1 Informationen zum Leitlinienreport
Bei der beschriebenen S3-Leitlinie „Seltene Lebererkrankungen (LeiSe LebEr) – Autoimmune
und genetisch-cholestatische Lebererkrankungen von der Pädiatrie bis zum Erwachsenenalter“
(AWMF Registernummer 021–027) handelt es sich um ein vom G-BA gefördertes Innovationsfondsprojekt.
Im Rahmen des Innovationsfondprojektes „Entwicklung oder Weiterentwicklung ausgewählter
medizinischer Leitlinien, für die in der Versorgung besonderer Bedarf besteht“ wird
zusammen mit dem Projektträger Deutsches Zentrum für Luft‐ und Raumfahrt e. V. (DLR)
die S2k-Leitlinie „Autoimmune Lebererkrankungen“ über 36 Monate aktualisiert und weiterentwickelt.
Hierzu wurde ein Leitlinienkonzept zu seltenen Lebererkrankungen erstellt, das aus
zwei Modulen besteht: (1) autoimmune und (2) genetisch-cholestatische Lebererkrankungen
von der Pädiatrie bis zum Erwachsenenalter.
Im ersten Schritt erfolgte – mit dieser Leitlinie – die Aktualisierung und ein Klassen-Upgrade
der bestehenden S2k-Leitlinie „Autoimmune Lebererkrankungen“ (AILE) auf S3-Niveau
und in einem zweiten Schritt die Neuerstellung der S3-Leitlinie „Genetische Cholestasesyndrome“
(GCS).
Dieser Leitlinienreport dokumentiert somit das Aktualisierungsverfahren des ersten
Teils der Leitlinie „Autoimmune Lebererkrankungen von der Pädiatrie bis zum Erwachsenenalter“ von Januar 2021 bis Juli 2024.
Im nächsten Schritt erfolgt dann die Neuerstellung der S3-Leitlinie „Genetische Cholestasesyndrome von der Pädiatrie bis zum Erwachsenenalter“ .
1.1 Herausgeber
Federführende Fachgesellschaft
Die federführende Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
(DGVS).
Die Koordination des Leitlinienprojektes sowie die Konsortialführung liegt bei Prof. Dr. med. Ansgar
W. Lohse.
Bei den antragsstellenden Konsortialpartnern handelt es sich u. a. um:
das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (I. Medizinische Klinik und Poliklinik
& Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin), vertreten durch Prof. Dr.
med. Ansgar W. Lohse (Koordination) sowie PD Dr. med. Marcial Sebode, PhD und Prof.
Dr. med. Christoph Schramm: Leitung Modul „Autoimmune Lebererkrankungen“ (AILE)
die Charité – Universitätsmedizin Berlin (Klinik für Pädiatrie & Medizinische Klinik
mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie), vertreten durch Prof. Dr. med.
Philip Bufler und PD Dr. med. Christian Hudert: Leitung Modul „Genetische Cholestasesyndrome“
(GCS)
die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
(DGVS), vertreten durch PD Dr. med. Petra Lynen Jansen
1.2 Geltungsbereich und Zweck
Für die meisten seltenen Lebererkrankungen existieren keine Leitlinien, die Komplexität
der Versorgung und die hohe Morbidität und auch Mortalität sowie die hohen Kosten
für diese Erkrankungen begründen jedoch den besonderen Bedarf nach Leitlinien. Während
es für autoimmune Lebererkrankungen und für Cholestase im Neugeborenenalter zwei S2k-Leitlinien
gibt, fehlen S3-Leitlinien vollständig, wobei allerdings die Seltenheit der Erkrankungen
den Evidenzgrad für diagnostische und therapeutische Empfehlungen ohnehin limitiert.
1.3 Zielorientierung der Leitlinie
Ziel der Leitlinie ist in der (kinder-)chirurgischen, endoskopischen, gastroenterologischen,
hausärztlichen, humangenetischen, internistischen, pädiatrischen, pathologischen,
bildgebenden, labormedizinischen, rheumatologischen und transplantationsmedizinischen
Praxis einfach anwendbar zu sein.
Darüber hinaus soll die Leitlinie einen Handlungskorridor für häufige Entscheidungen
liefern. Weiterhin sollen Diagnose und Therapie verbessert werden, indem Therapieoptionen
und diagnostische Pitfalls auf Basis der aktuell verfügbaren wissenschaftlichen Informationen
evaluiert werden. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Transitionsmedizin gelegt.
Patientenzielgruppe sind Patienten mit autoimmunen Lebererkrankungen jeden Alters.
1.4 Versorgungsbereich
Ambulant und stationär, (kinder-)chirurgisch, endoskopisch, gastroenterologisch, hausärztlich,
humangenetisch, internistisch, pädiatrisch, pathologisch, bildgebend, labormedizinisch,
rheumatologisch und transplantationsmedizinisch.
1.5 Anwenderzielgruppe/Adressaten
Die Leitlinie richtet sich an folgende an der Diagnostik und Therapie beteiligte Berufsgruppen:
(Kinder-)Chirurgen, Endoskopiker, Gastroenterologen, Humangenetiker, Internisten,
Kinder- und Jugendmediziner, Pathologen, Radiologen, Labormediziner, Rheumatologen
und Transplantationsmediziner sowie an Patientenvertreter, Betroffene und Angehörige
und dient zur Information für Leistungserbringer (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger)
sowie für Krankenpflegekräfte und Mitarbeitende, die in anderen Bereichen des Gesundheitswesens
in der Betreuung von Patienten mit autoimmunen Lebererkrankungen tätig sind.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM),
die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) und die Gesellschaft
für Transitionsmedizin e. V. (GfTM) wurden zur Mitarbeit eingeladen, haben jedoch
eine Beteiligung abgesagt. Dennoch halten wir die Leitlinie auch für Allgemeinmediziner,
Transitionsmediziner und Gynäkologen für relevant.
1.6 Zusammensetzung der Leitliniengruppe: Beteiligung von Interessensgruppen
Die Leitlinie wurde federführend durch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie,
Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) unter der Koordination von Herrn Prof.
