Ultraschall Med 2025; 46(03): 220-223
DOI: 10.1055/a-2555-4146
Editorial

Die fetale Biometrie im 2. und 3. Trimenon – einfach oder doch kompliziert?

Article in several languages: English | deutsch
Leonhard Schäffer
,
Tilo Burkhardt
 

Die Detektion von Feten mit einem auffälligen Wachstum gehört zu den wichtigsten Aufgaben des pränatalen Ultraschalls. Seit der Implementierung des Ultraschalls in die Schwangeren-Vorsorge wird versucht, die Detektion von zu kleinen (small-for-gestational age [SGA]) oder Wachstumsrestriktion (IUGR) bzw. von zu großen, makrosomen Feten (large-for-gestational age, LGA) zu verbessern. Eine Wachstumsstörung kann das Risiko für geburtshilfliche Komplikationen erhöhen sowie Ausdruck einer fetalen Erkrankung sein, bei der eine weiterführende pränatale oder postnatale Diagnostik indiziert ist.

Essenzielle Voraussetzung für eine korrekte Interpretation der fetalen Messwerte ist eine exakte Festlegung des Gestationsalters im 1. Trimenon, was eine der wesentlichen Aufgaben der Ultraschall-Untersuchung im 1. Trimenon ist.

In der Ultraschall-Ausbildung gehören die korrekte Einstellung der für die Biometrie benötigten Mess-Ebenen und eine exakte Platzierung der Messpunkte zu den ersten Dingen, welche vermittelt und trainiert werden.

Die fetale Biometrie dient primär der Berechnung des fetalen Gewichts, wenngleich in der sonografischen Pränataldiagnostik auch die einzelnen Biometrie-Parameter Beachtung finden. Ein Vergleich der Messwerte mit den entsprechenden Referenzwerten beantwortet die Frage, ob die fetalen Maße sowie das Gewicht dem Gestationsalter entsprechen. Serielle Messungen geben Auskunft über das fetale Wachstum.

Obwohl die fetale Biometrie Bestandteil nahezu jeder Ultraschall-Untersuchung in der Schwangerschaft ist und die korrekten Mess-Ebenen für den Kopfumfang, Abdomenumfang und die Femurlänge klar definiert und global einheitlich angewendet werden [1], gibt es verschiedene Aspekte, welche nicht einheitlich definiert wurden oder unterschiedlich gehandhabt werden.

Calliper-Platzierung

Bereits das Positionieren der Calliper für die Messpunkte stellt eine nicht unerhebliche Fehlerquelle dar. So wurden für die Erstellung verschiedener Referenzkurven Unterschiede bei der Platzierung der Calliper gemacht. Eine große Rolle spielt dies insbesondere bei der Biometrie des fetalen Kopfes. Eine unterschiedliche Platzierung der Calliper, jeweils außen an der knöchernen Kalotte, proximal außen und distal innen an der Kalotte, oder mit bzw. ohne Einbezug des Hautmantels in die Messung, wurde in verschiedenen Referenzkurven unterschiedlich gehandhabt [2] [3] ([Abb. 1]). Dies bedeutet, dass dem Untersucher bekannt sein muss, mit welcher Platzierung der Messpunkte die angewendete Referenzkurve erstellt wurde, um reproduzierbare Mess-Ergebnisse zu generieren. Ebenso muss für die Messung des occipitofrontalen Durchmessers berücksichtigt werden, dass durch Schall-Artefakte die Distanz nicht fehlerhaft zu groß gemessen wird („Reverberation artefact“ [Abb. 1]), [3].

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Abb. 1 Gelbe Pfeile: mögliche Calipperplatzierungen in Abhängigkeit der Referenzkurve. Rote Pfeile: definitiv falsche Calipperpositionen (Artefakte).

