Z Gastroenterol 2025; 63(04): 403-422
DOI: 10.1055/a-2518-1430
Leitlinie

S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) zur funktionellen Dyspepsie (Reizmagen), einer Disorder of Gut-Brain Interaction (DGBI)

Guideline on functional dyspepsia, a disorder of gut-brain-interaction (DGBI): S1 Guideline of the German Society for Neurogastroenterology and Motility (DGNM)
Martin Storr
1   Zentrum für Endoskopie, Internistenzentrum Gauting-Starnberg, Starnberg, Germany
2   Medizinische Klinik II der Ludwig-Maximilians Universität München, Germany
,
Viola Andresen
3   Facharztpraxis Gastroenterologie, Medizinikum, Hamburg, Germany
,
Thomas Frieling
4   Helios Klinikum Krefeld, Innere Medizin mit Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie, Neurogastroenterologie, Gastrointestinaler Onkologie, Hämatoonkologie und Palliativmedizin, Krefeld, Germany
,
Jürgen M. Gschossmann
5   Klinik für Innere Medizin, Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz, Germany
,
Jutta Keller
6   Medizinische Klinik, Israelitisches Krankenhaus, Hamburg, Germany
,
Jost Langhorst
7   Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde am Klinikum am Bruderwald, Sozialstiftung Bamberg, Germany
8   Stiftungslehrstuhl für Integrative Medizin, Universität Duisburg-Essen, Klinikum Bamberg, Germany
,
Christian Pehl
9   Medizinische Klinik, Krankenhaus Vilsbiburg, Germany
,
Andreas Stengel
10   Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum Stuttgart, Germany
11   Abteilung Innere Medizin VI, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Germany
12   Deutsches Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG), Standort Tübingen, Germany
,
Johannes Tebbe
13   Klinik für Gastroenterologie und Infektiologie, Klinikum Lippe, Germany
,
Kai Wiemer
14   Medizinische Klinik II – Klinik für Gastroenterologie, Knappschaft Kliniken Kamen, Kamen, Germany
,
Ahmed Madisch
15   Centrum Gastroenterologie Bethanien, Agaplesion Krankenhaus Bethanien, Frankfurt, Germany
,
Miriam Stengel
11   Abteilung Innere Medizin VI, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen, Germany
16   Medizinische Klinik, SRH Klinik Sigmaringen, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die funktionelle Dyspepsie (FD), der Reizmagen, ist eine häufige Erkrankung und wird zu den Erkrankungen der Darm-Hirn-Interaktionsstörungen, den Disorders of Gut-Brain Interaction (DGBI) gezählt. Die Prävalenz wird mit etwa 10 % der Bevölkerung angegeben. Die Diagnostik erfolgt anhand symptombezogener Kriterien, die sich an den Rom-IV-Kriterien orientieren, in Kombination mit diagnostischen Verfahren, die je nach Symptomausprägung, Dauer und alarmierenden Symptomen Labor, Helicobacter Pylori-Testung, Gastroskopie, Sonografie und weitere Untersuchungen beinhalten. Therapeutische Verfahren umfassen Maßnahmen der Psychoedukation, Ernährungsangebote, Mind-Body-Verfahren, Psychotherapie und medikamentöse Optionen. Die S1-Leitlinie fasst den aktuellen Wissensstand zusammen und erlaubt ein zielgerichtetes Vorgehen, basierend auf der aktuell verfügbaren medizinischen Evidenz.


Abstract

Functional dyspepsia is common and classified as a disorder of gut-brain interaction (DGBI). The prevalence is estimated around 10 % of the population. Diagnosis is based on symptoms, which are based on the Rome IV criteria, in combination with diagnostic procedures that may include laboratory testing, Helicobacter pylori testing, upper gastrointestinal endoscopy, abdominal ultrasound, and other examinations, depending on the severity, duration and presence of alarming symptoms. Therapeutic procedures include psychoeducation, dietary counseling, mind-body procedures, psychotherapy and medication. The S1 guideline summarizes the current state of knowledge and allows a targeted approach based on the currently available medical evidence.


1. Epidemiologie und Risikofaktoren

Unter dem Begriff „funktionelle Dyspepsie“ werden wiederkehrende respektive chronische Beschwerden des oberen Abdomens subsummiert, welche mit den diagnostischen Standardverfahren nicht einer organischen Erkrankung zugeordnet werden können [1]. Neben dem Reizdarmsyndrom repräsentiert die FD ein zentrales Syndrom der funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen bzw. der Disorders of Gut-Brain Interaction (DGBI). Die hohe Prävalenz der funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen wurde erst kürzlich in einer großen multinationalen Studie bestätigt. So fanden sich unter über 70 000 befragten Personen bei 40 % deutliche Hinweise für das Vorliegen eines funktionellen gastroenterologischen Krankheitsbildes, entsprechend der Rom IV-Kriterien [2]. Richtet man den Blick auf die FD, so lassen epidemiologische Untersuchungen den Schluss zu, dass etwa 10 % der Bevölkerung die Kriterien für eine FD erfüllen [3].

Hinsichtlich der Fragen nach Risikofaktoren für das Auftreten einer FD konnten bis dato verschiedene Aspekte herausgearbeitet werden. Hierbei fällt ein erhöhtes Aufkommen der FD in der weiblichen Bevölkerung auf [2] [3]. Stattgehabte gastrointestinale Infektionen prädisponieren für funktionelle Beschwerden. In einer Metaanalyse von 19 Studien konnten Futagami et al. in 9,6 % der Fälle, sechs oder mehr Monate nach einer akuten Gastroenteritis, die Entwicklung einer FD beobachten [4]. Vor diesem Hintergrund hat sich hier der Begriff der postinfektiösen FD etabliert. Aber auch der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika stellt einen Risikofaktor für eine spätere Entwicklung einer FD dar. Shaib und El-Serag konnten dies in einer multiethnischen Studienpopulation, bestehend aus 203 Mitarbeitenden des Houston Veterans Affairs Medical Center, belegen [5]. Eine weitere Komorbidität, welche mit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit einer FD verbunden ist, konnte mit dem Krankheitsbild der Depression identifiziert werden. So konnten Aziz und Mitarbeitende in einer trinationalen Studie, welche per Internetbefragung in den USA, Kanada und Großbritannien durchgeführt wurde, eine negative Assoziation zwischen dem Einsatz von Antidepressiva und dem Vorliegen eines postprandial distress syndrome (PDS) feststellen [6]. In einer großen Studie basierend auf Daten des schwedischen Bevölkerungsregisters dokumentierten Aro und Kollegen einen Anstieg des Risikos innerhalb von zehn Jahren, eine FD zu entwickeln, um den Faktor 7,6, falls initial eine Angststörung vorgelegen hatte. Interessanterweise war in dieser Untersuchung die Diagnose Depression ohne signifikante Auswirkung auf die spätere Entstehung einer FD [7].

Merke

1.1.

Das Krankheitsbild Reizmagen bzw. FD, als Hauptvertreter der funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen im Bereich des oberen Gastrointestinaltraktes, ist durch eine hohe Prävalenz gekennzeichnet.

1.2.

Für die Entstehung einer FD wurden verschiedene Risikofaktoren identifiziert, deren Einfluss auf die pathophysiologischen Prozesse, die zum klinischen Bild eines Reizmagens führen, bis dato nur teilweise im Detail verstanden ist.


2. Pathophysiologie

Störungen der gastroduodenalen Motilität

Eine gestörte gastrale Akkommodation und/oder eine gestörte Magenentleerung, welche wiederum beschleunigt oder verlangsamt sein kann, findet sich bei bis zu 70 % der von einer FD Betroffenen [8]. Dabei weisen ca. 30 % eine verzögerte Magenentleerung für feste Nahrung auf [9], was traditionell für einen wichtigen Pathomechanismus bei Patient:innen mit PDS gehalten wurde [10]. Der Zusammenhang zwischen Magenentleerung und Symptomatik ist aber schwach, und die Prävalenz einer verzögerten Magenentleerung bei PDS und dem Epigastrischen Schmerzsyndrom (epigastric pain syndrome, EPS) unterscheidet sich nicht eindeutig. Auch die Abgrenzung zur Gastroparese kann schwierig sein. Die neuen europäischen Leitlinien versuchen dies über die Symptomatik, wobei Patient:innen mit Gastroparese definitionsgemäß eine (deutlich) verzögerte Magenentleerung haben und vorwiegend unter Übelkeit und Erbrechen leiden [11] [12]. Allerdings zeigen aktuelle Studien relevante Verschiebungen zwischen beiden Krankheitsbildern über die Zeit [13]. Die gestörte gastrale Akkommodation in Antwort auf eine Mahlzeit kann einen Schlüsselmechanismus für die Symptomentstehung bei FD darstellen, vor allem für das PDS, bei dem bis zu 40 % der Betroffenen diese Störung aufweisen [14]. Akkommodationsstörungen fanden sich demgegenüber in neueren Studien etwa gleich häufig bei PDS, EPS und Mischbildern [10], sodass auch hier kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Art der Störung und der Symptomatik zu bestehen scheint. Es wurde allerdings gezeigt, dass Patient:innen mit ausgeprägten und kombinierten Motilitätsstörungen häufig eine besonders schwere Symptomatik aufwiesen [8].


Störungen der gastroduodenalen Sensitivität

Eine gesteigerte viszerale Sensitivität spielt bei funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen generell eine wichtige pathophysiologische Rolle [15]. Sie kann bei FD dazu führen, dass normale Verdauungsvorgänge wie die gastrale Füllung nach einer Mahlzeit als unangenehm oder schmerzhaft wahrgenommen werden. Eine Überempfindlichkeit gegenüber gastraler Dehnung weisen dabei 37 % der von FD Betroffenen auf [16]. Darüber hinaus werden Überempfindlichkeiten gegenüber chemischen Stimuli wie Magensäure und duodenalen Fetten beobachtet. Die gastroduodenale Hypersensitivität korreliert vergleichsweise gut mit der Stärke der Symptomatik [15], es wurden bislang aber wiederum keine eindeutigen Unterschiede zwischen PDS und EPS gefunden [10].


Gestörte intestinale Barriere und immunologische Veränderungen

Neuere Studien zeigen, dass eine gestörte duodenale Barrierefunktion und milde entzündliche Veränderungen der duodenalen Mukosa zur Pathophysiologie der FD beitragen [17]. Als Zeichen der gastroduodenalen Immunaktivierung weisen Patient:innen mit FD vermehrt eosinophile Granulozyten und daran gekoppelt auch vermehrt Mastzellen auf [18] [19] [20]. Erste hiergegen gerichtete Antikörper befinden sich in klinischen Studien [21], und auch die Wirksamkeit von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) bei FD könnte zumindest teilweise auf einer Verminderung der Eosinophilie beruhen [20].