Ansgar W. Lohse (Hamburg) erstellt. Organisatorisch und methodisch verantwortlich
waren Frau PD Dr. Petra Lynen Jansen, Frau Pia Lorenz, M. Sc. und Frau Nadine Fischer,
M. Sc. (DGVS Geschäftsstelle, Berlin).
Die systematischen Recherchen sowie die Auswahl, Bewertung und Darstellung der Evidenz
in Evidenztabellen wurde von Herrn Dr. Paul Freudenberger, Frau Celia Inselmann, M.
Sc. und Frau Dr. Nadine Steubesand (Clinical Guideline Services (CGS), Berlin/Kiel)
durchgeführt.
Frau Prof. Ina B. Kopp (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
e. V. (AWMF), Berlin) stand zur methodischen Beratung zur Seite und moderierte als
neutrale Leitlinienexpertin die Konsensuskonferenz. Herr Torsten Karge (CGS, Berlin)
stand für das Leitlinienportal zur Verfügung und übernahm die technische Betreuung
der Konsensuskonferenz.
1.7 Repräsentativität der Leitliniengruppe: Beteiligte Fachgesellschaften
Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM)
J. Menzel (Ingolstadt), M. Friedrich-Rust (Frankfurt am Main)
Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie e. V. (DGAV)
K. Hoffmann (Heidelberg) (im Februar 2024 von der Leitlinienmitarbeit zurückgetreten)
Deutsche Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren e. V. (DGE-BV)
T. Weismüller (Berlin)
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM)
M. Sebode (Hamburg), C. Sarrazin (Wiesbaden)
Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie e. V. (DGKCH)
M. Berger (Essen) (im Februar 2024 von der Leitlinienmitarbeit zurückgetreten)
Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e. V. (DGKL)
R. Klein (Tübingen)
Deutsche Gesellschaft für Pathologie e. V. (DGP)/Bundesverband Deutscher Pathologen
e. V. (BDP)
P. Schirmacher (Heidelberg), B. K. Straub (Mainz)
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e. V. (DGRh)
W. J. Mayet (Sande)
Deutsche Transplantationsgesellschaft e. V. (DTG)
C. P. Strassburg (Bonn), M. Melter (Regensburg)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ)
U. Baumann (Hannover), A. Briem-Richter (Hamburg), P. Bufler (Berlin), C. Hudert (Berlin),
E. Lainka (Essen), M. Melter (Regensburg), B. Rodeck (Osnabrück), S. Schulz-Jürgensen
(Hamburg), E. Sturm (Tübingen)
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
e. V. (DGVS)
H. Bantel (Hannover), C. Berg (Tübingen), U. Beuers (Amsterdam), T. Bruns (Aachen),
G. Buescher (Hamburg), L. Dold (Bonn), B. Engel (Hannover), F. Goeser (Troisdorf),
J. Hartl (Hamburg), N. Heucke (Magdeburg), S. Hohenester (München) (im November 2023
von der Leitlinienmitarbeit zurückgetreten), A. Hörning (Erlangen), L. Horst (Hamburg),
V. Keitel-Anselmino (Magdeburg), M. Krawczyk (Essen), A. Kremer (Zürich), F. Lammert
(Hannover), H. Lenzen (Hannover), U. Merle (Heidelberg), M. Peiseler (Berlin), C. Schramm
(Hamburg), M. Sebode (Hamburg), M. Sterneck (Hamburg), C. Strassburg (Bonn), F. Tacke
(Berlin), R. Taubert (Hannover), C. Weiler-Normann (Hamburg)
Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e. V. (GPGE)
U. Baumann (Hannover), A. Briem-Richter (Hamburg), P. Bufler (Berlin), C. Hudert (Berlin),
C. Sokollik (Bern), N. Junge (Hannover), M. Melter (Regensburg), S. Schulz-Jürgensen
(Hamburg), E. Sturm (Tübingen)
Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e. V. (GfH)
A. Stalke (Hannover)
Deutsche Röntgengesellschaft, Gesellschaft für Medizinische Radiologie e. V. (DRG)
K. Ringe (Hannover)
Im Rahmen des Einladungsverfahrens wurde mit dem Eiverständnis zur Mitarbeit die Zustimmung
zur Regelung zur Sekundärverwertung der DGVS eingeholt.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM) wurde
zur Mitarbeit an der Leitlinie eingeladen, konnte das Leitlinienvorhaben aber auf
Grund personeller Engpässe nicht unterstützen. Auch die Deutsche Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) sowie die Gesellschaft für Transitionsmedizin
e. V. (GfTM) sagten ihre Teilnahme an dem Leitlinienvorhaben ab.
1.8 Repräsentativität der Leitliniengruppe: Beteiligung von Patienten
Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e. V.
C. Mundlos (Berlin)
Deutsche Leberhilfe
I. van Thiel (Köln)
Arbeitskreis PSC der DCCV e. V.
S. In der Smitten (Berlin), F. Dannel (Berlin)
Verein Leberkrankes Kind e. V.
Berit Kunze-Hullmann (Essen)
Neben der Steuergruppe ([Tab. 1 ]) wurden sechs Arbeitsgruppen (AGs) gebildet, die von zwei bis vier AG-Leitenden
geleitet wurden ([Tab. 2 ]). In den AGs arbeiteten neben Gastroenterologen, (Kinder-)Chirurgen, Endoskopiker,
Internisten, Pädiater, Pathologen, Rheumatologen und Transplantationsmediziner mit.
Tab. 1
Steuergruppe.
