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DOI: 10.1055/a-2561-9799
Positionspapier zur KI in der Radiologie


Berufsverband der Dt. Radiologie e. V./RadiologenGruppe 2020
Die Radiologie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen, personalisierten Medizin. Radiologische Verfahren zur Diagnosefindung, Therapieplanung und Therapieüberwachung sind aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Gleichsam steht die Radiologie vor großen Herausforderungen. Kennzeichnend hierfür ist eine immer größer werdende Schere zwischen einer exponentiell steigenden Datenflut gegenüber einer nur minimal ansteigenden Anzahl an Radiologen. So wurden beispielsweise laut dem Bundesamt für Strahlenschutz 2018 in Deutschland ca. 130 Millionen Röntgen-Untersuchungen durchgeführt. Die Zahl der CT-Untersuchungen stieg exemplarisch von 2007 auf 2018 im ambulanten Sektor und stationär um bis zu 80 % an [1] – bei zusätzlich steigender Anzahl von Bildern pro Untersuchung. Dem stehen aber laut Bundesärztekammer nur ca. 9.300 Radiologinnen und Radiologen gegenüber, die ist Tendenz mit ca. 2 % von exemplarisch 2019 auf 2020 nur gering steigend [2].
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Die Radiologie als technisches Querschnittsfach erzeugt mittels Röntgenstrahlung, oder Magnetresonanz oder Ultraschall Bilder des menschlichen Körpers. Diese Bilder werden sowohl qualitativ als auch quantitativ ausgewertet. Als vollständig digitale Disziplin ist die Radiologie prädestiniert für den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) – nicht nur zur Unterstützung der Bild- und Befunderstellung, sondern auch zur Entlastung in administrativen Bereichen. Darüber hinaus ist sie selbst eine treibende Kraft in der Weiterentwicklung von KI-Technologien.
Die gegenwärtigen personellen Ressourcen in der Radiologie werden zunehmenden klinischen Anforderungen immer schwer gerecht. Mit dem Fachkräftemangel bei gleichzeitiger Zunahme der Nachfrage ergibt sich ein zunehmendes Delta bezüglich der Quantität und Qualität der zu erbringenden diagnostischen Leistungen. Ein effizienter und gezielter Einsatz der KI kann langfristig helfen, diese wachsende Lücke zu schließen.
In Anbetracht dieser Entwicklungen vertreten der BDR und RG20 gemeinsam folgende Standpunkte:
1. Die Radiologie als ausgeprägt technisches Fach war und wird auch in Zukunft immer eine ärztlich geleitete und verantwortete Disziplin sein, bei der die finalen Entscheidungen durch hochqualifizierte Spezialisten getroffen werden. KI kann hierbei lediglich als Entscheidungsunterstützung wirken – etwa durch Teilanalysen im Rahmen der Befunderstellung. Ihre Ergebnisse dürfen nicht unreflektiert übernommen, sondern müssen stets im klinischen Kontext durch radiologische Expertise interpretiert werden.
2. Radiologie und KI sind schon jetzt untrennbar miteinander verwoben: Radiologie definiert KI und wird durch KI-Techniken über die gesamte Patient journey verbessert. So sind z. B. Techniken der MR-Akquisition schon jetzt ohne KI nicht mehr vorstellbar und erlauben daher erst die gewünschte Versorgung in der Breite. Radiologinnen und Radiologen profitieren durch KI-gestützte „Second Readings“, bei denen Verdachtsbefunde zur Unterstützung der Entscheidung automatisch markiert und priorisiert werden. Auch das medizinisch-technische Personal wird durch automatisierte Abläufe entlastet. Die Möglichkeiten, die sich mit neuen bildbasierten Biomarkern und Metadaten für die medizinische Versorgung ergeben, sind in ihrem Impact noch nicht ansatzweise zu erfassen. Weitere Beispiele sind im Anhang aufgeführt.
3. Die Verbesserung der Versorgung durch KI muss von den Kostenträgern übernommen werden. Die bisherige Missachtung des möglichen Einsatzes und der damit verbundenen Kosten durch die Kostenträger schränkt die Qualität der Versorgung ein und führt zu einer Zwei-Klassen Medizin, in der fortschrittliche Techniken nur finanzkräftigen Patienten offenstehen. Dieses Szenario lehnen wir ab und fordern daher, dass zusätzliche Aufwendungen für KI-gestützte Verfahren verpflichtend bei der Leistungsbewertung berücksichtigt werden. Eine gute Gelegenheit dazu stellt darüber hinaus auch die aktuell angedachte Novellierung der GOÄ dar.
4. Aktuell werden KI-Techniken mehr in Großpraxen und Verbünden als in kleineren Praxen angewendet. Um bundesweit eine gleichwertige Versorgung zu gewährleisten, müssen neue Technologien flächendeckend zugänglich gemacht und der Zugang zu neuen KI-Technologien erleichtert werden. Ein deutscher Hub für KI-Anwendungen könnte eine entsprechende Plattform darstellen. Einen ersten Beitrag leistet der Qualitätsring Radiologie (QRR) des BDR mit der geplanten Integration von KI-Plattformen in das Bilddatenaustausch-Tool QRR-PICS.
5. Die Entwicklungen in der KI werden aktuell außerhalb von Europa forciert betrieben und es ist zu erwarten, dass anspruchsvollere und damit meist auch qualitativ bessere Modelle außerhalb des europäischen Datenraums entstehen. Dazu keinen legal möglichen Zugang zu erlauben, wird sich auf die medizinische Versorgung in Deutschland qualitativ und quantitativ einschränkend auswirken. Um im internationalen Vergleich nicht zurückzufallen, muss ein datenschutzkonformer Zugang zu Daten für Forschung und Anwendung in Deutschland und der EU möglich gemacht werden. Ein rein verbotsbasierter Ansatz behindert Innovation und gefährdet die medizinische Versorgung. Der rechtliche Rahmen für die Anwendung von KI in der Medizin muss daher von einer Vorbehalts- und Verbotslogik hin zu einem unterstützenden und ermöglichenden Regelwerk umgebaut werden.
Quellen
[1] www.bfs.de
[2] https://www.gesundheitsmarkt.de
Dieser Text verwendet der besseren Lesbarkeit wegen das generische Maskulin, welches aber alle Geschlechter einschließen soll.
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
13. Mai 2025
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