Kasuistik
Ein 46-jähriger männlicher Patient wurde aufgrund eines auffälligen PET-CT-Befundes
im Bereich des Larynx konsiliarisch an der Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde,
Kopf- und Halschirurgie vorgestellt. Initial erfolgte die stationäre Aufnahme an der
Abteilung für Innere Medizin bei Fieber unklarer Genese sowie deutlich reduziertem
Allgemein- und Ernährungszustand. Zum Zeitpunkt der ambulanten Erstvorstellung klagte
der Patient über keine HNO-spezifischen Beschwerden, insbesondere keine Heiserkeit
und keine Dyspnoe.
An Vorerkrankungen ist bei dem Patienten ein NK/T-Zell-Lymphom, nasaler Typ vom echten
NK-Zell-Typ (ENKTL-N), im Bereich der Nasennebenhöhlen bekannt. Bei der Diagnose handelte
es sich um einen Zufallsbefund. Der Patient wurde damals aufgrund einer zunehmenden
Nasenatmungsbehinderung mit anteriorer und posteriorer Rhinorrhoe sowie einer Schwellung
im Bereich des medialen Augenwinkels an der HNO-Abteilung eines peripheren Krankenhauses
vorstellig. Damals erfolgte bei V.a. akute Pansinusitis mit beginnender orbitaler
Komplikation die bildgebende Abklärung mittels Computertomogramm (CT) mit anschließender
operativer Sanierung durch eine funktionell endoskopische Nasennebenhöhlenoperation
(FESS) mit zusätzlicher Probenentnahme.
Histologisch zeigte sich damals in den aufgearbeiteten Probebiopsien ein NK/T-Zell-Lymphom,
nasaler Typ vom echten NK-Zell-Typ (ENKTL-N). Die Immunhistochemie ergab: CD3+, Koexpression
CD56, TIA 1+, heterogen für Granzym B und Perforin, CD4+, CD8+, EBV in situ-Hybridisierung
+, MIB1 bis zu 80%. Die Diagnose wurde nach Einholen eines externen Referenzbefundes
bestätigt. Die durchgeführte Knochenmarkspunktion ergab keine Lymphominfiltration.
Ein ergänzend durchgeführtes 18F-Fluordesxoyglucose-Positronenemissionstomogramm mit
diagnostischem CT (18F-FDG-PET-CT) zeigte eine deutliche Glukosestoffwechselaktivität
im Os ethmoidale und der Nasenhaupthöhle beidseits. Des Weiteren reichte der Tumor
bis zur Orbita mit Verdacht auf eine Orbitainvasion ([Abb. 1]).
Abb. 1 Axiale Schichten des bei Erstdiagnose durchgeführten 18F-FDG-PET-CT auf Höhe der Kieferhöhlen.
Der weiße Pfeil zeigt eine deutliche gesteigerte Glucose-Stoffwechselaktivität im
Bereich der Nasenhaupthöhle und des Siebbeinsystems beidseits. Der gestrichelte weiße
Pfeil zeigt die gesteigerte Glucose-Stoffwechselaktivität im Bereich der rechten Orbita
mit Verdacht auf eine Orbita-Invasion rechts.
Der Fall wurde im hämato-onkologischen Tumorboard der Universitätsklinik für Innere
Medizin vorgestellt und eine Radiotherapie mit konkomitanter Chemotherapie nach dem
DeVIC-Protokoll (Dexamethason, Etoposid, Ifosfamid und Carboplatin) bei high-risk-Konstellation
beschlossen.
Die Therapie wurde an der Universitätsklinik Innsbruck, Abteilung für Strahlentherapie
und Abteilung für Innere Medizin Hämato-Onkologie durchgeführt. Nach drei Zyklen DeVIC
und Strahlentherapie zeigte sich im durchgeführten 18F-FDG-PET-CT eine metabole Komplettremission.
Im weiteren Verlauf entwickelte der Patient eine EBV-assoziierte sekundäre hämophagozytische
Lymphohistiozytose (sHLH,). Ein Rezidiv des bekannten Lymphoms konnte sowohl bildgebend
als auch histologisch ausgeschlossen werden. Nach erfolgloser medikamentöser Therapie
(Etoposid, Dexabene, Rituximab, Nivolumab, Privigen) wurde im weiteren Verlauf eine
allogene Stammzelltransplantation durchgeführt. Die GvHD-Prophylaxe erfolgte mit Sandimmun
150 mg (Novartis Pharma GmbH, Wien) und CellCept 500 mg (Roche Pharma AG, Deutschland).
