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DOI: 10.1055/a-2538-8061
Raum für Vielfalt – Trans* und nichtbinäre Personen in der Physiotherapie
- Geschlechtsinkongruenz und Transition
- Sensibel in die Therapie einsteigen
- Rückenschmerzen, Atembeschwerden, Miktionsstörungen
- Hindernisse und Herausforderungen
- Diskriminierung und Minderheitenstress
- Berührungsängste und fehlende Fachkenntnisse
- Geschlechterinklusion und -sensibilität im Praxisalltag
- Tipps zur problemlosen Rezeptabrechnung
- Schlussgedanken
- Literaturverzeichnis
Aus Sorge vor Zurückweisung oder nicht fachgerechter Behandlung suchen trans*, inter* und nichtbinäre Personen häufig erst spät oder gar keine physiotherapeutische Hilfe auf. Gleichzeitig sind auch Therapierende unsicher im Umgang mit diesen Patient*innen, denn in der Ausbildung kommt das Thema kaum vor. Was also gehört zu einer guten Behandlung?
Es ist später Nachmittag. Lucas S. sitzt nervös in seiner Küche. Auf dem Tisch liegen zwei physiotherapeutische Verordnungen: eine zur Weiterbehandlung nach Mastektomie (ICD-10-Code: Z90.1), eine wegen Vaginismus (N94.2) [1]. Seit einer halben Stunde hält der trans* Mann (WAS BEDEUTET …) das Telefon in der Hand, die Nummer ist gewählt. Er schwitzt. Lucas kann sich seit fast zwei Wochen nicht überwinden, in der Physiotherapiepraxis anzurufen. Wie wird die Reaktion am anderen Ende der Leitung aussehen? Muss ich mich erklären? Werde ich abgewiesen? Lucas überlegt kurz, eine E-Mail zu schreiben und so den peinlichen Rückfragen auszuweichen, ruft dann aber in der Praxis an und erlebt das erste Mal Offenheit und einen professionellen Umgang. Er hat die richtige Praxis gewählt und freut sich auf den ersten Termin – leider keine Selbstverständlichkeit für Lucas.


Geschlechtsinkongruenz und Transition
Viele transgeschlechtliche/nichtbinäre Personen erleben Geschlechtsinkongruenz (ICD-11-Code: HA60) [2], das heißt, die geschlechtsbezogenen Ausprägungen des Körpers stimmen nicht mit dem inneren Erleben oder dem Verhalten der Person überein. Verbunden damit ist der starke Wunsch, geschlechtlich so zu leben und akzeptiert zu werden, wie es sich innerlich stimmig anfühlt. Geht die Geschlechtsinkongruenz zudem mit einem Leidensdruck einher, ist von Geschlechtsdysphorie die Rede.
Macht sich ein Mensch auf den Weg, Stimmigkeit in seinem erlebten Geschlecht zu erlangen, sprechen wir von Transition. Transitionsschritte beziehen sich auf vier Ebenen von Geschlechtlichkeit [3]:
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Bezeichnung der Geschlechtsidentität
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Änderung des Geschlechtsausdrucks/der gesellschaftlichen Rolle
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medizinische Veränderung von Körpermerkmalen
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Änderung des rechtlichen Geschlechtseintrags
Die medizinische Transition umfasst zahlreiche Möglichkeiten wie Hormontherapie, Logopädie, Epilation, OPs zur Verflachung des Brustprofils oder zum Brustaufbau, operative Veränderung der Genitalien und des Gesichts sowie medizinische Hilfsmittel.
Nicht alle trans*/nichtbinären Personen nehmen alle Transitionsoptionen in Anspruch, und die Reihenfolge der Maßnahmen ist individuell. Prinzipiell führen Transitionsmaßnahmen zu einem stimmigeren Selbsterleben und einer höheren Lebensqualität.
