Schlüsselwörter Ösophagusatresie - respiratorische Komplikationen - Tracheomalazie - tracheoösophageale
Fistel - Atelektasen - strukturierte Langzeitbetreuung
Einleitung
Dieses zusammenfassende Dokument basiert auf einer Veröffentlichung von Koumbourlis
et al. [1 ] und berücksichtigt aktuelle Stellungnahmen und Leitlinien der Europäischen Respiratorischen
Gesellschaft (European Respiratory Society) sowie Konsensempfehlungen der Arbeitsgruppen
von INoEA, ERNICA und ERN-LUNG.
Ösophagusatresie (ÖA) und tracheoösophageale Fistel (TÖF) können mit lebenslangen
erheblichen respiratorischen Herausforderugen einher gehen. Daher wird die Mitbetreuung
durch Ärzt:innen mit Expertise in der pneumologischen Versorgung empfohlen, insbesondere
im Säuglings- und Vorschulalter. Die Empfehlungen der INoEA-Arbeitsgruppe für respiratorische
Komplikationen (Respiratory Complications Working Group, RCWG) [2 ] bieten einen strukturierten Ansatz für Diagnose, Behandlung und Langzeitversorgung
dieser Komplikationen mit dem Ziel, die Patientenergebnisse zu verbessern. Die RCWG
identifizierte die primären respiratorischen Erkrankungen, mit denen Betroffene vor
und/oder nach der ÖA-TÖF-Korrektur konfrontiert sind, darunter:
Tracheobronchomalazie (TBM)
Tracheobronchomalazie (TBM)
Die Tracheobronchomalazie ist der teilweise oder vollständige Kollaps der Hauptluftröhre
(Trachea und/oder Hauptbronchien) aufgrund einer abnormalen Weichheit der Atemwegswand
oder eines schlaffen Knorpels. Sie ist bei fast allen ÖA-TÖF-Betroffenen vorhanden,
wobei der Schweregrad je nach Atemwegsverengung variiert ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Normale Trachea während der Bronchoskopie links, schwere Tracheomalazie (> 75% Lumenverengung)
rechts. Der Grad der Obstruktion kann bei den Patienten variieren.
Die TBM kann bei Neugeborenen und Säuglingen akute Symptome verursachen, aber auch
zu Langzeitkomplikationen führen ([Abb. 2 ], [Tab. 1 ]).
Abb. 2 Akute und langfristige Folgen einer Tracheobronchomalazie.
Tab. 1 Symptome der TBM nach Altersgruppen.
Neugeborene/Säuglinge
Kinder/Jugendliche
Erwachsene
Atemnot
rezidivierendes Giemen
rezidivierendes Giemen
Atemstillstand
„bellender“/„blecherner“ und/oder „feuchter“ Husten
rezidivierender „feuchter“ und/oder „bellender“ Husten
Episoden schweren Sauerstoffmangels (niedrige Sauerstoffsättigung oder „Blue“ bzw.
„Dusky“ Spells, Zyanoseanfälle, BRUEs)
heisere Stimme/Stridor
heisere Stimme
rezidivierendes Giemen
geringe Belastbarkeit
geringe Belastbarkeit
„bellender“/„blecherner“ Husten
obstruktive Lungenfunktion, niedriger Spitzenexspirationsfluss (PEF)
obstruktive Lungenfunktion, niedriger Spitzenexspirationsfluss (PEF)
Stridor/„heiseres“ Schreien
rezidivierende Atemwegsinfekte
rezidivierende Atemwegsinfekte
rezidivierende Atemwegsinfekte
Die Symptome der TBM variieren je nach Alter des Betroffenen. Sie sind i. d. R. in
der Neonatalperiode am schwersten ausgeprägt und können sich im Allgemeinen mit der
Zeit bessern ([Tab. 1 ]).