Bei Patient:innen mit postinfektiösen Beschwerden finden sich Veränderungen der mukosalen Lymphozytensubpopulationen sowie einer Barrierestörung; letztere wird am ehesten verursacht durch die immunologischen Phänomene, kann aber auch als mitverursachend für immunologische Folgen angesehen werden [22].

Bei Patient:innen mit Reizdarmsyndrom wurde mittels konfokaler Laserendomikroskopie gezeigt, dass atypische Nahrungsmittelallergien akut zu einer Schädigung der intestinalen Barriere mit Flüssigkeitsaustritt führen können [23]. Eine höhere Dichte sogenannter „epithelial gaps“ im Vergleich zu Gesunden wurde mit dieser Methode auch bei Patient:innen mit FD bereits nachgewiesen [24]. Ob ein direkter Zusammenhang mit Nährstoffkontakt besteht, bleibt offen.


Veränderte Mikrobiota/gastrointestinale Infektionen

10–15 % der Patient:innen mit chronischen dyspeptischen Beschwerden haben eine chronische Helicobacter pylori (HP)-Infektion ohne Ulcera oder höhergradige Gastritis. Etwa 10 % davon verlieren nach einer Eradikationstherapie ihre Symptome. Diese Subgruppe wird dann allerdings als HP-assoziierte Dyspepsie eingeordnet und nicht mehr als FD [25]. Allgemein können aber auch gastrointestinale Infektionen einschließlich COVID-19 [26] eine FD auslösen. Die FD-Prävalenz liegt nach einer Gastroenteritis laut Metaanalyse bei ca. 10 %, das Risiko ist gegenüber Kontrollen um den Faktor 2,5 erhöht [4]. Studien zeigen zudem unabhängig von Infektionen, dass die Dichte der bakteriellen Besiedlung duodenaler Schleimhautproben bei FD direkt mit dem Ausmaß der postprandialen Beschwerden und indirekt mit der Lebensqualität korreliert [22]. Andere Forschungsgruppen fanden eine verminderte Diversität der Dünndarmmikrobiota, die mit einer erhöhten intestinalen Permeabilität korrelierte [27].


Genetische Prädisposition

Bei Patient:innen mit FD wurde signifikant häufiger als bei Kontrollen der GNβ3-TT-Genotyp beobachtet und signifikant seltener der Cholecystokinin (CCK)-A-Rezeptor CC-Genotyp [28], die Datenlage ist hierzu aber uneinheitlich [29]. Die Personen könnten demnach für Störungen der hormonellen Regulation gastrointestinaler Funktionen prädisponiert sein, aber auch Veränderungen des zentralen Serotonin-Metabolismus mit Assoziationen zu psychischen Störungen aufweisen.


Biopsychosoziale Einflussfaktoren

Stress kann die gastroduodenale Motilität beeinflussen, z. B. die Magenentleerung verzögern und dadurch dyspeptische Symptome begünstigen [30]. Darüber hinaus kann akuter psychischer Stress nachweislich die intestinale Permeabilität erhöhen, damit die mukosale Barriere schädigen und die oben beschriebenen Pathomechanismen in Gang setzen [31]. Bei Patient:innen mit FD werden aber auch vermehrt psychische Symptome/Erkrankungen wie Ängstlichkeit, Depression, Somatisierung und Neurotizismus beschrieben. Sie nehmen parallel zur Schwere der abdominellen Symptome zu [32]. Patient:innen mit FD haben häufiger Missbrauch oder sonstige belastende Ereignisse erlebt. Diese Faktoren begünstigen eine pathologische zentrale Verarbeitung viszeraler Reize mit erhöhter Vigilanz gegenüber (unangenehmen) Sensationen aus dem Magen-Darm-Trakt. Insgesamt kann ein Teufelskreis zwischen psychischen Störungen und abdominellen Symptomen entstehen, die sich jeweils gegenseitig negativ beeinflussen. Prospektive epidemiologische Studien belegen allerdings, dass bei funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen, in mindestens der Hälfte der Fälle, die abdominellen Symptome den psychischen Symptomen vorangehen [22] und möglicherweise auch Ursache der psychischen Störungen sein könnten.


Pathophysiologisches Modell

Es bedarf weiterer Studien, um zu klären, wie diese Faktoren im Einzelnen zusammenwirken und wo sich neue therapeutische Ansätze ergeben. Eine Hypothese hierzu besagt, dass der Kontakt der Mukosa mit bestimmten Allergenen (z. B. mikrobielle Antigene oder Nahrungsmittelproteine nach akuter Gastroenteritis) bei genetisch Prädisponierten zur Barrierestörung der Mukosa und Immunaktivierung mit geringgradiger Inflammation führt. Als Folge hiervon kommt es zu strukturellen und funktionellen Veränderungen, insbesondere des enterischen Nervensystems, welche Hypersensitivität und motorische Störungen verursachen [33]. Traumata und psychische Störungen begünstigen eine „pathologische“ zentrale Verarbeitung viszeraler Reize und können somit zusätzlich in individuell unterschiedlichem Ausmaß die Entwicklung einer FD begünstigen. Die Zusammenfassung biologischer, psychischer und sozialer Faktoren findet sich im biopsychosozialen Erklärungsmodell.

Merke

2.1.

Die Pathophysiologie der FD ist komplex und individuell und kann am geeignetsten über das biopsychosoziale Modell erklärt werden.

2.2.

Relevante Pathomechanismen sind gastroduodenale Motilitätsstörungen, viszerale Hypersensitivität, Veränderungen von mukosaler Barriere und Immunsystem, des enterischen Nervensystems sowie eine alterierte zentrale Reizverarbeitung. Diese Störungen werden wiederum von traumatischen Lebensereignissen, Stress, begleitenden psychischen Störungen und genetischen Faktoren beeinflusst.

2.3.

Gastrointestinale Infekte können eine FD auslösen.

2.4.

Eindeutige Unterschiede bezüglich der Pathophysiologie zwischen postprandialem Distress-Syndrom (PDS) und epigastrischem Schmerzsyndrom (EPS) wurden bislang nicht gezeigt.



3. Diagnosestellung

Hintergrund

Die Diagnosestellung der FD basiert auf zwei Säulen: Erstens, dem typischen Beschwerdebild und zweitens Ausschluss von anderen organischen Erkrankungen des oberen Magen-Darm-Traktes, die mit ähnlichen Beschwerden einhergehen können [28] [34] [35] [36].

Die Definition der FD ist symptombezogen und weist auf keine einheitliche Pathophysiologie hin. Dies gilt auch für die Untergruppen, dem PDS und dem EPS, die in der Klinik bei etwa 30 % der Patient:innen überlappen [34]. Nach konsequenter Diagnostik und Diagnosesicherung ist eine Wiederholungsdiagnostik zu vermeiden. Eine reevaluierende und ergänzende Diagnostik ist nur bei relevanter Änderung der Symptomatik oder bei therapierefraktären Fällen notwendig.


Typisches Beschwerdebild

Da die Symptomatik unspezifisch ist, versuchen die Rom-Konsensuskonferenzen die Diagnosekriterien der Funktionellen Dyspepsie immer enger zu fassen [34] [37] [38]. Die Symptome postprandiales Völlegefühl, frühes Sättigungsgefühl, epigastrische Schmerzen und nicht-ausstrahlendes epigastrisches Brennen sind aber nicht sicher von anderen organischen Ursachen zu trennen und korrelieren praktisch auch nicht mit den Magenfunktionen. Nur bei dem Symptom der frühen Sättigung konnte eine Korrelation zur gestörten Fundusrelaxation gefunden werden [39], während die Magenentleerungszeit praktisch nicht mit den Symptomen korreliert. Neuere Untersuchungen weisen auf einen Paradigmenwechsel und auf Veränderungen der Duodenalschleimhaut hin [40].

Die Abgrenzung der FD von der Gastroparese ist in der Praxis und Klinik anhand der Symptome schwierig. So weist die Gastroparese eine Überlappung mit der FD, v. a. dem Subtyp PDS auf [34]. Da eine verzögerte Magenentleerung bei beiden Erkrankungen auftreten kann, ist die Festlegung auf eine Diagnose im klinischen Alltag nicht immer eindeutig möglich. In einer großen prospektiven Registerstudie wurde die Diagnose einer Gastroparese innerhalb eines Jahres in 42 % von einer Gastroparese auf eine FD, in 37 % wieder von FD auf Gastroparese geändert [41]. In einem europäischen Positionspapier wurde daher eine Fokussierung der klinischen Beschwerden bei Gastroparese auf Übelkeit ( = häufigstes Symptom, tritt in > 95 % der Fälle auf) und Erbrechen als Kardinalsymptome vorgeschlagen, die in aller Regel mahlzeitenabhängig auftreten. Ein postprandiales Völlegefühl, frühe Sättigung, epigastrische Schmerzen und Brennen deuten eher auf eine FD hin. Diese klinische Präzisierung der dominierenden Beschwerden („Kardinalsymptome“) soll dabei helfen, beide Krankheitsbilder leichter voneinander abzugrenzen und die Aussagekraft zukünftiger Therapiestudien zu verbessern [42] [43].


Ausschluss von anderen organischen Erkrankungen

Laboruntersuchungen

Die Wertigkeit einer Labordiagnostik bei der Dyspepsie ist unklar [1]. Allerdings können ohne Labordiagnostik nicht alle Warnsymptome evaluiert werden.

Orientierende Laboruntersuchungen wie Blutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte sowie Blutsenkung bzw. CRP und ggf. periphere Schilddrüsenparameter können bestimmt werden. Es gibt allerdings keine wissenschaftlichen Belege, die für eine signifikante Bedeutung bei der Diagnose FD sprechen.


Sonografie

Gemäß systematischem Review und Meta-Analyse gibt es bei sonografisch detektierten Gallensteinen nur eine gesicherte Assoziation mit Koliken, nicht dagegen mit dyspeptischen Beschwerden [44] [45]. Im Alter > 60 Lebensjahre ist in der Kombination von epigastrischen Schmerzen und Gewichtsverlust sowie bei einem in den Rücken ausstrahlenden epigastrischen Schmerz zum Ausschluss eines Pankreaskarzinoms eher an eine CT-/MR-/EUS-Diagnostik als an eine Sonografie zu denken [46] [47].


Probatorische Therapie

Eine Meta-Analyse (fünf RCTs, 1752 Patient:innen mit Dyspepsie) ergab keinen signifikanten Unterschied in den Dyspepsie-Symptomen zwischen prompter Endoskopie und empirischer Säuresuppression mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI)- oder Histamin-2-Rezeptorantagonisten-Therapie [47]. Die Zufriedenheit ist bei den endoskopierten Patient:innen jedoch höher [48].