Name
Ort
Zuständigkeit
U. Baumann
Hannover
GPGE, DGKJ
L. Dold
Bonn
DGVS
P. Bufler
Berlin
GPGE, DGKJ
C. Hudert
Berlin
GPGE, DGKJ
M. Krawczyk
Essen
DGVS
F. Lammert
Hannover
DGVS
A. W. Lohse
Hamburg
DGVS
P. Lynen
Berlin
DGVS
C. Mundlos
Berlin
ACHSE
B. Rodeck
Osnabrück
DGKJ
C. Sarrazin
Wiesbaden
DGIM
M. Sebode
Hamburg
DGIM, DGVS
C. Schramm
Hamburg
DGVS
S. Schulz-Jürgensen
Hamburg
GPGE, DGKJ
C. P. Strassburg
Bonn
DGVS, DTG
E. Sturm
Tübingen
GPGE, DGKJ
F. Tacke
Berlin
DGVS
I. van Thiel
Köln
Deutsche Leberhilfe
Tab. 2
Mitglieder der Leitliniengruppe.
AG 1: Serologie, Pathologie und assoziierte Autoimmunerkrankungen
AG-Leitung
L. Dold, Bonn (DGVS)
R. Klein, Tübingen (DGKL)
P. Schirmacher, Heidelberg (DGP, BDP)
C. Strassburg, Bonn (DGVS, DTG)
AG-Mitglieder
F. Goeser, Bonn (DGVS)
E. Lainka, Essen (DGKJ)
W. Mayet, Sande (DGRh)
B. Straub, Mainz (DGP, BDP)
R. Taubert, Hannover (DGVS)
AG 2: Autoimmune Hepatitis (AIH)
AG-Leitung
U. Baumann, Hannover (GPGE, DGKJ)
M. Sebode, Hamburg (DGIM, DGVS)
AG-Mitglieder
A. Briem-Richter, Hamburg (GPGE, DGKJ)
B. Engel, Hannover (DGVS)
A. Hörning, Erlangen (DGVS)
F. Tacke, Berlin (DGVS)
R. Taubert, Hannover (DGVS)
I. van Thiel, Köln (Deutsche Leberhilfe)
AG 3: Primär biliäre Cholangitis (PBC)
AG-Leitung
H. Bantel, Hannover (DGVS)
A. Kremer, Zürich (DGVS)
AG-Mitglieder
T. Bruns, Aachen (DGVS)
J. Hartl, Hamburg (DGVS)
U. Merle, Heidelberg (DGVS)
I. van Thiel, Köln (Deutsche Leberhilfe)
AG 4: Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)
AG-Leitung
V. Keitel-Anselmino, Magdeburg (DGVS)
C. Schramm, Hamburg (DGVS)
AG-Mitglieder
U. Beuers, Amsterdam (DGVS)
G. Buescher, Hamburg (DGVS)
P. Bufler, Berlin (GPGE, DGKJ)
N. Heucke, Magdeburg (DGVS)
S. In der Smitten, Berlin (PSC der DCCV)
H. Lenzen, Hannover (DGVS)
J. Menzel, Ingolstadt (DEGUM)
K. Ringe, Hannover (DRG)
C. Sokollik, Bern (GPGE)
T. Weismüller, Berlin (DGE-BV)
AG 5: Autoimmune Lebererkrankungen während der Schwangerschaft
AG-Leitung
S. Hohenester, München (DGVS)
C. Weiler-Normann, Hamburg (DGVS)
AG-Mitglieder
C. Berg, Tübingen (DGVS)
C. Mundlos, Berlin (ACHSE e. V.)
M. Peiseler, Berlin (DGVS)
AG 6: Lebertransplantation bei autoimmunen Lebererkrankungen
AG-Leitung
M. Melter, Regensburg (GPGE, DGKJ, DTG)
M. Sterneck, Hamburg (DGVS)
AG-Mitglieder
M. Berger, Essen (DGKCH)
F. Dannel, Berlin (PSC der DCCV)
M. Friedrich-Rust, Frankfurt am Main (DEGUM)
N. Junge, Hannover (GPGE)
AG übergreifend
L. Horst, Hamburg (DGVS)
C. Hudert, Berlin (GPGE, DGKJ)
M. Krawczyk, Essen (DGVS)
F. Lammert, Hannover (DGVS)
P. Lynen, Berlin (DGVS)
B. Rodeck, Osnabrück (DGKJ)
C. Sarrazin, Wiesbaden (DGIM)
S. Schulz-Jürgensen, Hamburg (GPGE, DGKJ)
E. Sturm, Tübingen (GPGE, DGKJ)
Koordinierender
A. W. Lohse, Hamburg (DGVS)
2 Methodologisches Vorgehen
2.1 Grundlagen der Methodik
Schema der Evidenzbewertung
Die Bewertung, Analyse und Darstellung der Evidenz dieser Leitlinie orientierten sich
an der Methodik der internationalen GRADE Working Group (Grading of Recommendations
Assessment, Development and Evaluation) [1 ] ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Methodik der internationalen GRADE Working Group (Grading of Recommendations Assessment,
Development and Evaluation) [modifiziert Schünemann 2013] [1 ]. [rerif]
In der aktuellen Leitlinie überwiegt der Anteil konsensbasierter gegenüber dem Anteil
evidenzbasierter Empfehlungen. Dies hat mehrere Gründe, die sich alle auf die Seltenheit
der Erkrankungen zurückführen lassen. Zum einen lässt sich die PICO-Struktur nicht
auf alle für seltene Erkrankungen relevanten Fragestellungen wie beispielsweise Definitionen,
Therapieziele und Diagnostik anwenden. Zum anderen wurden für Zweit- und Drittlinietherapien
der seltenen Erkrankungen nur wenige Patientenzahlen analysiert und es fehlen Vergleichsstudien
zwischen verschiedenen Therapieregimen. Somit konnte der standardmäßige Anspruch auf
50 % evidenzbasierter Empfehlungen nicht erreicht werden.
Schema der Empfehlungsgraduierung
Bei der Überführung der Evidenzstärke in die Empfehlungsstärke konnte der Empfehlungsgrad
gegenüber dem Evidenzgrad auf oder abgewertet werden. Gründe hierfür können zum Bespiel
sein die fehlende Konsistenz der Studienergebnisse, die Relevanz der Endpunkte und
Effektstärken, das Nutzen-Risikoverhältnis, die Patientenpräferenz oder die Umsetzbarkeit.
