Schlüsselwörter
Ösophagusatresie - Geburtsvorbereitung - Anastomose - Stenose - Leck - Ernährungsprobleme
- gastroösophagealer Reflux - Laryngomalazie - Tracheomalazie - Gedeihstörung
Einleitung
Weil sich die Luftröhre und die Speiseröhre bei Embryonen aus einer anfänglich gemeinsamen
Struktur entwickeln, ist bei Fehlbildungen der Speiseröhre in den meisten Fällen auch
die Luftröhre betroffen. Dies wird schon offensichtlich dadurch, dass die meisten
Kinder eine tracheoösophageale Fistel (TÖF) haben und ist zusätzlich auch nach der
Korrekturoperation funktionell bedeutsam, weil meistens auch eine Tracheomalazie besteht.
Die Versorgung von Kindern mit einer angeborenen Unterbrechung der Speiseröhre ist
anspruchsvoll und erfordert zu ihrer sicheren Versorgung eine hohe Expertise und Routine
aller beteiligten Berufsgruppen und Fachbereiche. Dazu gehören von der Pränataldiagnostik
über die Geburtshilfe, Neonatologie, Kinderradiologie, Kinderanästhesie und Kinderchirurgie
auch die postoperative Intensivmedizin, Pflege und Physiotherapie. Ein solches Team
kann nur dann routiniert arbeiten, wenn es klare Vorgaben für die Strukturen und den
Ablauf aller Versorgungsschritte hat und Erfahrung damit sammeln und erhalten kann.
Weil es nicht möglich ist, dies mit nur wenigen Fällen im Jahr zu erreichen, ist die
Zentralisierung eine der dringendsten Forderungen, um die Versorgungsqualität von
Kindern mit Ösophagusatresie zu ermöglichen.
Eine Datensammlung aus den Jahren 1980 – 2015, die 6466 Kinder mit Ösophagusatresie
aus 24 internationalen Registern mit sehr diversen Ländern umfasste, zeigte ein 1-Monats-Überleben
von fast 90% und 5-Jahres-Überleben von 83% [1]. Sicher ist die Versorgung in den letzten Jahrzehnten immer besser geworden, aber
es bestehen Risiken im gesamten Behandlungsverlauf, die bei zusätzlichen Fehlbildungen
sowie Frühgeburtlichkeit zunehmen. Eine Erhebung aller deutschen DRG-Leistungsdaten
aus den Jahren 2016 – 2022 zeigte eine 1-Monats-Überlebensrate von 92% [2], wobei hier sehr unterschiedlich spezialisierte Versorger beteiligt waren. In einer
aktuellen Datensammlung aus dem „Boston Childrenʼs Hospital“ zeigten sich Überlebensraten,
die nur dann auf 90% eingeschränkt waren, wenn die Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht
von weniger als 1500 g oder einer bedeutsamen Fehlbildung des Herzens geboren wurden
[3], alle anderen überlebten. Man muss davon ausgehen, dass durch eine Zentralisierung
in Deutschland die Komplikations- und Überlebensraten verbessert werden könnten [2].
Ganz erheblich hängen die Überlebensrate und die Lebensqualität von einer guten Versorgung
in den ersten Lebensjahren ab. Dieses Kapitel soll die wichtigsten Aspekte dazu anschaulich
zusammenfassen.
Pränatale Diagnostik
Die typische Befundkonstellation bei einem Kind mit Ösophagusatresie ist im pränatalen
Ultraschall das Vorhandensein von viel Fruchtwasser kombiniert mit einem kleinen Magen.
Ein Zuviel an Fruchtwasser findet sich aber nur bei ca. 40 – 50% der Fälle [4]. Das kommt daher, dass der Fetus das Fruchtwasser, welches zu 80% aus fetalem Urin
besteht, nicht schlucken kann.
Da eine Ösophagusatresie in manchen Fällen mit anderen Fehlbildungen kombiniert sein
kann, müssen diese bei einem entsprechenden Verdacht sorgfältig ausgeschlossen werden.
Die häufigste Assoziation bei einer Ösophagusatresie ist dabei die VACTERL-Assoziation.
VACTERL ist ein Akronym, das sich aus vertebralen, anorektalen, kardialen, tracheoösophagealen,
renalen und Lim-Fehlbildungen zusammensetzt. Insbesondere der Herz- und Nierenstatus
können für die weitere Prognose des Kindes wichtig sein.