Ösophagogastroduodenoskopie

Nach der Rom-IV-Definition ist eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit HP-Testung zur Diagnose der FD bei Patient:innen älter 45–60 Jahre oder jüngeren Patient:innen mit Alarmsymptomen (Gewichtsverlust, rezidivierendes Erbrechen, kurze Anamnese bei älteren Patient:innen, Fieber, familiäre Ösophagus-/Magenkarzinombelastung, Blutung, Dysphagie, Odynophagie, Bauchresistenz) vorgeschrieben [34]. Allerdings ist hierbei die Wahrscheinlichkeit, eine erklärende Ursache für die dyspeptischen Beschwerden zu finden, mit 8 % Ulcera, 20 % Ösophagitiden und weniger als 1 % Malignomen sehr gering, sodass nach Metaanalysen 70 % der Patient:innen nach der ÖGD weiterhin als FD eingeordnet werden. Bei jüngeren Patient:innen ohne Alarmsymptome muss keine ÖGD durchgeführt werden, und es kann eine probatorische Therapie mit PPI, Prokinetika bzw. eine HP-Eradikation („test and treat“) erfolgen.

Bei der diagnostischen Abklärung werden häufig Befunde erhoben, die endoskopisch und schließlich auch histologisch einer Gastritis zugeordnet werden. Häufig wird den Betroffenen auf der Basis des endoskopischen und histologischen Befundes die Diagnose „Gastritis“ an die Hand gegeben, gleichwohl tatsächlich eine FD vorliegt. Der Begriff der „Gastritis“ als klinische Diagnose sollte daher zugunsten der Diagnose FD vermieden werden, insbesondere da der endoskopische und histologische Befund der Gastritis nicht mit der Symptomatik der Patient:innen korrelieren [49].

Eine Metaanalyse von sieben populationsbasierten endoskopischen Untersuchungen zur Ausbeute der oberen Endoskopie bei Patient:innen mit Dyspepsie ergab, dass die häufigsten Befunde eine erosive Ösophagitis (14 %) und Magen- (2,5 %) bzw. Duodenalgeschwüre (4,9 %) waren [50]. Die diagnostische Ausbeute der oberen Endoskopie nimmt mit zunehmendem Alter zu. Malignome sind im Alter < 45 Jahre bzw. 50 Jahre ohne Vorliegen von Alarmsymptomen eine Rarität [51] [52]. Mehr als 70 % der endoskopisch untersuchten Patient:innen mit dyspeptischen Symptomen qualifizieren sich für die Diagnose einer FD [1]. Wichtig: Eine FD liegt auch bei histologischem Nachweis einer Typ C-Gastritis vor, unabhängig von ihrer Schwere [34].


HP-Eradikation

Alle Patient:innen mit Nachweis einer HP-Infektion sollten eradiziert werden, da die HP-Infektion einen Risikofaktor für die Entwicklung eines Magenkarzinoms darstellt [53]. Die Prävalenz der HP-assoziierten Dyspepsie ist aber gering und findet sich nur bei etwa 10 % der HP-positiven Patient:innen mit Dyspepsie. Eine Metaanalyse zeigte eine number needed to treat (NNT) von 12,5, um einen Patienten mit Dyspepsie erfolgreich zu behandeln [1].

Eine Meta-Analyse aus sechs Studien (2399 Patient:innen mit Dyspepsie) zum Vergleich HP-Test und-Behandlung mit prompter Endoskopie ergab keinen Unterschied in Bezug auf die globalen Dyspepsie-Symptome [47]. Nach einem Jahr hatten noch 74 vs. 77 % der Patient:innen weiterhin Symptome. Die Patient:innenzufriedenheit ist bei frühzeitiger Endoskopie höher als bei „test and treat“ [48].


Bestimmung der Magenentleerungszeit

Die Prävalenz einer verzögerten Magenentleerung bei der FD liegt im Bereich von 30 %. Hierbei korreliert die Magenentleerungszeit allerdings nicht mit der Symptomatik und dem Therapieansprechen. Daher wird die Bestimmung der Magenentleerungszeit, ohne klinischen Verdacht auf eine Gastroparese, nicht empfohlen [1].


24h-pH-Metrie-Impedanzmessung im Ösophagus

Ein erhöhter gastroösophagealer Reflux findet sich in 20 % bis 30 % bei Patient:innen mit Dyspepsie ohne Sodbrennen als Hauptbeschwerde und in bis zu 50 % bei Patient:innen mit epigastrischem Brennen. Obwohl eine kleine Gruppe von Patient:innen mit FD auf eine säurehemmende Therapie anspricht, zeigen die Studien nicht stringent, dass die Ösophagus-pH-Metrie oder die Ösophagus-Impedanz-pH-Metrie im FD-Patientenkollektiv diese Subgruppe identifizieren kann [1].


Dünndarmdiagnostik

Neuere Untersuchungen zeigen, dass bei Patient:innen mit FD auch Veränderungen in der Duodenalwand mit vermehrten Mastzellen bzw. eosinophilen Granulozyten gefunden werden. Auch scheint die Mukosabarriere (Permeabilitätsstörung; sog. Leaky Gut) gestört zu sein. In diesem Zusammenhang wurde ein Paradigmenwechsel in der Pathophysiologie der FD postuliert [54], obschon diese Befunde bisher nicht als diagnostischer Marker für die FD empfohlen sind.


Endoskopische Laserendomikroskopie

Die endoskopische konfokale Laserendomikroskopie ist im Rahmen von klinischen Studien mit Einschränkungen geeignet, Hinweise auf die Dünndarmintegrität (erhöhte Durchlässigkeit/Leaky Gut) und immunologische Nahrungsreaktionen der Duodenalschleimhaut nachzuweisen. Dies konnte für das Reizdarmsyndrom und die FD nachgewiesen werden [55] [56] [57]. Es gibt in Zusammenhang mit der endoskopischen Laserendomikroskopie aber zurzeit kein standardisiertes Vorgehen, sodass diese Untersuchung nicht in der klinischen Diagnostik empfohlen werden kann.


Trinktest („Nutrient drinking test“)

In Studien konnte eine verminderte Volumentoleranz bei einigen Patient:innen mit FD nachgewiesen werden. Dies kann durch den schnellen Trinktest für flüssige Nahrung oder Wasser, der mit der klinischen Symptomatik und Symptomenschwere korreliert, nachgewiesen werden. Es gibt allerdings bisher kein standardisiertes Untersuchungsprotoll, sodass der Test nicht in der klinischen Routine empfohlen werden kann.



Differenzialdiagnosen

Tab. 1

Relevante Differenzialdiagnosen der FD [58] [59] [60].

Erkrankung

Kommentar

Gastroparese

Überlappung bis 50 %, Hauptsymptom Erbrechen

Reizdarmsyndrom

Überlappung bis 60 %, Bauchschmerzen assoziiert mit Stuhlgangveränderungen

Gastroösophageale Ulkuskrankheit

Findet sich in etwa 8 %

Gastroösophageale Refluxkrankheit

FD kann in bis zu 50 % mit Sodbrennen assoziiert sein

Medikamentennebenwirkung (z. B. nichtsteroidale Antirheumatika)

Ausführliche Medikamentenanamnese, Absetzversuch

Magenkarzinom

Geringer als 1 %

Tab. 2

Leitsymptome und Begleitsymptome der FD [34] [61].

Leitsymptome

Begleitsymptome

Magenschmerzen

Magenbrennen

postprandiales Völlegefühl

frühzeitiges Sättigungsgefühl

Aufstoßen

Übelkeit

Blähungen

Sodbrennen (nicht im Vordergrund stehend)

Tab. 3

Rom-IV-Diagnosekriterien der funktionellen Dyspepsie (modifiziert nach [34]).

Einer oder mehrere der folgenden:

  • Belästigende[*] Magenschmerzen.

  • Belästigendes[*] Magenbrennen.

  • Belästigendes[*] postprandiales Völlegefühl.

  • Belästigendes[*] frühzeitiges Sättigungsgefühl.

  • Symptombeginn mindestens sechs Monate vor der Diagnose.

  • Die Symptome sollten innerhalb der letzten 3 Monate aktiv gewesen sein.

  • Keine Hinweise auf eine strukturelle Erkrankung (inklusive Gastroskopie), die die Symptome erklären könnte.

Epigastrisches Schmerz-Syndrom (EPS)

an mindestens 1 Tag pro Woche plus eines oder beide der folgenden Symptome:

  1. Belästigende[*] Magenschmerzen.

  2. Belästigendes[*] Magenbrennen.

Postprandiales Dyspepsie-Syndrom (PDS)

an mindestens 3 Tagen pro Woche plus eines oder beide der folgenden Symptome:

  1. Belästigendes[*] postprandiales Völlegefühl.

  2. Belästigendes[*] frühzeitiges Sättigungsgefühl (d. h. stark genug, dass eine normalvolumige Mahlzeit nicht gegessen werden kann).

Unterstützende Kriterien:

  1. Schmerzen können durch die Einnahme einer Mahlzeit hervorgerufen, oder gelindert werden oder während des Fastens auftreten.

  2. Postprandiale epigastrische Blähungen, Aufstoßen und Übelkeit können ebenfalls vorhanden sein.

  3. Der Schmerz erfüllt nicht die Kriterien für biliäre Schmerzen.

Unterstützende Kriterien:

  1. Postprandiale epigastrische Schmerzen oder Brennen, epigastrische Blähungen, übermäßiges Aufstoßen und Übelkeit können vorhanden sein.

Anhaltendes Erbrechen deutet wahrscheinlich auf eine andere Störung hin.

Sodbrennen ist kein dyspeptisches Symptom, kann aber oft parallel bestehen.

Stuhlgangsveränderungen sind nicht Teil des Dyspepsie-Syndroms.

Andere Verdauungssymptome (wie gastroösophageale Refluxkrankheit und Reizdarmsyndrom) können mit FD koexistieren.

* belästigend: Symptome, die schwerwiegend genug sind, um die täglichen Aktivitäten zu beeinträchtigen.


Merke

3.1.

Die Diagnosestellung der FD basiert auf dem typischen Beschwerdebild und dem Ausschluss von anderen organischen Erkrankungen des oberen Magen-Darm-Traktes, die mit ähnlichen Beschwerden einhergehen können, und folgt dabei einem klaren Algorithmus.

3.2.

Neben der Anamnese sind Basislabor, Ösophagogastroduodenoskopie und Helicobacter pylori-Testung diagnostische Maßnahmen der Wahl.

3.3.

Bestimmung der Magenentleerungszeit und 24h-pH-Metrie-Impedanzmessung im Ösophagus sind bei FD keine Routinediagnostik, können aber zum Ausschluss einer Gastroparese oder gastroösophagealen Refluxerkrankung ergänzend hilfreich sein.

3.4.

Bei starkem Gewichtsverlust und sehr restriktivem Essverhalten sollte eine Essstörung ausgeschlossen werden.



