CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2024; 84(10): 920-927
DOI: 10.1055/a-2376-9748
GebFra Science
Statement

Strukturelle Voraussetzungen für die ambulante Behandlung benigner Erkrankungen des Uterus

Article in several languages: English | deutsch
Cosima Brucker
1   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, Klinikum Nürnberg, Nürnberg, Germany
,
Thomas Dimpfl
2   Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum Kassel, Gesundheit Nordhessen, Kassel, Germany
,
Anton Scharl
3   Onkologische Fachklinik Bad Trissl, Oberaudorf, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die ambulante Erbringung operativer Leistungen bei benignen Erkrankungen des Uterus kann in vielen Fällen Vorteile gegenüber der stationären haben. Dies zeigt die Versorgungssituation in anderen Ländern. Voraussetzung für die ambulante Leistungserbringung ist jedoch, dass sich dadurch keine Beeinträchtigung der Versorgungsqualität und der Patientensicherheit ergibt. Oberstes Ziel darf nicht die Reduktion der Kosten, sondern muss die Erhaltung, optimalerweise die Verbesserung der Versorgungsqualität sein. Dazu ist erforderlich, dass die Leistungen nicht nur durch den operativen Eingriff definiert werden, sondern die gesamte Behandlungskette bis hin beispielsweise zur psychosozialen Unterstützung beibehalten und entsprechend vergütet wird. Besonders bedenklich ist, dass die letztendliche Entscheidung, ob eine ambulante Operation möglich war, nicht der operativen Einheit, sondern dem medizinischen Dienst obliegt mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten und -drohungen. Diese Situation ist international einmalig und erfordert einen Paradigmenwechsel. Weiterhin sind strukturelle Voraussetzungen vorzuhalten, die gegenwärtig in Deutschland nur unzureichend bestehen. Da ein substanzieller Anteil ambulant geplanter Operationen unmittelbar oder sekundär eine stationäre Behandlung erfordert, muss ein barrierearmer Übergang zwischen ambulantem und stationärem Bereich bestehen. Dies erfordert die Bildung von Netzwerken zwischen ambulanten Leistungserbringern und einer oder mehreren Kliniken, die nach Ausstattung und Kompetenz in der Lage sind, auch komplexe Komplikationen zu beherrschen. Wichtig ist die Schaffung von Strukturen, die unter intensiver Einbindung der operierenden Einheit eine adäquate präoperative Evaluation und Edukation der Patienten genauso beinhalten wie die bedarfsorientierte postoperative Versorgung am Wohnort. Die gegenwärtige Trennung der Sektoren behindert dieses Ziel erheblich. Weiterhin muss bei der Ausweitung und Förderung der ambulanten Operationen zwingend der Aspekt der Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals mitgedacht werden, ebenso wie eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung.

Basierend auf einer Sichtung der internationalen Literatur formuliert der vorliegende Artikel 13 Empfehlungen für adäquate Strukturen zur ambulanten Leistungserbringung, die Voraussetzung sind für eine größtmögliche Gewährleistung der Patientensicherheit.


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Internationaler Vergleich

Entscheidend für den Erfolg bei der Behandlung kranker Menschen ist nicht der Ort, an dem sie nachts schlafen.

International belegt Deutschland mit 7,8 Krankenhausbetten pro 1000 Einwohnern nach Japan und Korea einen Spitzenplatz und ist in Europa führend [1]. An der Spitze liegt Deutschland aber auch bei der Anzahl der Patienten, die eine Pflegekraft im Krankenhaus zu betreuen hat (2018: 13,0 Patienten pro Pflegekraft). Eine niederländische Pflegekraft hat demgegenüber nur gut halb so viele Patienten zu versorgen (6,9 Patienten) [2]. Ein Krankenhausbett ist aber nur dann sinnvoll, wenn es auch mit einer adäquaten medizinischen und pflegerischen Betreuung einhergeht. Aufgrund dieser Zahlen besteht das Potenzial, dass die Versorgung im Krankenhaus besser würde, wenn mancher bisher stationäre Patient ambulant betreut werden könnte.

Dass dies möglich ist, zeigen ebenfalls internationale Vergleiche. Hysterektomien beispielsweise erfolgen in Deutschland und Österreich zu 100%, im Vereinigten Königreich zu 98% im stationären Setting. In Dänemark dagegen werden 57,7% der Hysterektomien ambulant durchgeführt. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Brustkrebsoperationen: Brusterhaltende Operationen erfolgen in Deutschland in 0,4%, Mastektomien in 0% ambulant, in Dänemark dagegen zu 88,3 bzw. 45,6% und im Vereinigten Königreich zu 77,8 bzw. 21,2% [3].