Seit 2019 betrachtet die WHO Transgeschlechtlichkeit in all ihren Ausprägungen nicht mehr als psychische Störung. In der ICD-11 werden erstmals auch nichtbinäre Menschen offiziell berücksichtigt. Bis zur Einführung der deutschen ICD-11-Übersetzung kann sich auf Physiotherapie-Verordnungen gelegentlich allerdings noch der psychopathologisierende ICD-10-Code F64.0 (früher: Transsexualismus) finden, um eine physiotherapeutische Behandlungsnotwendigkeit im Kontext von Transgeschlechtlichkeit auszudrücken [4].
Um die Versorgungsqualität in der Medizin zu gewährleisten, veröffentlichte die deutsche Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) im Herbst 2018 die erste S3-Behandlungsleitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung, Behandlung“ für Erwachsene [5]. Für die prä- und postoperative physiotherapeutische Begleitung ist zudem die kommende chirurgische Leitlinie auf S2k-Niveau relevant [6]. Dort beschrieben sind beispielsweise Eingriffe wie beidseitige Mastektomie, Klitpen und Penoidaufbau sowie Neovagina und -vulva, die wir in den kommenden Ausgaben aus physiotherapeutischer Sicht vorstellen werden. Unter der ID 043-052 wird die Leitlinie nach Veröffentlichung im Register der AWMF https://register.awmf.org zu finden sein.
Sensibel in die Therapie einsteigen
Trans* und nichtbinäre Personen können mit den klassischen Anliegen wie Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Funktionsstörungen in die Physiotherapie kommen. Vom ersten Kontakt an sollte der Fokus dabei auf einem sensiblen Umgang und Vertrauensaufbau liegen. Viele trans*/nichtbinäre Menschen sind beispielsweise stark verunsichert, wenn sie sich für die Behandlung entkleiden sollen. Wie bei vielen anderen Patient*innen ist daher die Aufklärung darüber wichtig, weshalb die Kleidung in der Behandlung abgelegt werden soll, bzw. eine Akzeptanz dafür, wenn eine Person sich nicht ausziehen möchte. Gleichzeitig muss das Thema Berührung – dies gilt generell im traumasensiblen Arbeiten – bereits in der Anamnese adressiert werden. Konkret bedeutet das, immer zuerst zu erklären, an welchen Stellen ich berühren möchte – bevor ich es tue. Ungewollte Hands-on-Bereiche können anamnestisch abgeklärt werden ebenso wie die mögliche Bezeichnung einzelner Körperregionen.
Rückenschmerzen, Atembeschwerden, Miktionsstörungen
Zu den häufigen transitionsspezifischen Beschwerdebildern trans*männlicher oder nichtbinärer Personen mit Brüsten gehören Rückenschmerzen und Atembeschwerden. Ursache ist meist das jahrelange Tragen eines Binders zur Kompression der Brüste. Rücken- und Atembeschwerden haben auch große trans* Frauen, die kleiner erscheinen möchten und eine dauerhaft gebückte Haltung zeigen. In der Therapie gilt es gemeinsam einen Weg zu finden, wie der Rücken entlastet und die Atmung erleichtert werden kann. Wichtig hier ist eine einfühlsame Anamnese. Da viele trans*/nichtbinäre Personen öffentliche Toiletten meiden, könne sie unter urologischen Beschwerden wie Miktionsstörungen leiden.
Weil eine Hormontherapie auch die Elastizität des Bindegewebes beeinflusst, können bei trans* Männern oder nichtbinären Personen unter Testosterongabe assoziierte Beschwerdebilder wie eine schmerzhafte Plantarfasziitis auftreten. Falsch wäre, angesichts dessen von der Hormontherapie als „Entzündungsursache“ pauschal abzuraten; vielmehr ist ein geeignetes therapeutisches Handling von Elastizitätseinschränkungen und Entzündungen hilfreich.