Bei Hinweisen auf ein Syndrom kann ein mütterlicher Bluttest, eine Chorionzottenbiopsie
oder eine Amniozentese hilfreich sein, denn Chromosomenanomalien wie das Down-Syndrom
(Trisomie 21) oder die Trisomien 13 und 18 sind mit einer Ösophagusatresie assoziiert.
Die oben beschriebene pränatale Diagnostik erfasst nur einen Teil der Fälle einer
Ösophagusatresie. In einer Metaanalyse unter Einschluss von fast 74 000 Feten lag
die Sensitivität beim pränatalen Ultraschall bei nur 42% [5] und entspricht damit der Häufigkeit von dem damit vergesellschafteten „Zuviel“ an
Fruchtwasser (assoziiertes Polyhydramnion). Damit gehört die Ösophagusatresie zu den
am häufigsten übersehenen angeborenen Anomalien in der Schwangerschaft [6].
Nur in komplexen, unklaren Fällen ist eine pränatale Magnetresonanztomografie (MRT)
der Feten indiziert. Sie hat eine etwas höhere diagnostische Genauigkeit im Vergleich
zur Sonografie, ist aber auch mit einem größeren Aufwand verbunden. Derzeit werden
zahlreiche Studien durchgeführt, welche die pränatale MRT-Diagnostik verbessern sollen,
und es bleibt abzuwarten, ob hier in Zukunft eine bessere Vorhersehbarkeit mit geringem
Aufwand für Schwangere und ihre Feten möglich ist [7].
Bei Verdacht auf eine Ösophagusatresie sollte die Geburt unbedingt in einem Zentrum
mit ausreichend Erfahrung in der Versorgung von Kindern mit Ösophagusatresie erfolgen.
Ein Kaiserschnitt ist per se bei dem Verdacht auf Ösophagusatresie nicht erforderlich.
Betroffene Familien sollten schon pränatal in einem multidisziplinären Team eingebunden
werden, das alle Aspekte der Versorgung (Geburtshilfe, Neonatologie, Kinderchirurgie,
Kinderanästhesie) umfasst.
Peripartale Versorgung
Bei der postnatalen Versorgung soll, wenn möglich, zügig eine suffiziente Spontanatmung
erreicht werden. Zur Ableitung von Speichel und Sekreten aus dem Mund wird eine Schlürfsonde
gelegt und der Oberkörper sollte hochgelagert werden, um die Atmung zu erleichtern.
Oft ist auch eine Seitenlagerung hilfreich, damit das Sekret abfließen kann. Bei invasiver,
aber auch nicht invasiver Beatmung kann es schrittweise zur Füllung des Magens mit
Luft kommen, falls, wie in den meisten Fällen, eine untere tracheoösophageale Fistel
(TÖF) vorhanden ist. Im Extremfall kann bei praller Füllung des Magens mit Luft eine
Beatmung unmöglich werden. Dann muss der Magen dringlich entlastet werden, um ein
Überleben zu ermöglichen. Dies kann zur Not mit einer transabdominellen Punktion der
Magenblase erfolgen. Andernfalls ist eine operative Eröffnung des Magens erforderlich.
Ansonsten gelten die gleichen Empfehlungen wie bei der generellen Versorgung von Neugeborenen
[8].
Postnatale/präoperative Diagnostik und Vorbereitung
Postnatale/präoperative Diagnostik und Vorbereitung
Sicherung der Diagnose
Kinder mit Ösophagusatresie können ihren Speichel nicht schlucken. Das führt unmittelbar
nach der Geburt zu Husten, sichtbarem Sekret aus dem Mund und im Verlauf zu Atemnot.
Die erste Maßnahme ist dann das Absaugen des Sekretes und der Versuch, eine Magensonde
durch die Nase oder den Mund vorzuschieben. Wenn die Sonde sich nicht in den Magen
vorschieben lässt, ist das oft der erste sichere Hinweis auf eine Ösophagusatresie
und wird trotz der im Folgenden beschriebenen Unsicherheiten von allen aktuellen Leitlinien
als Bestätigung der Diagnose akzeptiert [9]. Es wird ein Röntgenthorax zur Dokumentation der umgeschlagenen Magensonde angefertigt,
der als sog. Babygramm den gesamten Brustkorb und den Bauchraum abbilden muss. Die
Applikation von Kontrastmittel durch die Sonde sollte wegen der Aspirationsgefahr
vermieden werden, allenfalls kann etwas Luft (10 ml) während der Aufnahme in die Sonde
eingespritzt werden, um den oberen Blindsack besser zu
erkennen. Wird im Babygramm Luft in der Magenblase dargestellt und hat das Kind tatsächlich
eine Ösophagusatresie, beweist diese Luft eine untere TÖF. Das Babygramm zeigt neben
dem oberen Blindsack und der Magenblase auch die Konfiguration des Herzens, als möglichen
Hinweis eines Herzfehlers, sowie die gesamte Wirbelsäule zum Ausschluss von Wirbelkörperfehlbildungen.