Allerdings werden in Ländern mit einer hohen Quote ambulanter Operationen wie Dänemark ein umfassendes Netzwerk und ambulante Betreuungsangebote vorgehalten. Dies wird im Gutachten des IGES-Instituts [3] ganz deutlich herausgestellt. Diese Struktur gibt es in Deutschland aber (noch) nicht [4]. Auch die rechtlichen Vorgaben und finanziellen Bedingungen sind anders. Laut IGES obliegt die Entscheidung, ob ein Patient stationär aufgenommen oder ambulant behandelt wird, international immer dem behandelnden Arzt. Dabei fließen u. a. die Art des Eingriffs mit der entsprechenden Komplikationsrate oder postoperativen Überwachungs- und Behandlungsnotwendigkeiten ein sowie der physische Zustand des Patienten, das soziale Umfeld und die Betreuungsmöglichkeiten zu Hause. Ebenso sind ausführliche und strukturierte präoperative Patientenedukation sowie die postoperative Betreuung und Nachsorge von großer Bedeutung für die Erweiterung des ambulanten Operationspotenzials. Die Organisation von Ansprechpersonen postoperativ sowie auch die Betreuung zu Hause sind fixe Bestandteile des im Voraus zu planenden Behandlungsprozesses [3].

Ein System wie in Deutschland, bei dem im Wesentlichen Abrechnungsprüfungen der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes auf die ambulante Durchführung entsprechend katalogisierter Leistungen hinwirken und gegebenenfalls durch Erlöskürzung sanktionieren, gibt es in den Vergleichsländern nicht. Im Gegenteil werden hier positive Anreize geschaffen, eine ambulante Leistungserbringung anzustreben. Besonders wird im IGES-Gutachten auch darauf hingewiesen, dass in den Ländern mit hoher Ambulantisierungsquote die Notwendigkeit eines effizienten Qualitätssicherungssystems erkannt und dieses etabliert wurde [3].


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Status quo in Deutschland

In Deutschland wurde nicht an den Strukturen der Krankenversorgung gearbeitet, um eine zunehmende ambulante Durchführung von Operationen sinnvoll umzusetzen. Stattdessen wurden und werden Kataloge ambulanter Leistungen erstellt und erweitert und der Medizinische Dienst mit der Überwachung beauftragt. Die klinische Realität des Einzelfalls wird dabei unzureichend berücksichtigt, ebenso die medizinische Einschätzung durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie der jeweilige tatsächliche Verlauf. Das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft beauftragte IGES-Gutachten würde ein exzellentes Pflichtenheft für zu errichtende Strukturen ergeben. Dass Ambulantisierung nicht als Verbesserung der Versorgung und des Patientenwohls, sondern ausschließlich zur Kostensenkung vorangetrieben wird, tritt hier trotz gegenteiliger Versicherungen klar zutage. Die finanzielle Gefährdung der Krankenhausstrukturen, die eine gute Versorgung erst möglich machen, wird dabei billigend in Kauf genommen.


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Erfordernisse für eine patientengerechte und nachhaltige Ambulantisierung

Die ambulante Durchführung von Operationen kann durchaus dem Wohl der Patienten dienen. Sie werden u. a. nicht aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen, erhalten Fürsorge und Unterstützung durch vertraute Personen, Krankenhauskeime sind weniger zu befürchten. Häufig kann die Rückkehr zur Normalität, sei es privat oder beruflich, schneller erfolgen [5].

Entscheidend ist aber, dass im Rahmen der Behandlung alle Bedürfnisse befriedigt werden, die zur Gesundung erforderlich sind. Denn nur, wenn eine ambulante Behandlung die Bedürfnisse der Kranken genauso befriedigt und die gleichen Ergebnisse erzielt wie die stationäre Behandlung (vergleichbare Erkrankung, Stadien, Patientinnengruppen usw. vorausgesetzt), ist sie tatsächlich eine Fortentwicklung hin zu einer steten Verbesserung des Gesundheitswesens. Voraussetzung dafür ist, dass bei der Ambulantisierung nicht nur die operative Leistung, also die sogenannte OPS betrachtet wird, sondern der gesamte komplexe Behandlungsprozess, der bei der stationären Behandlung im Krankenhaus abgebildet ist und in das ambulante Setting übertragen werden muss.