Postoperativ leiden die Patient*innen unter Schwellungen, Schmerzen sowie Wund- und Narbenheilungsstörungen. Viele wissen nicht, wann sie mit dem Muskelaufbau beginnen können und was sie dabei beachten müssen. Andere wollen sich bereits präoperativ auf die Rehabilitation nach der OP vorbereiten und suchen hierzu therapeutischen Rat. In unserer Online-Community-Befragung bewerteten die meisten Personen die Aufklärung über mögliche Komplikationen zwar als „sehr gut“ bis „gut“, die Aufklärung über mögliche Maßnahmen nach dem Klinikaufenthalt allerdings oft auf Medikamente und Narbenbehandlung beschränkt – etwa im Gegensatz zum detaillierten physiotherapeutischen Nachbehandlungsschema nach Knie-TEP. Lediglich 10 % der Interviewten wurde in der Klinik nach dem Eingriff Physiotherapie empfohlen. Darüber hinaus wussten die Befragten zumeist nicht, an wen sie sich bei Schmerzen oder sonstigen Beschwerden wenden können.


… cis/cisgeschlechtlich? (lat.: diesseits): Personen, meist Frauen und Männer, für die sich das bei ihrer Geburt in die Geburtsurkunde eingetragene Geschlecht stimmig anfühlt
… trans*/transgeschlechtlich? (lat.: jenseits): Personen, für die sich das bei ihrer Geburt eingetragene Geschlecht nicht, nicht ganz oder nicht immer stimmig anfühlt
… inter*/intergeschlechtlich? (lat.: zwischen): Personen, deren vergeschlechtlichte bzw. geschlechtsassoziierte Körpermerkmale nicht den sich gegenseitig ausschließenden biologisch-medizinischen Kategorien von Männlichkeit und Weiblichkeit entsprechen. Infolgedessen werden sie häufig pathologisiert und medikalisiert, oftmals aus kosmetischen Gründen. Rund 2 % der Deutschen sind intergeschlechtlich, die anderen 98 % werden als endogeschlechtlich (lat.: innerhalb) bezeichnet [13].
… nichtbinär? Personen, die sich weder als Mann noch als Frau, dazwischen oder jenseits dieser beiden großen Geschlechterkategorien empfinden.
… tin*? Akronym für trans*, inter*, nichtbinär
… LSBTI*? Akronym für lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, inter*
Für die optimale Versorgung der Patient*innen ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit unumgänglich. In Qualitätszirkeln mit Physio- und Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, trans*spezifisch operierenden Chirurg*innen, niedergelassenen Ärzt*innen und Körpertherapeut*innen können spezifische Behandlungsprotokolle und Qualitätsstandards entwickelt werden. Diesbezüglich empfiehlt sich die Kooperation mit Community-basierten Trans*beratungs-stellen und Körpermaßnahmen indizierenden Psychothera-peut*innen. So können Netzwerk- und Verweismöglichkeiten sowie Community-basiertes Infomaterial regional ausgetauscht werden.
Hindernisse und Herausforderungen
Vielen trans*, inter* und nichtbinären Menschen in Deutschland geht es ähnlich wie Lucas S. Obwohl die Grundrechte der EU für tin*Personen den gleichen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung vorsehen wie für cis-endogeschlechtliche Personen [10], werden sie oft mit erheblichen Barrieren konfrontiert, wenn sie medizinisch notwendige Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen wollen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADB) sowie europaweite Studien zur Lebenssituation von trans* Menschen konnten zeigen, dass bereits die Suche nach einer medizinisch notwendigen Gesundheitsleistung langwierig und psychisch belastend sein kann [9], [11], [12]. Spezialisierte und sensible Physiopraxen gibt es meist nur in Großstädten oder Ballungsräumen. Wer außerhalb lebt, muss nicht nur lange auf einen Termin warten, sondern oft auch weite Wege in Kauf nehmen. Hilfreiche Unterstützung bei der Suche nach einer geeigneten Praxis bieten regionale Trans*beratungsstellen und Verzeichnisse wie www.queermed-deutschland.de.
