Schlüsselwörter
Ösophagusatresie - pulmonale Komplikationen - Bronchiektasen - Tracheomalazie - Lungenschäden
Einleitung
Die Ösophagusatresie (ÖA) ist primär eine kinderchirurgisch zu behandelnde Erkrankung.
Es zeigt sich allerdings meist sehr früh, dass Atemwege und Lungen eine wichtige Rolle
im weiteren Verlauf spielen. Bisher fehlen systematisch kontrollierte prospektive
Studien zu Atemwegsproblemen bei Kindern mit ÖA. Das liegt sicher z. T. auch daran,
dass keine strukturierte Versorgung und insbesondere Nachsorge existiert. Solange
in Deutschland 111 Kliniken Kinder mit ÖA operieren – davon 29 nur einmal in 5 Jahren
– wird sich daran auch nichts ändern. In einigen Ländern (Frankreich, Australien,
Skandinavien) gibt es Ansätze zu einer Zentralisierung und daher mehr Daten. In der
Literatur finden sich vor allem Berichte über pulmonale Folgen nach einer Ösophagusatresie,
meist Einzelfallberichte oder Fallserien. Trotzdem ist es gelungen, auf Initiative
des INoEA (International Network of Esophageal Atresia) eine Arbeitsgruppe (Respiratory
Complications Working Group) zu gründen, die
Empfehlungen für die Erkennung und Behandlung dieser Probleme herausgegeben hat [1].
Häufigkeit pulmonaler Probleme nach operierter Ösophagusatresie
Häufigkeit pulmonaler Probleme nach operierter Ösophagusatresie
Die Daten aus dem französischen Register mit 1287 ÖA-Kindern zeigen in der 12-Monats-Auswertung
eine Sterblichkeit von 7%. Knapp ein Drittel der Kinder wurde im 1. Lebensjahr aufgrund
von Atemproblemen stationär aufgenommen. Signifikante Risikofaktoren sind: initial
mehr als 90 Tage stationär, Sondenernährung, Inhalationstherapie bei erster Entlassung,
Fistelrezidiv, Aortopexie, Reflux, Antirefluxoperation, Bougierungen, mangelnde Gewichtszunahme
[2].
Bei den meisten Studien werden respiratorische Symptome nicht abgefragt. Bei einer
Metaanalyse zeigen die Fallserien, die respiratorische Symptome erfassten, bei bis
zu einem Drittel der Kinder chronische Atemprobleme. Diese Zahlen sind allerdings
schwer vergleichbar und verwertbar. Hauptprobleme sind chronischer Husten, wiederkehrende
Atemwegsinfektionen, und chronische Lungenerkrankung [3].
In einer etwa 10 Jahre alten Studie wurden von 110 Erwachsenen die 80 Überlebenden
eingeladen, 28 haben teilgenommen. Fast 80% hatten pulmonale Probleme, überwiegend
eine restriktive Ventilationsstörung. Die Lungenerkrankung war in den meisten Fällen
bis zum Zeitpunkt der Studie nicht erkannt [4].
Eine Schwierigkeit bei der Erfassung pneumologischer Probleme im Erwachsenenalter
besteht darin, dass meist nur die gesünderen Patienten überlebt haben [5]. Das führt zu einer Datenverzerrung, insbesondere unter dem Aspekt, dass die Hauptsterblichkeit
bei ÖA-Kindern jenseits des 1. Lebensjahres pneumologische Ursachen hat. Durch strukturierte
Versorgung ist hier zumindest in einigen Ländern eine Wende zu einer deutlichen Verbesserung
eingetreten.
Symptome
Trockener bzw. bellender Husten ist ein typisches Symptom von ÖA-Kindern. Dies liegt
an der Tracheomalazie, die neben der Änderung der Atemmechanik auch zu einem veränderten
Resonanzraum führt. Auch ohne übermäßige Sekretbildung haben ÖA-Kinder sehr häufig
chronischen Husten, der sich kaum unterdrücken lässt. Dies ist auch unabhängig von
Infekten und wesentlich häufiger als bei Alterskameraden [6].