Obligat ist nach der Geburt auch eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, eine sog.
Echokardiografie sowie eine Ultraschalluntersuchung des Bauches, insbesondere zur
Abklärung von Nierenfehlbildungen.
Dieses diagnostische Vorgehen beinhaltet selten aber regelhaft falsch positive Diagnosen,
bei denen die Magensonde aufgrund anderer Ursachen nicht zu legen ist. Zu diesen seltenen
Ursachen zählen die Fremdkörperimpaktion [10], Pharynx-Pouching nach traumatischer Geburt [11], Pharynx- oder Ösophagusperforationen aufgrund traumatischer Versuche der endotrachealen
Intubation [12], [13] und der Fehlplatzierung einer Magensonde [14]. Aber auch falsch negative Diagnosen werden beschrieben, bei denen sich Magensonden
trotz Fehllagen regulär im Röntgen präsentieren. Zum Beispiel wurden die Perforation
des oberen Ösophagusstumpfes mit der Sonde und die Passage durch das Mediastinum in
den Bauchraum beschrieben [15] oder auch der Eintritt der Sonde durch den Larynx oder eine obere
tracheoösophageale Fistel (TÖF) in die Luftröhre, mit anschließender Passage durch
eine untere TÖF in den Magen [16], [17], [18].
Auch um zu vermeiden, dass erst intraoperativ eine Fehldiagnose erkannt wird, muss
eine präoperative bronchoskopische Überprüfung gefordert werden, die in der Realität
aber meist nicht stattfindet [19]. Auch ein europäisches Konsensus-Statement empfiehlt eine Bronchoskopie vorab, um
weitere Pathologien zu erkennen [9], eine TÖF zu lokalisieren und Fälle mit einer 2., oberen TÖF zu erkennen [20]. Der tracheale Eintritt in eine TÖF in die untere Speiseröhre stellt sich typischerweise
„fischmaulartig“ dar (Fistel zieht nach unten), hingegen stellt sich eine obere TÖF
in der Trachea wie ein Vulkankrater dar (Fistel zieht nach oben). Empfehlungen, eine
Ösophagoskopie vorab durchzuführen, finden sich hingegen nicht. Dies ist sicher darauf
zurückzuführen, dass in den meisten Fällen von Ösophagusatresie eine untere TÖF vorhanden
ist und deren Darstellung bei einer Bronchoskopie die
Diagnose bestätigt. In den Fällen, in denen aber keine TÖF gefunden wird, halten wir
eine Ösophagoskopie für dringend angezeigt [13], denn dann könnte entweder eine Kontinuität des Ösophagus vorliegen oder eine Ösophagusatresie
ohne TÖF (Vogt Typ 2). Als Tipp der Autoren kann diese Ösophagoskopie auch mit einem
Bronchoskop unter Applikation eines durchgehend positiven Atemwegdrucks (PEEP) einfach
und schnell durchgeführt werden. Die Endoskopie kann unmittelbar vor der OP durchgeführt
werden, um Mehrfachanästhesien zu vermeiden.
Präoperative Vorbereitung
Die Korrektur einer Ösophagusatresie ist in den seltensten Fällen ein Notfall. Nur
wenn durch eine Druckbeatmung der Magen distendiert und dadurch die Beatmung behindert
ist, muss schnell gehandelt werden. Ansonsten empfiehlt sich eine gute präoperative
Vorbereitung, um die Operation so sicher und erfolgreich wie möglich durchführen zu
können. Die präoperative Vorbereitung soll somit das Risiko für Komplikationen minimieren
und die bestmöglichen Voraussetzungen für die Operation schaffen. Bei Luft im Magen
und dementsprechend am wahrscheinlichsten einer unteren TÖF (Fehldiagnosen siehe oben),
ist nach Möglichkeit die Spontanatmung des Neugeborenen am günstigsten. Dadurch wird
das Risiko der Überblähung des Magens minimiert.