Ambulante Betreuungsstrukturen

Die Anforderungen an entsprechende Strukturen sind bei der Ambulantisierung sogar höher als im stationären Bereich. Der Wegfall der unmittelbar verfügbaren Informationsmöglichkeit und Betreuung im Krankenhaus stellt höhere Anforderungen an die Edukation der Patienten und der häuslichen Betreuungspersonen. Die postoperativen Arzt- und Pflegevisiten im Krankenhaus müssen ersetzt werden durch ein ambulantes, also mobiles Betreuungsangebot durch Fachpersonal. Dies kann zwar partiell durch Telemedizin geleistet werden, aber auch dafür braucht es die entsprechende Infrastruktur aufseiten der Patienten und der Leistungserbringer. Andere wichtige Maßnahmen, z. B. Wundpflege, müssen analog erfolgen und erfordern qualifiziertes und erreichbares Fachpersonal.

Die Sektorengrenzen des deutschen Gesundheitswesens sind hinderlich [4]. Die postoperative ärztliche Kontrolle und Betreuung erfolgen heute regelhaft nicht durch die operierenden Personen und Institutionen, sondern durch andere (niedergelassene) Ärzte. Die Kommunikation über die Sektorengrenzen hinweg ist hier entscheidend. Kenntnisse über die Art des Eingriffs, die intraoperativen und perioperativen Befunde und Ereignisse und die sich daraus potenziell ergebenden Komplikationsmöglichkeiten sind erforderlich. Die Informationsübermittlung erfolgt in der gegenwärtigen Struktur regelhaft durch einen Arztbrief, häufig zwischen Kollegen, die sich nicht kennen. Die Arztbrieferstellung erfolgt im optimalen Fall vom operierenden, im suboptimalen, aber häufigen Setting durch einen bei dem Eingriff gar nicht anwesenden Arzt, der keine unmittelbaren Detailkenntnisse über den operativen Verlauf hat. Verbesserungen des Informationsflusses, z. B. auch durch effektive Digitalisierung, sind zwingend. Bei zunehmender Ambulantisierung ist es erforderlich, die perioperative Betreuung unter direkter Aufsicht der Leistungserbringer durchzuführen, da nur hier die genaue Kenntnis über die operative Leistung und sich daraus ergebende Notwendigkeiten der perioperativen Versorgung vorhanden ist. Die Kommunikation mit dem Patienten über den Eingriff und die postoperative Phase kann sinnvoll nur durch Personen erbracht werden, die direkt an der Erbringung der operativen Leistung beteiligt sind.


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Sicherstellung der barrierearmen stationären Behandlung im Bedarfsfall

Nach internationalen Daten ist in bis zu 6% der Fälle nach einer ambulanten Operation aufgrund von Komplikationen oder unerwarteten Ereignissen eine stationäre Weiterbetreuung nötig [6] [7] [8]. Darüber hinaus kann nicht in allen Fällen eine Operation wie geplant ambulant erfolgen. Eine aktuelle systematische Literaturübersicht zur ambulanten minimalinvasiven Hysterektomie berichtete beispielsweise eine durchschnittliche Versagerrate von 40%. Zu den Hauptgründen dafür, dass eine Entlassung nach Hause am Operationstag nicht möglich war, gehörten auch nicht planbare oder voraussehbare Ursachen wie fehlgeschlagene Miktion, Notwendigkeit einer intensiveren Schmerzbehandlung, Übelkeit, Erbrechen sowie der späte Zeitpunkt der Operation [8]. Aus Sicht der Patientensicherheit muss in diesem Fall der barrierearme Übergang in die stationäre Behandlung mit vollem Zugang zu allen relevanten prä-, intra- und perioperativen Informationen gewährleistet sein.


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Sicherstellung und Finanzierung der gesamten Behandlungskette

Operationen stellen ein einschneidendes, oft lebensveränderndes, manchmal als traumatisch bis lebensgefährdend empfundenes Ereignis dar. Dies gilt bei Weitem nicht nur für onkologische Krankheitsbilder. Darum wurden im stationären Setting Strukturen geschaffen, die auch den psychosozialen und rehabilitativen Bedürfnissen der Patienten Rechnung tragen, beispielsweise im onkologischen Zertifizierungssystem, aber auch bei Endometriose- oder Beckenbodenzentren. Derartige Strukturen fehlen im ambulanten Setting. Es sollte unbedingt vermieden werden, dass den Patienten durch die Streichung der Übernachtung diese notwendigen Unterstützungs- und Stabilisierungsangebote verloren gehen [9] [10]. Insbesondere ist zu bedenken, dass die Kosten für diese Strukturen gegenwärtig durch die Erlöse der stationären Leistungen getragen werden, und zwar nicht als Pauschale, sondern enthalten in den Erlösen der einzelnen stationären Leistungen. Stationäre Fallzahlreduzierung zugunsten der ambulanten Leistungen dürfen sich dementsprechend nicht negativ auf die Finanzierung der geschaffenen stationären Strukturen auswirken, sondern die freiwerdenden Gelder müssen zur Schaffung der notwendigen Vorhaltestrukturen eingesetzt werden. Das muss in den Erlösen für ambulante Leistungen entsprechend abgebildet werden, sonst sind sie nicht aufrechtzuerhalten mit der Folge eines dramatischen Verlusts an Qualität.


