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DOI: 10.1055/a-2553-3018
Chronische Osteomyelitis der Mandibula
Bei der chronisch nichtbakteriellen Osteomyelitis (CNO) handelt es sich um eine autoinflammatorische Erkrankung des Knochens, welche charakteristischerweise die Epi- und Metaphysen langer Röhrenknochen betrifft [1]. Sehr häufig liegen multifokale Knochenläsionen vor, insbesondere in Klavikula und Mandibula sind jedoch selten auch unifokale Befallsmuster beschrieben [2], [3], [4].
Eine wichtige Differenzialdiagnose, insbesondere bei unifokalem Befallsmuster, ist die bakterielle Osteomyelitis. In Bezug auf die Mandibula wird häufig eine akute von einer sekundär chronischen Osteomyelitis (SCO) unterschieden. Die SCO entwickelt sich aus einer akuten, typischerweise bakteriellen Osteomyelitis, ist definiert durch eine Mindestdauer von einem Monat und klinisch gekennzeichnet durch eine eitrige Entzündung mit Fistelbildung und/oder Sequestrierung [5].
Fallbericht
Anamnese
Ein aktuell 11-jähriger Patient stellt sich mit seit 2 Jahren rekurrierenden Schwellungen des linken Kieferwinkels mit Kieferklemme vor. In der Vorgeschichte waren bereits mehrfach orale antibiotische Therapieversuche mit jeweils kurzfristigem Ansprechen erfolgt. Vor einem Jahr wurden mehrere kariös veränderte Zähne operativ entfernt, diese wurden jedoch als unwahrscheinlicher Fokus einer chronischen Infektion angesehen. Der Symptomatik sei ein Fahrradsturz vorausgegangen, bei welchem der Patient auf den linken Unterkiefer gefallen sei.
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Diagnostik
In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine derbe, deutlich schmerzhafte Schwellung am Unterkieferwinkel links. Der übrige pädiatrisch-internistische sowie orientierend neurologische Untersuchungsbefund war unauffällig.
In der MRT zeigte sich die linke Mandibula sowie die angrenzende Muskulatur deutlich aufgetrieben mit Kontrastmittelaufnahme, jedoch ohne Diffusionsrestriktion ([ Abb. 1 ]). Zum Ausschluss einer bakteriellen oder malignen Erkrankung wurden über einen enoralen Zugang Biopsien von Knochen und angrenzenden Weichteilen entnommen. Diese erbrachten jedoch weder den Nachweis einer floriden Entzündung noch eines malignen Tumors. In der mikrobiologischen Untersuchung konnten niedrigvirulente bakterielle Erreger (Actinomyces odontolyticus, Streptococcus sanguinis, Rothia mucilaginosa und Veillonella dispar) nachgewiesen werden. Eine Ganzkörper-MRT zeigte keine weiteren entzündlichen Herde. Laborchemisch bestand eine allenfalls geringe Erhöhung der Entzündungsparameter mit einem CRP-Wert von 1,44 mg/dl (0–0,5) und einer moderat beschleunigten BSG von 43 mm/h. Blutbild, manuelles Differenzialblutbild sowie Zellzerfallsparameter waren normwertig.


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Therapie und Verlauf
Es erfolgte zunächst erneut eine 10-tägige intravenöse Therapie mit Ampicillin/Sulbactam sowie eine 3-wöchige Therapie mit Clindamycin, begleitend eine antiinflammatorische Therapie mit Ibuprofen. Unter der anschließenden 4-wöchigen oralen antibiotischen Therapie kam es jedoch zum Progress der Erkrankung mit Progredienz des Weichteilprozesses. Daher erfolgte ein erneuter intravenöser antibiotischer Therapieversuch mit Ceftriaxon und Clindamycin über 8 Wochen. Unter der anschließenden oralen antibiotischen Therapie mit Cefpodoxim und Clindamycin jedoch wiederum Progress der Erkrankung mit Progredienz des Weichteilprozesses ([ Abb. 2a ]) sowie neuer Kontrastmittelaufnahme des Ramus ascendens mandibulae und des Unterkiefers links im Bereich des letzten Molars. Zudem zervikale Lymphadenopathie beidseits.