Bei nun konsiliarischer Vorstellung zeigte sich ein weitestgehend normaler HNO-Status.
Ein Rezidiv der sHLH konnte im Rahmen der Fokussuche bereits mittels Knochenmarkspunktion
ausgeschlossen werden. Aufgrund der zunehmenden Verschlechterung des Allgemeinzustandes
und des persistierenden Fiebers erfolgte die bildgebende Fokussuche mittels 18-FDG-PET-CT.
Hier ergab sich kein Hinweis für ein glukosehypermetaboles Lokalrezidiv, jedoch zeigte
sich ein neu aufgetretener Glukoshypermetabolismus laryngeal rechts ([Abb. 2]).
Abb. 2 Axiale Schichten des bei Fieber unklarer Genese durchgeführten 18F-FDG-PET-CT. Der
weiße Pfeil zeigt eine deutlich gesteigerte Glucose-Stoffwechselaktivität im Bereich
des rechten Taschenbandes.
Zur histologischen Abklärung erfolgte die Indikation zur operativen Mikrolaryngoskopie
mit Probenentnahme laryngeal rechts in Vollnarkose. Die feingewebliche Untersuchung
ergab leicht hyperplastisches Plattenepithel mit fokal geringgradiger intraepithelialer
Neoplasie (LSIL) bei chronischer Laryngitis ohne Hinweis für Malignität. Nach Vorstellung
im Kopf-Hals-Tumorboard (KHT) und Empfehlung zur Resektion wurde im weiteren Verlauf
die mikrolaryngoskopische Abtragung des Taschenbandes mittels CO2-Laser durchgeführt. Die histologische Aufarbeitung ergab lediglich Nekrose bei fehlenden
vitalen Tumorverbänden. Im KHT wurde nach erfolgter Resektion ohne Hinweis auf Malignität
vorerst eine „watch&wait“ Strategie empfohlen.
Im Rahmen der onkologischen Nachsorge wurden regelmäßige klinische Kontrollen an unserer
Ambulanz durchgeführt. Die klinischen Kontrollen erfolgten durch indirekte starre
Laryngoskopien mittels 70° Optiken (Karl Storz GmbH, Wien Österreich) inklusive Fotodokumentation.
Der postoperative Heilungsverlauf des Patienten gestaltete sich ungewöhnlich: Statt
einer Abnahme der Fibrinbeläge nach stattgehabter Resektion kam es zu einer deutlichen
Zunahme der Fibrinbeläge mit ergänzendem Granulationsgewebe, die zu einer konsekutiven
Einengung der Glottisebene führten. Der Patient selbst gab zudem eine zunehmende Dysphonie
an. Dyspnoe oder Stridor wurden vom Patienten in den ambulanten klinischen Kontrollen
weiterhin verneint. Ein konservativer Therapieversuch mittels Inhalationstherapie
mit Mucoclear 6% (PARI Pharma GmbH, Deutschland), Pulmicort 1 mg/2 ml (AstraZeneca
Österreich GmbH) sowie oraler Antibiose mit Dalacin 300 mg (Pfizer Corporation Austria
GesmbH, Wien) führte weder zu einer Besserung der Symptome noch des Befundes ([Abb. 3]). Aufgrund der zunehmenden Befundverschlechterung wurde eine erneute direkte Mikrolaryngoskopie
mit Fibrinabtragung und neuerlicher Probengewinnung in Vollnarkose durchgeführt ([Abb. 4]). In der eingeholten Referenzpathologie zeigte sich neben ausgedehnten Nekrosen
die Infiltration durch das vorbekannte NK/T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ.
Abb. 3 Indirekte, starre Laryngoskopie mittels 70° Optik (Karl Storz GmbH, Wien Österreich)
im Rahmen der ambulanten klinischen Kontrollen nach durchgeführter transoraler, mikrolaryngoskopischer
Abtragung des Taschenbandes mittels CO2-Laser. Der weiße Pfeil zeigt die Stelle der Resektionsfläche mit deutlicher Ausbildung
von Fibrinbelägen im Bereich des rechten Taschenbandes. Der gestrichelte weiße Pfeil
zeigt die Zunahme von Fibrinbelägen im Bereich des kontralateralen linken Taschenbandes
und Stimmbandes, ohne dass diese anatomischen Strukturen im Rahmen der transoralen
Operation mitbehandelt worden wären.
