Die 17. Deutschen Kardiodiagnostiktage bringen in Leipzig wieder fachübergreifend
Expertinnen und Experten rund ums Herz zusammen. Gibt es 2025 besondere Schwerpunkte?
Thiele: Wir widmen uns natürlich auch 2025 den neuen Leitlinien. Dieses Mal sind sie von
besonderer Bedeutung, weil mit der koronaren Herzerkrankung und der Leitlinie zum
chronischen Koronarsyndrom der European Society of Cardiology (ESC) eine der größten
Patientengruppen im Fokus steht...
Von Roeder: ... und dazu kommt die arterielle Hypertonie – auch mit einer neuen ESC-Leitlinie.
Damit nehmen wir also zwei große Patientengruppen in den Blick.
Gutberlet: Einen weiteren Schwerpunkt wollen wir auf die weitere Förderung der nichtärztlichen
Berufe legen – etwa mit der Zertifizierung der MTR. Noch stärker als bisher möchten
wir auf unserer Präsenzveranstaltung den Austausch und Dialog untereinander fördern,
sodass anhand von konkreten Fallbeispielen und Problemen auch die neuen Leitlinien
besprochen werden sollen. Das gilt für alle unsere Referentinnen und Referenten, ganz
besonders jedoch bei den MTR-Sessions.
Was zeichnet denn die Kardiodiagnostiktage im Vergleich zu anderen radiologischen
oder kardiologischen Fortbildungsveranstaltungen aus?
Gutberlet: Die Kardiodiagnostiktage sind nach wie vor im deutschsprachigen Raum, vielleicht
sogar in ganz Europa, die einzige wirklich konsequent interdisziplinäre Veranstaltung
in diesem Bereich. Das war von Anfang an so geplant. Die Expertise aus Kardiologie
und Radiologie, aber auch die Nuklearmedizin haben wir in allen Kursen und Sessions
dabei, ebenso wie oftmals die herzchirurgische Perspektive. Alle diese Fachleute sind
bis heute bei der Stange geblieben. Und das in Zeiten, wo es berufspolitisch insbesondere
um das Koronar-CT Wirbel gab, was die Zusammenarbeit vermeintlich erschwert. Aber
wir bleiben der Interdisziplinarität treu und werden sie auch 2025 bei der 17. Veranstaltung
konsequent umsetzen, weil wir nur zusammen etwas erreichen können. Wir bleiben breit
aufgestellt und nähern uns den Fragestellungen mit allen Expertisen, die dabei eine
Rolle spielen.
In diesem Jahr bieten Sie Masterkurse an. Können Sie näher auf deren Inhalte eingehen?
Gutberlet: Diese Masterkurse wurden von der Deutschen Röntgengesellschaft neu initiiert. Das
Besondere: Der Gedanke dahinter, dass wir mehr praxisbezogene Ausbildung brauchen,
die möglichst multimodal sein sollte. Nun ist es natürlich so, dass bestimmte Krankheitsbilder
einen Modalitäten-Schwerpunkt haben, insbesondere die koronare Herzerkrankung. Da
steht als die „first-line“-Methode die CT im Vordergrund. Dennoch kommt auch die MRT
bei diesem Krankheitsbild zum Einsatz, vor allem zur Differentialdiagnose...
Von Roeder: ...ebenso wie Stress-Echo, die Myokard-SPECT oder der Herzkatheter.
Gutberlet: Genau. Der erste Track von zwei Masterkursen ist gleichzeitig ein Level-2-Kurs mit
CT-Schwerpunkt für Kardiologinnen und Kardiologen. Das gilt für den „Masterkurs Koronare
Herzerkrankung“ und den „Masterkurs Präinterventionelle Planung“. In letzterem steht
die Planung des großen Gebiets „vor Transkatheterklappenersatz“ im Mittelpunkt. Auch
dabei spielt primär die CT die Hauptrolle, im Zweifel kommen aber auch Ultraschall
und MRT zum Einsatz.
Die anderen beiden Masterkurse, die wir anbieten, haben einen MRT-Schwerpunkt. Sie
können deswegen auch als Level-2-Kurse mit Schwerpunkt MRT für die DGK-Zertifizierung
angerechnet werden. Denn das MRT spielt eine zentrale Rolle bei den Themen Myokarditis
und Kardiomyopathien. Praxisrelevanz und Multimodalität gelten aber für alle Kurse,
denn natürlich können die anderen Modalitäten als Ausschlussverfahren oder in der
Verlaufskontrolle ebenfalls wichtig sein.