Die Graduierung der Empfehlungen erfolgte außerdem über die Formulierung soll, sollte,
kann ([Tab. 3 ]). Die Konsensstärke wurde gemäß [Tab. 4 ] festgelegt.
Tab. 3
Schema zur Graduierung von Empfehlungen.
Empfehlungsgrad (nur S3)[* ]
Beschreibung
Syntax[** ]
A
starke Empfehlung
soll
B
Empfehlung
sollte
0
Empfehlung offen
kann
* Der Empfehlungsgrad sowie der Evidenzgrad werden nur bei evidenzbasierten Empfehlungen
angegeben. Bei Expertenkonsensbasierten Empfehlungen erfolgt die Graduierung über
soll/sollte/kann und über die in der Tabelle angegeben Beschreibung.
** Negativ-Empfehlungen werden entsprechend sprachlich mit „nicht“ ausgedrückt.
Tab. 4
Einteilung der Konsensstärke.
Konsens
% Zustimmung
Starker Konsens
> 95
Konsens
> 75–95
Mehrheitliche Zustimmung
> 50–75
Keine mehrheitliche Zustimmung
≤ 50
Statements
Als Statements werden Darlegungen oder Erläuterungen von spezifischen Sachverhalten
oder Fragestellungen ohne unmittelbare Handlungsaufforderung bezeichnet. Sie werden
entsprechend der Vorgehensweise bei den Empfehlungen im Rahmen eines formalen Konsensusverfahrens
verabschiedet und können entweder auf Studienergebnissen oder auf Expertenmeinungen
beruhen.
Expertenkonsens
Als Expertenkonsens werden Empfehlungen bezeichnet, zu denen keine systematische Recherche
nach Literatur durchgeführt wurde, oder zu denen nach ausführlicher Recherche keine
Literatur vorlag. Die Graduierung der Empfehlung ergibt sich ausschließlich aus der
verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) und der dazugehörigen Beschreibung entsprechend
der Abstufung in [Tab. 3 ].
2.2 Systematische Literaturrecherche
2.2.1 Formulierung von Schlüsselfragen
Es wurden insgesamt 29 PICO-Fragen formuliert und recherchiert. Die PICO-Fragen sind
im Supplement (Kapitel 1) aufgeführt.
2.2.2 Durchführung der Recherche nach Übersichtsarbeiten
In Absprache mit der Leitliniengruppe erfolgte initial eine systematische Literaturrecherche
nach Übersichtsarbeiten (Systematische Reviews und Meta-Analysen) für alle PICO-Fragen
gemeinsam. Die Recherchen wurden in der Medline Datenbank über die PubMed Suchoberfläche https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/ sowie in der Cochrane Library
https://www.cochranelibrary.com/ durchgeführt.
Der Suchzeitraum erstreckte sich zunächst vom 01.01.2020 bis zum Zeitpunkt der Suche
(15.06.2022). Nach Rücksprache mit der Leitliniengruppe wurde der Suchzeitraum nachträglich
erweitert und erstreckte sich schlussendlich vom 01.01.2018 bis zum Zeitpunkt der
Suche (16.12.2022).
Die Suchbegriffe und Trefferzahlen sind dem Supplement (Kapitel 2 + 3) zu entnehmen.
2.2.3 Durchführung der Recherche nach Einzelstudien
Nach Aufarbeitung der Übersichtsarbeiten erfolgte eine Recherche nach Einzelstudien.
Im ersten Schritt erfolgte eine Suche ohne Einschränkung nach Studientypen in der
Medline Datenbank über die PubMed Suchoberfläche. Es sollte nach Rücksprache mit der
Leitliniengruppe und der AWMF keine Recherche in der Cochrane Library stattfinden,
da es sich bei den erwartbaren Einzelstudien voraussichtlich primär um Observationsstudien
handelte, welche die Cochrane Library nicht abdeckt. Der Suchzeitraum erstreckte sich
vom 01.01.2012 bis zum Zeitraum der Recherche (15.07.2022 bis 11.08.2022).
Im zweiten Schritt erfolgte eine Suche nach randomisierten kontrollierten Studien
mit einem erweiterten Suchzeitraum, da durch die erste Recherche nicht alle relevanten
Studien identifiziert werden konnten. Die Suche wurde in der Medline Datenbank über
die PubMed Suchoberfläche sowie in der Cochrane Library CENTRAL trials database durchgeführt.
Der Suchzeitraum der randomisierten kontrollierten Studien erstreckte sich vom 01.01.1970
bis zum Zeitpunkt der Recherche (15.12.2022).
Die detaillierten Darstellungen der Recherchen sind im Supplement (Kapitel 2 + 3) zur jeweiligen Schlüsselfrage dargestellt.
Zudem hatten alle Arbeitsgruppen die Möglichkeit, bis Januar 2023 zusätzlich Studien
als expertenbeigesteuerte Literatur einzureichen und bewerten zu lassen (siehe auch
Kapitel 2.4 Expertenbeigesteuerte Literatur ).
2.3 Auswahl der Evidenz
Die Literaturarbeit wurde über das Leitlinienportal der CGS durchgeführt. Die in den
Suchen identifizierten Literaturstellen wurden nach dem Deduplizieren als Literatursammlungen
für jede PICO-Frage im Leitlinienportal (https://www.guideline-service.de ) hinterlegt.
Der Suchstring und die detaillierte Darstellung der Recherche sind im Supplement (Kapitel 2 + 3) dargestellt.
2.3.1 Ein- und Ausschlussgründe
Folgende generelle Ausschlussgründe wurden zur Auswahl herangezogen:
Population entspricht nicht der PICO
Intervention entspricht nicht der PICO
Vergleichsgruppe entspricht nicht der PICO
Outcomes nicht relevant
Nicht die gesuchte Fragestellung
Doppelpublikation oder aktuellere Publikation verfügbar
Falsche Publikationssprache
Falscher Publikationszeitraum
Volltext nicht verfügbar
Falscher Publikationstyp (Case Reports, narrative Reviews, Konferenzabstracts, Leitlinien,
etc.)