Chronischer Husten mit Sekret ist ein Hinweis auf ein relevantes funktionelles oder
anatomisches Problem in den zentralen Atemwegen und/oder der Lungenperipherie. Die
Ursache muss eruiert werden, um weiteren Schaden von den Atemwegen fernzuhalten.
Wiederkehrende Atemwegsinfekte sind im Kleinkindesalter normal. Wenn diese Infekte
regelmäßig langwierig oder komplikationsreich sind, ist dies ebenfalls Hinweis auf
eine relevantes pneumologisches Problem.
Hilusnahe „zentrale“ beidseitige Bronchopneumonien kommen bei Kleinkindern mit einer
Häufigkeit von ca. 4% im Jahr vor, meist im Rahmen von Virusinfekten und sind vergleichsweise
harmlos. Bei ÖA-Kindern kommt es in den ersten Lebensjahren sehr häufig zu Pneumonien,
in aller Regel komplizierend bei bzw. nach Atemwegsinfekten und mit lokalen Infiltraten
(Mittellappen, basal ein oder beidseitig u. a.). Etwa die Hälfte der ÖA-Kinder hatte
mindestens eine stationär behandelte Pneumonie, sehr viele davon haben in den ersten
Lebensjahren 3 oder mehr Pneumonien [6], [7], [8].
Typische komplexe Probleme bei Kindern mit Ösophagusatresie
Typische komplexe Probleme bei Kindern mit Ösophagusatresie
Aspiration
Kinder mit ÖA aspirieren sehr häufig und meist rezidivierend, meist kleine Mengen.
Ursachen sind anatomische oder funktionelle Besonderheiten im Kehlkopf, Ösophagus
und der Trachea. Typische anatomische Beispiele sind unerkannte Larynxspalten, Fisteln
(Rezidiv oder unerkannt), Stimmbandlähmung.
Funktionelle Schluckprobleme ohne anatomische Stenose sind sehr häufig und oft sehr
lange unerkannt. Die Symptome können sowohl von Kinderchirurgen als auch Pneumologen
fehlgedeutet werden. So können auch Flüssigkeiten durch die unterbrochene Peristaltik
hängen bleiben. Typische Anamnese: Cola aus dem Glas führt zum Husten (= Aspiration
bei großem Schluck und durch Aufschäumen), Cola mit dem Strohhalm geht besser (= kleine
Schlucke, die leichter passieren und weniger aufschäumen). Kinder mit ÖA essen meist
langsamer, weil die Peristaltik nicht regelrecht funktioniert bzw. im distalen Bereich
unkoordiniert und „chaotisch“ ist.
Auch die Ansammlung von Sekret (Speichel), Reflux oder Regurgitation nach Steckenbleibern
kann zur Aspiration führen. Der Aspirationsschutz durch Laryngospasmus funktioniert
bei ÖA nicht immer gut und ist obendrein auch ein zusätzliches Problem [9]. Asthmasymptome können durch Mikroaspirationen vorgetäuscht werden, sodass viele
ÖA-Patienten eine inadäquate und wirkungslose Asthmatherapie erhalten. Dies ist besonders
fatal, wenn ein inhalatives Steroid mit hoher lokaler Resorption (z. B. Beclometason)
verwendet wird und durch eine Mykose die Funktionalität im Kehlkopfbereich weiter
verschlechtert wird.
Wachstum und Leistungsfähigkeit
Die Faktoren körperliches Wachstum und Leistungsfähigkeit sind keine primär pulmonalen
Symptome, aber es gibt wechselseitige Beziehungen. Ist die Lunge schwer beeinträchtigt,
reduziert dies das körperliche Wachstum. Umgekehrt können z. B. aufgrund mangelnder
Nahrungsaufnahme schlecht wachsende Kinder nicht normal leistungsfähig sein und auch
das Lungenwachstum ist davon betroffen.
ÖA-Patienten liegen mit Längen- bzw. Größenperzentilen unter dem Altersdurchschnitt.
Sie zeigen weniger körperliche Aktivität als ihre Altersgenossen. In allen Altersstufen
– und am deutlichsten bei Jugendlichen – ist der Sportindex (Minuten/Woche) deutlich
niedriger bei Kindern mit ÖA als beim gesunden Vergleichskollektiv [10].
