Rofo 2025; 197(02): 222-227
DOI: 10.1055/a-2478-5280
DRG-Mitteilungen

Frühere Termine für Selbstzahler – eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung

 

I. Einführung

Freie Terminkapazitäten sind für gesetzlich krankenversicherte Patienten ein rares Gut. Halten sich die vertragsärztlichen Leistungserbringer an die mit dem Versorgungsauftrag verbundenen Sprechstunden, müssen gesetzlich krankenversicherte Patienten in der Regel mit langen Wartezeiten rechnen. Gesetzlich krankenversicherte Patienten sind im gesamten fachärztlichen Bereich häufig mit der ernüchternden Realität von Wartezeiten von drei bis sechs Monaten konfrontiert, während es im Bereich privatversicherter Patienten deutlich mehr freie Kapazitäten und in der Folge kürzere Wartezeiten gibt. Nicht selten kommt es daher im Rahmen von Terminbuchungen über Online-Plattformen vor, dass gesetzlich krankenversicherte Patienten als Selbstzahler Termine vereinbaren. Teilweise wird im Rahmen einer solchen Buchung ein Hinweis eingeblendet, dass die Leistung nur als Selbstzahlerleistung zu dem früheren Termin stattfinden könne. Ein weiteres Problem des Patientenmanagements, das in diesem Beitrag nicht weiter vertieft wird, stellt die Terminuntreue von gesetzlich- und privatversicherten Patienten dar. Es kommt mitunter vor, dass Termine von GKV-Patienten nicht abgesagt werden, so dass letztlich anderen GKV-Patienten frühzeitigere Untersuchungsmöglichkeiten vorenthalten werden und es unter Umständen zu wirtschaftlichen Schäden in der (radiologischen) Praxis durch Vakanzen kommt.


#

In einer Entscheidung vom 26.06.2024[ 1 ] hat das Landgericht (LG) Düsseldorf über die Klage einer Verbraucherzentrale entschieden. Der beklagte Augenarzt bot in seiner Augenarztpraxis über eine Terminservice-Onlineplattform Behandlungstermine an, bei denen gesetzlich krankenversicherte Patienten die Kosten der Behandlung entgegen dem Sachleistungsprinzip gemäß § 2 Abs. 2 SGB V selbst tragen sollten. Das LG Düsseldorf ordnete dies in dem konkreten Fall als rechtswidrig ein.

Das Urteil bietet Anlass dazu, sich auf Grundlage einer kritischen Auseinandersetzung mit der wettbewerbsrechtlichen Dimension von früheren Terminen als Selbstzahlerleistung für gesetzlich Versicherte auseinanderzusetzen sowie die Folgen für die Praxis darzulegen. Im Laufe der Beurteilung wird sich zeigen, dass die Vergütung für die Möglichkeit eines früheren Termins rechtlich bedenklich und teilweise auch rechtswidrig ist.

II. Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 26.06.2024, Az.: 24 O 107/22

1. Sachverhalt

Der beklagte Arzt, ein Augenarzt, bot über eine Internet-Plattform einen Terminservice an, zu dem die Patienten über die Homepage des Arztes weitergeleitet wurden. Für die Terminvereinbarung musste der Patient auswählen, ob dieser privat oder gesetzlich versichert ist. Soweit hier die Auswahl „gesetzlich versichert“ getroffen wurde, erschien der folgende Hinweis:

„Was Sie noch wissen sollten: Selbstzahlergebühr: Wenn Sie gesetzlich versichert sind, müssen Sie die Kosten für die Behandlung selbst übernehmen.“

In einem zusätzlichen Pop-Up-Fenster konnte der Patient auf einem Kalenderfeld einen als verfügbar ausgewiesenen Termin durch Anklicken auswählen. Sofern der gesetzlich krankenversicherte Partient einen freien Termin in den nächsten Tagen auswählte, erschien der Hinweis zur Selbstzahlergebühr. Dieser Hinweis erschien auch, wenn der Patient als Besuchsgrund akute Beschwerden/Schmerzen angab.

Zusätzlich zu der Bestellpraxis hielt der beklagte Arzt täglich für Patienten mit akuten Beschwerden von 8 bis 9 Uhr eine offene Sprechstunde ohne Terminvereinbarung ab. Es erfolgte kein Hinweis auf die offenen Sprechstunden im Rahmen der Online-Terminbuchung.