Aus diesem Grund erfolgte nach kinderrheumatologischer Mitbeurteilung unter dem Verdacht auf eine chronische nichtbakterielle Osteomyelitis mit fehlendem Ansprechen auf die antiinflammatorische Therapie mit Ibuprofen bei ausgeprägtem Befund eine bislang 2-malige Therapie mit Pamidronat (1 mg/kg KG/d über 3 Tage im Abstand von 3 Monaten) mit sehr gutem Ansprechen. Im 6-monatigen Intervall zur 2. Pamidronat-Gabe war der Patient symptomfrei und in der MRT-Kontrolluntersuchung zeigte sich eine Reduktion des ossären Befunds sowie eine vollständige Regredienz des periostalen Prozesses ([ Abb. 2b ])
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Diskussion
Die CNO ist weiterhin eine Ausschlussdiagnose. Während in Fällen mit charakteristischem multifokalem Erscheinungsbild im MRT auf eine Biopsie verzichtet werden kann, sollte eine monofokale Läsion zur bioptischen Überprüfung der Differenzialdiagnosen, insbesondere primären Knochentumoren, Metastasen, Lymphome, Leukämie und Langerhanszellhistiozytose, veranlassen [6]. Dennoch sind entsprechende Fälle mit singulärem Befall, insbesondere mandibulär und klavikulär, beschrieben. Im vorliegenden Fall ist die Abgrenzung zur bakteriellen Osteomyelitis schwierig. In den Biopsien wurden zwar potenziell ursächliche bakterielle Erreger nachgewiesen und der ausgeprägt kariöse Zahnstatus ist ein Indiz für einen dentogenen Fokus, allerdings ist angesichts des enoralen Zugangs für die Biopsien eine Kontamination gleichsam möglich. Gleichzeitig sprechen das Fehlen von Suppuration, Fistelbildung und Sequestration gegen das Vorliegen einer SCO. Unzureichendes Ansprechen auf adäquate antibiotische Therapie führten zum Verdacht auf eine inflammatorische Genese, möglicherweise entkoppelt von einem primär infektiösen Trigger. Das gute Ansprechen auf Pamidronat unterstützt diese These.
Auch wenn direkte bakterielle Ursachen einer CNO von verschiedenen Studien widerlegt wurden, wird ein indirekter Zusammenhang zwischen Veränderungen des oralen Mikrobioms und einer Immundysregulation als möglicher Trigger diskutiert [6].
Die Therapie der chronisch nichtbakteriellen Osteomyelitis ist konservativ, als Erstlinientherapie können nichtsteroidale Antirheumatika zum Einsatz kommen, bei fehlendem Ansprechen bzw. spinaler Beteiligung kommen TNF-Inhibitoren, Bisphosphonate oder Kortikosteroide zum Einsatz [6]. Ergeben sich, wie im vorliegenden Fall, Hinweise auf eine bakterielle Infektion, ist eine initiale antibiotische Therapie indiziert und wurde auch bei im Mittel 38 % der Patienten in verschiedenen CNO-Kohorten initial durchgeführt [7]. Bei fehlendem Ansprechen sollte jedoch zeitnah eine CNO in Betracht gezogen werden und eine entsprechende Änderung der Therapiestrategie erfolgen. Für die Behandlung des Mandibulabefalls im Rahmen einer CNO wurden sowohl TNF-α-Inhibitoren als auch Bisphosphonate eingesetzt; letztere führen zu einem schnelleren Wirkeintritt [3]. Die Komplikation einer Kieferkopfnekrose wird bei der Behandlung der CNO mit Bisphosphonaten bei Kindern und Jugendlichen nicht beobachtet.
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Differenzialdiagnostisch schwierige Osteomyelitis-Fälle erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit.