4. Diagnostischer Algorithmus

Erläuterungen zu [Abb. 1]

Zoom
Abb. 1 Algorithmus zur Diagnosestellung der funktionellen Dyspepsie. [rerif]

(1) Alarm-Symptome

Lebensalter > 55 ± 5 Jahre; positive Familienanamnese für Magenkarzinom; Gewichtsabnahme; Anämie, Thrombozytose, Erbrechen, Dysphagie, obere gastrointestinale Blutung, Fieber, tastbare abdominelle Resistenz. Der positive prädiktive Wert (PPV) von Alarm-Symptomen ist niedrig (0–11 %), im Mittel 1,1 % (unter Ausschluss von Studien mit 0 %) [62]. Allerdings liegt der negativ prädiktive Wert bei > 99 %. Bezüglich einzelner Alarm-Symptome ist der PPV für eine Gewichtsabnahme höher als für Dysphagie (Sensitivität und Spezifität für Ösophagus-Karzinome bzw. Adenokarzinome des ösophagogastralen Übergangs, Magenkarzinome) und am geringsten für das Vorliegen einer Anämie.

(2) Therapierefraktäre FD

Auch wenn Beschwerdebesserung bis zu 6–12 Monate verzögert einsetzen kann [1] [47], sollte frühzeitig (fehlende Besserung nach 4 Wochen) nach erfolgloser HP-Eradikation eine Endoskopie erfolgen [47].

Tab. 4

Erweiterte neurogastroenterologische Differenzialdiagnostik bei therapierefraktärer FD.

Vorherrschende Symptome

Weiterführende Untersuchung

Assoziierte Refluxsymptome

24h-pH-Metrie, 24h-pH-Impedanzmessung, ggf. + Ösophagusmanometrie zum Ausschluss non-erosive Refluxerkrankung

Vor allem bei Oberbauch-Blähungen

H2-Atemtests zum Ausschluss von Kohlenhydratunverträglichkeiten und bakterieller Fehlbesiedlung

Bei starken Beschwerden, die auf Gastroparese hindeuten können

Magenentleerungsszintigraphie, 13C-Atemtests (13C-Oktansäure, 13C-Acetat)

Bei starken Beschwerden, die auf eine Störung der gastralen Sensitivität und Akkommodation hindeuten

Barostat, Trinktest (Wasser, flüssige Testmahlzeit)

Bei starken Beschwerden, die auf eine generalisierte gastrointestinale Motilitätsstörung deuten

Erweiterte Motilitätsdiagnostik (Ösophagusmanometrie, antroduodenale Manometrie, Dünndarmmanometrie)

Bei Hinweisen auf Systemerkrankung

Erweiterte Labordiagnostik

Bei sehr restriktivem Essverhalten

Essstörung erwägen. Fragebögen wie der SCOFF-Screeningfragebogen mit fünf Fragen können dabei helfen, diese zu erkennen.



5. Allgemeinmaßnahmen

Die Behandlung der FD stellt aufgrund ihrer unklaren Ursachen eine Herausforderung dar. Angesichts ihrer grundsätzlichen „Gutartigkeit“ und des Fehlens effektiver Therapien basiert der therapeutische Ansatz auf interdisziplinärer Zusammenarbeit und pharmakologischen Maßnahmen. Vor Beginn einer Therapie ist eine sorgfältige Diagnose erforderlich, die auch eine umfassende Aufklärung der Patient:innen einschließt, um ein gutes Vertrauensverhältnis zu schaffen.

Bei Patient:innen mit dyspeptischen Beschwerden ist es wichtig, vor diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen die Gründe für ihre Konsultation zu besprechen. Während einige Betroffene eine Behandlung suchen, weil ihre Lebensqualität durch die Symptome erheblich eingeschränkt ist, machen sich andere Sorgen, dass die Beschwerden auf eine lebensbedrohliche Erkrankung hinweisen könnten.

Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Lebensstil- und Ernährungsumstellungen bei FD wirksam sind, obwohl es hierzu keine prospektiven Studien gibt. Fettreiche Mahlzeiten verursachen stärkere Übelkeit und Schmerzen im Vergleich zu kohlenhydratreichen Mahlzeiten. Auch der Verzicht auf Rauchen oder eine Raucherentwöhnung als Lebensstilmodifikation könnte hilfreich sein [63] [64].

Nach den aktuellen Rom-IV-Kriterien wird die FD nach den Leitsymptomen in zwei Untergruppen gegliedert, Patient:innen mit EPS, also vorwiegend Oberbauchschmerzen oder -brennen und Patient:innen mit einem PDS, bei denen Völlegefühl und eine vorzeitige Sättigung als führendes Symptom bestehen.

Die Behandlungsstrategien für diese Patient:innengruppen unterscheiden sich nicht wesentlich, und die Therapieziele sollten im Gespräch mit den Betroffenen festgelegt und vereinbart werden. Es ist wichtig, realistische Erwartungen hinsichtlich der Behandlungsergebnisse zu vermitteln und klarzustellen, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine bestimmte Behandlung kurzfristig und dauerhaft die Symptome vollständig beseitigt.

Stattdessen liegt das Ziel darin, gemeinsam mit den Betroffenen Strategien zu entwickeln, um die Symptome ausreichend zu kontrollieren. Dabei sollten sowohl Lifestyle-Interventionen, die Faktoren wie Ernährungsgewohnheiten, Stress und Schichtarbeit berücksichtigen, als auch diätetische Maßnahmen, die darauf abzielen, symptomverursachende Lebensmittel (z. B. alkoholische Getränke, glutenhaltige Nahrungsmittel) zu vermeiden, in Betracht gezogen werden.

Patient:innen mit FD haben im Vergleich zu gesunden Personen einen signifikant schlechteren physischen Trainingszustand [65]. Gleichzeitig deuten erste Daten daraufhin, dass moderates Training bei Patient:innen mit FD wirksam ist [66]. Daher kann im Rahmen allgemeiner Maßnahmen auch regelmäßiges kardiovaskuläres Training empfohlen werden. Dieses Training sollte an die individuellen Fähigkeiten angepasst werden, jedoch fehlen derzeit Daten, um die optimale Dauer und Intensität zu bestimmen. Alle diese allgemeinen Maßnahmen sollten in Betracht gezogen werden. Die medikamentöse Behandlung richtet sich hauptsächlich nach der primären Symptomatik und deren Schwere.

Merke

5.1.

Ein empathischer Umgang und das detaillierte Besprechen der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sind wichtig.

5.2.

Eine Beratung zu einem geeigneten Lebensstil, der eigenverantwortlich umgesetzt werden sollte, leitet weitere therapeutische Maßnahmen ein.


6. Psychoedukation und Psychotherapie bei Patient:innen mit funktioneller Dyspepsie

Gemäß des biopsychosozialen Verursachungsmodells sind an der Pathogenese der FD sowohl biologische als auch psychische und soziale Faktoren beteiligt, welche in individueller Kombination an der Krankheitsentstehung und -aufrechterhaltung beteiligt sein können [35]. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass psychische und soziale Faktoren auch in der Therapie eine Rolle spielen sollten [67]. Ein wichtiger Grundstein der Behandlung ist eine gelingende Kommunikation zwischen ärztlichem Personal und Betroffenen sowie eine tragfähige Beziehung zwischen beiden Gruppen [68]. Hierbei sollten frühzeitig eine Diagnoseübermittlung (als Verdachtsdiagnose) stattfinden sowie dann pathogenetisch relevante Faktoren eruiert und benannt sowie in ein biopsychosoziales Gesamtkonstrukt eingefügt werden [67]. Nicht zuletzt ist die Informationsvermittlung über die Erkrankung, den Verlauf sowie Therapiemöglichkeiten im Sinne der Psychoedukation von großer Bedeutung, auch wenn dieser Faktor isoliert in Studien schwer abbildbar ist. Eine aktuelle Studie an über 500 Ärztinnen und Ärzten, welche über 5300 Arzt-Patienten-Gespräche mit einbezog, ergab, dass Betroffene mit funktionellen gastrointestinalen Störungen häufiger (55,4 %) Nahrungsmittel oder anderer somatische Ursachen (43,6 %) als beschwerdeverursachend annahmen, während die Ärztinnen und Ärzte in 65,4 % psychosoziale Stressoren als Ursache vermuteten [68]. Diese wurden dann in einem entsprechenden Gespräch in 70,8 % aufgegriffen, in etwa 10 % der Fälle erfolgte die Empfehlung einer Psychotherapie [68].

Ein systematischer Review inklusive Metaanalyse aus dem Jahr 2021 stellte die aktuelle Datenlage zum Einsatz von Psychotherapie bei Patient:innen mit FD zusammen und schloss hierbei neun randomisiert kontrollierte Studien ein. Auch wenn diese Studien eher klein, monozentrisch und aufgrund der eingesetzten psychotherapeutischen Techniken heterogen waren, konnte doch über die Studien hinweg eine Verbesserung der globalen Symptome (Standardisierte Mittelwertdifferenz –1,33, 95 % Konfidenzintervall –1,97 bis –0,68) der FD durch Psychotherapie gezeigt werden [69]. Eine aktuelle Metaanalyse konnte zudem noch positive Effekte auf die Lebensqualität sowie das Angsterleben von Patient:innen mit FD zeigen [70].

Auswahl der psychotherapeutischen Verfahren

Traditionell und so auch bei der FD existieren die meisten Daten zur kognitiven Verhaltenstherapie, die Techniken wie kognitive Umstrukturierung, Krankheitsbewältigung und Ressourcenaktivierung nutzt. Hierbei zeigte sich, dass kognitive Verhaltenstherapie zu einer Verbesserung der Symptomschwere [71] [72] [73] [74] [75] [76], der Schmerzintensität [74] und der empfundenen krankheitsbezogenen Auswirkungen [77] führt. Diese positiven Effekte konnten kürzlich auch in einem systematischen Review mit sieben eingeschlossenen Studien bestätigt werden [78].

Aber auch die psychodynamische Psychotherapie, welche sich mit intrapsychischen Konflikten und daraus resultierenden interpersonellen Schwierigkeiten beschäftigt, konnte positive Effekte auf Symptome der FD zeigen [79] [80] [81].

Nicht zuletzt konnten auch für die Hypnotherapie, in welcher entspannte und angenehme Zustände suggeriert werden, positive Effekte im Sinne einer Symptomlinderung [82] sowie Verbesserung der Lebensqualität bei Patient:innen mit FD gezeigt werden [83]. Diese Intervention kann auch ressourcensparend mittels audiogestützter Selbstanwendung angeboten werden, wie kürzlich in einer Pilotstudie gezeigt [84]. Hierbei waren positive Effekte auf die Symptome, Lebensqualität, Angst- und Stresserleben zu beobachten [84]. Diese Ergebnisse sollten in einer größeren kontrollierten Studie nachvollzogen werden.