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Sektorenübergreifende Qualitätssicherung

Im stationären Bereich, insbesondere im Fachgebiet der Gynäkologie/Geburtshilfe und Senologie, wurde in den letzten Jahrzehnten ein beispielhaftes, teils freiwilliges, teils staatlich verordnetes, aufwandsintensives Qualitätssicherungssystem geschaffen. Derartiges existiert im ambulanten Bereich nicht. Bisher sind auch alle Bemühungen um eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung gescheitert. International wurde die Ambulantisierung vom Aufbau eines effektiven Systems zur Qualitätssicherung und -verbesserung begleitet [3]. Das ist auch in Deutschland zwingend zu fordern.


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Weiter- und Fortbildung des Nachwuchses

Weiterbildung und Nachwuchsqualifizierung sind besondere Herausforderungen, vor allem auch in operativen Fachgebieten. Der weit überwiegende Anteil der ärztlichen Weiterbildung findet in den Krankenhäusern und hier überwiegend im stationären Setting statt. Die bisherige Organisation und Finanzierung ambulanter Operationen bilden die Weiterbildung und Qualifizierung nicht ab. Zunehmende Ambulantisierung vermindert die Weiterbildungsmöglichkeiten drastisch und verstärkt den Nachwuchsmangel, wenn hier nicht entschieden gegengesteuert wird.


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Fachliche Empfehlungen ([Tab. 1]; [Abb. 1])

Für einen medizinisch sinnvollen Ausbau der ambulanten Leistungserbringung im operativen Bereich ist ein Paradigmenwechsel obligat. Primäres Ziel darf nicht die Kostenminderung sein. Primäres Ziel muss die Erhaltung oder Verbesserung der bisherigen Prozess- und Ergebnisqualität mit Priorität für die Patientensicherheit sein. Nur dann können die Vorteile der ambulanten Leistungserbringung für die Patienten erschlossen und in der Folge als erwünschter Nebeneffekt auch Kostenoptimierung erreicht werden. Dafür ist aber erforderlich, erst die entsprechenden Strukturen zu etablieren, dann Anreize für Leistungserbringer und Patienten zu schaffen und das Ganze mit einer durchdachten und effizienten Qualitätssicherung zu unterstützen.

Tab. 1 Empfehlungen.

Empfehlung 1

Entscheidungszuständigkeit

Die Entscheidung über die ambulante oder stationäre Erbringung der operativen Leistung soll durch den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin erfolgen, nicht durch einen externen Kontrollmechanismus [3].

Empfehlung 2

Vergütung

Die Vergütung der ambulant erbrachten operativen Leistung soll ausreichend und kostendeckend sein und sich zunächst an der Vergütung für die stationäre Leistungserbringung inklusive aller perioperativ erforderlichen Maßnahmen (abzüglich der Hotelkosten) orientieren [3].

Empfehlung 3

Patientinnensicht

Für organerhaltende nichtkomplexe operative Maßnahmen bei benignen Erkrankungen des Uterus sollte, sofern medizinisch und organisatorisch vertretbar und aus Patientinnensicht möglich, der ambulanten Versorgung der Vorzug gegeben werden [5].

Empfehlung 4

Ein- und Ausschlusskriterien Patientin

Systematische Reviews haben definiert, welche Patientinnen für kurzstationäre bzw. ambulante gynäkologische Eingriffe in Frage kommen. Patientinnen mit multiplen Komorbiditäten sind für die kurzstationäre bzw. ambulante Leistungserbringung nicht geeignet. Im Regelfall sollte eine Einschätzung nach ASA 1 oder ASA 2 vorliegen. Ein multidisziplinärer Ansatz mit konsentierten Protokollen für die Patientenbeurteilung, inklusive Ein- und Ausschlusskriterien für die kurzstationäre bzw. ambulante Leistungserbringung, ist erforderlich.