Diagnose der TBM
Die flexible Bronchoskopie unter unter Spontanatmung in Sedierung und ohne positiven
endexspiratorischen Druck (PEEP) ist die aufschlussreichste Methode zur Beurteilung
des Vorhandenseins, des Ausmaßes und des Schweregrades der TBM. Dynamische CT-Scans
und fortschrittliche MRTs können ebenfalls bei der Beurteilung hilfreich sein. Die
Form der Fluss-Volumen-Kurve ([Abb. 3 ]) aus der Spirometrie kann auf eine TBM hinweisen.
Abb. 3 Beispiel von Fluss-Volumen-Kurven während forcierter Exspiration vor (pre) und nach
(post) Inhalation eines kurzwirksamen Beta-Mimetikums bei einem Betroffenen mit Ösophagusatresie
und Tracheobronchomalazie. Hier zeigt sich keine größere Veränderung durch den Bronchodilatator.
Der Normalbereich ist im schattierten grauen Bereich dargestellt. In einigen Fällen
haben Beta-Mimetika einen negativen Effekt auf den exspiratorischen Fluss. Die Kurven
variieren zwischen den Betroffenen.
Management der TBM
Die Interventionen zielen darauf ab, Symptome aufgrund einer TBM zu reduzieren und,
bei schwerer Ausprägung, die Schwere der TBM durch eine Operation zu mindern. Bei
Neugeborenen ist das primäre Ziel, Atemnot und niedrige Sättigungen zu verhindern.
Die Behandlung reicht von der Gabe von zusätzlichem Sauerstoff bis zur nicht invasiven
Beatmung. Schwere Fälle können eine Intubation, mechanische Beatmung oder eine Operation
(Tracheopexie/Aortopexie) erfordern, im Allgemeinen nach der initialen ÖA-Korrektur.
Selten ist eine Tracheostomie notwendig.
Das langfristige Management der TBM konzentriert sich auf die Lösung von Atemwegssekreten
und die Verhinderung von Atemwegsinfektionen. Dies kann durch altersgerechte Atemwegs-Clearance-Techniken
(bei Erwachsenen: aktive Atemphysiotherapie), Geräte mit positivem Ausatemdruck wie
PEP-Masken oder oszillierende Überdruckgeräte [2 ], [3 ] erreicht werden. Inhalationen mit hypertoner Kochsalzlösung kann die mukoziliäre
Clearance verbessern, inhalative Kortikosteroide können die Atemwegsentzündung bei
ausgewählten Betroffenen reduzieren. Infektionen, die oft durch einen feuchten/produktiven
Husten oder Fieber gekennzeichnet sind, werden frühzeitig mit Antibiotika behandelt.
Bronchodilatatoren sollten vorsichtig eingesetzt werden, da sie den Atemwegskollaps
verschlimmern können.
Aspirationsrisiko
Aspirationsrisiko bei ÖA-TÖF
ÖA-TÖF-Betroffene sind aufgrund mehrerer Faktoren stark anfällig für Aspirationsereignisse:
Ösophagus-Dysmotilität und/oder Strikturen, die dazu führen, dass Nahrung oder Flüssigkeiten
in die Atemwege gelangen.
rezidivierende TÖF
hohe Prävalenz von gastroösophagealem Reflux (GÖR)
in wenigen Fällen eine laryngeale Spalte
Diagnostik
Ein systematisches Vorgehen zur Erfassung aller potenzieller Aspirationsursachen ist
unerlässlich. Die Schluckfunktion kann mittels videofluoroskopischer oder modifizierter
Kontrastschluckstudien beurteilt werden. Ösophagusverengungen und -funktion werden
durch Kontrastschluckstudien und manchmal mit Manometrie diagnostiziert. Ein Rezidiv
einer TÖF wird mittels einer „Pull-back“-Kontraststudie, Bronchoskopie und/oder oberer
Endoskopie diagnostiziert. Gastroösophagealer Reflux wird klinisch oder durch Kontraststudien,
pH-Metrie und Impedanz-Messung oder Endoskopie identifiziert. Chronische bakterielle
Infektionen aufgrund von Aspiration können durch wiederholte Sputumkulturen und Röntgenaufnahmen
des Thorax nachgewiesen werden. Falls die Symptome trotz optimaler Behandlung anhalten,
sollte eine Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) zur Bestimmung der Erreger
eingesetzt werden. Die Zusammenarbeit mit der Gastroenterologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Ergotherapie,
Logopädie, Physiotherapie, Ernährungsberatung und/oder Atemtherapie, je nach lokaler
Praxis, wird empfohlen.