Schon kleine Anpassungen in der Praxis bauen Barrieren ab und verbessern die Gesundheitsversorgung.
Laut Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2014 erlebten 26 % aller Teilnehmer*innen zudem eine Diskriminierung von medizinischem Personal aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität [9]. Aufgrund des Diskriminierungspotenzials nehmen viele tin* Personen medizinische Hilfe seltener in Anspruch oder verzögern notwendige Behandlungen, was zu Unterversorgung und schlechteren Heilungsverläufen führen und so Lebensqualität und Lebenserwartung mindern kann [13].
Diskriminierung und Minderheitenstress
Trans*/nichtbinäre Menschen müssen täglich mit Abwehrhaltungen, Ausgrenzung, Anfeindungen und mitunter sogar mit physischer Gewalt umgehen. Viele berichten von diskriminierenden Erfahrungen auch im Gesundheitssektor wie fehlender Akzeptanz, Vorurteilen oder offener Ablehnung. Lucas S. aus unserem Eingangsfall hat diese Erfahrungen auch gemacht. Als er beispielsweise mit dem ICD-Code „Z90.1“ eine Praxis kontaktiert, war die Rezeptionskraft irritiert. Der Code steht für den Verlust beider Brüste, Stimme und Vorname klangen am Telefon aber männlich: „Sind Sie sicher? Handelt es sich vielleicht um die Verordnung Ihrer Frau? Vielleicht hat sich die Arztpraxis vertan“. Die Fragen nötigten Lucas schließlich, höchstintime Informationen preiszugeben, um medizinisch notwendige Behandlungstermine zu erhalten. Dieser chronische Stress durch Diskriminierung und eine permanente Wachsamkeit, auch als Minderheitenstress bezeichnet, können körperlich krank machen. Laut DIW-Wochenbericht litten 2021 LSBTIQ*-Personen doppelt so oft unter Migräne und Herzerkrankungen; auch chronische Rückenschmerzen traten in dieser Personengruppe häufiger (17 %) auf als bei cis-heterosexuellen Personen (12 %) [7].
Die Angst vor Gewalt und Trans*feindlichkeit bedeutet ständige Alarmbereitschaft. In Deutschland verdoppelte sich 2023 die Zahl von Hasskriminalität in puncto „geschlechtsbezogene Diversität“ im Vergleich zum Vorjahr auf 854 Straftaten [8]. 2014 gaben in der EU 34 % aller befragten trans* Personen an, in den vergangenen fünf Jahren körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt zu haben [9].
Diskriminierung und Minderheitenstress können kleinere oder auch größere seelische Verletzungen nach sich ziehen. Bereits die bloße Angst vor Diskriminierung oder vor einer unsensiblen Behandlung hat mitunter gravierende Folgen auf die psychische Gesundheit [3], [14]. Eine trans*/nichtbinäre Person kann eine medizinisch notwendige Behandlung also zum Selbstschutz abbrechen oder diese erst gar nicht in Anspruch nehmen.
Berührungsängste und fehlende Fachkenntnisse
Auf der anderen Seite haben viele Therapeut*innen Berührungsängste bei der Kontaktgestaltung mit tin* Patient*innen. Oder sie fühlen sich bei Behandlungsanfragen überfordert – insbesondere, wenn sie bisher weder im beruflichen noch im privaten Umfeld Kontakt mit tin* Menschen hatten. Die Berührungsängste werden verständlich, wenn man bedenkt, dass weder im Rahmen der Ausbildung noch durch Leitlinien oder Fortbildungsangebote regulär auf die Therapie von trans*/nichtbinären Personen aufgeklärt wird.