Der Klage der Verbraucherzentrale lagen folgende Geschehnisse zugrunde: Anfang Juni 2022 rief die Ehefrau des Patienten die Homepage des Beklagten auf und stellte jeweils für sich und ihren Ehemann für Mitte Juli 2022 eine Terminanfrage. Hierfür wurde sie von der Homepage des Beklagten automatisch auf die Seite des Online-Terminservices weitergeleitet. Mitte Juli 2022 waren nach Angaben auf der Plattform zahlreiche Termine frei. Als Besuchsgrund für den Arztbesuch gab die Ehefrau des Patienten jeweils „Makula-Netzhautdiagnostik/OCT“ an. Die hierbei in Betracht kommenden Leistungen werden im Einzelfall in einem bestimmten Umfang von der gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt; im Übrigen handelt es sich um eine sog. Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Die Ehefrau des Patienten selbst war privat und der Patient gesetzlich krankenversichert. Den Hinweis auf der Homepage, dass Selbstzahler die Kosten für die Behandlung selbst übernehmen müssen, verstand die Ehefrau des Patienten dahin, dass er sich auf die sogenannten IGeL-Leistungen beziehe. Am Tag nach der Terminbuchung rief eine Mitarbeiterin der Praxis des beklagten Arztes bei dem Patienten an, um den Termin zu bestätigen und die Einzelheiten zu besprechen. Die Ehefrau des Patienten gab an, dass ihr gesagt worden sei, dass ihr Ehemann als gesetzlich krankenversicherter Patient für den frühen Termin 150,00 Euro zu zahlen habe, weil die Praxis bis weit in den September ausgebucht sei und frühere Termine für Nottermine reserviert seien. Tatsächlich seien aber in dem System über der Online-Plattform täglich ab dem 20.06.2022 freie Termine verfügbar gewesen. Die Verbraucherzentrale machte geltend, der beklagte Arzt habe ausdrücklich von gesetzlich Versicherten für die Vergabe eines frühen Termins verlangt, dass diese die Leistungen selbst bezahlen. Es handele sich damit um eine privatärztliche Versorgung, die statt der den Patienten an sich zustehenden Sachleistung angeboten wurde. Der beklagte Arzt verlange für die Terminvergabe den gesetzlich Versicherten Patienten ab, eine Leistung, die zumindest in Teilen von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden würde, selbst zu bezahlen. Zudem machte die Verbraucherzentrale geltend, dass ein solches Terminangebot insbesondere für Patienten mit akuten Beschwerden/Schmerzen nicht rechtmäßig sein könne und es sich hierbei um unlauteres Verhalten im Wettbewerb handle.


#

2. Entscheidungsgründe

Das LG entschied, dass ein solches Verhalten durch den beklagten Arzt zukünftig zu unterlassen sei, da sowohl das Anbieten früherer Termine als auch das Anbieten solcher Termine bei akuten Schmerzen/Beschwerden nicht im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht, insbesondere § 3a und § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) stehe.

Zunächst ordnete das LG das Bereitstellen der Termine auf der Online-Plattform als eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Nr. 2 UWG ein. Eine geschäftliche Handlung ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar zusammenhängt. Das Anbieten von Terminen auf der Online-Plattform stellt das Anbieten eigener Dienstleistungen dar, die unmittelbar den Absatz steigern sollen. Nach dem UWG, aber auch anderen Gesetzen, wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch, werden vertragsärztliche Praxen als Unternehmen behandelt. Die besonderen Regelungen des (Vertrags-)Arztrechts zog das LG im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Betrachtungsweise heran. Durch die Einordnung der Terminabsprache als geschäftliche Handlung nach § 2 Nr. 2 UWG war der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts für den Rechtsstreit eröffnet.