2.3.2 Screening
Die Auswahl der Evidenz erfolgte durch ein mehrstufiges Screening im Leitlinienportal
(https://www.guideline-service.de ). Im ersten Schritt, dem Titel-Abstract Screening, wurden die Suchtreffer anhand
der PICO-Vorgaben und der Ein- und Ausschlussgründe auf potenzielle Relevanz gesichtet.
Die Auswahl wurde von geschulten Mitarbeitern der CGS im Leitlinienportal durchgeführt.
Studien, die von den Methodikern der CGS nicht eindeutig als relevant oder nicht relevant
beurteilt werden konnten, wurden in einem Maybe-Screening durch Fachexperten der jeweiligen
Arbeitsgruppen geprüft und ein- bzw. ausgeschlossen.
Alle im Titel-Abstract als relevant für die jeweilige Fragestellung identifizierten
Artikel wurden daraufhin als Volltext akquiriert.
Im zweiten Schritt des Screenings, dem sogenannten Volltext-Screening, wurden die
Volltexte der ausgewählten Publikationen auf die Erfüllung der o. g. Ausschlussgründe
überprüft. Die Auswahl wurde ebenfalls von den Mitarbeitern der CGS im Leitlinienportal
durchgeführt. Die Ergebnisse der Recherche und Auswahl wurde der Leitliniengruppe
vorgelegt.
Im Screening der Übersichtsarbeiten und Einzelstudien (ohne Einschränkung des Publikationstyps)
schloss sich nach dem ersten Volltext-Screening noch ein zweites Volltext-Screening
durch klinische Experten an, um die thematische Relevanz aus klinischer Sicht zu bestätigen.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden in den Prisma-Schemata diese beiden Screening-Runden
als ein Volltext-Screening dargestellt.
Die Teilschritte des Screenings sind im Supplement (Kapitel 2 + 3) zur jeweiligen Recherche grafisch als PRISMA Flussdiagram dargestellt.
Die Literatursammlungen waren der Leitliniengruppe zu jedem Zeitpunkt zur Einsicht
verfügbar.
2.4 Expertenbeigesteuerte Literatur
Zusätzlich und unabhängig von den Ergebnissen der systematischen Recherche wurden
Literaturstellen von der Leitliniengruppe nominiert. Voraussetzung für die Berücksichtigung
dieser Studien war die Erfüllung der Ein- und Ausschlusskriterien der systematischen
Literaturrecherche.
Diese Literaturstellen wurden in eine eigene Literatursammlung „Expertenbeigesteuerte
Literatur“ aufgenommen und dann, zusätzlich zu den Schlüsselfragen den jeweiligen
Fragestellungen zugeordnet. Insgesamt wurden 13 Artikel aus der expertenbeigesteuerten
Literatur zugeordnet und bewertet.
Die gesamte Liste der Literatur aus der Handsuche wird im Folgenden aufgeführt:
Bacq, Yannick et al. (2012). Efficacy of ursodeoxycholic acid in treating intrahepatic
cholestasis of pregnancy: a meta-analysis. (PICO 5.3)
Bozzini, Ana Beatriz et al. (2019). Decreased health-related quality of life in children
and adolescents with autoimmune hepatitis. (PICO 2.9)
Hartl, Johannes et al. (2015). Patient selection based on treatment duration and liver
biochemistry increases success rates after treatment withdrawal in autoimmune hepatitis.
(PICO 2.6)
Lamers, Mieke M H et al. (2010). Treatment options for autoimmune hepatitis: a systematic
review of randomized controlled trials. (PICO 2.1)
Michel, Maurice et al. (2021). Health-related quality of life in patients with autoimmune
hepatitis. (PICO 2.9)
Muir, Andrew J et al. (2019). Simtuzumab for Primary Sclerosing Cholangitis: Phase
2 Study Results With Insights on the Natural History of the Disease. (PICO 4.4)
Nastasio, Silvia et al. (2019). Long-term follow-up of children and young adults with
autoimmune hepatitis treated with cyclosporine. (PICO 2.3)
Poropat, G.; Giljaca, V.; Stimac, D.; Gluud, C.; et al. (2011). Bile acids for primary
sclerosing cholangitis (PICO 4.2)
Rudic, J. S.; Poropat, G.; Krstic, M. N.; Bjelakovic, G.; Gluud, C.; et al. (2012).
Ursodeoxycholic acid for primary biliary cirrhosis (PICO 3.1)
Schramm, Christoph et al. (2014). Health-related quality of life, depression, and
anxiety in patients with autoimmune hepatitis. (PICO 2.9)
Sockalingam, Sanjeev et al. (2012). Identifying opportunities to improve management
of autoimmune hepatitis: evaluation of drug adherence and psychosocial factors. (PICO 2.9)
Wong, Lin Leeet al. (2018). The Impact of Autoimmune Hepatitis and Its Treatment on
Health Utility. (PICO 2.9)
Zizzo, Andréanne N et al. (2017). Second-line Agents in Pediatric Patients with Autoimmune
Hepatitis: A Systematic Review and Meta-analysis. (PICO 2.3)
2.5 Bewertung der Evidenz
Nach Abschluss des Screeningprozesses wurden die eingeschlossenen Studien den jeweiligen
PICO-Fragen im Leitlinienportal zugeordnet.
Es wurde ein hierarchischer Ansatz für die Auswahl der zu bewertenden Literatur gewählt.
Zunächst wurde geprüft, ob systematische Übersichtsarbeiten/Meta-Analysen für die
jeweilige Fragestellung vorliegen. Lagen Übersichtsarbeiten vor, so wurden diese in
einem zweiten Schritt ggf. durch weitere randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)
ergänzt. Sofern eine PICO-Frage durch diese Ergebnisse nicht ausreichend beantwortet
wurde, wurden im Einzelfall nach Rücksprache mit der AG-Leitung weitere Observationsstudien
hinzugezogen.