Abb. 4 Intraoperativer Befund der direkten Laryngoskopie mittels 0° Optik (Karl Storz GmbH,
Wien Österreich) nach Abtragung von Fibrinbelägen und erneuter Probenentnahme. Der
schwarze Pfeil zeigt das mit Fibrin belegte, ursprünglich mittels CO2-Laser abgetragene rechte Taschenband. Der gestrichelte schwarze Pfeil zeigt die Stellen
der durchgeführten Probenentnahmen. Die gepunkteten schwarzen Pfeile zeigen die deutliche
Zunahme des Fibringewebes im Bereich der vorderen Kommissur und des kontralateralen
Taschen- und Stimmbandes im Vergleich zur ambulant durchgeführten indirekten starren
Laryngoskopie mittels 70° Optik (vgl. [Abb. 3]).
Bei zunehmender Aspiration, Dyspnoe, zwischenzeitlich neu aufgetretenem Stridor und
infauster onkologischer Prognose erfolgte schließlich die Anlage eines stabilen Tracheostomas
zur Atemwegssicherung.
Die weitere Betreuung des Patienten sowie die Organisation der palliativen Versorgung
erfolgte durch die Kollegen der Hämato-Onkologie.
Diagnose
Bei Karzinomen im Kopf-Halsbereich handelt es sich typischerweise um Plattenepithelkarzinome,
95% der Larynxneoplasien werden dadurch verursacht. Primäre Lymphome des Larynx sind
äußerst selten und sind für <1% der Larynxtumore verantwortlich (Hong et al., Laryngoscope
2018; 128(9): 2044–2049). Das äußerst seltene Auftreten von Larynx-Lymphomen liegt
unter anderem daran, dass in diesem Bereich nur wenig lymphatisches Gewebe vorhanden
ist. Die Symptome, mit denen sich die Patienten präsentieren, sind unspezifisch: Heiserkeit,
Husten, Dysphonie, Dysphagie und Globusgefühl.
In Studien wird vorwiegend der Befall der supraglottischen Region beschrieben. Supraglottisch
befindet sich im Vergleich zu anderen Bereichen des Larynx eine relativ hohe Menge
an follikulär lymphatischem Gewebe. Die meisten Lymphome im Kopf-Halsbereich finden
sich jedoch im Waldeyer-Rachenring (Vega et al., Ann Diagn Pathol 2005; 9(6): 340–350).
Die Einteilung der Lymphome erfolgt in Non-Hodgkin- (NHL) und Hodgkin-Lymphome (HL).
90% aller Lymphome werden durch NHL verursacht, nur ca. 25% der Fälle weisen eine
extranodale Beteiligung auf.
Das extranodalen NK/T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ (ENKTL-N), früher bekannt als letales
Mittelliniengranulom, gehört zu den peripheren T-Zell-Lymphomen (PTCL) aus der Gruppe
der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL). Der Kopf-Hals-Bereich ist die zweithäufigste anatomische
Lokalisation extranodaler Lymphome. Das ENKTL-N stellt eine eigene klinisch-pathologische
Entität dar, die mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) assoziiert ist. Aufgrund seiner
Lokalisation führt es typischerweise zu einer Destruktion der Mittelgesichtsstrukturen.
Am häufigsten betrifft der Tumor die Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen, Nasopharynx
und Gaumen. In seltenen Fällen kann auch eine Manifestation im Bereich der Haut, Gastrointestinaltrakt,
Hoden, Lunge, Speicheldrüsen, Knochenmark und Larynx auftreten.
Charakteristisch für das ENKTL-N sind Angioinvasion, Nekrosen, ein zytotoxischer Phänotyp
und eine starke Assoziation mit EBV. Durch den entzündlichen Prozess sowie durch sein
angiozentrisches, angioinvasives und angiodestruktives Verhalten wird eine weitgehende
Zerstörung des Knorpels und der umgebenden Weichteile verursacht. Die Nase ist die
häufigste Lokalisation einer Erstmanifestation eines ENKTL-N. Initial manifestiert
sich das Lymphom intranasal als livide verfärbte Masse mit Blutungen. Es kommt zur
Obstruktion der Nasenhaupthöhle mit Nasenatmungsbehinderung und Symptomen unspezifischer
Rhinitis, Sinusitis und Rhinorrhoe. Eine Beteiligung des Larynx ist selten, kann jedoch
zu Ulzerationen, Nekrosen, lokalen Schmerzen, Dysphonie und Dyspnoe führen.