Hypnose ist beim Reizdarmsyndrom eine evidenzbasierte Therapieoption, während die Hypnose bei FD nicht etabliert und weniger untersucht ist. Calvert et al. randomisierten 126 FD-Patient:innen für 16 Wochen zu Hypnose, unterstützender Therapie plus Plazebomedikation oder medikamentöse Behandlung mit Ranitidin 300 mg/Tag. Veränderungen der Symptome wurden sowohl kurzfristig (16 Wochen) als auch langfristig (56 Wochen) erfasst [83]. Die Lebensqualität wurde ebenfalls als sekundärer Endpunkt gemessen. Die Hypnose wurde durch Augenfixierung induziert, gefolgt von progressiver Muskelentspannung und vertieft durch standardisierte Verfahren. Bei der Kurzzeit-Nachbeobachtung war die Hypnotherapie sowohl in der Symptombesserung als auch in den Lebensqualitätswerten signifikant effektiver als die unterstützende die medikamentöse Behandlung, dieser Effekt setzte sich bei der Langzeit-Nachbeobachtung über 56 Wochen fort. Darüber hinaus wurden die Konsultationen beim Hausarzt aufgrund von Dyspepsie-Symptomen deutlich reduziert. Die Autor:innen kamen zu dem Schluss, dass Hypnotherapie eine wirksame und kostengünstige Behandlung für FD ist.

In einer weiteren Studie untersuchten Chiarioni et al. die Magenentleerung per Ultraschall und epigastrische Symptome bei 11 Gesunden und 15 Patient:innen mit FD unter drei Bedingungen: (a) basal, (b) nach Cisaprid 10 mg und (c) während 90 Minuten einer darmorientierten hypnotischen Therapie. Die Hypnose war signifikant wirksamer als Cisaprid und entspannende Musik bei der Verkürzung der Magenentleerungsdauer sowohl bei Patient:innen mit FD als auch bei gesunden Proband:innen (p < 0,005) [85]. Die dyspeptischen Symptome wurden bei Patient:innen mit FD ebenfalls signifikant durch Hypnose verbessert, gleichwohl keine Korrelation mit der Magenentleerungszeit festgestellt werden konnte. Eine einzige Sitzung von Hypnose war ebenso wirksam wie eine prokinetische Behandlung bei FD, der Mechanismus, welcher der Symptomverbesserung zugrunde liegt, bleibt jedoch unklar [86].

Merke

6.1.

Die Pathogenese der FD ist multifaktoriell und kann am ehesten über das biopsychosoziale Modell erklärt werden.

6.2.

Psychoedukation spielt zu Beginn der Therapie der FD eine Rolle, ist aber als isolierte Intervention nicht in Studien untersucht worden.

6.3.

Vor der Behandlung sollten die Ziele mit den Betroffenen besprochen werden. Reduktion von Symptomen und Verbesserung der Lebensqualität sind wichtige Ziele.

6.4.

Für Psychotherapie bei der FD gibt es, wie in mehreren Metaanalysen gezeigt, günstige Daten, allerdings ist die Heterogenität der Studien zu beachten.

6.5.

Hypnotherapeutische Verfahren, auch in Selbstanwendung können eingesetzt werden, die Studienlage hierzu ist heterogen.



7. Medikamentöse Therapie

Da die Pathophysiologie der FD multifaktoriell ist und die zugrundeliegenden symptomverursachenden Störungen heterogen sind, zeigen viele medikamentöse Therapieversuche nur bei Untergruppen von Betroffenen eine gute Wirksamkeit. Somit sind die Gesamtergebnisse in klinischen Studien oft nicht überzeugend und die Evidenzlage der meisten Therapien lediglich schwach. Generell ist die Wirksamkeit aller Therapien individuell sehr unterschiedlich und schwer vorhersagbar. Somit ist jede Therapie immer probatorisch und sollte bei fehlender Wirksamkeit nach spätestens drei Monaten abgesetzt werden.

Medikamentöse Therapieoptionen

Helicobacter-Eradikation bei HP-positiven Patient:innen

Eine Reihe von Studien konnte belegen, dass die HP-Eradikation bei HP-positiven Patient:innen im Mittel einen moderaten Effekt auf die Symptomatik haben kann (effektiv in ca. 10–15 %) [87], bei manchen Patient:innen sogar zu einem kompletten Ausheilen der FD Symptomatik führen kann [88]. Dieses Ausheilen kann bis zu einem Jahr nach der HP-Eradikation dauern.


Phytotherapie

Die Phytotherapeutika STW-5/STW-5-II als auch Pfefferminzöl in Kombination mit Kümmelöl können die Symptome bei FD abmildern. Die Studienlage aus dem deutschsprachigen Raum hierzu ist breit. In Anbetracht der Wirksamkeit und weniger weiterer Therapieoptionen sind Phytotherapeutika in der Indikation FD als First-Line-Therapien anzusehen. Zu weiteren pflanzlichen Therapien liegt nur geringe Evidenz vor, diese können, bei zum Krankheitsbild passenden Wirkmechanismen, nachrangig eingesetzt werden.


STW-5/STW-5-II

Metaanalysen[89] [90] [91] [92] [93] [94] [95], die die Daten von verschiedenen kleinen RCTs analysiert haben, zeigten, dass die Kombination aus Iberis Amara, Pfefferminze, Kamille, Kümmel, Melisse, Süßholz, Angelikawurzel, Mariendistel, Schöllkraut ( = STW-5) bei der Behandlung von FD-Symptomen Plazebo überlegen war. Es zeigten sich keine schwerwiegenden Nebenwirkungen. Eine aktuelle Metaanalyse [96] [97] [98] zeigte für STW-5-II (Iberis Amara, Kamille, Kümmel, Melisse, Pfefferminze, Süßholz) eine allgemeine Verbesserung der Symptome von Patient:innen mit FD und zusätzlich signifikante Verbesserungen des Völlegefühls, frühen Sättigungsgefühls und der Oberbauchschmerzen im Vergleich zu Plazebo nach vier und acht Wochen. Auch Beschwerden wie abdominelle Krämpfe, Aufstoßen, Appetitverlust und retrosternale Beschwerden waren deutlich gelindert.


Pfefferminzöl/Kümmelöl

Zwei Reviews/Metaanalysen [99] [100] zu fünf klinischen Studien zu Pfefferminzöl in Kombination mit Kümmelöl (5 RCTs [101] [102] [103] [104] [105] [106]) zeigen, dass die Kombination die globalen Symptome von FD (Schmerzintensität, Clinical Global Impression Scale) mittel- und langfristig signifikant verbessern kann und dies mit einer ähnlichen Sicherheit wie Plazebo.


Säuresuppression

  • Protonenpumpeninhibitoren (PPI), z. B. Omeprazol, Pantoprazol, Esomeprazol, Lansoprazol, Rabeprazol [107]

  • H2-Rezeptor-Antagonisten: z. B. Famotidin, Cimetidin, Ranitidin [108]

  • Ggf. Alginate, Antazida (keine direkte Studienevidenz für diese Substanzen, aber da das Konzept der Säuresuppression bei vielen Patient:innen wirkt, können sie angesichts der guten Verträglichkeit als alternative oder ergänzende Therapieoption erwogen werden).

Die Effekte von PPI wurden in einer Reihe von kontrollierten Studien und daraus resultierenden Metaanalysen untersucht [107]. In 25 randomisierten Studien mit mehr als 8000 Patient:innen mit FD waren PPI bei der Linderung der globalen Dyspepsie-Symptome minimal wirksamer als Plazebo, dann wenn säureassoziierte Symptome wie Sodbrennen oder Regurgitation zu den führenden Symptomen zählen. Ohne säureassoziierte Symptome ist eine PPI-Therapie der Metaanalyse und den einzelnen Studien folgend nicht zielführend. Der Unterschied zu H2-Rezeptor-Antagonisten war nicht signifikant.

Ein Cochrane Review zur Therapie der FD mit H2-Rezeptor-Antagonisten konnte bei Patient:innen mit FD nach Rom-III Kriterien keine Wirksamkeit feststellen [109].

Kleine Studien. die heutigen Qualitätsansprüchen nicht genügen, zeigen für Antazida (Sucralfat) eine der Plazebo-Behandlung überlegene Wirksamkeit [110]. Für Alginate in Kombination mit Ranitidin konnte gezeigt werden, dass FD-Beschwerden vom EPS-Typ gelindert werden, die Studie fand für die PPI Behandlung eine bessere Beschwerdekontrolle (40 % vs. 61 %) [111].

Bei Patient:innen mit FD, die auf eine PPI-Therapie ansprechen, sollte die mutmaßliche Refluxgenese der Beschwerden erläutert und versucht werden, die PPIs nach einigen Wochen langsam auszuschleichen, um nachteilige Einflüsse einer PPI-Therapie sowie einen Säurerebound zu vermeiden [112]. In Deutschland besteht für PPI keine Zulassung in der Indikation FD, sodass ein Einsatz off label wäre.


Gastroprokinetika: Metoclopramid, Domperidon

Zwei Meta-Analysen belegen die Wirksamkeit von Prokinetika bei FD [113] [114]. Einige der untersuchten Substanzen sind nicht in Deutschland zugelassen (s. u.). Die Datenlage für die alten Substanzen Metoclopramid und Domperidon ist von niedriger Qualität, aber im klinischen Alltag hat sich der Einsatz zumindest als Kurzzeitanwendung bewährt [115] [116] [117]. In Deutschland sind die genannten Prokinetika in der Indikation FD nicht zugelassen, in weiteren Indikationen nicht (mehr) als Dauertherapie zugelassen. QT-Zeit-Verlängerung mit der Gefahr von Rhythmusstörungen bis hin zur Torsade de pointes Tachykardie und neurologische Nebenwirkungen sind möglich, eine Tachyphylaxie ist bekannt.


Simethicon

Das Carminativum Simethicon reduziert die Oberflächenspannung von Gasbläschen. Simethicon ist geeignet, Symptome der FD zu verbessern; eine Plazebo-kontrollierte Studie, die 185 Patient:innen mit FD einschloss, zeigte, dass Simethicon (3 × tgl.) der Plazebo-Einnahme zu allen Evaluationszeitpunkten nach 2, 4, 8 Wochen, bezogen auf Linderung der FD Symptome, überlegen war. Ein dritter Studienarm untersuchte die Wirksamkeit des Prokinetikums Cisaprid. In Woche 2 war Simethicon auch der Wirksamkeit von Cisaprid überlegen, in den Wochen 4 und 8 fand sich für Simethicon keine signifikant unterschiedliche Wirksamkeit gegenüber Cisaprid [118].



Second Line-Therapien

Neuromodulatoren werden in der Therapie der FD aufgrund ihrer Wirksamkeit in Schmerzmodulation und Reduktion der neuronalen Kommunikation in der Darm-Hirn-Achse eingesetzt. Unter anderem aufgrund des erhöhten Nebenwirkungspotenzials (u. a. Sedierung, Mundtrockenheit) sind die Substanzen eher als Second-Line-Therapie bei persistierenden, therapierefraktären Beschwerden einzusetzen. Den Betroffenen das Wirkprinzip bei der FD zu erklären, ist geeignet, den therapeutischen Erfolg zu erhöhen.

