Phlebologie 2024; 53(04): 151-152
DOI: 10.1055/a-2334-8939
Leserbrief

Leserbrief 2 zu: Nebenwirkungen nach Acrylverklebung von Stammvenen – Bericht aus der Literatur

Richard Brandl
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Die Bewertung der in der Publikation von Parsi et al. [1] berichteten Komplikationen darf nicht ohne Weiteres der Bewertung des Lesers überlassen werden, zumal sie etliche, für eine angesehene medizinische Fachzeitschrift ungewöhnliche, methodische Mängel aufweist. Bei den berichteten Todesfällen ist ein zeitlicher Zusammenhang unklar (7/13), bei 6/13 wird ein Todesdatum von bis zu 13 Monaten nach der Cyanoacrylatembolisation (CAE) genannt. Die Kausalität bleibt in sämtlichen Fällen unklar („insufficient data“), ist im Falle einer mit dem Führungsdraht perforierten Nierenvene (Training?) schlechterdings pathophysiologisch kaum denkbar. Bei 5/13 Todesfällen ist das Patientenalter nicht bekannt, die verbleibenden 8/13 Patienten waren überwiegend im neunten Lebensjahrzehnt (median 81 J.). Hier fehlt, wenn schon kein näherer Bezug zum zeitlichen Zusammenhang geboten wird, ein Abgleich mit altersbezogenen Sterberegistern. Letzteres wäre nicht unwesentlich, weist doch die CAE als nichtthermisches Verfahren gerade bei Patienten im fortgeschrittenen Alter (im eigenen Krankengut Altersunterschied zu EVTA 15 Jahre) im Stadium CEAP C4+ unbestreitbare Vorzüge auf (auch gegenüber Schaumsklerosierung unter Dauerantikoagulation). Somit lässt sich auch ein Selektionsbias für den SAE Tod/Schlaganfall nach CAE nicht ausschließen. Das wenige Datenmaterial hierzu ist nicht aussagekräftig [2]. Berichte der Komplikationsraten von L&S, EVLA und RFA beziehen sich hingegen auf Patienten überwiegend im Stadium C2–3, ältere Patienten sind damit möglicherweise unterrepräsentiert. Gleichwohl wird in der Literatur für diese Verfahren eine z.T. exzessive Häufigkeit von Komplikationen berichtet (z.B. für TVT und LE 0,5–7% (Übersicht bei [3]). Hochgerechnet auf die Zahl der Anwendungen von CAE erscheinen die von den Autoren vorgestellten Zahlen in anderem Licht. Für den Geltungsbereich der FDA sind bisher wenigstens 700000 Anwendungen zu schätzen. Bei einer angenommenen Underreporting-Rate von 1:10 ergäbe sich demnach für das VenaSeal-System eine eingriffsbezogene Mortalität von 0,0018%, eine Zahl, die sich nicht von Konkurrenzverfahren negativ abhebt. Werden wie im Meldesystem der FDA vorbehaltlos „social media“ als Datenquelle akzeptiert, fällt es im Übrigen schwer, im Meldesystem medico-legal und pekuniär motivierte Artefakte auszusondern. Grundsätzlich problematisch ist ferner das Subsummieren unterschiedlicher Devices mit spezifischen Zubereitungen und physikalischen Eigenschaften des Embolisats unter „CAE“. Wir erfahren durch die Arbeit von Parsi et al. (entgegen welcher Erwartung?) also, dass – wie bei sämtlichen Verfahren der invasiven Venentherapie – auch mit CAE in Einzelfällen schwerwiegende Komplikationen auftreten können. Als langjähriger Anwender des VenaSeal-Verfahrens sehe ich persönlich eher einen umgekehrten Publikationsbias, der dazu führen könnte, dass das Verfahren insbesondere hierzulande nicht die Chance bekommt, die es verdient. Die invasive Phlebologie verlöre damit eine Methode, die im Regelfall im Vergleich zu allen vergleichbaren offenen und endovenösen Verfahren nochmal einen deutlich besseren Patientenkomfort aufweist [4] und bei bestimmten, nicht zuletzt durch Voroperationen provozierten Situationen, noch eine tragfähige Lösung bietet. Auch die Perspektive einer technischen Weiterentwicklung wäre vertan. Dabei stellt das Klebeverfahren schon heute unbestritten eine Erweiterung des therapeutischen Spektrums dar, nicht nur in schwierigeren Fällen von fortgeschrittenem Alter und Komorbidität. Die Akzeptanz bei jüngeren Patientinnen und Patienten, die nicht durch Fehlaufklärung verängstigt wurden und nach dem Eingriff unmittelbar wieder ihrer gewohnten Beschäftigung nachgehen können, ist unvergleichlich, ebenso bei Anwendern, die mit dem Handling eines Führungsdrahts und Sterilität im Op kein Problem haben. Der hämodynamische Benefit durch CAE unmittelbar nach dem Eingriff wird bei geringerer periinterventioneller Morbidität unmittelbar wahrgenommen. Immunreaktionen auf den Kleber sind – entgegen der landläufigen Meinung – nicht schicksalhaft und bereits durch präliminäre Aufklärung über Verhaltensregeln weitgehend vermeidbar. Verfahrenswahl, Patientenselektion, Training und Sorgfalt bei der Nachbehandlung sind ja plötzlich keine Fremdworte für phlebochirurgisch Aktive, nur weil es das Klebeverfahren gibt.



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Article published online:
14 August 2024

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