Handchir Mikrochir Plast Chir 2025; 57(02): 90-91
DOI: 10.1055/a-2524-0253
Editorial

Generation Z in der Chirurgie und „Work-Life Balance“: Herausforderung oder Chance?

Generation Z in Surgery and ‘Work-Life Balance’: Challenge or Opportunity?
Riccardo E. Giunta
 

Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe haben wir einen Beitrag der European Society for Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery (ESPRAS) zum Thema Ärzte der „Generation Z“ in der Plastischen Chirurgie [1] für Sie zusammengestellt. Die Generation Z legt im Allgemeinen großen Wert auf das Thema „Work-Life Balance“. Ziel war es, aus unterschiedlichen Perspektiven der Präsidenten verschiedener europäischer nationaler Fachgesellschaften für Plastische Chirurgie sowie aus US-amerikanischer Perspektive Herausforderungen und Chancen des gesellschaftlichen Wandels für unsere Organisationsstrukturen zu identifizieren und gleichzeitig auch Lösungsvorschläge für Sie zu sammeln.

Der aus dem Englischen stammende Begriff Work-Life Balance steht für einen ausgewogenen Zustand des Gleichgewichts zwischen dem Arbeitsleben und dem Privatleben [2]. Gleichzeitig wird der Begriff oft mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gleichgesetzt.

Nun, auf den ersten Blick – insbesondere aus Sicht der älteren Generationen – erscheint der Begriff Work-Life Balance nicht vereinbar mit den Aufgaben und der Verantwortung eines Arztes oder Chirurgen. Lange Dienste, auch am Wochenende und natürlich nachts bei gleichzeitig hoher Verantwortung bedingen einen hohen Anspruch. Oft haben Vertreter der älteren Generationen den Eindruck, dass die jüngeren Generationen nicht mehr bereit sind, dies in gleichem oder ähnlichem Umfang zu leisten. Gleichzeitig ist es aber auch allen Generationen bewusst, dass ein ausgewogenes und erfülltes Privatleben auch die Leistungsfähigkeit und Effektivität im Beruf steigert.

Ist also die strikte Trennung von Arbeitsleben und Privatleben, wie es der Begriff Work-Life Balance suggeriert, für den Chirurgen von Bedeutung oder ist es nicht eigentlich ein Privileg, dass „Work“ für Viele eben auch „Life“ ist und damit auch eigentlich keine strikte Trennung besteht?

In meiner Erfahrung – wie übrigens in vielen anderen Berufen auch – hat vor allem derjenige ein erfülltes Berufsleben und ist erfolgreich, der keine strikte Trennung zwischen Privatleben und Arbeitsleben macht, da ihm sein Beruf genauso wie sein Privatleben Freude und Zufriedenheit verschafft. Der Erfolg und die Zufriedenheit im Beruf sind dabei der antreibende Motor. Die Vielfalt in der Patientenversorgung, als Chirurg die manuelle Tätigkeit, die gleichzeitigen Aufgaben oft als Lehrer und Forscher und mit diesem Wissen und Können die Möglichkeit das Leben eines anderen Menschen entscheidend zu verlängern oder seine Lebensqualität zu verbessern machen den Arztberuf so einzigartig. Diese Faszination zu vermitteln, ist Aufgabe der älteren Generationen. Und ja, es gibt auch heute noch viele junge Ärztinnen und Ärzte, die die Begeisterung für den Arztberuf und den Beruf eines Chirurgen mitbringen. Darüber hinaus bringen neue Generationen als erste „Digital Natives“ [3] auch eine besondere Kompetenz im Hinblick auf eine digitalisierte Welt mit, die auch in der Medizin immer mehr Relevanz erfährt.

Der Anspruch der neuen Generationen an die ärztliche Tätigkeit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, ist natürlich auch nicht nur gerechtfertigt, sondern heutzutage zwingend erforderlich. Längst vorbei sind die Zeiten des klassischen Familienkonzepts, in denen der Mann der Arzt wurde, während die Ehefrau sich zu Hause um die Kinder und die Familie kümmerten. Etwa zwei Drittel der Studienabgänger im Fach Medizin sind Frauen. Dies mag daran liegen, dass Frauen die besseren Notendurchschnitte im Abitur erreichen und damit einen besseren Zugang zum Medizinstudium. Es liegt aber auch daran, dass die Endpositionen in der Medizin längst nicht mehr so attraktiv sind, wie sie es noch vor wenigen Jahrzehnten waren: Zu geringe Gestaltungsmöglichkeiten unter dem Druck einer ständig wachsenden und dominierenden Verwaltung bei gleichzeitig ständig sinkenden Vergütungen haben der Attraktivität des Arztberufs selbst in den Leitungsfunktionen so stark geschadet, dass Viele es vorziehen, andere Nicht-Medizinische Fachgebiete zu studieren, die bessere Aussichten bieten.

Liebe Leserinnen und Leser,

lassen Sie sich also auf diese gesellschaftliche Diskussion ein und bilden Sie sich selbst eine Meinung zu diesem für die Medizin und auch für die Plastische Chirurgie und Handchirurgie wichtigen Thema. Ich persönlich sehe eher eine Chance. Die Herausforderung wird sein, die oft zu starren Organisationsstrukturen in meist leider zu langen Entscheidungsprozessen anzupassen.

München, im Januar 2025

Riccardo Giunta


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Riccardo E. Giunta
  • Literatur

  • 1 Giunta RE, Bassetto F, Demirdöver C, Evans GRD, Henley M, Kaartinen I, Lehnhardt M, Masia J, McArthur P, Saboye J, Steubing Y, Aranda IM.. Generation Z in Plastic Surgery: Challenges, Solutions and New Horizons – A European and transatlantic overview. Handchir Mikrochir Plast Chir 2025; Online ahead of print.
  • 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Work-Life-Balance (Abruf am 28.1.2025)
  • 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Native (Abruf am 28.1.2025)

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Riccardo E. Giunta
Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie Ästhetische Chirurgie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Deutschland   

Publication History

Article published online:
05 March 2025

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Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Giunta RE, Bassetto F, Demirdöver C, Evans GRD, Henley M, Kaartinen I, Lehnhardt M, Masia J, McArthur P, Saboye J, Steubing Y, Aranda IM.. Generation Z in Plastic Surgery: Challenges, Solutions and New Horizons – A European and transatlantic overview. Handchir Mikrochir Plast Chir 2025; Online ahead of print.
  • 2 https://de.wikipedia.org/wiki/Work-Life-Balance (Abruf am 28.1.2025)
  • 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Native (Abruf am 28.1.2025)

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