Wettbewerbswidriges Verhalten bestimmt sich nach den weiteren Regelungen des UWG, wobei das Gericht für das Anbieten früherer Termine als Selbstzahlerleistung § 3a Abs. 1 S. 1 UWG heranzog. Dieser bestimmt:

„Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.“

Das Merkmal „wettbewerbswidrig“ wird an „unlauterer“ Verhaltensweise festgemacht. Unter unlauterer Verhaltensweise wird Verhalten verstanden, welches entgegen den guten Sitten ist. Zur Bestimmung dessen sind die Umstände des und die Auslegung im Einzelfall maßgeblich, da ein konkreter Maßstab nicht existiert.

a. Unerlaubte Zuwendung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 M-BOÄ

In der Entscheidung liegt der Schwerpunkt auf der Einordnung unlauteren Verhaltens durch Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift, die geeignet und dazu bestimmt ist auch die Interessen der Marktteilnehmer zu schützen. Konkret stellte das LG in dem Rechtsstreit auf die in Nordrhein geltende Vorschrift des § 32 Abs. 1 S. 1 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte[ 2 ] ab. Die Berufsordnung einer Kammer, wie hier der Ärztekammer Nordrhein, ist eine Satzung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die Rechtsnormcharakter gegenüber den Kammermitgliedern hat. § 32 Abs. 1 S. 1 der Berufsordnung ist somit eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des Art. 2 EGBGB. Der Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä Nordrhein ist identisch mit dem Wortlaut der Muster-Berufsordnung (M-BOÄ). Da der Wortlaut der Berufsordnungen der übrigen Ärztekammern in der Regel mit dem der M-BOÄ gleichlautend ist, können die folgenden Ausführungen grundsätzlich auf die Berufsordnungen anderer Ärztekammern übertragen werden. Gemäß § 32 Abs. 1 S.1 BO-Ä Nordrhein ist es Ärzten nicht gestattet, von Patienten oder Anderen Geschenke für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck entsteht, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.

Der § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä Nordrhein bezweckt einerseits die Stärkung der Unabhängigkeit des Arztes. Andererseits dient die Norm dem Schutz des Patienten, indem einer unsachlichen Beeinflussung der ärztlichen Behandlung entgegengewirkt werde soll.[ 3 ] Die Norm wird weit ausgelegt, die Rechtsprechung stellt überwiegend auf die Wirkung nach außen ab; insofern ist das objektive Erscheinungsbild der betreffenden Handlungen relevant. Im Kern kommt es darauf an, welcher Eindruck durch das Verhalten eines Arztes entsteht. Das LG Düsseldorf stellte fest, dass die Norm das Marktverhalten des Arztes regelt. Weiter verweist das LG darauf, dass diese Grundsätze auch gegenüber den anderen Markteilnehmern – hier also den anderen Ärzten – eine Ausstrahlungswirkung haben. Ausschlaggebend ist hier systemgerechtes, also compliantes Verhalten. Der Mitbewerber werde durch die Norm davor geschützt, dass der Andere sich nonkonform verhalte. Im Kontext dessen wird aus der Norm ein Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung hergeleitet. Das LG ist der Ansicht, der beklagte Arzt habe durch die Selbstzahler-Termine einen Vorteil von einem gesetzlich krankenversicherten Patienten erlangt. Im Gegenzug erhielt der Patient einen früheren Termin. Der objektive Tatbestand des § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä Nordrheins lag also nach Ansicht des Gerichts vor. In den Entscheidungsgründen wird indes nicht darauf eingegangen, wie aus der reinen Selbstzahlerleistung, die gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 2 Bundesmantelvertrag für Ärzte (BMV-Ä) rechtmäßig abgerechnet werden darf, ein Vorteil im Sinne des § 32 Abs. 1 S. 1 M-BOÄ abgeleitet werden kann. Zunächst wäre klärungsbedürftig, für welche Leistung die Selbstzahlergebühr tatsächlich abgerechnet werden sollte – für die frühere Vereinbarung des Termins oder die innerhalb des Termins voraussichtlich vorzunehmenden Behandlungen. Erst nach dieser Festlegung hätte das LG der Frage nachgehen können, ob es sich um eine Selbstzahlerleistung im Sinne des § 18 Abs. 8 BMV-Ä handelt.

Zusammengefasst liegt nach Ansicht des LG durch das Anbieten früherer Termine gegen eine Selbstzahlergebühr wettbewerbswidriges Verhalten vor und der Arzt hat ein solches Verhalten zukünftig zu unterlassen.