Für die Bestimmung des Kopfumfangs und des Abdomenumfangs werden ebenfalls unterschiedliche Methoden angewendet. So kann der Umfang einerseits mittels einer Formel unter Verwendung der Längs- und Quermessung erfolgen [4] oder es kann mithilfe der Kreis-/Ellipsenfunktion des Ultraschallgeräts der Umfang der zu messenden Ebene nachgezeichnet werden.

Auch hier sollte die Methode angewendet werden, welche bei der Erstellung der Referenzkurve eingesetzt wurde.

Eine weitere, nicht zu unterschätzende Fehlerquelle bei der Biometrie besteht in der Tendenz des Untersuchers, einen erwarteten Messwert zu generieren, was zu einer einseitigen Messverzerrung führen kann. So konnte durch Filmen der Augenbewegungen des Untersuchers gezeigt werden, dass in über 90 % der Fälle eine Korrektur der Calliper-Platzierung vorgenommen wurde, wenn der im Ultraschallbild angezeigte Messwert nicht der Erwartung des Untersuchers entsprach [5].


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Berechnung des fetalen Schätzgewichts

Für die klinische Geburtshilfe sowie für die Kommunikation mit den Pädiatern ist vorwiegend das fetale Schätzgewicht von Bedeutung. So zahlreich es Referenzkurven für die einzelnen Biometrie-Werte gibt, so häufig existieren auch verschiedene Formeln zur Berechnung des fetalen Schätzgewichtes. Eine ideale Gewichtsformel liefert zu jedem Gestationsalter – unabhängig vom tatsächlichen fetalen Gewicht – einen minimalen Schätzfehler. Dies gestaltet sich jedoch verhältnismäßig schwierig. So wurde versucht, mit Hilfe spezifischer Formeln für extreme fetale Gewichte den Schätzfehler bei makrosomen und untergewichtigen Feten zu reduzieren. Da das tatsächliche fetale Gewicht jedoch nicht bekannt ist, ist eine Auswahl der optimalen Schätzformel anhand des Kindsgewichtes kaum möglich. Die Formel von Hadlock et al. aus dem Jahr 1985 [6] hat sich bisher als die Formel mit einem am ehesten akzeptablen Schätzfehler in allen fetalen Gewichtsklassen erwiesen [7]. Als Messgrößen werden hier der Kopfumfang, der Abdomenumfang und die Femurlänge verwendet.


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Referenzkurven

Für die zur Detektion von Wachstumsstörungen notwendigen Referenzkurven gibt es verschiedene Ansätze: Allgemeine, über alle Populationen hinweg gültige Referenzwerte wie jene des Intergrowth21-Projektes oder die WHO-Kurven, populationsbasierte Referenzkurven, d. h. Referenzkurven, die mit Daten der Population erstellt wurden, in der diese verwendet werden sollen, und Einbezug maternaler Variablen, wie z. B. der Body-Mass-Index oder die Ethnizität der Mutter.

Allgemeine, über alle Populationen hinweg gültige Referenzkurven, wie jene des Intergrowth21-Projektes, scheinen nicht ideal für alle Populationen geeignet zu sein [8]. Vermutlich sind populationsbezogene Referenzkurven besser geeignet, eine korrekte Eingruppierung der Messwerte in die Perzentilen zu gewährleisten und Abweichungen von der Norm zu erkennen. So konnte beim Vergleich unterschiedlicher Wachstumskurven zur Erkennung einer plazentar bedingten fetalen Wachstumsretardierung gezeigt werden, dass die Detektions- und Falsch-Positiv-Rate signifikant von der angewendeten Referenzkurve abhängig war und insbesondere die Intergrowth21-Standards besonders abwichen [9]. Auch Wachstumskurven mit Berücksichtigung anthropometrischer sowie ethnischer Parameter der Schwangeren scheinen keine deutlichen Vorteile – insbesondere bei der Erfassung von SGA-Kindern – zu erreichen [10]. Daher sollten, sofern verfügbar, möglichst Referenzwerte eingesetzt werden, die auf der zu untersuchenden Population basieren.