Patientinnen mit multiplen Komorbiditäten, ASA 3 oder ASA 4, älter als 70 Jahre, fehlendem sozialen Netzwerk, sollen nicht ambulant operiert werden [11] [12].

Empfehlung 5

Patientinnensicherheit

Die Wahrung der Patientinnensicherheit soll als oberste Priorität bei der Wahl der Versorgungsstruktur zur Durchführung eines komplexen gynäkologischen Eingriffs/einer Hysterektomie berücksichtigt werden.

Empfehlung 6

Wahl des operativen Vorgehens

Minimalinvasive Operationen, endoskopisch oder vaginal, zeigen bessere perioperative Ergebnisse im Hinblick auf Schmerz, perioperative Komplikationen wie Wundinfektion oder Thrombose und raschere Rekonvaleszenz im Vergleich zur Laparotomie. Daher sind sie für die Durchführung einer kurzstationären oder ambulanten gynäkologischen Operation besonders geeignet.

Zur kurzstationären oder ambulanten Durchführung eines komplexen gynäkologischen Eingriffs/einer Hysterektomie soll ein minimalinvasives (laparoskopisch, robotisch assistiert) oder vaginales Vorgehen zur Anwendung kommen [13] [14] [15].

Empfehlung 7

Operatives Risiko

Wesentliche chirurgische Kriterien für die Entscheidung zwischen einer ambulanten versus stationären Eingriffsplanung eines komplexen gynäkologischen Eingriffs/einer Hysterektomie sind die Organgröße, das Nachblutungsrisiko, der Z. n. Voroperationen und die erwartete OP-Dauer [11].

Empfehlung 8

Beurteilung durch Operateur

Die chirurgische Eignung für eine kurzstationäre bzw. ambulante Durchführung eines komplexen gynäkologischen Eingriffs/einer Hysterektomie soll durch den Operateur beurteilt werden.

Empfehlung 9

Netzwerk

Zur Durchführung ambulanter Operationen sollen Strukturen in enger Abstimmung mit für die potenziell erforderliche stationäre Weiterbehandlung qualifizierten Kliniken etabliert werden. Dieses Netzwerk soll die klinischen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllen, die eine sichere Durchführung ambulanter/kurzstationärer komplexer Eingriffe ermöglichen.

In jedes ambulante Netzwerk soll eine Klinik eingebunden sein, welche für die Beherrschung auch komplexer Komplikationen qualifiziert ist. Entsprechende organisatorische, institutionelle und ggfls. vertragliche Regelungen zwischen der die ambulante Leistung erbringenden Institution und der Klinik sollen existieren.

Die perioperative und postoperative Versorgung nach kurzstationären oder ambulanten Eingriffen soll unter der Verantwortung und nach Maßgabe der Netzwerk-Klinik erfolgen.

Empfehlung 10

Generelle Voraussetzungen zur ambulanten Durchführung

Zur kurzstationären oder ambulanten Durchführung minimalinvasiver gynäkologischer Eingriffe sollen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • präoperative Patientenedukation und Optimierung

  • eine multimodale und narkotikasparende Narkose

  • Prophylaxe von Übelkeit, Wundinfektionen und Thrombosen

  • Beibehaltung der Euvolämie

  • frühzeitige Mobilisierung

  • gut ausgebaute ambulante Betreuungsstrukturen, z. B.

    • ärztliche Nachbetreuung postoperativ (Besprechung der intraoperativen Befunde, Histologie, postoperativen Beschwerden, Konsequenzen der Ergebnisse – evtl. telemedizinisch), durch oder in enger Abstimmung mit dem primären Leistungserbringer

    • Betreuung vor Ort (Wohnort der Patientin) mindestens durch qualifiziertes Krankenpflegepersonal (examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin – postoperativ zumindest Pflegevisiten) inkl. geregelter adäquater Schmerztherapie

    • geregelte Versorgungswege bei Komplikationen, die ggfls. eine stationäre Versorgung benötigen

[5] [16]

Empfehlung 11

Zeitrahmen ambulanter Operationen

Eingriffe mit einer OP-Dauer > 90 min sind für eine ambulante Durchführung nicht geeignet. Das Ende der Operation sollte nicht nach 16 Uhr liegen, um eine adäquate postoperative Überwachung sowie Entlassung bis spätestens 22 Uhr zur ermöglichen. Einige Kriterien können erst intraoperativ beurteilt werden.