Zusätzlich ist eine umfassende Diagnostik zum Ausschluss oder Nachweis weiterer Fehlbildungen
erforderlich, insbesondere eine Echokardiografie zur Beurteilung der Herzfunktion,
möglicher kardialer Anomalien und Ausschluss einer untypisch rechts deszendierenden
Aorta. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts
und der Elektrolyte, um eine stabile Stoffwechsellage zu gewährleisten. Die Operation
sollte idealerweise innerhalb der ersten Tage nach der Geburt erfolgen, da das Risiko
einer Verschlechterung der pulmonalen Situation des Kindes mit zunehmender Zeit deutlich
ansteigt. Außerdem muss rechtzeitig eine bestrahlte Blutkonserve bereitgestellt werden,
um im Bedarfsfall eine Transfusion durchführen zu können.
Anästhesie zur Primäroperation
Anästhesie zur Primäroperation
Anästhesie- und Risikoaufklärung
Im Rahmen der Anästhesieaufklärung sollen die Eltern bzw. Sorgeberechtigten umfassend
über die geplanten Maßnahmen und möglichen Risiken informiert werden. Besonders auf
Sorgen im Bezug zur Narkose sollten die Behandler empathisch eingehen. Liegt die Narkose
in Händen von erfahrenen Anästhesist:innen, ist diese nachweislich sicherer und für
den Säugling nicht schädlich [23], [24]. Wie oben beschrieben, ist eine Tracheoskopie/Bronchoskopie und ggf. auch eine Gastroskopie
erforderlich. Die Narkose wird in Form einer Intubationsnarkose (ITN) durchgeführt.
Zudem müssen invasive Zugänge erwogen werden, um eine optimale Überwachung und Behandlung
besonders bei sehr kleinen Neugeborenen und begleitenden Herzfehlern zu gewährleisten.
Falls notwendig, können auch Bluttransfusionen erforderlich werden, über deren Indikation
und Risiken ebenfalls aufzuklären ist. Nach dem Eingriff wird die weitere Behandlung
und Überwachung auf der Intensivstation stattfinden. Bei den Aufklärungsgesprächen
müssen auch die Risiken für schwerwiegende Komplikationen (bis hin zum Tod oder zu
Behinderungen, siehe Einleitung) adressiert werden. Vor der Korrekturoperation ist
darauf zu achten, dass die Eltern ausreichend Zeit zwischen Aufklärung und OP-Termin
haben, sofern der Eingriff, wie in den allermeisten Fällen, elektiv vorgenommen wird.
Anästhesievorbereitung
Neben den allgemein leitliniengerechten, standardisierten Vorbereitungen für operative
Eingriffe im Neugeborenen- und Säuglingsalter sind bei Eingriffen am Ösophagus zusätzliche,
spezifische Maßnahmen erforderlich.
Zur Vorbereitung müssen standardmäßig Masken, Larynxmasken und Endotrachealtuben in
unterschiedlichen adäquaten Größen griffbereit sein. Ebenso eine endoskopische Optik,
mit der eine Tracheoskopie durchgeführt werden kann. Bei fehlendem Nachweis einer
Fistel, muss auch eine Ösophagoskopie möglich sein. Zusätzlich werden eine dicke Stochersonde
(oral platziert zur Schienung und Exposition des oberen Ösophagusstumpfes) und eine
dünne Magensonde (nasal platziert, um diese über die später geschaffene Anastomose
schieben zu können) bereitgelegt. Die Auswahl der Art und Größe dieser Instrumente
erfolgt in enger Absprache mit den Operateur:innen.
Ein standardisiertes Monitoring sollte neben Pulsoxymetrie, EKG, nicht invasiver und
invasiver Blutdruckmessung (NIBP, IBP), Temperatursonde auch eine Überwachung mittels
Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) und ein neuromuskuläres Monitoring (NMT) enthalten.
Zusätzlich sollte das Neugeborene mit einem Dauerkatheter, einem zentralvenösen Zugang
und einem arteriellen Zugang ausgestattet sein. Besonders ein arterieller Zugang ermöglicht
regelmäßige Blutgasanalysen sowie Blutzuckerkontrollen.
Die Endoskopie sollte sorgfältig ablaufen, indem auch die Trachealhinterwand nach
(weiteren) Fisteln untersucht wird. Dies ermöglicht auch das Ausschließen von Fehldiagnosen
(z. B. aufgrund eines geburtstraumatischen pharyngealen Hämatoms). Die Befunde der
Endoskopie werden idealerweise vorab dem Operateur demonstriert und nach gemeinsamer
Absprache das weitere Vorgehen festgelegt (Tubuslage, ggf. Sondierung der TÖF).