Eine Stärke der Kardiodiagnostiktage sind die Workshops, die auch zunehmend KI-Anwendungen
zeigen. Können Sie hierzu mehr erzählen?
Lücke: Dies sind Post-Processing-Workshops unter Einbeziehung von KI-Tools.
Darin stellen zwei Firmen am Beispiel konkreter Anwendungsfälle ihre jeweilige Post-Processing-Software
vor. An den großen Fragestellungen wie myokardiales Mapping, Herzvolumetrie und der
myokardialen Perfusionsanalyse, aber auch der präinterventionellen Planung vor TAVI
oder sowie der Flussmessung zeigen die Hersteller ihre KI-unterstützten Lösungen.
Gutberlet: Diese Analysen sind auf konventionellem Wege sehr zeitintensiv.
Der Einsatz von KI-gestützten Lösungen soll künftig die Arbeit in der kardiovaskulären
Diagnostik erleichtern. Das fängt an bei der Ventrikelsegmentierung, die man möglichst
nur noch korrigieren möchte, geht weiter über die automatische Erkennung von anatomischen
Landmarken, z. B. den großen Gefäßen, bis hin zur automatischen multiparametrischen
Analyse von T1- und T2-Mappings – aber auch von Perfusionsbildern oder die assistierte
Bestimmung von Shuntvolumina bei Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern.
Können die Teilnehmenden die Software auch selbst ausprobieren?
Lücke: Auf jeden Fall. In beiden Workshops, die teilweise parallel laufen, werden mit unterschiedlichen
thematischen Gewichtungen Workstations zur Verfügung stehen. Es können etwa 20 Kolleginnen
und Kollegen parallel „hands-on“ arbeiten, die Softwarelösung im Einsatz erleben und
den Einfluss der erhobenen Parameter auf die Diagnosefindung erleben.
Welche Neuigkeiten erwarten die Teilnehmenden darüber hinaus?
Gutberlet: Alle MTR-Workshops und MTR-Vorträge werden möglichst von einem Team aus einem Arzt
bzw. einer Ärztin und einem bzw. einer MTR geleitet, um die Inhalte klar auf die MTR-Perspektive
zu fokussieren.
Lücke: Wir versuchen zudem, das Programm noch praktischer zu gestalten. So wollen wir die
Weiterbildungsplattform „conrad“ der DRG für MTR öffnen und während der Workshops zeigen. Die MTR können darin planen
und mit den Datensätzen üben, beispielsweise die Schnittebenenplanung am MRT oder
CT. Das lässt sich recht einfach gestalten, indem man entsprechende Datensätze integriert
und die Möglichkeiten, die die Plattform per se schon bietet, für MTR optimiert.
Gutberlet: Dazu geben wir dann Fragestellungen mit, etwa: „Machen Sie eine Vierkammerblick-Rekonstruktion aus diesem CT-Datensatz“ oder „Rekonstruieren Sie die rechte Koronararterie“. Das sind zwei Bausteine, mit denen wir mehr Praxisrelevanz in die Veranstaltungen
integrieren möchten. Im gesamten Hauptprogramm wollen wir so fallbasiert wie möglich
arbeiten. Daher bilden wir diverse Teams, die sich aus verschiedenen Disziplinen und
Erfahrungsstufen zusammensetzen. In diesem Jahr wollen wir außerdem in noch mehr Sessions
„live in the box“-Fälle integrieren.
Von Roeder: Damit wollen wir veranschaulichen, was das Resultat bzw. generell worin die Notwendigkeit
von nicht-invasiven präinterventionellen Planungsuntersuchungen besteht. Es gibt ja
viele Kolleginnen und Kollegen aus Kardiologie, Radiologie und Nuklearmedizin, die
nicht interventionell arbeiten. Sie sollen sehen, wozu die Untersuchungen dienen,
wie diese ganz praktisch funktionieren und was alles in der Vordiagnostik passiert,
die dann in den „live in the Box“-Fällen mündet.
Sind diese „live in the Box“-Fälle besonders für Nachwuchskolleginnen und -kollegen interessant?