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Zusammenfassung

Voraussetzungen für eine korrekte Biometrie:

  • Korrekte Bestimmung des Gestationsalters

  • Exakte Einstellung der Mess-Ebenen

  • Calliper-Positionierung entsprechend den verwendeten Referenzkurven

  • Berechnung des fetalen Schätzgewichtes mittels der Hadlock-3-Formel

  • Referenzkurven passend zur untersuchenden Population


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Prof. Dr. med. Leonhard Schäffer
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PD Dr. med. Tilo Burkhardt

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • References

  • 1 Salomon LJ, Alfirevic Z, Da Silva Costa F. et al. ISUOG Practice Guidelines: ultrasound assessment of fetal biometry and growth. Ultrasound Obstet Gynecol Ultrasound Obstet Gynecol 2019; 53: 715-723
  • 2 Chitty LS, Altman DG, Henderson A. et al. Charts of fetal size: 2. Head measurements. Br J Obstet Gynaecol 1994; 101: 35-43
  • 3 John Dudley N. Are ultrasound foetal circumference measurement methods interchangeable?. Ultrasound 2019; 27: 176-182
  • 4 Kurmanavicius J, Wright EM, Royston P. et al. Fetal ultrasound biometry: 1. Head reference values. Br J Obstet Gynaecol 1999; 106: 126-135
  • 5 Drukker L, Droste R, Chatelain P. et al. Expected-value bias in routine third-trimester growth scans. Ultrasound Obstet Gynecol Ultrasound Obstet Gynecol 2020; 55: 375-382
  • 6 Hadlock FP, Harrist RB, Sharman RS. et al. Estimation of fetal weight with the use of head, body, and femur measurements – a prospective study. Am J Obstet Gynecol 1985; 151: 333-337
  • 7 Kurmanavicius J, Burkhardt T, Wisser J. et al. Ultrasonographic fetal weight estimation: Accuracy of formulas and accuracy of examiners by birth weight from 500 to 5000 g. J Perinat Med 2004; 32: 155-161
  • 8 Gleason JL, Reddy UM, Chen Z. et al. Comparing population-based fetal growth standards in a US cohort. Am J Obstet Gynecol 2024; 231: 338.e1-338.e18
  • 9 Melamed N, Hiersch L, Aviram A. et al. Diagnostic accuracy of fetal growth charts for placenta-related fetal growth restriction. Placenta 2021; 105: 70-77
  • 10 Sovio U, White IR, Dacey A. et al. Screening for fetal growth restriction with universal third trimester ultrasonography in nulliparous women in the Pregnancy Outcome Prediction (POP) study: a prospective cohort study. Lancet 2015; 386: 2089-2097

Correspondence

PD Dr. med. Tilo Burkhardt
Department of Obstetrics
University Hospital Zürich
Zürich
Switzerland   

Publication History

Article published online:
06 June 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

  • References

  • 1 Salomon LJ, Alfirevic Z, Da Silva Costa F. et al. ISUOG Practice Guidelines: ultrasound assessment of fetal biometry and growth. Ultrasound Obstet Gynecol Ultrasound Obstet Gynecol 2019; 53: 715-723
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  • 10 Sovio U, White IR, Dacey A. et al. Screening for fetal growth restriction with universal third trimester ultrasonography in nulliparous women in the Pregnancy Outcome Prediction (POP) study: a prospective cohort study. Lancet 2015; 386: 2089-2097

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Prof. Dr. med. Leonhard Schäffer
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PD Dr. med. Tilo Burkhardt
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Prof. Dr. med. Leonhard Schäffer
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PD Dr. med. Tilo Burkhardt
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Fig. 1 Yellow arrows: possible caliper placement depending on reference curve. Red arrows: incorrect caliper placement (artifacts).
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Abb. 1 Gelbe Pfeile: mögliche Calipperplatzierungen in Abhängigkeit der Referenzkurve. Rote Pfeile: definitiv falsche Calipperpositionen (Artefakte).