Bei der Planung komplexer gynäkologischer Eingriffe/organentfernender Therapieverfahren einer Hysterektomie/eines komplexen Eingriffs soll grundsätzlich auch die Möglichkeit einer stationären Weiterbehandlung gegeben sein [5] [6] [7].

Empfehlung 12

Kriterien zur ambulanten Weiterversorgung

Bei Entlassung am OP-Tag sollen alle folgenden Kriterien erfüllt sein:

Chirurgische Kriterien:

  • OP-Ende vor 16 Uhr

  • keine intraoperativen Komplikationen

  • kein ungewöhnlicher Blutverlust

Patientenkriterien:

  • Blutdruck, Puls und Atemfrequenz normal

  • Sauerstoffsättigung > 92%

  • afebril

  • wach und angemessen orientiert

  • ausreichende Schmerzkontrolle mit oraler Medikation (Schmerzintensität VAS ≤ 4/10)

  • minimale Übelkeit, kein Erbrechen

  • selbstständiges Gehen möglich

  • Spontanmiktion oder Dauerkatheter in situ

[16]

Empfehlung 13

Kriterien zur stationären Weiterversorgung

Eine stationäre Versorgung nach minimalinvasiven gynäkologischen Operationen soll in allen Fällen erfolgen, in denen die oben für die Entlassung am OP-Tag genannten Kriterien nicht erfüllt sind und/oder die eines oder mehrere der folgenden Kriterien aufweisen:

Patientenkriterien:

  • soziodemografische Daten: schlechtes soziales Netzwerk, keine telefonisch erreichbare Bezugsperson, die die Versorgung in den ersten 24 Stunden gewährleisten kann

  • Entfernung zwischen Klinik und Patientenwohnort > 50 km

  • Alter ≥ 70 Jahre

  • eingeschränktes Verständnis

  • eingeschränkte Mobilität (z. B. ECOG ≥ 2)

Medizinische Kriterien:

  • ASA ≥ 3

  • Narkosekomplikation in der Vorgeschichte

  • Schlafapnoe

  • schlecht kontrolliertes Asthma oder COPD

  • therapeutische Antikoagulation

  • Vorgeschichte von Arrhythmie, CHF, Schrittmacher/AICD, oder Hypertonie mit

    • Typ I Diabetes oder schlecht eingestellter Typ 2 Diabetes (Blutzucker präoperativ > 180 mg/dl)

    • signifikante Nierenerkrankung (GFR < 30 ml/min, Dialyse)

    • Leberzirrhose

    • täglicher Alkoholkonsum > 2 Drinks

[16]

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Abb. 1 Notwendige Elemente der Patientenversorgung bei komplexen gynäkologischen Eingriffen.

Im Rahmen der Erstellung der S3-Leitlinie „benigne Uteruserkrankungen“ wird ein Kapitel die Versorgungsstrukturen betreffen, die für die Behandlung benigner Erkrankungen des Uterus nötig sind. Wegen des derzeit intensiven Drucks, ambulante Leistungen im operativen Bereich auszubauen, halten die Autoren es für geboten, nicht die Fertigstellung der Leitlinie abzuwarten, sondern die wesentlichen Aspekte in dieser Form vorab zu publizieren. Wichtig ist der Hinweis, dass die entsprechenden Empfehlungen nicht im Rahmen der Leitlinienerstellung abgestimmt sind, sondern bisher nur die aus der Sichtung und Bewertung der vorhandenen Literatur resultierende Expertenmeinung der Autoren darstellt.

Organerhaltende Operationen

Die organerhaltenden Operationen sind heterogen. Hierzu zählen neben den hysteroskopischen Eingriffen auch die Endometrioseresektion, die Myomenukleation sowie in Abhängigkeit des operativen Verfahrens die Beckenbodenrekonstruktion. Diese Eingriffe zeichnen sich durch eine breite Streuung des Schwierigkeitsgrads aus und fallen damit in vielen Fällen unter die Definition „komplexer gynäkologischer Eingriff“ ([Abb. 2]). Die Entscheidung zur ambulanten versus stationären Leistungserbringung richtet sich nach dem Gesamtassessment der medizinischen, chirurgischen und sozialen Kontextfaktoren sowie der Komplexität des Eingriffs.

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Abb. 2 Komplexe gynäkologische Eingriffe.

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Organentfernende Therapieverfahren

Unter den organentfernenden Therapieverfahren sind alle Verfahren der Hysterektomie zusammengefasst. Die Hysterektomie ist eine Operation mittleren bis hohen Schwierigkeitsgrads. Bislang werden Hysterektomien in Deutschland nahezu ausschließlich stationär durchgeführt. Dies dient der Schmerzbehandlung sowie der Überwachung möglicher peri- und postoperativer Komplikationen wie erhöhter Blutverlust, Nachblutung, Harnverhalt und verzögerte Defäkation.