Sofern keine Übersichtsarbeiten und auch keine RCTs vorlagen, wurde direkt auf Observationsstudien
für die Bewertung zurückgegriffen.
2.5.1 Methodische Bewertung der Übersichtsarbeiten mit AMSTAR II
Vor der GRADE-Bewertung erfolgte eine Beurteilung der Qualität der ausgewählten Übersichtsarbeiten
mittels AMSTAR II [2 ].
Bei AMSTAR II handelt es sich um eine Checkliste zur Erfassung der Qualität von systematischen
Reviews. Die Checkliste beinhaltet 16 Items, von welchen sieben als kritisch angesehen
werden [2 ]:
Protocol registered before commencement of the review (item 2)
Adequacy of the literature search (item 4)
Justification for excluding individual studies (item 7)
Risk of bias from individual studies being included in the review (item 9)
Appropriateness of meta-analytical methods (item 11)
Consideration of risk of bias when interpreting the results of the review (item 13)
Assessment of presence and likely impact of publication bias (item 15)
Aus der Bewertung der Items ergibt sich ein „Overall confidence in the results of
the review“ anhand der folgenden Kriterien [2 ]:
High
No or one non-critical weakness : the systematic review provides an accurate and comprehensive summary of the results
of the available studies that address the question of interest
Moderate
More than one non-critical weakness : the systematic review has more than one weakness but no critical flaws. It may provide
an accurate summary of the results of the available studies that were included in
the review
Low
One critical flaw with or without non-critical weaknesses : the review has a critical flaw and may not provide an accurate and comprehensive
summary of the available studies that address the question of interest
Critically low
More than one critical flaw with or without non-critical weaknesses: the review has more than one critical flaw and should not be relied on to provide
an accurate and comprehensive summary of the available studies
Bei der Bewertung mit AMSTAR II ergab sich die Problematik, dass die Mehrheit der
Studien als geringe oder sehr geringe Qualität eingestuft wurde. Dies ließ sich mehrheitlich
auf die Items 2 und 7 der Checkliste zurückführen, welche in den zu bewertenden Übersichtsarbeiten
oftmals nicht erfüllt waren. In Absprache mit der Koordination wurde sich für dieses
Leitlinienprojekt darauf geeinigt, diese Items bei der Bewertung außeracht zu lassen,
da diese in erster Linie formelle Aspekte darstellen und aus klinischer Perspektive
die Qualität der Ergebnisse nicht beeinträchtigen.
Die Ergebnisse der AMSTAR II Bewertungen sind in den Evidenztabellen zusammengefasst.
2.5.2 Risk-of-Bias Bewertung der Einzelstudien
Vor der GRADE Bewertung der Einzelstudien fand eine Risk-of-Bias Bewertung statt.
Hierfür fand für randomisierte kontrollierte Studien das Risk-of-Bias (RoB) Tool der
Cochrane Collaboration [3 ] Anwendung. Das RoB-Tool stellt ein Instrument zur Bewertung des Verzerrungspotenzials
in (RCTs) dar und setzt sich aus sieben Domänen zusammen:
Generierung der Randomisierungssequenz
Verdeckte Gruppenzuteilung
Verblindung von Teilnehmern und Studienpersonal
Verblindung der Endpunkterhebung
Unvollständige Daten zu Endpunkten
Selektives Berichten
Andere Ursachen für Bias
Für jede der Domänen erfolgt eine Beurteilung mit „Geringes Risiko für Bias“, „Hohes
Risiko für Bias“ oder „Unklares Risiko für Bias“.
Abschließend erfolgte eine Gesamtbewertung. Hierbei wurde eine Studie mit einem unklaren
Bias-Risiko bewertet, wenn mindestens drei der sieben Domänen ein unklares Bias-Risiko
aufwiesen. Eine Studie wurde mit einem hohen Bias-Risiko bewertet, wenn mindestens
zwei Domänen ein hohes Bias-Risiko aufwiesen.
Die Ergebnisse der RoB-Bewertungen sind in den Evidenztabellen zusammengefasst.
Zur Erfassung des Bias-Risikos fand in Kohortenstudien und Fall-Kontroll-Studien die
New-Castle Ottawa Scale (NOS) [4 ] Anwendung.
NOS ist ein Instrument zur Erfassung der Qualität von nicht-randomisierten Studien.
Es umfasst ein „Sternesystem“, bei dem die vorliegende Studie anhand von drei Domänen
beurteilt wird: Auswahl der Studiengruppen (Selection Domain), Vergleichbarkeit der
Gruppen (Comparability Domain) sowie Erfassung der Exposition von Interesse (bei Kohortenstudien)
oder bei Fall-Kontroll-Studien Erfassung des Outcomes von Interesse (Outcome/Exposure
Domain). Für die Outcome Domain Punkt 3 „Adequacy of follow up of cohorts“ wurde festgelegt,
dass ≥ 10 % Loss to follow up kritisch sind.
Sowohl für Kohortenstudien als auch für Fall-Kontroll-Studien ist eine maximale Anzahl
von neun Sternen möglich. Für diese Leitlinie wurde ein hohes Bias-Risiko festgestellt,
wenn eines der nachfolgenden Szenarien festgestellt wurde:
0 oder 1 Stern in der Selection Domain
0 Sterne in der Comparability Domain
0 oder 1 Stern in der Outcome/Exposure Domain
Dieses Vorgehen orientiert sich an dem Vorschlag der Agency for Healthcare Research
and Quality (AHRQ) [5 ] zur Konvertierung der NOS in die AHRQ-Standards (good, fair and poor).
Zur Einschätzung der Qualität von Diagnostic Accuracy Studien fand das QUADAS-2 Tool
[6 ] Anwendung. Das QUADAS-2 Tool umfasst sieben Fragestellungen in den vier Domänen
Patient selection, index text, reference standard sowie flow and timing.
Es erfolgte keine abschließende Bewertung bzw. Abwertung. Sofern ein Bias-Risiko für
eine der sieben Fragen festgestellt wurde, so wurde dies im Notes Bereich der Evidenztabellen
entsprechend dokumentiert.