Zentraler Punkt für viele trans*/nichtbinäre Patient*innen ist nicht nur fehlendes Fachwissen, sondern auch die mangelnde Sensibilisierung hinsichtlich ihrer spezifischen Bedürfnisse. Eine trans* Person zum Beispiel, die sich einer Hormonbehandlung unterzieht, kann – durch Veränderungen von Muskelstruktur und/oder Bewegungsumfang – andere Anforderungen an die Physiotherapie stellen als eine cisgeschlechtliche Person. Zudem führen zweigeschlechtliche Körpernormen schnell zu falschen Vorstellungen über vorhandene Körperteile und Organe. So vergisst man womöglich den atrophierenden Uterus einer trans* Person nach Testosteronbehandlung in der Beckenbodentherapie. Bei erhöhtem Tonus im Beckenbodenbereich ist es beispielsweise sinnvoll, eine mögliche Restriktion der Ligg. teres uteri und latum uteri mitzudenken. Zudem benennen trans*/nichtbinäre Menschen ihre Körperteile oder Organe – zur Vorbeugung einer Geschlechtsdysphorie – teils anders als im Anatomiebuch. Beispielsweise kann aus der Vulvina eine Mangina werden oder aus dem Penis eine weibliche Big Clit. Fehlt dieses Fachwissen, mindert sich die Effektivität der Therapie – im schlimmsten Fall entsteht eine unangemessene Therapie.
Um Physiotherapeut*innen für diese Themen zu sensibilisieren, wären Fort- und Weiterbildungen zu geschlechtlicher Vielfalt, intersektionaler Sensibilität und spezifischen Bedürfnissen trans*, inter*, nichtbinärer Menschen bereits in Ausbildung und Studium wichtig. Auch Bildungsangebote zur geschlechtersensiblen Gesundheitsversorgung helfen, Barrieren abzubauen, Unsicherheiten im Umgang mit tin* Patient*innen zu reduzieren und eine patient*innenzentrierte Therapie zu gewährleisten. All dies führt zu besseren Behandlungsergebnissen und zu einer höheren Lebensqualität von tin* Patient*innen.
Geschlechterinklusion und -sensibilität im Praxisalltag
Schon kleine Anpassungen in Physiotherapiepraxen leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass trans*/nichtbinäre Menschen weniger Barrieren erleben. Für Praxisformulare und Aushänge lässt sich beispielsweise sehr einfach eine genderneutrale Ansprache wählen. Passende Anreden wären beispielsweise „Liebe Patient*innen“ oder „Liebe Personen in unserer Praxis“. Geschlechterinklusiv aufgebaute Formulare, Anamnese- und Befundbögen garantieren jedem Menschen eine fachgerechte Behandlung. Für einen trans* Mann ist seine Schwangerschaft ebenso relevant wie die Folgen einer Prostata-OP für eine trans* Frau. Für den schriftlichen Kontakt mit Patient*innen empfiehlt sich eine inklusive Anrede wie „Sehr geehrter*r <Vorname, Nachname>“ oder „Liebe*r <Vorname, Nachname>“ oder einfach „Guten Tag <Vorname, Nachname>“.
Um die Toiletten auch auf die Bedürfnisse von tin*-Menschen auszulegen, eignen sich geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie „WC“ oder „Toilette“ in Kombination mit Symbolen (Sitztoilette oder Pissoir). Für inklusive Umkleide- und Duschmöglichkeiten finden sich häufig individuelle Praxislösungen wie ein ungenutzter Behandlungsraum oder ein aufgeräumtes Separee.
Tipps zur problemlosen Rezeptabrechnung
Bei Indikationen, die für die Praxis neu sind, stellt sich oft die Frage nach der korrekten Abrechnung – etwa dann, wenn auf dem Rezept ein anderer Name steht als der, den die Person bei der Anmeldung angibt. Tatsächlich sind für die Abrechnung allein der auf der Versicherungskarte verzeichnete Name sowie die Versicherungsnummer nötig. Möchte eine Person mit anderem Namen angesprochen werden, wird dieser auf der Karteikarte/im Computersystem notiert und in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation genutzt. Auf Quittungen über Zuzahlungen muss jedoch weiterhin der Name auf der Versichertenkarte verwendet werden. Bei offizieller Namens- und Personenstandsänderung durch das Selbstbestimmungsgesetz reicht die Versicherungsnummer für die Abrechnung des Rezepts.