#

b. Behandlung von Patienten mit akuten Schmerzen oder Beschwerden

Gegenstand der Entscheidung war darüber hinaus die Terminvergabe für Patienten mit akuten Beschwerden/Schmerzen, welche ebenfalls mit dem Hinweis auf Selbstzahlergebühren versehen wurde. Die Rechtswidrigkeit dessen wird ebenfalls an das Wettbewerbsrecht angeknüpft, entscheidend ist dabei der § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, da es sich um eine geschäftlich irreführende Handlung handelt. Irreführend ist eine Handlung in der Regel dann, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält. Hierbei werden nähere Kategorien zur Einordnung aufgelistet. Unter anderem gehört hierzu die Verfügbarkeit oder auch die Erbringung der Leistungen. Die Behandlung von gesetzlichen Versicherten mit akuten Beschwerden/Schmerzen kann und wird rein tatsächlich nicht als Selbstzahler-Leistung erbracht.

Der Arzt gab an, dass Patienten mit akuten Beschwerden/Schmerzen frühere Termin unabhängig ihres Versicherungsstatus erhalten würde, ohne dass eine Selbstzahlergebühr zu entrichten sei. Jedoch entsteht aufgrund der Anzeige des oben genannten Hinweistextes zu Selbstzahlerleistungen bei der Terminbuchung selbst für den Fall der Auswahl des Termines aufgrund akuter Beschwerden/Schmerzen fehlerhaft und insofern unwahr der Eindruck, dass dieser Termin selbst zu zahlen sei. Das Gericht führte an, dass der Patient vor der Buchung den Hinweis zur Selbstzahlergebühr bestätigen müsse, bevor er einen Termin auswählen könne. Er kann dem Onlinebuchungssystem daher nicht entnehmen, dass die Behandlung aufgrund akuter Beschwerden/Schmerzen nicht an eine Selbstzahlergebühr gekoppelt sei. Diese Irreführung ist nach Ansicht des LG dazu geeignet, den Patienten zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, da er sich bereit erklärt, die Leistung als Selbstzahlerleistung wahrzunehmen. Diese Betrachtung ist unabhängig davon, ob sich die Marktteilnehmer entschließen, tätig zu werden. Ebenfalls kommt es in diesem Kontext nicht darauf an, ob der Vertrag zivilrechtlich wirksam ist, da als geschäftliche Entscheidung bereits solche Entscheidungen angesehen werden, die im unmittelbaren Zusammenhang der eigentlichen Erwerbsentscheidung vorgelagert sind. Insofern knüpft das Gericht zur rechtlichen Bewertung in diesem Fall an die subjektive Wahrnehmung des Verbrauchers, hier also des Patienten, an. Es kommt daneben rechtlich nicht darauf an, ob der Arzt, wenn er bei dem Patientenkontakt bemerkt hätte, dass der Patient wegen akuter Beschwerden/Schmerzen vorstellig geworden wäre, keine Rechnung nach der GOÄ erstellt hätte.


#

c. Zusammenfassung

Im Ergebnis hat der beklagte Arzt es zukünftig zu unterlassen, für die Vergabe von Termine zur Behandlung von gesetzlich krankenversicherten Patienten die Übernahme der Behandlungskosten als Selbstzahler zu fordern und gesetzlich krankenversicherte Patienten mit akuten Beschwerden/Schmerzen Behandlungstermine anzubieten, für die diese die Kosten der Behandlung selbst übernehmen müssen.

Im Rahmen der Entscheidung nahm das Gericht außerdem an, dass der beklagte Arzt für die Behandlung eine Pauschale für die Behandlung von dem gesetzlichen Versicherten verlangt habe. Da hier die Details des Gespräches zwischen der Ehefrau und der Mitarbeiterin des beklagten Arztes nicht genauer aufgeklärt werden konnten, ließ das Landgericht diesen Punkt offen, wobei der Hinweis erfolgte, dass ein pauschaler Betrag allein deshalb schon rechtswidrig wäre, weil Teile der Leistung dem Patienten im Rahmen des Sachleistungsprinzips zuständen.