Management
Durch vorsichtiges (z. B. kleine Bissen, gut gekaut, Wasser zwischen Bissen fester
Speisen nippen) oder posturales Füttern, Dilatation bei symptomatischen Ösophagusstrikturen,
GÖR-Behandlung und chirurgische Korrektur von rezidivierender TÖF oder laryngealer
Spalte werden Aspirationsrisiken adressiert.
Rezidivierende Infektionen und Bronchitis
Rezidivierende Infektionen und Bronchitis
Komplikationen
Patienten mit ÖA-TÖF sind anfällig für rezidivierende untere Atemwegsinfektionen (Pneumonien)
und chronische Bronchitis aufgrund einer beeinträchtigten Atemwegsreinigung, verursacht
durch Tracheomalazie und rezidivierende Aspirationen.
Diagnostik
Die Diagnose einer Bronchitis erfolgt primär symptomatisch. Ein Verdacht auf Pneumonie
oder Atelektase sollte mit Röntgenaufnahmen des Thorax und/oder Ultraschall untersucht
werden. Wenn eine rezidivierende Pneumonie dokumentiert ist, wird eine CT-Aufnahme
empfohlen, um Bronchiektasen zu identifizieren und alternative Diagnosen auszuschließen.
Sputum oder BAL können helfen, eine Kolonisation der Atemwege durch Bakterien nachzuweisen.
Behandlung
Beginn mit altersgerechten Atemwegs-Clearance-Techniken, um die Schleimlösung zu unterstützen
(bei Jugendlichen/Erwachsenen: aktive Atemphysiotherapie) wie z. B. Geräte mit positivem
Ausatemdruck wie PEP-Masken oder oszillierende Überdruckgeräte [2 ], [3 ]. Orale Antibiotika – i. d. R. für 10 – 14 Tage – werden empfohlen, wenn eine Infektion
vermutet oder bestätigt wird. Azithromycin kann aufgrund seiner entzündungshemmenden
und antibiotischen Eigenschaften präventiv als dauerhaftes Antibiotikum eingesetzt
werden.
Atelektasen
Pathogenese
Endobronchiale Sekrete und/oder Aspiration können zu Atelektasen (Bereiche der Lunge
ohne Belüftung) führen. Dies tritt bei der TBM gehäuft auf, da die mukoziliäre Clearance
beeinträchtigt ist. Atelektasen können auch nach einer Operation auftreten.
Diagnostik
Bei neuen, sich verschlimmernden oder rezidivierenden respiratorischen Symptomen sollten
Atelektasen vermutet und eine Bildgebung (Lungenultraschall, Röntgen des Brustkorbs,
thorakales MRT und/oder CT-Scan) durchgeführt werden, um die Diagnose auszuschließen
oder zu bestätigen.
Behandlung
Die konservative Therapie kann Atemwegs-Clearance-Techniken (aktive und intensive
Athemphysiotherapie), positive Atemwegsdruckgeräte und/oder High-Flow- oder CPAP-Unterstützung,
die Anwendung von hypertoner Kochsalzlösung zur Vernebelung, mukolytische Mittel und
schließlich systemische Steroide und systemische Antibiotika umfassen. Bei persistierenden
Atelektasen kann eine Bronchoskopie – vorzugsweise innerhalb von 4 – 6 Wochen – erforderlich
sein, um die Lunge wieder zu öffnen und dauerhafte Vernarbungen und Bronchiektasen
zu verhindern. Eine Kontrollbildgebung ist erforderlich, um zu bestätigen, dass die
Atelektase abgeklungen ist.