Zur Einschätzung der Qualität von Case Series wurde die Checkliste des Joanna Briggs
Instituts (JBI) für Case Series [7 ] angewendet. Die Checkliste umfasst zehn Fragestellungen mit ja, nein, unklar/trifft
nicht zu Optionen. Es erfolgte keine abschließende Bewertung bzw. Abwertung. Sofern
ein Bias-Risiko für eine der zehn Fragen vorlag, wurde dieses entsprechend im Notes
Bereich der Evidenztabellen angemerkt.
2.5.3 GRADE-Bewertung und Erstellung der SOF-Tabellen
Im Anschluss an die AMSTAR II Bewertung der Übersichtsarbeiten bzw. die RoB-Bewertung
der Einzelstudien erfolgte die GRADE Bewertung.
Die in den systematischen Reviews inkludierte Evidenz wurde hierbei für jeden Ergebnisparameter
über alle Einzelstudien hinweg beurteilt.
Die Evidenz der recherchierten Einzelstudien wurde ebenfalls für jeden Ergebnisparameter
über alle Einzelstudien hinweg beurteilt.
Nach dem GRADE Ansatz beginnen Diagnostische Studien und RCTs zunächst mit einer hohen
Qualität, während Beobachtungsstudien zunächst als niedrige Qualität eingestuft werden.
Zudem können fünf Faktoren dazu führen, dass die Qualitätsbewertung weiter herabgestuft
wird:
In der nachfolgenden Tabelle ([Tab. 5 ]) werden die Faktoren, die in dieser Leitlinie zu einem Herabstufen der Evidenz geführt
haben, näher dargestellt/charakterisiert.
Tab. 5
Herabstufung der Evidenz
Kriterium
Herabstufung der Evidenz
Risk of Bias der Einzelstudien
Systematische Reviews/Meta-Analysen:
Voraussetzung: Systematisches Review/Meta-Analyse hat eine RoB-Bewertung der inkludierten
Einzelstudien durchgeführt. War diese Voraussetzung nicht erfüllt, so konnte die vorliegende
Publikation der GRADE Bewertung nicht zugeführt werden.
Einzelstudien:
Cochrane RoB-Tool für RCTs, New-Castle Ottawa Scale (NOS) für Kohorten- und Fall-Kontrollstudien,
JBI Checklist für Case Series, QUADAS-2 Tool für Diagnostic Accuracy Studien
Herabstufen um
− 1 schwerwiegendes Bias-Risiko
− 2 sehr schwerwiegendes Bias-Risiko
Inkonsistenz
Herabstufung erfolgte nur bei nicht-erklärbarer Heterogenität
Meta-Analysen:
Orientierung am Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions version
6.0 [8 ]
0 % to 40 %: might not be important
30 % to 60 %: may represent moderate heterogeneity
50 % to 90 %: may represent substantial heterogeneity
75 % to 100 %: considerable heterogeneity.
− 1 schwerwiegende Inkonsistenz − 2 sehr schwerwiegende Inkonsistenz
Einzelstudien:
Es wurde geprüft, ob die beobachteten Effekte bzw. Ergebnisse der verschiedenen identifizierten
Einzelstudien in ähnliche Richtungen zeigen, oder ob eine bedeutsame, nicht erklärbare
Heterogenität zwischen den Studien sichtbar ist. War dies der Fall, wurde im Einzelfall
entschieden, ob eine Abwertung aufgrund von Heterogenität erforderlich ist oder die
Heterogenität durch Unterschiede in der Population, Intervention, Outcomes oder Studienqualität
erklärbar ist.
Indirekte Evidenz
Orientierung an den PICO-Fragen
− 1 schwerwiegende Indirektheit − 2 sehr schwerwiegende Indirektheit
Unpräzise Ergebnisse
Herabstufung bei
Weiten Konfidenzintervallen
Konfidenzintervallen, die keinen Effekt einschließen (Effektschätzer sollte 1 nicht
schneiden)
− 1 schwerwiegende unpräzise Ergebnisse − 2 sehr schwerwiegende unpräzise Ergebnisse
Publication Bias
Eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Publication Bias erfolgte
bei Meta-Analysen erst ab mindestens zehn eingeschlossenen Studien
− 1 wahrscheinlich Für Einzelstudien wurde keine Analyse auf Publication Bias durchgeführt.
Diese fünf Domänen sind in den Summary-of-Findings Tabellen mit den jeweiligen Begründungen
zur Entscheidung für oder gegen ein Herabstufen dargestellt.
Zudem kann die Qualitätsbewertung aufgrund der nachfolgenden drei Faktoren heraufgestuft
werden (sofern zuvor keine Abwertungen erfolgten):
Große, konsistente Effekte
Dosis-Wirkungs-Beziehung
Confounder, die den Effekt wahrscheinlich reduziert haben
Am Ende der Bewertung wurde die Qualität der Evidenz für jedes Outcome als HOCH (HIGH),
MODERAT (MODERATE), NIEDRIG (LOW) oder SEHR NIEDRIG (VERY LOW) beschrieben ([Abb. 2 ]). Die Beurteilung der Qualität wurde studienübergreifend für jeden kritischen Endpunkt
vorgenommen und kann sich je nach Endpunkt unterscheiden.
Abb. 2 GRADE – Qualität der Evidenz [1 ]. [rerif]
Bereits bestehende GRADE Bewertungen der Autoren von Übersichtsarbeiten wurden nach
vorheriger Prüfung übernommen und für diese Leitlinie aufgearbeitet.
Zum Schluss wurden die GRADE Bewertungen der Übersichtsarbeiten und der recherchierten
Einzelstudien für die einzelnen PICO-Fragen zu einer gemeinsamen, übergreifenden GRADE
Bewertung narrativ in einem gemeinsamen Dokument zusammengefasst.