#
#
#

III. Kritische Würdigung

Im Wettbewerbsrecht kommt es häufig auf die Frage der Irreführung von Dritten an. Daher ist die Entscheidung vor dem Hintergrund des Wettbewerbsrechts zu verstehen und trifft nicht per se absolute Aussagen über die berufs- und abrechnungsrechtliche (Un-)Zulässigkeit von Selbstzahlerleistungen in der in Streit stehenden Fallkonstellation. Da das LG sich primär auf die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit beschränkte und der Inhalt des Telefonats zwischen dem Praxispersonal und der Ehefrau des Klägers unklar blieb, blieb offen, ob es sich bei der in Streit stehenden Selbstzahlergebühr um eine solche Gebühr handelte, die für den Termin als solchen entrichtet werden sollte oder für die voraussichtlich im Rahmen des Behandlungstermins zu erbringenden und abzurechnenden Leistungen, sprich eine Kostenschätzung für eine voraussichtlich zu erbringende augenärztliche Leistung.

Ärzte müssen nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl. § 630c Abs. 3 BGB) zum Behandlungsvertrag bei Selbstzahlerleistungen und individuellen Gesundheitsleistungen („IGeL“) die Patienten in Textform wirtschaftlich dahingehend aufklären, dass es sich bei den Selbstzahlerleistungen, wenn diese zugleich Teil der GKV-Versorgung sind, um Leistungen handelt, für die die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich aufkommen würde oder um solche Leistungen, für die die gesetzliche Krankenversicherung nicht aufkommt.

Bei Selbstzahlerleistungen, in diesem Fall hier Leistungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich getragen würden, haben Vertragsärzte unbedingt § 128 Abs. 5a SGB V zu beachten. Danach verstoßen Vertragsärzte, die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten. Die Folge eines solchen Verstoßes können eine Disziplinarmaßnahme der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sein oder die Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung.

Das LG nahm § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä Nordrhein als Schutznorm an, die nicht nur den Schutz von Patienten, sondern auch anderer Marktteilnehmer bezwecke. Bei genauerer Betrachtung des Vorteils, ist der einzige Vorteil gegenüber anderen Arztpraxen, dass der Patient einen früheren Termin in der Arztpraxis erhält, in welcher er die Gebühr entrichtet. Fordert der Arzt für seine ärztliche Leistung dasjenige, was nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) tatsächlich zu fordern ist, lässt sich der Gebühr kein Vorteil entnehmen. Für eine echte Termingebühr, also eine ohne ärztliche Gegenleistung, findet sich andererseits kein rechtfertigender Rechtsgrund. Das LG hätte in diesem Aspekt die Feststellung treffen müssen, dass mit einer solchen zeitnahen Terminvergabe bei systemkonformen Verhalten kein echter, ungestörter Wettbewerb mit den anderen Praxen möglich wäre.

Ebenfalls im Rahmen der Entscheidung außer Acht gelassen hat das LG die Auseinandersetzung mit der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der beklagte Arzt hatte seine Sprechzeiten, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vorgeschrieben sind, angeboten und nachgewiesen. Die vertragsärztlichen Kapazitäten sind, wie sich an den nur zu späteren Zeitpunkten anbietbaren Terminen zeigt, ausgelastet. Über diese Kapazitäten hinaus zu verlangen, weitere Patienten – unabhängig davon, wie diese versichert sind – zu behandeln, stellt einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Arztes aus Art. 12 Abs. 1 GG dar. Ausgeschlossen sind hier Notfallbehandlungen oder Behandlungen aufgrund akuter Beschwerden/Schmerzen.

Selbstzahlerleistungen können selbstverständlich auch weiterhin erbracht werden. Offen bleibt, ob es sich bei der zu zahlenden Leistung um eine feste Gebühr handelt oder, wie es realitätsnäher wäre, um einen ersten Kostenvoranschlag für die Inanspruchnahme der IGeL. Zur wirksamen Vereinbarung einer IGeL ist eine wirtschaftliche Aufklärung über die zu erwartenden Kosten im Voraus notwendig. Geht man aber nun, wie es das LG ausführt, davon aus, dass die Kosten nicht hätten beziffert werden können, da noch unklar war, welche Leistungen im Rahmen des Sachleistungsprinzips von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen worden wären, so hätte keine wirtschaftliche Aufklärung erfolgen können.

