Diabetes aktuell 2025; 23(02): 59-68
DOI: 10.1055/a-2539-0910
Schwerpunkt

Adipositas und Diabetes

Jens Aberle
1   Endokrinologie und Diabetologie, Universitäres Adipositas Centrum, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Anne Lautenbach
1   Endokrinologie und Diabetologie, Universitäres Adipositas Centrum, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Svenja Meyhöfer
2   Medizinische Klinik 1, Endokrinologie & Diabetologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck, Lübeck, Deutschland
,
Markus Menzen
,
Lars Selig
3   Ernährungsteam/Ernährungsambulanz, Universitätsklinikum Leipzig – AoR, Leipzig, Deutschland
,
Knut Mai
4   Medizinische Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin (einschl. Arbeitsbereich Lipidstoffwechsel), Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
,
Matthias Blüher
5   Klinik und Poliklinik für Endokrinologie und Nephrologie, Universitätsmedizin Leipzig, Leipzig, Deutschland
,
Christoph Terkamp
6   Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
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Gewichtsreduktion ist ein integraler Bestandteil in der Therapie vieler Menschen mit Typ-2-Diabetes. Die Effektivität einer Gewichtsreduktion in der Behandlung und Prävention des Typ-2-Diabetes ist durch zahlreiche Studien belegt. In der „Finnish Diabetes Prevention Study“ konnte die Konversion eines Prädiabetes in einen Typ-2-Diabetes durch eine Lebensstil-Intervention um 58 % gesenkt werden [1]. Ähnliche Ergebnisse erbrachte das „Diabetes Prevention Program“ [2]. Eine englische Studie konnte belegen, dass pro 1 kg Gewichtsreduktion im ersten Jahr nach Diagnose eines Typ-2-Diabetes die Lebenserwartung um 3–4 Monate erhöht wird [3] und Williamson et al [4] konnten zeigen, dass eine Gewichtsreduktion von 10 kg die Gesamtmortalität bei Menschen mit Typ-2-Diabetes um 25 % senkt. Darüber hinaus verbessert eine Gewichtsreduktion nicht nur die Blutzuckerwerte, sondern nahezu alle Komorbiditäten des Diabetes gleichzeitig (Bluthochdruck, Fettlebererkrankungen, Depression, Obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS) u. a.). Diese Effekte scheinen besonders stark zu sein, wenn eine Gewichtsreduktion von mindestens 5 % erreicht werden kann [5]. Eine Gewichtszunahme im Rahmen der Typ-2-Diabetes-Behandlung verschlechtert hingegen kardio-vaskuläre Risikofaktoren und ist mit einer Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse und Mortalität verbunden [6].

Der Konsensus Bericht der „American Diabetes Association“ (ADA) und der „European Association for the Study of Diabetes“ (EASD) aus dem Jahr 2022 [7] definiert für die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes eine Gewichtsreduktion von mindestens 5–15 % als Therapieziel, wobei eine 10–15 %ige Abnahme sogar zur Diabetesremission führen kann [8]. Das grundsätzliche Behandlungsziel sollte bei Patienten mit Adipositas und Diabetes eine langfristige Gewichtsstabilisierung im Bereich des Normgewichtes sein (Body-Mass-Index [BMI] 18,5–24,9 kg/m2). Der Taillenumfang von Frauen und Männern sollte ≤ 80 cm bzw. ≤ 94 cm betragen [8] ([ Tab. 1 ]). Dabei ist die Gewichtsreduktion dann besonders effektiv, wenn der Verlust von Muskelmasse möglichst gering gehalten werden kann. Ein sarkopener Phänotyp ist bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mit einem besonders hohen Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen assoziiert.

Tab. 1

Allgemeine Therapieziele für die langfristige Gewichtsstabilisierung.

Indikator

Allgemeines Therapieziel

Body-Mass-Index (BMI)

18,5–24,9 kg/m2

Taillenumfang für Frauen

≤ 80 cm

Taillenumfang für Männer

≤ 94 cm

Am 10.05.2024 wurde die Richtlinie des Disease Management Programm (DMP) Adipositas im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt zum 01.07.2024 in Kraft. Einschlussvoraussetzungen sind ein BMI von ≥ 30 kg/m2, wenn gleichzeitig eine Komorbidität vorhanden ist. Hierzu gehört neben dem Typ-2-Diabetes auch der Prädiabetes oder ein BMI ≥ 35 kg/m2 ohne Komorbidität. Somit greift das „Disease-Management-Programm“ die o. a. wissenschaftliche Evidenz auf. Eine der Behandlungsziele des DMP ist die Reduktion der Konversion von Menschen mit einem Prädiabetes zu einem manifesten Typ-2-Diabetes. Gemäß Richtlinientext kommt dabei neben den Hausärzten auch Diabetologen und Ernährungsmedizinern eine besondere Rolle zu [9].

Das Erreichen normgerechter HbA1c- und Gewichtswerte stellt somit ein übereinstimmendes Therapieziel aktueller Leitlinien dar, an dem sich blutzuckersenkende und andere medikamentöse Therapien des Typ-2-Diabetes orientieren sollten.



Publication History

Article published online:
08 April 2025

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