Ablauf der Narkoseführung
Die Narkose wird wie üblich eingeleitet, wobei die genaue Vorgehensweise an die jeweiligen
Gegebenheiten angepasst wird. Nach der endoskopischen Darstellung ist bei der endotrachealen
Intubation besonders darauf zu achten, eine Intubation in eine TÖF zu vermeiden. Die
korrekte Tubuslage kann auch zusätzlich bronchoskopisch kontrolliert werden. Die Einleitung
erfolgt in Anwesenheit der Operateur:innen, sodass im Notfall eine Gastrotomie durchgeführt
werden kann, falls es zu einer Magenüberblähung kommt. Eine Magensonde wird im Rachen
(sog. Stochersonde) platziert und zugänglich gehalten, sodass sie intraoperativ zur
Exposition des oberen Ösophagusstumpfes vorgeschoben werden kann.
Das Kind wird für die Operation in Linksseitenlage gelagert. Die Beatmung erfolgt
bis zum Verschluss der Fistel besonders vorsichtig. Das Ziel für die periphere Sauerstoffsättigung
liegt bei 97 – 98%, bei Frühgeborenen bei 87 – 92%. Es ist auf eine Normovolämie zu
achten. Zusätzlich müssen jederzeit Katecholamine verabreicht werden können. Idealerweise
sollten diese von Anfang an minimal dosiert „mitlaufen“, damit sie unmittelbar wirken
können.
Nach der Anastomose wird evtl. nach Absprache mit den Kinderchirurg:innen eine nasal
platzierte Magensonde gelegt und sorgfältig fixiert.
Intraoperative Herausforderungen
Aufgrund der vielfältigen und komplexen intraoperativen Herausforderungen ist die
Anwesenheit einer erfahrenen Fachärztin bzw. eines erfahrenen Facharztes für Kinderanästhesie
essenziell.
Durch das zähe Bronchialsekret kann es intraoperativ zu einer Verlegung des Tubus
und der Atemwege kommen, was eine adäquate Oxygenierung erschwert. Zusätzlich kann
es durch operative Manipulation zu einer Kompression der Lunge oder Trachea kommen.
Dies führt zu einer unzureichenden Beatmung mit Einschränkung der Oxygenierung und
Decarboxylierung. Eine weitere potenzielle Komplikation stellt die Kompression der
Vorhöfe oder der Vv. cavae dar, wodurch der kardiale Rückfluss behindert, der Auswurf
reduziert und infolgedessen die Oxygenierung weiter vermindert werden kann. Die Unterscheidung
dieser Komplikationen erfordert einen erfahrenen Anästhesisten bzw. eine erfahrene
Anästhesistin, der/die in der Lage ist, die Ursachen adäquat zu erkennen und gezielt
Maßnahmen einzuleiten, um eine vollständige Erholung zu ermöglichen.
In gewissem Umfang müssen Kompromisse mit der Kinderchirurgie abgesprochen werden,
nicht immer sind die gleichen Messwerte wie außerhalb der „heißen Phase“ der Operation
zu erreichen. Durch die Dämpfung des Gehirnstoffwechsels ist dies aber zu tolerieren.
Das NIRS bietet eine zusätzliche Aussage zur Oxygenierung des Gehirns und sollte daher
Teil des Standardmonitorings sein.
Operative Versorgung
Ziel der operativen Versorgung bei der Ösophagusatresie ist die Unterbindung von evtl.
vorhandenen tracheoösophagealen Fisteln und das Herstellen der Kontinuität der Speiseröhre.
Die Operation kann grundsätzlich offen, über eine sog. Thorakotomie (Zwischenrippenschnitt)
oder eine Thorakoskopie (Brustspiegelung) erfolgen. Bei der Letzteren wird der Eingriff
durch 3 oder 4 kleine Zugänge von wenigen Millimeter Durchmesser durchgeführt. Die
Vorteile dabei sind kleinere Narben, weniger postoperative Schmerzen, schnellere Rekonvaleszenz
und evtl. langfristig ein geringeres Risiko von muskuloskelettalen Problemen wie einer
Skoliose.
Das operative Vorgehen hängt von dem Typ der Ösophagusatresie ab. Die meisten Ösophagusatresien
mit distaler Fistel (Gross Typ C oder Vogt Typ 3b) können in einem Schritt versorgt
werden.
Nach einer Bronchoskopie zum Ein- oder Ausschluss von Fisteln wird das Kind zunächst
für den Eingriff gelagert, beim offenen Verfahren meist auf der linken Körperseite,
für die Thorakoskopie etwas nach bauchwärts gekippt. Bei der Operation wird zunächst
der untere Ösophagus identifiziert und nach oben hin bis zu der normalerweise vorhandenen
tracheoösophagealen Fistel hin präpariert. Dort wird die Fistel so weit wie möglich
an der Trachea verschlossen, entweder durch eine Naht oder mittels eines Clips. Danach
wird der untere Ösophagus möglichst nah an der Trachea abgesetzt, sodass möglichst
viel Länge des unteren Speiseröhrenrestes verbleibt und damit sich am Fistelabgang
an der Trachea keine tiefe Tasche bildet.