Orthopädische Symptome
Jugendliche und junge Erwachsene nach ÖA haben ein mehrfach erhöhtes Risiko für eine
Skoliose: Bei 12% besteht eine Skoliose > 20°, zusätzliche 22% haben eine leichte
Skoliose. In dem untersuchten Kollektiv hatten die meisten Patienten keine zusätzlichen
vertebralen Fehlbildungen. Sehr viele hatten eine geringere körperliche Belastbarkeit.
Das Skolioserisiko nimmt mit dem Alter zu [11].
Da es sich meist um relativ rigide Skoliosen handelt, die nicht mit der klassischen
AIS vergleichbar sind, kann man davon ausgehen, dass es dadurch eine zusätzliche Beeinträchtigung
der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit kommt.
Typische klinische Diagnosen bzw. Komplikationen
Typische klinische Diagnosen bzw. Komplikationen
Tracheomalazie
Die meisten Kinder mit ÖA haben eine Tracheomalazie, unabhängig ob bzw. welche Fistel(n)
bestehen bzw. bestanden. Ab einem exspiratorischen Restlumen von mehr als 50% gibt
es außer dem bellenden Husten meist keine Symptome. Bei einem exspiratorischen Restlumen
unter 10% haben die Kinder oft erhebliche Dyspnoephasen, besonders bei Infekten. Diese
Zyanoseanfälle können hochdramatisch verlaufen. Verstärkt wird dies zusätzlich durch
einen Bolus, wenn also Nahrungsmittel stecken bleiben und ganz besonders, wenn noch
kardiale Fehlbildungen vorliegen, insbesondere Gefäßanomalien oder ein Rechts-links-Shunt.
Die Tracheomalazie führt nicht nur zum typischen bellenden Husten, sondern auch zu
rezidivierenden unteren Atemwegsinfektionen. Der Auskultationsbefund mit „Wheezing“
verleitet oft zu einer inadäquaten Betamimetika-Therapie.
Bei schwerer Tracheomalazie zeigt sich bei ca. 50% der Kinder eine Aspiration im Breischluck
[7].
Besonders bei ausgeprägter Tracheomalazie persistieren die Symptome. So haben viele
überlebende Erwachsene typische respiratorische Probleme [8].
Zusätzlich bestehen sehr häufig Störungen an den Stimmbändern (bis 30%), oft als Folge
der (Langzeit-)Beatmung bzw. chirurgischer Eingriffe oder als Refluxfolge.
Beeinträchtigte Airway-Clearance
Durch die Lumeneinengung der Trachea entstehen nicht nur mechanische Probleme. Aufgrund
der chronischen Entzündung und der Anomalie der Schleimhaut im Fistelbereich kommt
es zum Verlust der Zilien in den zentralen Atemwegen [1]. Dies führt dann zu Sekretretention mit Sekundärinfektion und Inflammation der Atemwege
mit bakterieller Bronchitis. Die Spätfolge sind Bronchiektasen und Zerstörung der
Lungenstruktur. Besonders bedeutsam sind diese Probleme bei Kleinkindern. Sie setzen
sich aber bei vielen Erwachsenen fort [8]. Ursachen dafür sind die Fehlbildung selbst, erworbene Schädigung im Rahmen der
Operation(en), unzureichendes Infektmanagement im Kindesalter, Komorbiditäten, wiederkehrende
untere Atemwegsinfektionen, Atopie, Rauchen.
Bronchiektasen
Nur extrem wenige Neugeborene kommen mit Bronchiektasen auf die Welt. Bronchiektasen
sind ein Spätsymptom und in den meisten Fällen die Folge von Atemwegsinfekten. Am
häufigsten kommen sie bei Mukoviszidose und Zilienfunktionsstörungen vor und sind
bei diesen Erkrankungen trotz strukturierter Therapie nicht ganz zu vermeiden.