Auf einer Verordnung für Lymphdrainage nach Mastektomie ist beispielsweise eine Indikation über den ICD-Code Z90.1 (Verlust der Mammae beidseits) ausreichend. Für eine postoperative Narbenbehandlung oder zur Prophylaxe und Therapie von Narbenheilungsstörungen existieren zwei ICD-10-Indikationsschlüssel: L90.5 (Narben und Fibrosen der Haut) sowie L91.0 (Hypertrophe Narben, Keloidbildung) [1]. Auch die Indikation N94.2 (Vaginismus) rechnet man über die Versicherungsnummer unabhängig vom Geschlechtseintrag ab.
Schlussgedanken
Im Zuge gesellschaftlicher Liberalisierung werden trans*, inter*, nichtbinäre Personen sichtbarer. 22 % der ab 1997 geborenen Gen Z identifizierten sich vor zwei Jahren als LSBT* [15]. Physiothera-peut*innen befinden sich in einer Schlüsselposition: Indem wir uns für die Bedarfe von tin* Menschen sensibilisieren und dieses Wissen aktiv in die Gestaltung unserer Behandlung einfließen lassen, stellen wir – mit nur wenigen fachlichen Kniffen – eine integrative und (fach-)gerechte Versorgung für alle Personen sicher und gewährleisten so eine adäquate Gesundheitsversorgung unabhängig vom Geschlecht. K* Stern, Kej Reichelt und Malte Bangel


(keine Pronomen, nichtbinär, trans*) arbeitet in eigener Praxis in Hamburg/online als systemische psychosoziale Trans*Beratung und begleitet trans*/nichtbinäre Personen körpertherapeutisch bei ihren Transitionsschritten. K* Stern ist Fachbeirat in Forschungsprojekten, Mitglied der AWMF-S3-Leitliniengruppe zu Trans*Gesundheit und gibt Fortbildungen zu geschlechtlicher Vielfalt für Therapeut*innen (www.praxis-kstern.de/trans-in-der-praxis).


(keine Pronomen, nichtbinär, trans*) arbeitet in einer Leipziger Praxis im Bereich Physiotherapie und Osteopathie, behandelt tin* Personen physiotherapeutisch vor und nach Transitionsoperationen und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Begleitung von Mastektomien für trans*/nichtbinäre Personen.


(er, männlich, cis), (BSc) führt zwei Physiotherapiepraxen in Hannover, die seit Jahren queere Menschen und trans*/nichtbinäre Personen vor und nach Transitionsoperationen behandeln. Er gibt Fortbildungen zum Thema Narbentherapie (S.O.F.T.-Konzept) und unterrichtet an der Ross-Schule Hannover. Zudem ist ist Mitglied der AWMF-S3-Leitliniengruppe zu Trans*-gesundheit (Fachbereich Physiotherapie, VPT).Die Autor*innen gehören zu einem Arbeitskreis zur Gestaltung von Physio-, Ergo- und Körpertherapie für trans*/nichtbinäre Personen.
