bieten den Vorteil, die beiden Modalitäten DSM und CTM örtlich direkt
zu koppeln [49].
Therapeutisches Vorgehen
Konservative Maßnahmen und Blutpatch
In der frühen Phase der SIH können grundsätzlich konservative Therapieverfahren, wie
Bettruhe, Hydratation und Coffein (auch ohne vorangegangene Lokalisation des Leaks)
eine vorrübergehende Verringerung der Symptomlast bewirken [4]
[35]. Diese Maßnahmen besitzen jedoch nur wenig Evidenz für eine nachhaltige Behandlung
– spätestens nach zwei Wochen ohne signifikante Besserung sollte ein ungezielter epiduraler
Blutpatch (EBP) angeboten werden [30]. Die Wirkweise des Patches begründet sich zum einen auf eine Erhöhung des epiduralen
Widerstands und damit auf einen kurzfristigen Ausgleich des Liquorverlustes (sofortiger
Effekt), ein potenzieller Verschluss des Defekts durch Granulationsvorgänge wird diskutiert
[50]
[51]. Der dauerhafte Effekt des EBP ist aufgrund der heterogenen Datenlage unklar [52], kleinere Studien konnten Verschlussraten von ca. ⅓ der Patienten nachweisen [53]
[54]. Dabei scheint ein Volumen von etwa 20ml einen guten Effekt zu haben [55].
10–14d nach erfolgtem EBP sollte ein Follow-Up erfolgen, um den subjektiven klinischen
Status zu evaluieren [30]. Bestehen die Symptome weiter, kann ein zweiter EBP angeboten oder direkt mit der
weiterführenden Diagnostik (Stufe 2, s.o.) zum Ziel der Therapieeskalation begonnen
werden [30]. Dieser Ansatz ist insbesondere zur Vermeidung von Chronifizierung und Langzeitschäden
von Bedeutung für die Patienten [31]
[56].
Auch bei schwerwiegender Klinik und komplizierten Verläufen (bspw. Nachweis von Subduralhämatomen
in der Bildgebung) ist eine zeitnahe Einleitung von Stufe zwei zur Leak-Identifikation
zu empfehlen [30]. In diesem Fall kann eine frühe Überweisung an ein CSF-Zentrum sinnvoll sein [30].
Definitive Therapieverfahren
Voraussetzung für eine definitive Therapie (chirurgisch oder interventionell) ist
die genaue myelografische Lokalisation des Liquorlecks.
Beim gezielten Blut- oder Fibrinpatch wird eine Punktionsnadel CT-gesteuert möglichst
nah an die exakte Stelle des Liquorverlustes herangeführt, um Blut oder Fibrin (etwa
2–4ml) zu injizieren [57]
[58]
[59]. Dieses Verfahren zeigt auch bei den Patienten gute Ergebnisse, die nicht von einem
ungezielten EBP profitiert haben [60]. Der Effekt wurde insbesondere für Typ 1 und Typ 3 bereits in größeren Untersuchungen
belegt [58]
[59].
Alternativ besteht für alle beschriebenen Leak-Typen die Option eines operativen Verschlusses.
Hierfür eignet sich ein mikrochirurgischer Ansatz, welcher – sofern in einem Zentrum
mit hoher Expertise durchgeführt – eine hohe Erfolgs- und sehr niedrige Komplikationsrate
aufweist (neurologische Komplikationen bei <2%) [61]. Die Erfolgsrate nach chirurgischem Leak-Verschluss ist mit über 90% sehr hoch,
dabei muss bei Patienten mit länger bestehendem Liquorleck (>3 Monate) in vielen Fällen
mit einer Dauer von ca. 3–6 Monaten bis zur vollständigen Genesung gerechnet werden
[28]. Auch bei nachweislich erfolgreichem operativen Verschluss können residuelle Symptome
bei ca. ¼ der Patienten persistieren, was den chronischen Charakter der Krankheit
deutlich macht [28].
Zur Therapie der Liquor-Vene-Fistel steht neben einer OP auch die endovaskuläre Option
zur Verfügung, welche erstmals 2021 beschrieben wurde: Durch transvenöse Sondierung
in die drainierende, paraspinale Vene kann die Fistel dauerhaft mittels Flüssigembolisat
(Onyx) verschlossen werden [62]. Auch dieses Verfahren bietet bei hoher Erfolgsrate eine sichere und wenig invasive
Alternative [63]. Ein Beispiel für den MRT-Verlauf vor und nach transvenöser Embolisation zeigt [Abb. 7].