In anderen Ländern werden Hysterektomien und andere komplexe gynäkologische Eingriffe unter bestimmten Voraussetzungen auch kurzstationär (Entlassung innerhalb von 24 h) oder ambulant (Entlassung am selben Tag) durchgeführt [8].


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Empfehlung 1

Die Entscheidung über die ambulante oder stationäre Erbringung der operativen Leistung soll durch den behandelnden Arzt/die behandelnde Ärztin erfolgen, nicht durch einen externen Kontrollmechanismus [3].


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Empfehlung 2

Die Vergütung der ambulant erbrachten operativen Leistung soll ausreichend und kostendeckend sein und sich zunächst an der Vergütung für die stationäre Leistungserbringung inklusive aller perioperativ erforderlichen Maßnahmen (abzüglich der Hotelkosten) orientieren [3].


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Empfehlung 3

Für organerhaltende nichtkomplexe operative Maßnahmen bei benignen Erkrankungen des Uterus sollte, sofern medizinisch und organisatorisch vertretbar und aus Patientinnensicht möglich, der ambulanten Versorgung der Vorzug gegeben werden [5].


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Empfehlung 4

Systematische Reviews haben definiert, welche Patientinnen für kurzstationäre bzw. ambulante gynäkologische Eingriffe in Frage kommen. Patientinnen mit multiplen Komorbiditäten sind für die kurzstationäre bzw. ambulante Leistungserbringung nicht geeignet. Im Regelfall sollte eine Einschätzung nach ASA 1 oder ASA 2 vorliegen. Ein multidisziplinärer Ansatz mit konsentierten Protokollen für die Patientenbeurteilung, inklusive Ein- und Ausschlusskriterien für die kurzstationäre bzw. ambulante Leistungserbringung, ist erforderlich.

Patientinnen mit multiplen Komorbiditäten, ASA 3 oder ASA 4, älter als 70 Jahre, fehlendem sozialen Netzwerk, sollen nicht ambulant operiert werden [11] [12].


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Empfehlung 5

Die Wahrung der Patientinnensicherheit soll als oberste Priorität bei der Wahl der Versorgungsstruktur zur Durchführung eines gynäkologischen Eingriffs berücksichtigt werden.


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Empfehlung 6

Minimalinvasive Operationen, endoskopisch oder vaginal, zeigen bessere perioperative Ergebnisse im Hinblick auf Schmerz, perioperative Komplikationen wie Wundinfektion oder Thrombose und raschere Rekonvaleszenz im Vergleich zur Laparotomie. Daher sind sie für die Durchführung einer kurzstationären oder ambulanten gynäkologischen Operation besonders geeignet.

Zur kurzstationären oder ambulanten Durchführung eines komplexen gynäkologischen Eingriffs/einer Hysterektomie soll ein minimalinvasives (laparoskopisch, robotisch assistiert) oder vaginales Vorgehen zur Anwendung kommen [13] [14] [15].


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Empfehlung 7

Wesentliche chirurgische Kriterien für die Entscheidung zwischen einer ambulanten versus stationären Eingriffsplanung eines gynäkologischen Eingriffs sind die Organgröße, das Nachblutungsrisiko, der Z. n. Voroperationen und die erwartete OP-Dauer [11].


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Empfehlung 8

Die chirurgische Eignung für eine kurzstationäre bzw. ambulante Durchführung eines gynäkologischen Eingriffs soll durch den Operateur beurteilt werden.


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Empfehlung 9

Zur Durchführung ambulanter Operationen sollen Strukturen in enger Abstimmung mit für die potenziell erforderliche stationäre Weiterbehandlung qualifizierten Kliniken etabliert werden. Dieses Netzwerk soll die klinischen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllen, die eine sichere Durchführung ambulanter/kurzstationärer komplexer Eingriffe ermöglichen.

In jedes ambulante Netzwerk soll eine Klinik eingebunden sein, welche für die Beherrschung auch komplexer Komplikationen qualifiziert ist. Entsprechende organisatorische, institutionelle und ggfls. vertragliche Regelungen zwischen der die ambulante Leistung erbringenden Institution und der Klinik sollen existieren.

Die perioperative und postoperative Versorgung nach kurzstationären oder ambulanten Eingriffen soll unter der Verantwortung und nach Maßgabe der Netzwerk-Klinik erfolgen.