Aus dem Berufsrecht lässt sich weder eine Bevorzugung oder Benachteiligung von privat oder gesetzlich krankenversicherten Patienten ableiten. Die zur Verfügung stehenden oder zur Verfügung gestellten Kapazitäten sind hiervon unabhängig zu betrachten. Dem Arzt bzw. der Praxis kann man nicht die fehlenden Kapazitäten vorwerfen, wenn dieser den Anforderungen in der GKV nachkommt bzw. nachgekommen ist.

Im hiesigen Fall war entscheidend, ob der beklagte Arzt während der regulären vertragsärztlichen Sprechzeiten der Praxis die Behandlung durchführen sollte oder außerhalb. So stellte das Landgericht fest, dass es dem beklagten Arzt freistehe, über die verpflichtenden Sprechstunden in der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus bestimmte Zeiten für Privatpatienten zu reservieren oder die Praxis ganz zu schließen, soweit er das für Vertragsärzte vorgeschriebene Stundenkontingent für gesetzlich krankenversicherte Patienten im Übrigen erfülle. Es wird nichts gegen die Erbringung von Selbstzahlerleistungen per se vorgebracht. Diese müssen eben innerhalb der privatärztlichen Sprechstunden und außerhalb der vertragsärztlichen Sprechstunden durchgeführt werden.

Auf die Pauschalisierung der Behandlungskosten ging das Landgericht nicht weiter ein, jedoch ist an dieser Stelle anzumerken, dass eine Pauschale rechtlich in der Radiologie nicht zulässig ist. Der Radiologe kann nur ungefähre und vorläufige Werte aufgrund der Anknüpfung an die GOÄ nennen und auf deren Vorgaben zur Bestimmung von z. B. Steigerungsfaktoren hinweisen. In anderen ärztlichen Fachgebieten gibt es in dieser Frage Möglichkeiten einer festen Vereinbarung.

Die Kritik gegenüber dem Anbieten früherer Termine für Patienten mit akuten Beschwerden/Schmerzen ist insofern nachvollziehbar, dass nicht einmal auf die offenen Sprechstunden hingewiesen wird und bei dem Patienten durchaus der Eindruck entstehen kann, dass er die Kosten in allen Fällen selbst zu tragen habe oder der Patient für etwas zu zahlen habe, was von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen würde. Beides ist zumindest wettbewerbsrechtlich irreführend und wäre undifferenziert inhaltlich unzutreffend. Der Hinweistext selbst erweist sich bei genauer Betrachtung als widersprüchlich. Der von dem beklagten Arzt gewählte Begriff einer „Selbstzahlergebühr“ spricht klar für eine zusätzliche Zahlung und nicht für Leistungen, die nach der GOÄ abgerechnet werden sollen.

Stark zu kritisieren ist in dem Urteil die knappe Bejahung des Vorliegens einer unerlaubten Zuwendung nach § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä Nordrhein. Bei der Selbstzahlerleistung handelt es sich nach § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä um Leistungen, die unter Anwendung der GOÄ gegenüber dem Patienten selbst abgerechnet werden. Auch für IGeL nach § 18 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä ergibt sich die Abrechnung nach den Maßstäben der GOÄ. Der Arzt ist zur Anwendung der GOÄ gesetzlich verpflichtet, er erhält daher keinen Vorteil, solange er die ärztliche Tätigkeit, die er berechnet, tatsächlich erbracht hat und die berechneten Kosten tatsächlich angefallen sind. Aus einer korrekten Abrechnung und Bezahlung nach der GOÄ kann aus § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä Nordrhein keine Zuwendung des Patienten oder eines Dritten an den Arzt folgen. Durch eine abrechnungsrechtlich zulässige Vergütung nach der GOÄ kann kein Eindruck der Beeinflussung des Arztes in seiner ärztlichen Entscheidung entstehen.[ 4 ] Im Rahmen der Entscheidung schreibt das Landgericht weder darüber, ob die Leistungen tatsächlich nach der GOÄ als zulässig angesehen worden wären und in der gewünschten Behandlung tatsächlich erbracht worden wären. An dieser Stelle hätte das Landgericht darauf eingehen müssen, dass eine Termingebühr, das heißt die Entrichtung eines Betrages schlicht für die Möglichkeit einer früheren Terminvereinbarung, nicht als Selbstzahlerleistung eingeordnet werden kann. § 18 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä setzt voraus, dass es sich überhaupt um eine ärztliche Leistung handelt, für die der Anwendungsbereich der GOÄ eröffnet ist. Der Anwendungsbereich ist gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ aber auf „berufliche Leistungen“ des Arztes begrenzt. Das heißt in der GOÄ werden lediglich Vergütungsregelungen für Leistungen getroffen, die typischerweise in Ausübung des ärztlichen Berufes erbracht werden.[ 5 ] Erforderlich ist daher die Ausübung der Heilkunde am Menschen. Die Möglichkeit einer früheren Terminvereinbarung stellt jedoch keine medizinische Leistung oder gar Ausübung der Heilkunde am Menschen dar, sondern dient allein der Organisation eines Behandlungstermines, im Rahmen dessen es zu einer „beruflichen Leistung“ des Arztes im Sinne des § 1 Abs. 1 GOÄ kommen kann. Daraus folgt, dass es sich nicht um eine Selbstzahlerleistung im Sinne des § 18 Abs. 8 Nr. 3 BMV-Ä handelt und zudem mangels Eröffnung des Anwendungsbereiches keine abrechnungsrechtliche Grundlage in der GOÄ existiert.