Die zusammengefassten narrativen GRADE Bewertungen inklusive der Summary-of-Findings
Tabellen der Übersichtsarbeiten sowie der Einzelstudien sind im Supplement (Kapitel 4) beigefügt.
2.5.4 Erstellung von Evidenztabellen
Aus allen eingeschlossenen Übersichtsarbeiten und Einzelstudien wurden nach der Bewertung
die wichtigsten Daten extrahiert. Diese beinhalten eine Beschreibung der Population,
Intervention/Exposure, Endpunkte, Resultate inklusive Zahlenwerte und Konklusion der
Autoren. Zudem wurden bei den Übersichtsarbeiten die Ergebnisse der AMSTAR II Bewertung
sowie der GRADE Summary-of-Findings Tabellen kurz dargestellt. Bei den Einzelstudien
finden sich ebenfalls die Ergebnisse der RoB- bzw, der NOS-, QUADAS- oder JBI-Bewertung
wieder.
Diese Daten sind in Form von Evidenztabellen geordnet im Leitlinienportal zusammengefasst.
Die Evidenztabellen sind im Supplement (Kapitel 5) zu den jeweiligen PICO-Fragen dargestellt. Ebenfalls wurden Inhaltsverzeichnisse
zu den Evidenztabellen erstellt. Diese beinhalten eine Auflistung der Literaturstellen
der zugeordneten Literatur und die Angabe des Studientypes.
2.6 Formulierung der Empfehlungen und strukturierte Konsensfindung
Auf Grundlage der Recherche, Auswahl und Bewertung der Evidenz wurden die Empfehlungen
und Hintergrundtexte durch die Arbeitsgruppen erarbeitet und zunächst im E-Mail-Umlaufverfahren
mit den Koordinierenden abgestimmt. Die Graduierung der Empfehlungen erfolgte über
die Formulierung soll, sollte, kann und den Empfehlungsgrad A, B, 0.
Anschließend wurden alle Empfehlungen, auch die Empfehlungen, die unverändert aus
der alten Leitlinie übernommen wurden (entsprechend mit „geprüft 2023“ gekennzeichnet),
in einem knapp vierwöchig andauernden Delphiverfahren von allen Leitlinienmitarbeitenden
mithilfe einer 3-stufigen Entscheidungsskala abgestimmt (ja, Enthaltung, nein). Zu
Empfehlungen, die nicht mit „ja“ abgestimmt wurden, musste ein begründender Kommentar
hinterlegt werden. Empfehlungen, die zu über 95 % mit „ja“ abgestimmt wurden, konnten
bereits zu diesem Zeitpunkt verabschiedet werden.
Die Kommentare und Änderungsvorschläge der Delphirunde wurden von den Arbeitsgruppen
und den Koordinierenden gesichtet und die Empfehlungen überarbeitet. In einer strukturierten,
an vier Nachmittagen stattfindenden Konsensuskonferenz (online) unter Moderation von
Frau Dr. Ina B. Kopp (AWMF) stellten die AG-Leitenden die überarbeiteten Empfehlungen
vor. Diese wurden nach den Prinzipien der NIH (National Institutes of Health) Konferenz
besprochen und abgestimmt: Präsentation im Gesamtplenum unter Berücksichtigung der
Kommentare und ggf. Erläuterungen durch die AG-Leitenden, Aufnahme von Stellungnahmen
und ggf. Änderung, Abstimmung, Festschreiben des Ergebnisses.
Diskutiert und abgestimmt wurden:
alle Empfehlungen, die in der Delphirunde weniger als 95 % Zustimmung erhalten hatten
Empfehlungen, die inhaltlich verändert wurden
Empfehlungen, die bereits in der Delphirunde verabschiedet worden waren, aber aufgrund
von Dopplungen oder zur Verbesserung der inhaltlichen Stringenz der Leitlinie in den
Kommentar verschoben wurden
Empfehlungen, die in der Delphirunde nicht verabschiedet worden waren und in den Kommentarteil
verschoben werden sollten
neue Empfehlungen
Empfehlungen, die zu über 95 % mit „ja“ abgestimmt wurden und zu denen keine Änderungsvorschläge
vorlagen, konnten bereits zu diesem Zeitpunkt als konsentiert gewertet werden.
Die Konsensstärke wurde gemäß [Tab. 4 ] festgelegt.
Im Anschluss an die Konsensuskonferenz erfolgte die finale Überarbeitung der Hintergrundtexte
durch die Arbeitsgruppen und die redaktionelle Zusammenstellung der Leitlinie.
Die Erstellung der Leitlinie zu den autoimmunen Lebererkrankungen wurde durch ein
besonderes Ereignis noch einmal verzögert. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA)
hatte Ende Juni 2024 die Empfehlung ausgesprochen, die Zulassung von Obeticholsäure
als Zweitlinientherapie der PBC für den europäischen Markt zurückzunehmen.
Angesichts der EMA- und FDA-Prüfung der Zulassung von Obeticholsäure als Zweitlinientherapie
der PBC wurde die Empfehlung 3.10 angepasst und in einer kurzen Konsensuskonferenz
online abgestimmt. Anschließend wurde der Hintergrundtext entsprechend finalisiert
und das Freigabeverfahren eröffnet.
2.7 Zeitplan
Januar 2021
Anmeldung bei der AWMF
Januar 2021
Beauftragung der Koordinierenden durch die DGVS
März 2022
Einladung der zu beteiligenden Fachgesellschaften und Expert*innen
22. April 2022
Kickoff-Treffen (online)
Januar 2022 – November 2022
Systematische Recherche, Screening und Bewertung der Evidenz
Oktober 2022 – Februar 2023
Erstellung/Überarbeitung der Empfehlungen und Hintergrundtexte
März 2023 – April 2023
Delphi-Verfahren
April 2023 – Mai 2023
Überarbeitung der Empfehlungen
02. – 04. Mai 2023
14. Juni 2023
Konsensuskonferenz (online)
August 2023 – August 2024
Erstellung Gesamtmanuskript
20. September 2024
Konsensuskonferenz (online)
Oktober 2024
Freigabeverfahren