Rezidivierende Pneumonien im jungen Kindesalter sind unabhängig von der Grunderkrankung/Fehlbildung
ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Non-CF-Bronchiektasen. Folgen sind
Rückgang der Lungenfunktion, häufige pulmonale Exazerbationen, schlechtere Lebensqualität
und Tod im frühen Erwachsenenalter [8], [12]. Immotile Zilien (primär oder sekundär wie bei ÖA) fördern die Entstehung von Bronchiektasen.
Bei Kindern mit ÖA (6 Monate bis 12 J.) finden sich bei 30% Bronchiektasen [13], oft kombiniert mit Atelektasen, z. B. im rechten Mittellappen. Es gibt nur wenige
größere Reihenuntersuchungen mittels CT bei ÖA-Kindern. Bei einer dieser Serien wurden
bei Kindern mit durchschnittlich 7,4 Jahren bei 31% Bronchiektasen gefunden. Bei der
parallel durchgeführten Bronchoskopie gab es keine Hinweise darauf [14]. Bei 14% bestanden zusätzlich Tracheadivertikel – überwiegend bei Kindern, die aus
kleineren Zentren zugewiesen waren.
Bronchiektasen sind so häufig, dass es eine explizite Empfehlung gibt, bei Erwachsenen
nach ÖA und chronischem Husten dies mittels CT auszuschließen [9].
Assoziierte Fehlbildungen
Sehr viele ÖA-Patienten haben begleitende andere Fehlbildungen, am häufigsten Herzfehler
bzw. Anomalien der zentralen Gefäße. Bei verschiedenen Syndromen und Chromosomenanomalien
wie Trisomie 21 kommt eine ÖA vor.
Am bekanntesten ist die VACTERL-Assoziation, sehr viel seltener die CHARGE-Assoziation.
Diagnostik
Kinder mit ÖA haben Anspruch auf eine qualifizierte Diagnostik bez. der Atemwege.
Bereits beim initialen Aufenthalt sollte erkannt werden, ob eine begleitende Fehlbildung
im Kehlkopf vorliegt, meist eine dorsale Spalte. Die ist nicht selten und wird sehr
oft initial nicht diagnostiziert [9]. Weiterhin sollte das Ausmaß der Tracheomalazie bekannt sein. Ferner ist wichtig,
dass atypische Bronchialabgänge wie z. B. beim rechten Oberlappenbronchus, zusätzliche
Einengungen z. B. durch aberrierende zentrale Gefäße/kardiale Fehlbildungen und weitere
Fehlbildungen vor der Entstehung pulmonaler Komplikationen erkannt werden. Dazu eignet
sich die flexible Bronchoskopie in Sedierung unter Spontanatmung, z. B. in der Einleitungsphase
bei operativen Eingriffen. Bei Verdacht auf eine Fistel muss eine kombinierte Bronchoskopie
und Ösophagoskopie durchgeführt werden.
Auch nach der Neugeborenenzeit gibt es Indikationen für eine – ggf. auch invasive
– Abklärung, z. B. chronischer (feuchter) Husten oder wiederholten Pneumonieepisoden.
Eine bronchoalveoläre Lavage (BAL) kann sinnvoll sein, um eine chronische Aspiration
auszuschließen.
Ein Low-Dose-CT des Thorax oder alternativ ein MRT der Lunge (Mukoviszidosestandard)
jeweils im freien Intervall nach einer Pneumonie ist geeignet, Folgeschäden zu erkennen.
Ein normales Röntgenbild des Thorax schließt Bronchiektasen nicht aus. Jährliche Routine-Thorax-Untersuchungen
werden nicht empfohlen [1], erst recht kein jährliches CT.
Eine weitere noch nicht allgemein verfügbare Methode ist das Real-Time-MRT. Damit
kann das Zusammenspiel von Kehlkopf, Schluckakt und Atmung dokumentiert werden kann.
Die Blutbilddiagnostik und das CRP sind keine geeigneten Parameter, um im Rahmen einer
pulmonalen Symptomatik eine bakterielle Superinfektion auszuschließen [1]. Damit wird die notwendige Antibiose im Zweifel verzögert mit entsprechenden Folgen.