1. Trizyklische Antidepressiva

Trizyklische Antidepressiva (TCA, niedrig dosiert) werden schon lange co-analgetisch zur Therapie von chronischen Schmerzen eingesetzt. Auch bei funktionellen gastrointestinalen Beschwerden konnte eine Wirksamkeit von TCA wie Amitriptylin, Nortryptilin, Desipramin belegt werden [119] [120]. Zum Einsatz bei der FD werden niedrige Dosierungen von 10–50 mg gewählt, die Einnahme erfolgt abends und wird je nach Ansprechen alle 7–14 Tage, in kleinen Schritten, bis zur Maximaldosis gesteigert. Typische Nebenwirkungen sind Obstipation, Müdigkeit und Mundtrockenheit, diese nehmen bei Dosissteigerung ab. Neben Amitriptylin werden in der Therapie der FD auch die trizyklischen Antidepressiva Nortriptylin und Desipramin eingesetzt. Die Effektivität kann nach 8–12 Wochen beurteilt werden. Über die langfristige Dauer der Einnahme sind in der FD-Therapie keine Studien vorhanden, sodass ein Ausschleichen nach Erreichen einer stabilen Remission für 6 Monate angeboten werden kann.


2. Mirtazapin

Dieses Antidepressivum aus der Gruppe der tetrazyklischen Antidepressiva ist für seine Appetitanregung bekannt und kann daher besonders bei begleitender Inappetenz hilfreich sein. Die Wirksamkeit konnte bei Patient:innen mit FD und Gewichtsverlust belegt werden [121]. Zum Einsatz bei der FD werden Dosierungen von 7,5–45 mg gewählt, wobei in niedriger Dosierung begonnen wird und je nach Ansprechen gesteigert werden kann. Die Einnahme erfolgt abends. Typische Nebenwirkungen sind verstärkter Appetit mit Gewichtszunahme, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit.


3. Sulpirid

Sulpirid ist ein atypisches Neuroleptikum, das auch eine gastroprokinetische Wirkung besitzt und Dyspepsie-Symptome lindern kann [120] [122].


Weitere Second-Line-Therapeutika

Für weitere Substanzen aus der Gruppe der Prokinetika ist eine Wirksamkeit bei FD in Studien belegt, diese sind aber aktuell nicht in Deutschland zugelassen [120]. Hierzu zählen Acotiamid (Fundus-relaxierende und prokinetische Wirkung), Itoprid (prokinetische Wirkung), Mosaprid (prokinetische Wirkung) und Cinetaprid (prokinetische Wirkung).


Nicht empfohlene medikamentöse Therapien

Analgetika wie nicht-steroidale Antirheumatika, Paracetamol, Cannabinoide oder Opioide sollten nicht routinemäßig zur Behandlung der FD eingesetzt werden. Bei Freizeit-Gebrauch von Cannabinoiden ist darauf hinzuweisen, dass Cannabinoide ein der Dyspepsie gleichendes Krankheitsbild mit führend Übelkeit verursachen kann, in schwereren Fällen sogar Hyperemesis oder zyklisches Erbrechen auslösen [123] [124] [125].

Merke

7.1.

Eine Symptombesserung durch medikamentöse Maßnahmen tritt oft erst nach 8 bis 12 Wochen Behandlung ein. Es ist wichtig, die Patient:innen darauf hinzuweisen, dass Geduld erforderlich ist. Ebenso sollten Medikamente ohne Wirkung konsequent wieder abgesetzt werden.

7.2.

In der medikamentösen Therapie gibt es positive klinische Studien zu Prokinetika, zur HP-Eradikation, zu Phytotherapeutika und sofern Sodbrennen und Regurgitation die führenden Symptome sind zur Säuresuppression mit PPI und H2-Rezeptorantagonisten. Wirksamkeit besteht dann gegenüber Säure-assoziierten Beschwerden wie Sodbrennen und Regurgitationen.

7.3.

Die Phytotherapeutika STW-5/STW-5-II und Pfefferminzöl in Kombination mit Kümmelöl sind als First-Line-Therapien anzusehen und können die Symptome bei FD abmildern und bei Patient:innen mit FD erwogen werden.

7.4.

Die phytotherapeutische Rezeptur Rikkunshito aus der Kampomedizin und spezielle Rezepturen aus der Traditionellen Chinesischen Kräutermedizin können die Symptome bei FD abmildern. Chinesische Kräuter sind in einer gesicherten Qualität in Deutschland aktuell nicht ausreichend verfügbar.

7.5.

PPI, H2-Rezeptorantagonisten und Prokinetika sind in der Indikation FD in Deutschland nicht zugelassen, ein Einsatz wäre off-label.

7.6.

Eine HP-Eradikationstherapie sollte bei FD mit Helicobacter pylori Infektion erwogen werden.

7.7.

Bei HP-Negativität sind PPI eine Option, wenn Säure-assoziierte Symptome im Vordergrund stehen.

7.8.

Prokinetika wie Domperidon oder Metoclopramid können eingesetzt werden, vorausgesetzt, es gibt keine Kontraindikationen. Prokinetika wie Metoclopramid und Domperidon sollen in der Dauertherapie nicht eingesetzt werden. In Deutschland sind diese Wirkstoffe in der Indikation FD nicht zugelassen.

7.9.

In der medikamentösen second line-Therapie gibt es positive klinische Studien zu verschiedenen Neuromodulatoren wie Amitriptylin, Mirtazapin und Sulpirid.

7.10.

Amitriptylin kann für Patient:innen mit anhaltenden Symptomen in Betracht gezogen werden. Die Behandlung bei FD beginnt mit einer niedrigen Dosis (z. B. 10 mg vor dem Schlafengehen). Die Dosierung wird dann abhängig von der Wirkung und Verträglichkeit langsam gesteigert bis maximal 50 mg. Ein zumindest 12-wöchiger Therapieversuch sollte besprochen werden.




8. Nicht medikamentöse Behandlungsoptionen

Mind-Body-Verfahren

Zu Stressmanagementtrainings, achtsamkeitsbasierter Therapie und diaphragmalem Atemtraining liegen erste vielversprechende Studien zu positiven Effekten auf FD vor, deren Wirksamkeit und Langzeiteffekte jedoch aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden können [46] [126] [127] [128] [129] [130].


Traditionelle Medizinsysteme

1. Japanische Kräutermedizin (KAMPO)

Die phytotherapeutische Rezeptur Rikkunshito aus der Kampomedizin kann die Symptome bei FD abmildern. Rikkunshito ist ein Phytotherapeutikum, das in Asien häufig bei FD eingesetzt wird. Es gibt hochqualitative Evidenz, dass Rikkunshito funktionelle Störungen des Gastrointestinaltrakts verbessern kann [131]. In der japanischen Leitlinie [132] zu FD findet sich eine starke Empfehlung für Rikkunshito, was von der tatsächlichen Datenlage jedoch nicht ausreichend unterstützt wird.


2. Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)

Manuelle und Elektro-Akupunktur: Akupunktur wird traditionell in den östlichen Ländern zur Behandlung von FD eingesetzt, obwohl der zugrunde liegende Mechanismus unklar bleibt [133] [134]. Ma et al. führten eine randomisierte kontrollierte Studie durch, um die Wirksamkeit von Akupunktur bei FD im Vergleich zum Prokinetikum Itoprid zu untersuchen [135]. In der Studie wurden 712 Patient:innen mit FD für vier Wochen randomisiert entweder zur Akupunktur, zur Scheinakupunktur und der Medikamentenkontrollgruppe (Itoprid) zugeteilt. Die Gesamtansprechrate war in der Akupunkturgruppe (70,7 %) signifikant höher als in den anderen Gruppen, wobei der geringste Effekt in der Gruppe der Scheinakupunktur beobachtet wurde (34,8 %). Zeng et al. untersuchten kürzlich Hirnreaktionen auf Akupunktur bei FD [136]. Sie wiesen nach, dass die Akupunkturgruppe eine umfassende Deaktivierung der Hirnaktivitäten im Vergleich zur Scheinakupunkturgruppe zeigte. Diese Deaktivierung korrelierte auch mit einer Symptomverbesserung, was auf die potenzielle Wirksamkeit von Akupunktur an bestimmten Punkten bei FD hindeutet. Diese Effekte werden durch eine kürzlich durchgeführte PET-CT-Studie weiter unterstützt [137].

Mehrere Metaanalysen [138] [139] [140], die zahlreiche RCTs von geringer Qualität identifizierten, zeigten, dass manuelle und Elektro-Akupunktur bei der Behandlung von FD wirksam sein können. Dies zeigte sich in einer Verbesserung der Symptome und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Eine aktuelle Metaanalyse [141] zeigt, dass verschiedene Arten von Akupunktur in Kombination mit westlicher Medizin deutlich effektiver zur Verbesserung der Symptomatik bei FD beitragen als westliche Medizin allein. Es zeigte sich eine überlegene Wirksamkeit bei der Linderung der frühen Sättigungs- und postprandialen Völlegefühlssymptome. Zur Linderung epigastrischer Schmerzen erwies sich Akupunktur in Kombination mit Moxibustion als die wirksamste Behandlung, während sich Moxibustion als optimale Wahl zur Behandlung von retrosternalem Brennen herausstellte. Die Interpretation der Ergebnisse innerhalb der Metaanalysen ist durch die generell niedrige Anzahl von eingeschlossenen Patient:innen, unterschiedlichen Akupunktur-Anwendungsprotokollen, Selektionsbias, Performance Bias, Attrition Bias, Reporting Bias und Problemen bei der Verblindung erschwert.

Wenige Studien, die in westlichen Ländern durchgeführt wurden, kamen zu keinen positiven Ergebnisdaten, sodass auch ein Cochrane Review zu dem Schluss kommt, dass nicht gesichert ist, ob manuelle Akupunktur oder Elektroakupunktur bei Patient:innen mit FD wirksamer oder sicherer sind als andere Behandlungen [139] [142].


Traditionelle chinesische Kräutermedizin

Ein Umbrella Review[143] zu systematischen Reviews hinsichtlich der Wirksamkeit von TCM bei FD identifizierte zahlreiche RCTs mit geringer Qualität und geringer Anzahl von Patient:innen, die zeigen, dass verschiedene Präparate der TCM alleine oder in Kombination mit verschiedenen prokinetischen Medikamenten möglicherweise wirksam und gegenüber prokinetischer Medikation alleine überlegen sein können. Drei spezifische Formeln schienen bessere Ergebnisse bei der Linderung globaler dyspeptischer Symptome zu zeigen: Si Ni San, modifizierte Xiao Yao San und Xiang Sha Liu Jun Zi Dekokt. TCM könnte als eine Behandlungsalternative angesehen werden, wenn prokinetische Wirkstoffe und PPI kontraindiziert sind. In den durchgeführten Studien [144] wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse berichtet. Chinesische Kräuter sind in einer ausreichenden Qualität in Deutschland aktuell nicht verfügbar.