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Die Entwicklung in eine chronisch-inflammatorische Osteomyelitis bzw. das Vorliegen einer CNO sollte bei „Antibiotika-resistenten“ Verlaufsformen frühzeitig erwogen und eine entsprechende antiinflammatorische Therapie initiiert werden.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Der Autor bestätigt, dass eine schriftliche Genehmigung der Familie zur Veröffentlichung des Falls vorliegt.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Hofmann SR, Kapplusch F, Girschick HJ. et al. Chronic Recurrent Multifocal Osteomyelitis (CRMO): Presentation, Pathogenesis, and Treatment. Curr Osteoporos Rep 2017; 15: 542-554
- 2 Georgaki M, Delli K, Paschalidi P. et al. Chronic Osteomyelitis With Proliferative Periostitis of the Mandible in a Child: Report of a Case Managed by Immunosuppressive Treatment. The Pediatric Infectious Disease Journal 2022; 41: e10-e15
- 3 Gaal A, Basiaga ML, Zhao Y, Egbert M. Pediatric chronic nonbacterial osteomyelitis of the mandible: Seattle Children’s hospital 22-patient experience. Pediatr Rheumatol Online J 2020; 18: 4
- 4 Papakonstantinou O, Prountzos S, Karavasilis E. et al. Whole-body magnetic resonance imaging findings and patterns of chronic nonbacterial osteomyelitis in a series of Greek pediatric patients. Acta Radiol Open 2022 11. 20584601221106701
- 5 Saint Amand MJ, Sigaux N, Gleizal A. et al. Chronic osteomyelitis of the mandible: A comparative study of 10 cases with primary chronic osteomyelitis and 12 cases with secondary chronic osteomyelitis. J Stomatol Oral Maxillofac Surg 2017; 118: 342-348
- 6 Zhao DY, McCann L, Hahn G, Hedrich CM. Chronic nonbacterial osteomyelitis (CNO) and chronic recurrent multifocal osteomyelitis (CRMO). J Transl Autoimmun 2021; 4: 100095
- 7 Girschick H, Finetti M, Orlando F. et al. The multifaceted presentation of chronic recurrent multifocal osteomyelitis: a series of 486 cases from the Eurofever international registry. Rheumatology (Oxford) 2018; 57: 1504
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
02 June 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Hofmann SR, Kapplusch F, Girschick HJ. et al. Chronic Recurrent Multifocal Osteomyelitis (CRMO): Presentation, Pathogenesis, and Treatment. Curr Osteoporos Rep 2017; 15: 542-554
- 2 Georgaki M, Delli K, Paschalidi P. et al. Chronic Osteomyelitis With Proliferative Periostitis of the Mandible in a Child: Report of a Case Managed by Immunosuppressive Treatment. The Pediatric Infectious Disease Journal 2022; 41: e10-e15
- 3 Gaal A, Basiaga ML, Zhao Y, Egbert M. Pediatric chronic nonbacterial osteomyelitis of the mandible: Seattle Children’s hospital 22-patient experience. Pediatr Rheumatol Online J 2020; 18: 4
- 4 Papakonstantinou O, Prountzos S, Karavasilis E. et al. Whole-body magnetic resonance imaging findings and patterns of chronic nonbacterial osteomyelitis in a series of Greek pediatric patients. Acta Radiol Open 2022 11. 20584601221106701
- 5 Saint Amand MJ, Sigaux N, Gleizal A. et al. Chronic osteomyelitis of the mandible: A comparative study of 10 cases with primary chronic osteomyelitis and 12 cases with secondary chronic osteomyelitis. J Stomatol Oral Maxillofac Surg 2017; 118: 342-348
- 6 Zhao DY, McCann L, Hahn G, Hedrich CM. Chronic nonbacterial osteomyelitis (CNO) and chronic recurrent multifocal osteomyelitis (CRMO). J Transl Autoimmun 2021; 4: 100095
- 7 Girschick H, Finetti M, Orlando F. et al. The multifaceted presentation of chronic recurrent multifocal osteomyelitis: a series of 486 cases from the Eurofever international registry. Rheumatology (Oxford) 2018; 57: 1504