Abb. 7 Therapieansprechen nach Liquor-Vene-Fistel-Embolisation. Präinterventionelle sagittale
fettgesättigte T1w-Sequenz nach KM einer 88-jährigen Patientin mit zwei synchronen
Liquor-Vene-Fisteln zeigt ein ausgeprägtes pachymeningeales Enhancement (offene weiße
Pfeile in A). Nach transvenöser Embolisation der Liquor-Vene-Fisteln Höhe BWK 2/3 rechts und
BWK 10/11 links (koronarer bzw. axialer hyperdenser Onyx Cast im nativen Cone-Beam
CT in C und D) ist das pachymeningeale Enhancement 4 Monate nach Behandlung nicht
mehr nachweisbar (B).
Langzeitfolgen und Komplikationen in Diagnostik und Klinik
Komplikationen sind ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Aspekt der SIH ([Abb. 8]) [10]
[64]. Insbesondere assoziierte Subduralhämatome ([Abb. 8]A) treten dabei relativ häufig auf – gerade bei jüngeren Patienten mit chronischem
Subduralhämatom scheinen Liquorlecks einen relevanten Anteil auszumachen [64]. Durch einen Kleinhirntonsillentiefstand, welcher bildmorphologisch eine Chiari-Malformation
nachahmt ([Abb. 8]B), kann es zur Entwicklung einer Syringomyelie kommen [3]
[65]. Seltener sind Sinusvenenthrombosen oder ein der frontotemporalen Demenz (FTLD)
ähnliches klinisches Bild („brain sagging dementia“) mit SIH assoziiert, im Unterschied
zur „echten“ FTLD können sich die Symptome hier, insofern das Leak gefunden wurde,
nach Behandlung vollständig zurückbilden [10]
[66]. Bei langjährig persistierendem Durariss können irreversible Langzeitschäden, wie
Paresen und Muskelatrophie bei der bibrachialen Amyotrophie oder Gangataxie und Hörverlust
im Rahmen der infratentoriellen superfiziellen Siderose ([Abb. 8]C) entstehen [67]
[68]. Zur Darstellung dieser Hämosiderin-Ablagerungen, die vermutlich im Rahmen der chronischen
Duraverletzung auftreten, kann das cMRT durch eine T2*- oder SWI-Sequenz („susceptibility
weighted imaging“) ergänzt werden [30]
[67].
Abb. 8 Komplikationen bei SIH. Koronare FLAIR-Sequenz mit bilateralen, raumfordernden chronischen
Subduralhämatomen (offene weiße Pfeile in A) eines 58-jährigen Patienten bei bereits eingeschränkter Bewusstseinslage; ursächlich
war ein ventrales Liquorleck (Typ 1). Axiale SWI-Sequenz zeigt eine streifige, infratentorielle
Siderose (offene weiße Pfeile in B) eines 78-jährigen Patienten mit ausgeprägter chronisch-progredienter Gangstörung
mit Tinnitus; ursächlich war ein ventrales Liquorleck (Typ 1). Sagittale T1w-Sequenz
nach KM stellt ein ausgeprägtes „brain sagging“ mit nicht mehr einsehbarem suprasellären
(offener weißer Pfeil in C) und mamillopontinen Raum (Asterisk) sowie Kleinhirntonsillentiefstand
(„sekundärer Chiari“, gestrichelte weiße Linie) dar. Ursächlich bei der 56-jährigen
Patientin mit Symptomen einer frontotemporalen Demenz, sowie Gang- und Schluckstörungen
und Dysarthrie über viele Jahre war eine Liquor-Vene-Fistel (Typ 3).
Eine bekannte Komplikation nach definitiver Versorgung des Leaks ist die sogenannte
„Rebound-Hypertension“ bei bis zu ¼ der Patienten [69]. Diese tritt mit Kopfschmerzen im Liegen (und Besserung im Stehen) in Erscheinung
und lässt sich durch Acetazolamid-Gabe (senkt die Liquorproduktion) meist gut behandeln
[28]
[70].
Schlussfolgerungen
Die spontane intrakranielle Hypotension ist ein schwerwiegendes, unterdiagnostiziertes
Krankheitsbild mit einem großen Symptomspektrum, das über Kopfschmerzen weit hinaus
geht. Das Wissen um die rasche (<14d) und stufenweise Diagnostik und Therapie ist
für die Patienten von großer Bedeutung, um den langfristigen Therapieerfolg zu verbessern
und Langzeitschäden sowie Komplikationen zu vermeiden. Aufgrund der komplexen und
potenziell strahlenbelastenden Diagnostik ist die Zusammenarbeit mit einem Zentrum
mit hoher Expertise sinnvoll, um eine zielgerichtete und erfolgreiche Therapie (operativ
oder interventionell) zu gewährleisten.