Danach wird der obere Ösophagusblindsack aufgesucht, soweit wie notwendig mobilisiert
und nach unten gezogen. An seiner Spitze wird er eröffnet und dann mit dem unteren
Ösophagus zusammengenäht. Diese Naht ist technisch anspruchsvoll, insbesondere beim
thorakoskopischen Vorgehen. Die Verbindung muss ausreichend weit und wasserdicht sein.
Einige Kinderchirurg:innen legen gerne eine transanastomotische Sonde von der Nase
in den Magen, um das Kind frühzeitig nach der Operation in den Magen ernähren zu können.
Wenn der Abstand zwischen den beiden Ösophagusanteilen so groß ist, dass sie nicht
zusammengenäht werden können, handelt es sich um eine Long-Gap-Ösophagusatresie. Der
Großteil dieser Patient:innen hat eine Ösophagusatresie ohne Fistel (Gross Typ A oder
Vogt Typ 2) oder mit einer oberen tracheoösophagealen Fistel (Gross Typ B oder Vogt
Typ 3a). Die obere Fistel ist bei der präoperativen Bronchoskopie erkennbar, ist aber
insgesamt selten. Bei der Ösophagusatresie ohne Fistel wird zunächst eine Replogle-Sonde
angelegt, um den Speichel über die folgenden Wochen abzusaugen. Dabei handelt es sich
um eine Schlürfsonde mit 2 Lumina und 3 Löchern an der Spitze, die kontinuierlich
den Speichel aus dem oberen Blindsack „schlürft“. Außerdem wird eine Gastrostomie
durchgeführt, damit eine Ernährungssonde direkt durch die Bauchwand in den Magen gelegt
werden kann. Dieser Eingriff kann ebenfalls offen oder laparoskopisch durchgeführt
werden, also durch eine Bauchspiegelung. Erschwerend ist
dabei, dass der Magen dieser Kinder meist sehr klein ist. Die Anlage einer Schlürfsonde
und einer Gastrostomie erlaubt zunächst, dass das Kind gefüttert und größer werden
kann. Zur Behandlung der Long-Gap-Atresie kommen mehrere Konzepte in Betracht. Zum
einen wächst der Ösophagus schneller als das Kind, sodass man durch Zuwarten über
Wochen und Monate eine relative Annäherung der Enden erreichen kann, die dann wiederum
eine Anastomose zulassen. Nachgeholfen werden kann dadurch, dass die Enden unter Zug
gesetzt werden, entweder durch Nähte im Körper (sog. „interner Foker“) oder durch
extern durch die Haut ausgeleitete Nähte, an denen jeden Tag etwas gezogen wird („externer
Foker“), bis die Enden sich überlappen. Alternativ kann auch ein Ösophagusersatz in
Betracht gezogen werden, bspw. durch einen Magenhochzug (dabei wird der Magen in den
Brustkorb gezogen und mit dem oberen Blindsack am Hals vernäht) oder eine Interposition
von Dünn- oder Dickdarm. Die Behandlung der
Long-Gap-Ösophagusatresie ist insgesamt komplex, langwierig und meist mit mehr oder
weniger Komplikationen vergesellschaftet.
Postoperative Versorgung
Bei der postoperativen Versorgung gelten die Grundregeln wie bei anderen Neugeborenen
nach Operationen auch. Wenn es während der Operation zu keinen besonderen Vorkommnissen
kam und insbesondere, wenn der Eingriff thorakoskopisch durchgeführt wurde, kann das
Kind möglicherweise extubiert und spontanatmend in den Aufwachraum gebracht werden.
Eine verlängerte Nachbeatmung und Muskelrelaxation sind nur bei ausgeprägter Spannung
auf der Anastomose abzuwägen. Die transanastomotische Magensonde sollte, falls eine
während der Operation gelegt wurde, nach 24 h zur Ernährung verwendet werden. Wenn
die Kinder ohne CPAP-Atemunterstützung rein spontanatmend zurechtkommen, sollte oral
zusätzlich vorsichtig Milchnahrung angeboten werden. Bei Verdacht auf eine Anastomoseninsuffizienz
sollte eine Kontrastmitteldarstellung erfolgen. Eine klinische Checkliste sollte zur
Verfügung stehen, die alle Maßnahmen enthält, die vor der ersten Entlassung durchgeführt
werden müssen (z. B. eine
Ultraschalluntersuchung des Harntrakts und der Wirbelsäule sowie ein Reanimationstraining
für Eltern oder Betreuungspersonen).