Die Lungenfunktionsuntersuchung ist von begrenztem Wert, um eine Bronchomalazie zu
diagnostizieren (fehlerhafte Interpretation als asthmatische Obstruktion). Die verminderte
Lungenfunktion bei ÖA-Kindern ist schon lange bekannt und wurde früher sicher teilweise
auch zu Recht auf Frühgeburtlichkeit, Intensivtherapie und Beatmung bezogen [15].
Aber auch bei besserer neonatologischer Versorgung besteht das Problem weiter. Bei
einer Nachuntersuchung von Jugendlichen mit ÖA hatten 63% keine normale Lungenfunktion
[16]. Die Länge des Gaps bei der ÖA korreliert mit dem Grad der Restriktion.
Registerdaten aus Schweden zeigen, dass mit zunehmendem Alter die Lungenfunktion zurückgeht.
Das durchschnittliche forcierte exspiratorische Volumen in einer Sekunde (FEV1) liegt
mit 8 Jahren bei 82%, mit 15 Jahren bei 76%. Es finden sich viele Patienten mit „Obstruktion“,
Restriktion oder kombinierter Störung [17]. Bei Erwachsenen ist die Vitalkapazität mit durchschnittlich 74% deutlich geringer
als bei dem Vergleichskollektiv (104%). Und man muss sich bewusst sein, dass dabei
nur die Patienten mit weniger Komplikationen dabei sind, weil sie überlebt haben.
Trotz dieser Limitierungen ist es wichtig, ein regelmäßiges Monitoring der Lungenfunktionsparameter
durchzuführen.
Therapie
Bei sehr schwer kranken Säuglingen kann in der Initialphase eine nicht invasive Beatmung
mit PEEP ggf. sinnvoll sein, und einige wenige Kinder profitieren von einem Tracheostoma,
ggf. mit langer Kanüle. Meist handelt es sich um ÖA-Kinder mit mehreren schweren Begleitfehlbildungen.
Bei sehr schwerer Tracheomalazie mit häufigen Zyanoseepisoden und rezidivierenden
Aspirationen kann eine Aortopexie (mit intraoperativer bronchoskopischer Kontrolle)
hilfreich sein [1]. Ein charakteristischer klinischer Hinweis ist das häufige Überstrecken, was die
Kinder instinktiv tun, um die Trachea „aufzuspannen“. Sehr erfolgreich und prophylaktisch
wirksam ist die Technik der posterioren Tracheopexie, die im Rahmen einer minimalinvasiven
primären Operation angewendet wird und noch nicht flächendeckend angeboten wird –
ein weiteres Argument für eine zentralisierte Versorgung in wenigen hochqualifizierten
Zentren.
Die Empfehlung zur Antirefluxtherapie hat nur „Expertenniveau“ [1], gute klinische Studien dazu gibt es nicht. Bronchodilatatoren wie Salbutamol sollten
eher nicht eingesetzt werden, da sie zu einer Verstärkung des Bronchialkollapses führen
können [1]. Mukolytika haben einen sehr begrenzten Effekt. Inhalative Steroide sind nur in
Ausnahmefällen sinnvoll (s. o.) und können zu Infektionskomplikationen führen.
Entscheidend ist, bakterielle Mischinfektionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Im Prinzip muss jede Pneumonie verhindert werden, um die Entwicklung von Bronchiektasen
nicht zu fördern. Eine niedrige Schwelle zur Verordnung von Antibiotika wird ausdrücklich
angeraten [1]. Diese frühzeitige konsequente Therapie bei Infekten mit beginnender Superinfektion
hat Vorrang vor akuter Diagnostik, da weder Blutbild noch CRP noch aktuelle Thorax-Röntgenbilder
Entscheidungshilfen sind [14]. Dabei ist das Keimspektrum zu beachten. Staphylokokken sind der zweithäufigste
Keim in Non-CF-Bronchiektasen. Es muss also ein Antibiotikum verwendet werden, das
zuverlässig die Trias Haemophilus, Streptococcus pneumoniae und Staphylococcus aureus
wirksam bekämpft. Dabei sind Resistenzentwicklungen sehr selten. Resistente Keime
(insbesondere MRSA) kommen praktisch nur nach stationärer Langzeitbehandlung des ÖA-Patienten
oder anderer
Menschen im direkten Umfeld vor.