Letztlich sollte unabhängig von den vorstehenden Ausführungen nicht außer Acht gelassen werden, dass zumindest sobald objektiv der Eindruck entsteht, der gesetzlich krankenversicherte Patient zahle eine zusätzliche Gebühr dafür, einen früheren Termin zu erhalten, objektiv der Tatbestand der unerlaubten Zuwendung im Sinne des § 32 Abs. 1 S. 1 BO-Ä Nordrhein vorliegt. Die Begründung im Rahmen der Entscheidung trägt nur wenig zu einer Klarstellung bei, sodass letztlich davon ausgegangen werden muss, dass das Gericht von einer solchen Gebühr ausging.


#

IV. Einordnung und Folgen für die Praxis

Einige wesentlich Aspekte aus der Entscheidung sollten für die radiologische Praxis mitgenommen werden können. Bei dem beklagten Arzt handelt es sich um einen Augenarzt, sodass auf die wesentlichen Unterschiede zur Praxis eines Radiologen hinzuweisen ist. Da es sich in der Regel bei niedergelassenen Radiologen um ausschließliche Bestellpraxen handelt, ist zumindest, was die Ermöglichung früherer Termine für Patienten mit akuten Schmerzen/Beschwerden anbelangt, die Entscheidung weniger relevant. Umso mehr jedoch der Aspekt zu der früheren Terminvergabe für planbare Leistungen. Ohnehin ging das Landgericht nicht so weit und unterstellte, dass der beklagte Arzt in Akutfällen keine Termine anböte, das war für den Patienten auf der Online-Plattform allerdings nicht erkennbar und daher aus Sicht der Patienten und des Wettbewerbes irreführend.

Ein einfacher Hinweistext, so wie bei dem beklagten Augenarzt im Online-Buchungsportal, ist regelhaft sehr problematisch. Die starke Verkürzung von Hinweistexten schadet dem Anwender, also regelmäßig dem Arzt. Es sollte beim Anbieten von Selbstzahlerleistungen auf Online-Buchungsportalen ein ausführlicher Aufklärungstext vorgesehen werden und strikt auf die Zuordnung in die privatärztliche Tätigkeit geachtet werden.

Weitere Problematiken ergeben sich insbesondere für IGeL. Bei diesen handelt es sich grundsätzlich um Leistungen, für die Patient selbst aufkommen muss. IGeL sind solche individuelle Gesundheitsleistungen, die auf eigenes Bestreben des Patienten insbesondere für etwaige Vorsorgeuntersuchungen durch den Arzt auf Grundlage der GOÄ erbracht werden, da die Leistungen nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Im Rahmen solcher IGeL kann sich allerdings recht schnell auch eine medizinisch indizierte Diagnose ergeben, die in die vertragsärztliche Versorgung fällt und somit nicht mehr als Selbstzahlerleistung erbracht werden dürfte. Auch hier besteht hohes Konfliktpotential – es kann entweder die Weiterbehandlung als Selbstzahler erfolgen oder der Patient muss weggeschickt werden, um sich mit einer Überweisung erneut vorzustellen. Zweiteres wäre wohl das rechtlich sichere, wobei eine klare Entscheidung hier nicht getroffen werden kann, und diese stark von dem Einzelfall abhängig wäre.