Nachsorge – Prophylaxen, Untersuchungen, Förderungen
Nachsorge – Prophylaxen, Untersuchungen, Förderungen
Eine strukturierte Nachsorge ist nach Versorgung einer Ösophagusatresie essenziell,
um einen langfristigen Therapieerfolg zu sichern und langfristige Komplikationen zu
vermeiden. Ungefähr 3 Wochen nach der primären Anastomose kann ein Breischluck hilfreich
sein, um eine erste Einschätzung zu ermöglichen. Gastroösophagealer Reflux ist bei
Säuglingen im Allgemeinen weit verbreitet, bei Kindern mit Ösophagusatresie noch häufiger.
Meist kann dieser mittels Protonenpumpeninhibitoren gut behandelt werden. Daher sollten
alle Kinder routinemäßig im 1. Lebensjahr einen Protonenpumpeninhibitor erhalten,
um einer Säurebelastung und einer dadurch bedingten Ösophagitis vorzubeugen. Idealerweise
sollte dann nach einem Auslassversuch mit anschließenden Biopsien deren Notwendigkeit
ausgeschlossen werden. Sollte der Reflux persistierende Probleme wie Entzündung der
Speiseröhre, ungenügende Nahrungsaufnahme oder Atembeschwerden verursachen, kann in
bestimmten Fällen und möglichst nach dem 1.
Lebensjahr eine Fundoplicatio, also eine Operation gegen Reflux, indiziert sein.
Es sollten regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen im Sinne einer Anamnese des Trink- und
Essverhaltens, eines Erfassens der Infekthäufigkeit, der allgemeinen Entwicklung sowie
des körperlichen Wachstums (insbesondere auch der Wirbelsäule) und auch endoskopische
Untersuchungen stattfinden. So können früh bspw. Anastomosenstenosen erkannt und entsprechend
relativ einfach behandelt werden, was bei zeitlicher Verschleppung bis hin zur Notwendigkeit
einer Reoperation führen kann. Detailliertere Einzelheiten zur Nachsorge und Prophylaxe
beim Bewegungsapparat, bei den Atemwegen und der Lunge sowie der Ernährung stellen
andere Artikel in dieser Sonderausgabe dar.
Bei den regelmäßigen Kontrollen muss anamnestisch sorgfältig auf das Essverhalten,
das Schlucken von Nahrung, die Atmung, das Vorhandensein von Stridor oder anderen
Atemgeräuschen sowie Zeichen eines eventuellen Refluxes eingegangen werden. Bei der
körperlichen Untersuchung sollte der Brustkorb auskultiert und die durch die Operation
entstandenen Narben kontrolliert werden. Auch auf Zeichen einer Scapula alata (Bewegungseinschränkung
des Schulterblattes), einer Thoraxasymmetrie oder einer Skoliose muss geachtet werden.
Das Gewicht und die Körperlänge sind ebenfalls wichtige Indikatoren, ob ein Kind gedeiht
oder nicht. Gewicht und Länge müssen in ein Nomogramm eingetragen werden, denn dabei
erkennt man am besten, ob das Wachstum von der normalen Kurve abweicht oder nicht.
Für die ÖA liegen bereits angepasste Wachstums- und Gewichtskurven spezifisch für
Deutschland vor [22].
Ein Kind, das gut trinkt und isst, normal atmet, vom Gewicht her normal zunimmt und
entlang seiner Alterskurven wächst, benötigt im 1. Lebensjahr keine weiterführende
Diagnostik. Auch kann der Nahrungsaufbau mit Beikost, Brei und später auch mit fester
Nahrung normal erfolgen, wobei die Größe der Nahrungsstücke langsam und vorsichtig
gesteigert wird. Bei dem Verdacht von Problemen kann eine Röntgenthoraxaufnahme hilfreich
sein, ansonsten auch ein Röntgenkontrastmittelbreischluck. Bei Zeichen einer Anastomosenenge,
also wenn die Nahrung nicht normal geschluckt wird und sich in der Kontrastmitteldarstellung
eine Enge findet, wird die Anastomose unter Narkose vorsichtig dilatiert (siehe unten).
Laryngomalazie oder Tracheomalazie sind ebenfalls häufige Befunde bei Kindern mit
Ösophagusatresie. Dabei handelt es sich um einen weichen Kehlkopf oder eine weiche
Luftröhre, die beim Atmen teilweise kollabiert und damit die Atmung behindern kann.
Meistens verbessert sich die Situation mit der Zeit. In den seltenen Fällen einer
erheblichen Einschränkung der Atmung kann eine Intervention erforderlich sein, und
zwar in Form einer Aortotrunkopexie, bei der die aufsteigende Hauptschlagader an das
Brustbein genäht wird. Dadurch entsteht hinter dem Herzen mehr Platz für die Luftröhre.
Alternativ wird seit etwa 2 Jahrzehnten die posteriore Tracheopexie empfohlen, bei
der die Hinterwand der Luftröhre an die Wirbelsäule genäht wird, um sie aufzuhalten.
In seltenen Fällen kann auch die Anlage einer Trachealkanüle notwendig sein.
Typischerweise kann sechs Wochen nach der Operation eine erste endoskopische Untersuchung
sinnvoll sein. Idealerweise stellt diese zunächst die Atemwege in Sedierung transnasal
mit einer flexiblen Optik funktionell dar, um Stimmbandparesen als mögliche geburtstraumatische
oder operative Komplikation zu erkennen. Danach sollten die gesamten Atemwege in Vollnarkose
unter Muskelrelaxierung dargestellt werden. Weil es bei der Passage durch die Glottis
in Sedierung reflektorisch zum Verschluss derselben kommt bei weiter bestehenden Atembemühungen,
ist eine valide Abschätzung einer Tracheomalazie sonst unmöglich. Ebenso ist die Darstellung
des ehemaligen Fistelstumpfes sowie weiterer Veränderungen erheblich eingeschränkt.
Im Anschluss daran ist die Darstellung der Speiseröhre mit der Weite der Anastomose
und einer Beurteilung der Kompetenz der Kardia in der antegraden Aufsicht sowie der
Inversion notwendig. Gegebenenfalls kann zeitgleich eine Ballondilatation der Anastomose
durchgeführt werden. Die maximal hier zu erreichende Weite wird durch den Durchmesser
der unteren Speiseröhre definiert, typischerweise besteht ein Kalibersprung zwischen
der oberen und der unteren Speiseröhre. Denn die Kinder schlucken pränatal regelmäßig
in den oberen Stumpf und dehnen diesen dadurch auf, während der untere Stumpf davon
ausgenommen ist. Wenn diese Bougierungen wiederholt werden müssen, ist die Injektion
eines Depot-Kortikoids abzuwägen, um den Abheilungsprozess günstig zu beeinflussen.
Auch das Belassen eines transnasal platzierten Ballonkatheters zur täglich 2-maligen
Bougierung durch die Eltern zu Hause kann in Erwägung gezogen werden. Eine erfolgreiche
Therapie erfordert auf jeden Fall viel Erfahrung durch regelmäßige Untersuchungen
und Interventionen bei diesen Kindern. Eindeutig sollten lebenslänglich regelmäßige
endoskopische Kontrollen durchgeführt werden [21].
In den ersten Lebensjahren sind betroffene Kinder häufig durch zahlreiche Krankenhausaufenthalte
und diagnostische Maßnahmen belastet. Daher ist es eine zentrale Aufgabe der behandelnden
Fachkräfte, diese Phasen für die Kinder so angenehm wie möglich zu gestalten. Erlebter
Stress in dieser sensiblen Zeit kann sich langfristig negativ auf die körperliche
und psychische Entwicklung auswirken (Verweis Artikel „ÖA als Familiendiagnose“).
Daher ist es sinnvoll, Untersuchungen möglichst effizient zu koordinieren, sodass
Mehrfachnarkosen oder wiederholte Blutabnahmen vermieden werden. Unterstützend können
schmerzlindernde Maßnahmen wie das Aufbringen von „EMLA-Pflastern“ eingesetzt werden,
um Blutentnahmen oder das Legen von Zugängen schmerzfreier zu gestalten [25].
Für eine erfolgreiche Nachsorge ist es darüber hinaus von zentraler Bedeutung, die
Eltern aktiv in den Behandlungsprozess einzubeziehen. Eine mögliche Maßnahme kann
dabei die Beteiligung der Sorgeberechtigten an der Entscheidungsfindung sein – etwa
durch ihre Anwesenheit bei Untersuchungen. So können Eltern aktiv mitwirken, sich
besser informiert fühlen und gemeinsam mit dem Behandlungsteam tragfähige Entscheidungen
für den weiteren Therapieverlauf treffen.