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Literaturverzeichnis
- 1 International Classification of Diseases 10th Revision. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm
- 2 International Classification of Diseases 11th Revision. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://icd.who.int/browse11/l-m/en
- 3 Stern K.. Facetten meiner Geschlechtlichkeit. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://www.praxis-kstern.de/facetten-meiner-geschlechtlichkeit/
- 4 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2025): ICD 11: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 11. Revision. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/_node.html
- 5 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). S3-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans*-Gesundheit: Diagnostik, Beratung und Behandlung. 2018. AWMF-Registernr. 138/001. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/138-001.html
- 6 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). S2k-Leitlinie Geschlechtsangleichende chirurgische Maßnahmen bei Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie. Im Druck. AWMF-Registernr. 043-052. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/043-052
- 7 Kasprowski D, Fischer M, Chen X. et al Geringere Chancen auf ein gesundes Leben für LGBTQI*-Menschen. DIW Wochenbericht 2021; 88 (06) 80-88
- 8 BMI. Politisch motivierte Kriminalität, Bundesweite Fallzahlen 2023. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/nachrichten/2024/pmk2023-factsheets.pdf?__blob=publicationFile&v=2
- 9 FRA – European Union Agency for Fundamental Rights. Being Trans in the European Union. Comparative analysis of EU LGBT survey data. Luxemburg: Publications Office of the European Union; 2014. Im Internet (Stand: 23.03.2025):. https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-being-trans-eu-comparative-0_en.pdf
- 10 Europäische Union. Charta der Grundrechte der Europäischen Union 2000 (2012/C 326/02). Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (C326): 392–407
- 11 Bartig S, Kalkum D, Le HM. et al Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen – Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung. Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Stand: Juni 2021. Im Internet (Stand: 23.03.2025):. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/diskrimrisiken_diskrimschutz_gesundheitswesen.pdf?__blob=publicationFile&v=5
- 12 FRA - European Union Agency for Fundamental Rights. A long way to go for LGBTI equality. Luxemburg: Publications Office of the European Union; 2020. Im Internet (Stand: 23.03.20205):. https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-lgbti-equality-1_en.pdf
- 13 Pöge K, Dennert G, Koppe U. et al The health of lesbian, gay, bisexual, transgender and intersex people. J Health Monit. 2020; 18 (05) Suppl 1 2-27
- 14 Hendricks ML, Testa RJ. A conceptual framework for clinical work with transgender and gender nonconforming clients: An adaptation of the Minority Stress Model. Professional Psychology: Research and Practice 2012; 43 (05) 460-467
- 15 Ipsos. LGBT+ Pride 2023. Global Advisor-Studie. Im Internet (Stand: 23.03.2025):. https://www.ipsos.com/sites/default/files/ct/news/documents/2023-05/Ipsos%20LGBT%2B%20Pride%202023%20Global%20Survey%20Report%20-%20rev.pdf
Publication History
Article published online:
14 May 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literaturverzeichnis
- 1 International Classification of Diseases 10th Revision. Im Internet (Stand: 22.05.2025):. https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm
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(keine Pronomen, nichtbinär, trans*) arbeitet in eigener Praxis in Hamburg/online als systemische psychosoziale Trans*Beratung und begleitet trans*/nichtbinäre Personen körpertherapeutisch bei ihren Transitionsschritten. K* Stern ist Fachbeirat in Forschungsprojekten, Mitglied der AWMF-S3-Leitliniengruppe zu Trans*Gesundheit und gibt Fortbildungen zu geschlechtlicher Vielfalt für Therapeut*innen (www.praxis-kstern.de/trans-in-der-praxis).


(keine Pronomen, nichtbinär, trans*) arbeitet in einer Leipziger Praxis im Bereich Physiotherapie und Osteopathie, behandelt tin* Personen physiotherapeutisch vor und nach Transitionsoperationen und beschäftigt sich seit einigen Jahren mit der Begleitung von Mastektomien für trans*/nichtbinäre Personen.


(er, männlich, cis), (BSc) führt zwei Physiotherapiepraxen in Hannover, die seit Jahren queere Menschen und trans*/nichtbinäre Personen vor und nach Transitionsoperationen behandeln. Er gibt Fortbildungen zum Thema Narbentherapie (S.O.F.T.-Konzept) und unterrichtet an der Ross-Schule Hannover. Zudem ist ist Mitglied der AWMF-S3-Leitliniengruppe zu Trans*-gesundheit (Fachbereich Physiotherapie, VPT).Die Autor*innen gehören zu einem Arbeitskreis zur Gestaltung von Physio-, Ergo- und Körpertherapie für trans*/nichtbinäre Personen.