Von Roeder: Die Fälle sind für Anfängerinnen und Anfänger ebenso interessant wie für erfahrene
Kolleginnen und Kollegen, weil sich das Feld immer weiterentwickelt. Wir wollen ja
relativ neue Anwendungen zeigen: neue Klappenmodelle, neue Interventionen. Wir planen
eine Session, die besonders für jüngere Kolleginnen und Kollegen interessant ist.
Darin geht es um klassische Probleme, denen man als Anfänger oder Anfängerin begegnet.
Für diese „Young Session“ möchten wir Expertinnen und Experten gewinnen, die die Themen auf einfache Art und
Weise näherbringen können.
Die Honorary Lecture wird Prof. Dr. Jeanette Schulz-Menger halten. Können Sie hierzu
schon etwas verraten?
Thiele: Frau Prof. Schulz-Menger ist eine langjährige Begleiterin der Kardiodiagnostiktage
und eine der Pionierinnen in der MRT für die Bereiche Kardiomyopathie und Myokarditis.
Auf internationaler Ebene und als ehemalige Präsidentin der Society of Cardiovascular
Magnetic Resonance (SCMR) hat sie eine herausragende Stellung inne. Das gilt nicht
nur für die kardiologische Community: Manche Radiologinnen und Radiologen wissen gar
nicht, dass sie eine Kardiologin ist, weil sie eigentlich fast nur noch in der Bildgebung
aktiv ist. Ihren reichen Erfahrungsschatz wird sie in einem kurzen Vortrag mit uns
teilen, in dem sie auch ihre Visionen für die kardiovaskuläre Bildgebung 2030 darstellen
wird.
Haben Sie zum Abschluss noch eine persönliche Programm-Empfehlung?
Lücke: Neben der noch zunehmend fallbasierten Ausrichtung des gesamten Kongresses werden
wir die eingereichten Fälle in das Practical Teaching integrieren, um den Kolleginnen
und Kollegen die Möglichkeit zu geben, diese noch mehr im Detail vorzustellen und
noch intensiver miteinander diskutieren zu können. Die wissenschaftlichen Postersessions
wird es aber auch wieder geben.
Von Roeder: Ich persönlich freue mich sehr darauf, dass wir wieder die Chance haben, die aktuellen
Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie aufzugreifen, weil uns das
die Chance gibt, gemeinsam mit der Bildgebungs-Community die spezifischen Themen zu
diskutieren. Den Austausch finde ich immer sehr fruchtbar, weil man Aspekte und Perspektiven
entdeckt, die bisher unbeleuchtet geblieben sind. Auf den Austausch gespannt bin ich
auch hinsichtlich der Koronar-CT. Wir in Leipzig haben aus meiner Sicht ein gutes
Modell gefunden. Aber ich bin natürlich gespannt, was andere daraus machen.
Gutberlet: Ja, in diese Richtung geht es für mich auch. Was ich besonders hervorheben will,
ist die Rolle der Nuklearmedizin, da sie auch zukünftig eine besondere, allerdings
vielleicht auch etwas veränderte Bedeutung im ambulanten Setting bekommen wird. Aus
meiner Sicht wird es künftig weniger KHK-Primärdiagnostik in der Nuklearmedizin geben,
dafür aber einen verstärkten Einsatz nach einer CT-Koronarangiografie, wenn eine hämodynamische
Relevanz nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Künftig wird sich also wahrscheinlich
nicht die Gesamtzahl der Myokard-Szintigrafien ändern, aber die Art und Weise wie
sie erbracht wird. Daher ist es wichtig, dass alle Fachleute aus der Kardiologie und
der Radiologie Kenntnisse von der nuklearmedizinischen Welt haben, damit wir wissen,
was sie leisten können. Gerade im Hinblick auf den GBA-Beschluss, dass die CT-Koronarangiografie
GKV-Leistung wird, halte ich es für wichtig, die weiteren Methoden, die auch GKV-Leistungen
sind, dazu gehört natürlich auch das Stress-Echo, mit all ihren Stärken und Schwächen
zu kennen. Die Kardio-MRT ist es noch nicht, trotzdem bereiten wir die Kolleginnen
und Kollegen natürlich schon einmal intensiv in den Kursen darauf vor.
Vielen Dank für das Gespräch!