ENKTL-N weisen eine ausgeprägte ethnische und geografische Verteilung auf. Mit bis
zu 10% der NHL ist die Inzidenzrate in Ostasien und Lateinamerika am höchsten. Hingegen
sind sie in den USA, Kanada und Europa (<1% aller NHL) selten. In vielen Studien wird
eine geschlechtsspezifische Prädominanz beschrieben. Dabei sind Männer häufiger betroffen
als Frauen (Al-Hakeem et al., Oral Oncol 2007; 43(1): 4–14).
Aufgrund der Seltenheit sowie der Heterogenität der PTCL sollte die Diagnose von einem
Hämatopathologen mit einschlägiger Expertise gestellt bzw. mittels Referenzbefund
bestätigt werden.
Die Diagnose wird auf der Grundlage der Auswertung einer Biopsie der involvierten
Strukturen gestellt. Die Histologie ist typischerweise durch ein polymorphes lymphoides
Infiltrat mit sehr variabler Morphologie gekennzeichnet, das in die Gefäßwände eindringt
und oft zu ausgedehnten Nekrosen führt. Die wichtigsten diagnostischen Merkmale sind
der Nachweis von NK/T-Zellmarkern bei der Immunphänotypisierung (typischerweise CD2+,
CD56, zytoplasmatisches CD3+, Oberflächen-CD3-, CD4+/– und CD8+/–) und das Vorhandensein
von EBV (Kanvaros et al., Blood 1993; 81(10): 2688–2695).
Bildgebend sollte zum Staging eine Kontrastmittel-CT von Hals, Thorax und Abdomen
durchgeführt werden. Das 18F-FDG-PET-CT besitzt bei extranodaler nicht-kutaner Manifestation
eine der CT überlegenen Sensitivität. Das diagnostische 18F-FDG-PET-CT entspricht
internationalem Standard der bildgebenden Diagnostik bei aggressiven Lymphomen und
hat hohe prognostische Bedeutung.
Zur Risikostratifizierung und Prognoseabschätzung sind mehrere Risiko-Scores verfügbar.
Für NK/T-Zell-Lymphome wird häufig der PINK-Score verwendet. Prognostisch ungünstig
sind Alter >60 Jahre, regionale Lymphknoten, lokale Tumorinfiltration, erhöhte Laktatdehydrogenase,
hohe Proliferationsrate, EBV-DNA ≥6,1×107 Kopien/ml (Kim et al., Lancet Oncol 2016;17(3):389–400).
Die Therapie des ENKTL-N rangiert von Radiotherapie allein bis zur high-dose-Chemotherapie
mit Stammzelltransplantation. Aufgrund der Aggressivität des Tumors ist das ENKTL-N
insgesamt schwer zu behandeln. Eine Standard-NHL-Behandlung, bestehend aus einer CHOP-Chemotherapie
(Cyclophosphamid, Adriamycin, Vincristin, Prednisolon), gefolgt von einer Strahlentherapie
ist für diese Art von NHL nicht zufriedenstellend.
Zusammenfassung
Das Extranodale NK/T-Zell-Lymphom, nasaler Typ (ENKTL-N) ist ein extranodales Lymphom,
das am häufigsten in Asien sowie in Mittel- und Südamerika vorkommt und typischerweise
mit einer lokalisierten Erkrankung einhergeht. Am häufigsten betroffen sind Nasenhaupt-
und Nasennebenhöhlen, Nasopharynx und Gaumen. Es kommt zu Symptomen einer nasalen
Obstruktion, Epistaxis und ossärer Destruktion. Eine laryngeale Manifestation ist
selten. Es ist eine seltene Entität mit hoher Aggressivität und schlechter Prognose.
ENKTL-N kann entzündliche Läsionen (z.B. invasive Pilzinfektionen, Granulomatose mit
Polyangiitis) oder gut differenzierte Plattenepithelkarzinome imitieren. Aufgrund
sekundärer Infektionen und massiver Nekrosen sind häufig multiple Biopsien notwendig,
bis die Diagnose gestellt werden kann. Um eine Diagnoseverzögerung oder Fehldiagnose
zu vermeiden, ist besondere Wachsamkeit erforderlich.
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sowie fehlender charakteristischer klinisch-pathologischer
Merkmale ist die Diagnose schwierig zu stellen und sollte von einem Hämatopathologen
mit einschlägiger Expertise gestellt bzw. mittels Referenzbefund bestätigt werden.
Obwohl die Inzidenz der Larynxlymphome sehr gering ist, stellt es eine wichtige Differenzialdiagnose
der Larynxneoplasien dar.