Merke

8.1.

Zu Stressmanagementtrainings, achtsamkeitsbasierter Therapie und diaphragmalem Atemtraining liegen vielversprechende Studien zu positiven Effekten auf FD vor, deren Wirksamkeit jedoch aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

8.2.

Manuelle- und Elektroakupunktur können bei der Behandlung von FD wirksam sein.




9. Ernährungsmodifikation

Obgleich 80 % der Patient:innen nach speziellen Nahrungstriggern typische Symptome einer FD zeigen und die Rom-IV-Kriterien für ein PDS erfüllen [6] [145] [146] [147] konnte ein systematisches Review aus 16 Studien keine Evidenz für einen Zusammenhang zwischen Symptomen der FD und Nahrungsaufnahme herleiten [148] [149]. Auch gibt es bisher keine randomisiert kontrollierten Studien zu diätetischen Interventionen bei Patient:innen mit FD.

Auch bei Gesunden führt Nahrungsaufnahme zu charakteristischen gastrointestinalen Effekten. Nahrungsaufnahme setzt Magensäure und Hormone frei, verändert die Magenakkommodation und die gastroduodenale Motilität, aktiviert das mukosale Immunsystem, kann periphere und zentrale Schmerzwahrnehmung sowie das Mikrobiom beeinflussen [148] [150] [151]. Diese Effekte scheinen bei der Genese FD-assoziierter Symptome eine Rolle zu spielen.

Nahrungsassoziierte Beschwerden beginnen zumeist 15–30 min nach dem Essen und können mehrere Stunden anhalten. Sie treten charakteristischerweise nacheinander auf, zuerst Völlegefühl und Aufgeblähtsein, danach Übelkeit, später epigastrische Schmerzen und Brennen [145]. Als häufigste Symptomtrigger werden fettreiche Speisen, Alkohol, Kaffee, rotes Fleisch, kohlensäurehaltige Getränke, scharfe und würzige Speisen, Zitrusfrüche sowie Milchprodukte, Gemüse und Weizen genannt [35]. Für manche der genannten Triggerfaktoren gibt es diskrete Evidenz, die einen kausalen Zusammenhang vermuten lässt. So stimulieren duodenale Lipidinfusionen physiologisch die Cholecystokininfreisetzung, was zu einer verzögerten Magenentleerung führt. Bei von FD Betroffenen erhöhte dies die viszerale Hypersensitivität [152]. Bei der Exazerbation funktioneller Beschwerden spielen vor allem langkettige Triglyceride eine Rolle, welche Symptome wie Völlegefühl und Übelkeit stärker induzieren als mittelkettige Triglyceride oder Glukose [153]. Irreguläres und schnelles Essen ist mit einer Zunahme dyspeptischer Beschwerden assoziiert [154].

Die Studienlage zu Alkohol ist nicht konsistent. Bier und Wein sowie regelmäßiger und steigender Alkoholkonsum sind eher mit Symptomen assoziiert, was schlussfolgern lässt, dass sich ein Verzicht oder eine Alkoholreduktion positiv auf Symptome auswirken könnten [155] [156] [157] [158]. Koffein löst bei bis zu 50 % der Patient:innen Symptome aus [148]. Viele von FD Betroffene zeigen eine Hypersensitivität auf Capsaicin, einem Hauptbestandteil scharfer Speisen, welche bei regelmäßigem Konsum rückläufig ist [159] [160]. Milch, Getreide und Gemüse sind ein Hauptbestandteil der fermentierbaren Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole (FODMAPs).

Eine Laktoseintoleranz sollte bei anamnestischen Hinweisen ausgeschlossen werden. Da es sich sowohl bei der Laktoseintoleranz als auch bei der Fruktosemalabsorption um häufige Erscheinungen handelt, sollten diese untersucht werden. Es existieren keine Studien oder allgemeine Empfehlungen, dass eine laktosefreie bzw. fruktosereduzierte Ernährung, ohne den Nachweis einer gesicherten Intoleranz, Symptome der FD verbessern kann.

Möglichst fünf Portionen saisonales Obst und Gemüse werden für eine ausgewogene Ernährung empfohlen. Patient:innen mit Reizdarmsyndrom profitieren vom Verzehr gegarten Gemüses anstelle von Rohkost. Ob dies bei FD ähnlich ist, ist nicht erwiesen. Jeder 2. von FD Betroffene beklagt Symptome nach Weizenaufnahme [161]. Die Prävalenz von Zöliakie ist jedoch nicht höher als im gesunden Kollektiv [162]. Eine glutenfreie Diät (Open-Label-Studie mit n = 22) verbesserte zwar bei 80 % der Patient:innen die Symptome, jedoch reagierten im Nachgang nur 25 % der Patient:innen überhaupt mit Symptomen auf eine doppelblinde Glutenprovokation [163].

Auch das Gesamtkonzept einer low-FODMAP-Diät wurde bei FD evaluiert. Eine kleine Open-Label-Studie konnte zeigen, dass die vierwöchige Elimination von FODMAP-reichen Lebensmitteln besser Symptome lindert als traditionelle Ernährungsempfehlungen (Reduktion von Kaffee, Alkohol, Fett, Ballaststoffen, Nahrungsergänzungsmitteln, (Responserate 50 % vs. 16 %) [164]. Eingeschlossen waren auch Patient:innen mit Reizdarmsyndrom bzw. dem Overlap beider Erkrankungen. Langzeitdaten hierzu gibt es jedoch nicht. Follow-up Studien haben mittlerweile keine signifikanten Effekte einer low-FODMAP-Diät auf FD-Symptome reproduzieren können, weder kurz- noch langfristig [165]. Möglicherweise könnte sich ein besseres Ansprechen für Patient:innen mit EPS ergeben. Insgesamt gibt es ausreichende Evidenz, dass eine low-FODMAP-Diät in der Behandlung von FD nicht empfohlen werden kann.

Viele Betroffene werden versuchen, im Selbstversuch ihre Ernährung umzustellen, indem sie häufigere, aber kleinere Mahlzeiten mit weniger Fett zu sich nehmen im Vergleich zu Gesunden [166]. Sehr restriktive Diäten können dabei zu Mangelernährung und gestörtem Essverhalten führen. Jedoch gibt es Hinweise darauf, dass bis zu 50 % der mit einer FD Diagnostizierten auch eine zugrundeliegende vermeidend restriktive Essstörung (avoidant/restrictive food intake disorder, ARFID) haben könnten [167]. Bei starkem Gewichtsverlust oder ausgeprägter Symptomlast bzw. therapierefraktärem Verlauf wird eine Ernährungsberatung empfohlen.

Die multifaktorielle Genese der FD bedingt eine multimodale Therapie. Eine individuelle Ernährungstherapie kann daher im Rahmen des multimodalen therapeutischen Konzepts versucht werden [150].

Merke

9.1.

Die meisten Patient:innen assoziieren ihre Beschwerden mit Nahrungsaufnahme. Studien belegen dies nicht. Häufige von Patient:innen zitierte auslösende Faktoren sind fettreiche Speisen, Alkohol, Kaffee, Kohlensäure, Capsaicin, Gemüse, Zitrus, Kohlenhydrate und Weizen.

9.2.

Häufige kleinere Mahlzeiten und der Verzicht auf fettreiche Speisen scheinen zu helfen. Die low-FODMAP-Diät hat bei der FD keinen Stellenwert.

9.3.

Eine individualisierte Ernährungsberatung sollte in die multimodale Therapie integriert werden.


10. Mikrobiomtherapie

Verschiedenste Faktoren wie Lebensstil, Ernährungsfaktoren, individuelle Hygiene und Medikamenteneinnahme haben Einfluss auf die gastrointestinale Mikrobiota. Abgesehen von postinfektiöser FD und HP-assoziierten dyspeptischen Beschwerden ist in Zusammenhang mit der Pathophysiologie nur ein geringer Kenntnisstand zu FD und gastrointestinaler Mikrobiota vorhanden.

Antibiotika

Die antimikrobielle Therapie gegen H. pylori wird bei Patient:innen mit FD empfohlen und wurde zuvor schon diskutiert.

Eine darmselektive antimikrobielle Therapie mit Rifaximin ist bei FD wirksam, auch wenn keine H.-pylori-Infektion vorliegt [168]. Eine Plazebo-kontrollierte Studie, bei der 86 Patient:innen nach Rom-III-Kriterien eingeschlossen und radomisiert wurden, zeigte, dass 400 mg Rifaximin vs. Plazebo über 14 Tage den globalen Symptomscore nach 8 Wochen, nicht aber nach 4 Wochen, verbessern konnte. Die sekundären Endpunkte Aufstoßen und postprandiales Völlegefühl waren gegenüber Plazebo nach 4 Wochen signifikant gebessert. Dies unterstützt die Vorstellung, dass mikrobielle Faktoren zumindest bei einem Teil der Patient:innen mit FD die Symptome verursachen [169] [170] [171], in Anbetracht der zeitlichen Latenz von Rifaximin-Einnahme und Wirksamkeit bleiben weitere Studien abzuwarten.


Probiotika

Unter der Vorstellung, dass Mikrobiom-assoziierte Faktoren bei Pathophysiologie und Therapie der FD eine Rolle haben könnten, wurden Therapiestudien mit Probiotika, probiotischen Lebensmitteln und Postbiotika verschiedenster Art bei FD durchgeführt [172] [173]. Vor dem Hintergrund, dass über den potenziellen Stellenwert der Mikrobiota bei der FD wenig bekannt ist, ist die Einschätzung der Sinnhaftigkeit solcher Therapieansätze limitiert. Therapiestudien zu Probiotika, probiotischen Lebensmitteln und Postbiotika bei Patient:innen mit FD sind von geringer Proband:innenzahl und präliminärem Charakter, belegen aber, dass mit einzelnen Mikrobenräparaten möglicherweise therapeutische Effekte erzielbar sind [172] [173] [174]. Analog zur Bewertung von Probiotikatherapien in der Therapie von Symptomen des Reizdarmsyndroms erscheint ein probatorischer, zeitlich befristeter Therapieversuch mit Re-Evaluation nach 4 oder 6 Wochen denkbar. Eine Benennung von wirksamen Keimen oder das Inaussichtstellen von Therapieerfolgen erscheint der aktuellen Studienlage nicht angemessen.

Merke

10.1.

Zur Bewertung der Therapie der FD mit Antibiotika stehen, bis auf die HP-Eradikation keine ausreichenden Informationen zur Verfügung.

10.2.

Zur Bewertung der Therapie der FD mit Probiotika stehen noch keine ausreichenden Informationen zur Verfügung.