Bronchiektasen Monitoring
Bronchiektasen Monitoring
Definition
Bronchiektasen, eine schwerwiegende und potenziell dauerhafte Komplikation, umfassen
die Schlaffheit und Dilatation der Atemwege, verursacht durch wiederkehrende und/oder
persistierende bakterielle Infektionen und Aspiration, die zu chronischen bakteriellen
Infektionen führen.
Diagnostik
Bei Verdacht auf Bronchiektasen sollte dies mit einem CT-Scan oder MRT des Brustkorbs
bestätigt werden. Je nach klinischem Verlauf können jährliche Röntgenaufnahmen des
Brustkorbs zur Überwachung der Bronchiektasen sowie regelmäßige Lungenfunktionstests
in Betracht gezogen werden.
Management
Frühe Erkennung, regelmäßige Behandlung mit Atemwegs-Clearance-Techniken (Atemphysiotherapie),
Vernebelung von hypertoner Kochsalzlösung, langfristige Anwendung von Azithromycin
und der sofortige Einsatz von Antibiotika während Exazerbationen können dazu beitragen,
das Fortschreiten der Bronchiektasen zu verlangsamen.
Chronische respiratorische Symptome (Giemen, Husten)
Chronische respiratorische Symptome (Giemen, Husten)
Diagnostik
Symptome wie Giemen werden nach TÖF häufig eher durch Atemwegskollaps (TBM) als durch
Asthma verursacht. Eine Fehldiagnose kann zu unnötigen Behandlungen führen. Dennoch
muss eine Asthmadiagnose ausgeschlossen werden.
Behandlung
Bronchodilatatoren werden im Falle einer TBM im Allgemeinen nicht empfohlen, da sie
den Atemwegskollaps verschlimmern können. Sie können aber bei Fällen mit Atemwegshyperreaktivität
ausprobiert werden. Bei Säuglingen und Vorschulkindern können Risikofaktoren (z. B.
Familienanamnese atopischer Erkrankungen, Ekzeme) und Allergietests Hinweise auf ein
gleichzeitig bestehendes Asthma geben. Lungenfunktionstests, einschl. Bronchodilatatorreaktion,
könnten zusätzlich bei Betroffenen ab 5 – 6 Jahren eingesetzt werden.
Routinemäßige Gesundheitsvorsorge
Routinemäßige Gesundheitsvorsorge
Regelmäßige Nachsorge
Betroffene sollten von einem multidisziplinären Team (pädiatrische Pneumologie, Gastroenterologie,
Chirurgie und/oder HNO-Chirurgie) mit mindestens jährlichen Evaluierungen überwacht
werden.
Impfungen
Zusätzlich zu den Routineimpfungen wird eine jährliche Grippeimpfung dringend empfohlen.
Die RSV-Impfung sollte bei Säuglingen gemäß den lokalen Leitlinien durchgeführt werden.
Lebensstil und Pflege
Eltern und Patienten sollten über Atemwegs-Clearance, das Erkennen früher Infektionszeichen,
das Erkennen von Veränderungen des Atemstatus, die Überwachung auf Aspirationszeichen
und die Bedeutung einer langfristigen Nachsorge aufgeklärt werden.
Hinweis: Dieses Dokument wird von den folgenden Organisationen unterstützt: den weltweiten
Selbsthilfegruppen für Ösophagusatresie (Esophageal ATresia global support groups,
EAT), dem Europäischen Referenznetzwerk für seltene angeborene und kongenitale Anomalien
(European Reference Network for rare Inherited and Congenital Anomalies, ERNICA),
dem Europäischen Referenznetzwerk für seltene Atemwegserkrankungen (European Reference
Network for rare respiratory diseases, ERN-LUNG) und dem Internationalen Netzwerk
für Ösophagusatresie (International Network of Esophageal Atresia, INoEA).