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Empfehlung 10

Zur kurzstationären oder ambulanten Durchführung minimalinvasiver gynäkologischer Eingriffe sollen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • präoperative Patientenedukation und Optimierung

  • eine multimodale und narkotikasparende Narkose

  • Prophylaxe von Übelkeit, Wundinfektionen und Thrombosen

  • Beibehaltung der Euvolämie

  • frühzeitige Mobilisierung

  • gut ausgebaute ambulante Betreuungsstrukturen, z. B.

    • ärztliche Nachbetreuung postoperativ (Besprechung der intraoperativen Befunde, Histologie, postoperativen Beschwerden, Konsequenzen der Ergebnisse – evtl. telemedizinisch), durch oder in enger Abstimmung mit dem primären Leistungserbringer

    • Betreuung vor Ort (Wohnort der Patientin) mindestens durch qualifiziertes Krankenpflegepersonal (examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin – postoperativ zumindest Pflegevisiten) inkl. geregelter adäquater Schmerztherapie

    • geregelte Versorgungswege bei Komplikationen, die ggfls. eine stationäre Versorgung benötigen

[5] [16].


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Empfehlung 11

Eingriffe mit einer OP-Dauer > 90 min sind für eine ambulante Durchführung nicht geeignet. Das Ende der Operation sollte nicht nach 16 Uhr liegen, um eine adäquate postoperative Überwachung sowie Entlassung bis spätestens 22 Uhr zur ermöglichen. Einige Kriterien können erst intraoperativ beurteilt werden.

Bei der Planung komplexer gynäkologischer Eingriffe/organentfernender Therapieverfahren soll grundsätzlich auch die Möglichkeit einer stationären Weiterbehandlung gegeben sein [5] [6] [7].


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Empfehlung 12

Bei Entlassung am OP-Tag sollen alle folgenden Kriterien erfüllt sein:

Chirurgische Kriterien:

  • OP-Ende vor 16 Uhr

  • keine intraoperativen Komplikationen

  • kein ungewöhnlicher Blutverlust

Patientenkriterien:

  • Blutdruck, Puls und Atemfrequenz normal

  • Sauerstoffsättigung > 92%

  • afebril

  • wach und angemessen orientiert

  • ausreichende Schmerzkontrolle mit oraler Medikation (Schmerzintensität VAS ≤ 4/10)

  • minimale Übelkeit, kein Erbrechen

  • selbstständiges Gehen möglich

  • Spontanmiktion oder Dauerkatheter in situ

[16].


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Empfehlung 13

Eine stationäre Versorgung nach minimalinvasiven gynäkologischen Operationen soll in allen Fällen erfolgen, in denen die oben für die Entlassung am OP-Tag genannten Kriterien nicht erfüllt sind und/oder die eines oder mehrere der folgenden Kriterien aufweisen:

Patientenkriterien:

  • soziodemografische Daten: schlechtes soziales Netzwerk, keine telefonisch erreichbare Bezugsperson, die die Versorgung in den ersten 24 Stunden gewährleisten kann

  • Entfernung zwischen Klinik und Patientenwohnort > 50 km

  • Alter ≥ 70 Jahre

  • eingeschränktes Verständnis

  • eingeschränkte Mobilität (z. B. ECOG ≥ 2)

Medizinische Kriterien:

  • ASA ≥ 3

  • Narkosekomplikation in der Vorgeschichte

  • Schlafapnoe

  • schlecht kontrolliertes Asthma oder COPD

  • therapeutische Antikoagulation

  • Vorgeschichte von Arrhythmie, CHF, Schrittmacher/AICD, oder Hypertonie mit

    • Typ-I-Diabetes oder schlecht eingestelltem Typ-2-Diabetes (Blutzucker präoperativ > 180 mg/dl)

    • signifikanter Nierenerkrankung (GFR < 30 ml/min, Dialyse)

    • Leberzirrhose

    • täglichem Alkoholkonsum > 2 Drinks

[16].


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.


Correspondence

Prof. Dr. Anton Scharl
Onkologische Fachklinik Bad Trissl
Bad Trißl Straße 73
83080 Oberaudorf
Germany   

Publication History

Article published online:
01 October 2024

© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Necessary elements of patient care for complex gynecological procedures.
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Fig. 2 Complex gynecological procedures.
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Abb. 1 Notwendige Elemente der Patientenversorgung bei komplexen gynäkologischen Eingriffen.
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Abb. 2 Komplexe gynäkologische Eingriffe.