Um eine zeitgerechte Therapie zu ermöglichen, empfiehlt sich ein praktikables und
verantwortbares Vorgehen: Den Eltern Antibiotika für 2 Therapiezyklen von 7 bis 10
Tagen zu rezeptieren. Sie sollen dies dann selbstständig einsetzen. Eltern können
i. d. R. sehr gut entscheiden, wann eine Therapie sinnvoll ist. Die notfallmäßige
Verordnung von Antibiotika außerhalb regulärer Praxiszeiten auf Wunsch der Eltern
mit Hinweis auf die ÖA funktioniert weder bei vertretenden Praxen noch in Notfallambulanzen
gut, und wenn, werden meist wenig geeignete Substanzen verordnet. Eine Dauerantibiose
– bspw. während der Infektsaison – bleibt Ausnahmefällen vorbehalten.
Erwachsene mit ÖA unterscheiden sich bez. des pulmonalen Mikrobioms nur unwesentlich
von anderen Menschen [5], wobei die Zahlen gering sind und nur relativ problemlose ÖA-Patienten untersucht
wurden.
Aufgrund einer Metaanalyse bisheriger Studien bez. des pulmonalen Outcomes wurde ein
Algorithmus für das Management als Vorschlag entworfen, der etwa dem hier vorgeschlagenen
Prozedere entspricht [18].
Airway-Clearance-Techniken mit Atemtherapie und ggf. auch autogener Drainage sind
bei vielen Kindern hilfreich [7], [9]. Dies kann bspw. in Physiotherapiepraxen erlernt werden, die Mukoviszidoseexpertise
haben.
Zusammenfassung
Aus den vorliegenden Daten ergibt sich die dringliche Notwendigkeit, den Kreislauf
aus pulmonalen Frühkomplikationen und dauerhafter Zerstörung der Lungenstruktur zu
durchbrechen [14]. Dabei ist es wichtig, Kinder mit pulmonalen Problemen bei ÖA rechtzeitig zu identifizieren,
was in vielen operierenden Kliniken nicht stattfindet. Etwa die Hälfte der Kinder
mit ÖA hat besagte pulmonale Probleme. Daher sind alle Kinder regelmäßig zu begutachten.
In manchen Fällen treten die Probleme erst im Jugendalter auf.
Die Risikofaktoren für einen problematischen Verlauf sind bekannt. Kinder mit Primärversorgung
in kleineren bzw. selten operierenden Kliniken haben ein höheres Risiko für pulmonale
Spätkomplikationen [14].
Alle verfügbaren Daten sprechen für eine multidisziplinäre Nachsorge mindestens mit
(Kinder-)Chirurgie, (pädiatrischer) Pneumologie, (pädiatrischer) Gastroenterologie,
Orthopädie und nach Bedarf weiteren Disziplinen [1], [7]. Besonders in den ersten 3 Lebensjahren ist ein kurzfristiges Monitoring alle 3
bis 6 Monate zu fordern [14].
Daraus ergeben sich die folgenden Empfehlungen:
-
Pneumologische Nachsorge ab dem Neugeborenenalter sollte aktiv durch die behandelnden
Kinderärztinnen und Kinderärzte empfohlen werden.
-
Regelmäßige Betreuung durch Kinderpneumologen, die spezielle Kenntnisse bez. bronchopulmonaler
Fehlbildungen und bei der Erkennung und Behandlung der Bronchiektasen haben; ggf.
ist den Eltern eine 2. Meinung in einer zertifizierten Klinik zu empfehlen.
-
Transitionskonzept mit dem Ziel einer pulmologischen Weiterbetreuung im Erwachsenenalter:
Auch hier kann die betreuende Kinderärztin bzw. der betreuende Kinderarzt frühzeitig
die Notwendigkeit ansprechen.
Nur wenn diese Empfehlungen umgesetzt werden, lassen sich vermeidbare Lungenschäden
bei ÖA-Patienten verhindern – Schäden, die letztlich die Lebenserwartung verkürzen.