11. Weitere Therapieoptionen

Bei fehlendem ursächlichem Therapieansatz der FD werden von Patient:innen aber auch von Ärzt:innen nicht selten Therapien gewählt, für die es in der Literatur keine oder nur eine überschaubare Evidenz gibt. Die Empfehlungen gerade aus ärztlicher Sicht beruhen im Wesentlichen auf positiven Erfahrungen im klinischen Alltag. Im Folgenden werden Therapien dargestellt, für die die Evidenz nicht ausreicht, eine positive Leitlinien-Empfehlung auszusprechen, auch wenn einzelne Daten in der Literatur zur Verfügung stehen.

Der probatorische Einsatz von Enzymen wird in den Leitlinien zum Reizdarmsyndrom nicht empfohlen. Für die Behandlung von Patient:innen mit FD mit Verdauungsenzymen liegen ältere klinischen Daten vor, die in ihrer klinischen Wirkung der eingesetzten fixen Kombination aus Magenschleimhautextrakt und Aminosäurenhydrochloriden dabei nicht auf die Substitution, sondern auf die Unterstützung für die proteolytische Freisetzung von Aminosäuren zielen. In einer randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden Cross-Over-Studie bei 1167 Patient:innen (1) konnte eine signifikante Wirksamkeit bei der Reduktion der einzelnen dyspeptischen Symptome (p < 0,001) nachgewiesen werden [175].

Capsaicin wird traditionell zur Behandlung verschiedener Schmerzsyndrome eingesetzt, da es die Fähigkeit besitzt, selektiv die Wirkung von schmerzempfindlichen Fasern zu beeinträchtigen. Rotes Pfefferpulver (Capsicum annuum) war in einer kleinen randomisierten kontrollierten Studie (n = 30) wirksamer als Plazebo bei der Verbesserung von dyspeptischen Symptomen [176] [177] [178]. Die Autor:innen spekulierten über eine potenzielle Wirkung auf die viszerale Magenschmerzwahrnehmung, aber keine weiteren Studien haben bisher diese Daten replizieren können. Ingwer (Zingiber officinale) wird traditionell ebenfalls zur Behandlung von dyspeptischen Beschwerden eingesetzt.

Kürzlich wurde die Wirkung von Ingwer auf die sensorimotorische Funktion des Magens bei 11 Patient:innen mit FD untersucht. In dieser kleinen offenen Studie zeigte Ingwer prokinetische Effekte, hatte aber keinen Einfluss auf die Magenempfindung, dyspeptische Symptome oder Darmpeptide/-hormone [179] [180].

Artischocken (Cynara Scolymus)-Blattextrakte werden häufig zur Behandlung von dyspeptischen Symptomen eingesetzt. Den bitteren Verbindungen (Cynaropicrin) wird zugesprochen, den Gallefluss zu erhöhen und hepatoprotektive, antioxidative und krampflösende Effekte zu haben [181] [182] [183]. In einer multizentrischen, doppelblinden randomisierten kontrollierten Studie wurden 247 Patient:innen mit FD entweder mit einem kommerziellen Artischockenblattextrakt (ALE) oder Plazebo behandelt (21). Nach sechs Wochen war das ALE-Präparat in der Intention-To-Treat-Analyse signifikant effektiver als Plazebo bei der Linderung von Symptomen (p < 0,001) und der Verbesserung des Lebensqualitätsindex bei Patient:innen mit FD [184].

Weniger gut untersucht sind Therapieansätze wie eine Kombination aus Simethicon, Magnesiumoxid und medizinischer Kohle, die in einer plazebokontrollierten Studie an 276 Patienten Völlegefühl, epigastrisches Brennen und Schmerzen verbessern konnte [185].

Merke

11.1.

Bei nicht ausreichender Wirksamkeit von Therapieoptionen mit starker Evidenz können Optionen mit geringer Evidenz eingesetzt werden. Beispiele sind Enzymtherapie und weitere Phytotherapeutika wie Capsaicin, Ingwer- oder Artischockenextrakt.


12. Therapiealgorithmus [Abb. 2]

Zoom
Abb. 2 Therapiealgorithmus zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie. [rerif]

13. Verlauf und Prognose

Der Verlauf der FD kann chronisch oder rezidivierend sein [186]. Viele Patient:innen erleben über Monate oder Jahre hinweg wiederkehrende Symptome, die in der Häufigkeit und Intensität stark variieren können. Dies kann individuell mit Belastungen, Stress, Ernährungsgewohnheiten oder anderen Faktoren in Verbindung stehen. Ein typisches Merkmal der FD ist, dass sie in ihrer Intensität schwanken kann, sodass Patient:innen symptomfreie Phasen erleben, die dann wieder von symptomatischen Schüben abgelöst werden.

In der Praxis zeigen sich bei vielen Patient:innen zwei häufige Verläufe: Zum einen gibt es Patient:innen, bei denen die Symptome über Jahre hinweg weitgehend konstant bleiben, was oft zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität führt. Zum anderen gibt es auch Patient:innen, bei denen die Beschwerden mit der Zeit milder werden oder sich in Phasen der Symptomfreiheit manifestieren.

Gerade psychischer Stress kann einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit haben. Häufig berichten Patient:innen von einer Verschlechterung der Symptome während emotionaler Belastung oder bei psychischem Stress, was darauf hinweist, dass psychosoziale Faktoren eine bedeutende Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf der Dyspepsie spielen können.

Die Prognose der FD variiert je nach Einzelfall erheblich und gemeinsame Muster oder Symptom-Cluster sind, abgesehen von der übergeordneten Einteilung in EPS und PDS, nicht beschrieben. Viele Patient:innen erleben über Jahre hinweg wiederkehrende Beschwerden, die mal stärker und mal schwächer ausgeprägt sind. Eine vollständige Heilung ist meist nicht möglich, jedoch ist es vielen Patient:innen durch eine gezielte Behandlung möglich, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Die Aspekte Linderung der Symptome und Steigerung der Lebensqualität sollten daher im therapeutischen Ansatz als zentraler Aspekt diskutiert werden.

In populationsbasierten Studien über 10–12 Jahre hatten etwa 20 % der Patient:innen dauerhaft persistierende Symptome und und bei 40–50 % der Patient:innen konnte ein Verschwinden der Symptome beobachtet werden. Demzufolge ist die langfristige Prognose der Patient:innen mit FD als positiv anzusehen. 30–35 % der Patient:innen hatten fluktuierende Symptome oder ein Übergang in eine andere funktionelle gastrointestinale Erkrankung war erkennbar [187].

Die Lebenserwartung von Patient:innen mit einer FD ist nicht eingeschränkt [188]. Die langfristige Prognose hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab, wie der Schwere der Beschwerden, dem individuellen Umgang mit der Erkrankung und der Therapieanpassung. Ein frühzeitiges Erkennen der Erkrankung, die Diagnosestellung und Diagnosekommunikation sowie eine ganzheitliche Herangehensweise an die Behandlung, die sowohl die körperlichen als auch die psychosozialen Aspekte berücksichtigt, können den Verlauf positiv beeinflussen.

Merke

13.1.

Der Verlauf der FD kann variabel sein, mit dauerhaften oder episodisch intermittierenden Beschwerden.

13.2.

Bei einem großen Teil der von FD Betroffenen ist der langfristige Verlauf positiv.

13.3.

Die Lebenserwartung von Patient:innen mit einer FD ist nicht eingeschränkt.

Abkürzungen

ALE: Artischockenblattextrakt
ARVID: avoidant/restrictive food intake disorder
CCK: Cholecystokinin
DGBI: Disorder of Gut-Brain Interaction
DGNM: Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität
EPS: epigastric pain syndrome
FD: funktionelle Dyspepsie
FODMAP: fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole
HP: Helicobacter pylori
Nnt: number needed to treat
ÖGD: Ösophagogastroduodenoskopie
PDS: postprandial distress syndrome
PPI: Protonenpumpeninhibitor
PPV: positiver prädiktiver Wert
RCT: randomisierte klinische Studie
TCA: trizyklische Antidepressiva
TCM: Traditionelle Chinesische Medizin



Interessenkonflikt

M.S. Honorare für Vorträge, Advisory Board: Der Campus, Fortbildungskolleg, Medfora, MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Weber & Weber, Repha GmbH, Synformulas, Dr. Wilmar Schwabe GmbH & Ko. KG, Falk Foundation e. V., Reckitt Benckiser Deutschland GmbH, Bayer Vital GmbH; T.F. Honorare für Vorträge, Advisory Board: Dr. Wilmar Schwabe GmbH & Ko. KG, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Takeda Pharma Vertriebs GmbH & Ko. KG, Falk Foundation e. V., Medizinisches Forum, Forum Medizinische Fortbildung, Promedia Medizintechnik, MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, ABOCA Group SpA, Reckitt Benckiser Deutschland GmbH, Bayer Vital GmbH, nutrimmun GmbH; J.G. Honorare für Vorträge, Advisory Board: Campus, CGC, Daiichi Sankyo, Esanum, Fortbildungskolleg, Galapagos, Isgro, Luvos, Medical Tribune, Medfora, MediBayern, Meusel Healthcare, Microbiotica, Norgine, Nutrimmun, Pileje, Repha, RG, Signum, Synformulas, Takeda, Themessenger; J.K. Honorare für Vorträge, Advisory Board: Falk, GE Healthcare, Takeda, Enterra, Medtronic, Mylan, Repha GmbH, Standard Instruments, Takeda; J.L. Forschungsunterstützung: Steigerwald Arzneimittelwerke GmbH, Falk Foundation, TechLab, Inc., Dr. Willmar Schwabe, Repha GmbH biologische Arzneimittel, Honorare für Vorträge, Advisory Board: AbbVie Deutschland GmbH, ABF-Synergie GmbH, AlphaSigma, Bionorica SE, Bristol-Meyer Squibb, Enterosan Labordiagnostik, Falk Foundation; Galapagos Pharma, Janssen Cilag, Loges + Co, GmbH, Luvos Just GmbH, Mauna Kea, Dr. Pfleger Arzneimittel, Pfitzer Phrama GmbH, Repha GmbH; C.P. Honorare für Vorträge, Advisory Board: Falk Foundation e. V.; A.M. Honorare für Vorträge, Advisory Board: Dr. Wilmar Schwabe GmbH & Ko. KG, Falk Foundation e. V., Reckitt Benckiser Deutschland GmbH, Bayer Vital GmbH; M.S. Honorare für Vorträge: Falk Foundation, Dr. Willmar Schwabe,Sanofi, Symprove, Bayer Vital GmbH; A.S., K.W.: Diese Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Martin Storr
Zentrum für Endoskopie, Internistenzentrum Gauting-Starnberg
Oßwaldstr 1
82319 Starnberg
Deutschland   

Publication History

Article published online:
08 April 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom
Abb. 1 Algorithmus zur Diagnosestellung der funktionellen Dyspepsie. [rerif]
Zoom
Abb. 2 Therapiealgorithmus zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie. [rerif]