Der Entscheidung des Landgerichtes kann entnommen werden, wie wichtig die Differenzierung zwischen vertragsärztlichen und privatärztlichen Sprechstunden zu gestalten ist. Zudem muss unbedingt aus dem Urteil die Erkenntnis gezogen werden, mit welchem sprachlichen und sachlichen Fingerspitzengefühl Selbstzahlerleistungen als auch IGeL im Rahmen der Sprechzeiten zu behandeln sind. Das Potential, hier Fehler zu machen bzw. sich aufgrund von Ungenauigkeiten, wie sie im vorliegenden Fall bestanden, Probleme aufzuladen, ist hoch. Die konkreten gesetzlichen Vorgaben sind zudem unklar und die Rechtsprechung sehr penibel und in der Regel entfernt von der Alltagstauglichkeit. Dies zeigt sich wohl am eindrücklichsten daran, dass zwar nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur wirksamen Vereinbarung von IGeL, bzw. Selbstzahlerleistungen allgemein die ungefähr zu erwartenden Gesamtkosten im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärung zu beziffern sind, vorliegend das Gericht sich hieran allerdings aufhängt. Das Gericht führt hier an, dass man die Gesamthöhe nicht hätte im Voraus bestimmen können, da noch unklar war, welche Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung medizinisch indiziert wären.

Die Differenzierung zwischen vertragsärztliche und privatärztliche Sprechstunden sollte klar und sauber erfolgen, wobei das direkte Anbieten von Selbstzahlerleistungen allgemein sehr umstritten bleibt, auch wenn diese eindeutig privatärztlichen Sprechstunden zugeordnet werden könnten. Letztlich heißt es in § 18 Abs. 8 Nr. 2 BMV-Ä, dass die Leistung auf Verlangen des Versicherten erbracht wird.

Gemäß § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 3 BMV-Ä dürfen Ärzte für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, unmittelbar von Patienten eine Vergütung nur fordern, wenn die dort niedergelegten Voraussetzungen eingehalten worden sind. Gemäß § 18 Abs. 8 S. 2 BMV-Ä kann der Vertragsarzt die Versicherten nicht zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung an Stelle der ihnen zustehenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen. Dies verstoße gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten. Die Inanspruchnahme nach der Leistung als Selbstzahler muss daher ausschließlich auf Wunsch des Versicherten erfolgen. Unterschieden werden muss hier über den Hinweis, dass eine Leistung zu dem ausgewählten Zeitpunkt letztlich in die privatärztliche Sprechstunde fällt. Dieser Hinweis sollte, wie bereits erwähnt, nicht zu knapp ausfallen, um den gesetzlichen Bestimmungen gerecht zu werden und nicht am Ende irreführend zu einer fehlerhaften Bewertung des Anbietens als unrechtmäßig führen. Die Kalender zwischen den Online-Terminbuchungs-Plattformen sollten entsprechend mit dem Kalender der Praxis synchronisiert sein und wie bereits erwähnt am besten zwischen den vertragsärztlichen und privatärztlichen Sprechstunden unterscheiden.

Wie sich an diesem Fall deutlich zeigt, ist die gesamte Thematik um Selbstzahlerleistungen, IGeL und Termingebühren unverändert brisant, da die genauen Parameter für die rechtliche Einordung je nach Einzelfall sehr unterschiedlich sein können.

René T. Steinhäuser
Rechtsanwalt

Rechtsanwälte Wigge GbR
Großer Burstah 42
20457 Hamburg
Telefon: (040) 3398 705–90
Telefax: (040) 3398 705–99
Internet: www.ra-wigge.de
E-Mail: hamburg@ra-wigge.de


#
#

1 Az. 24 O 107/22.


2 Im Folgenden: BO-Ä Nordrhein.


3 Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, MBO, § 32, Rn. 1.


4 Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, MBO, § 32, Rn. 5.


5 Miebach, in: Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt und Krankenhausleistungen, 3. Aufl. 2006, GOÄ, § 1, Rn. 8; Spickhoff, in: ders., Medizinrecht, GOÄ, § 1, Rn. 7.



Publication History

Article published online:
24 January 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany