Schlüsselwörter
Transplantation - Immunsuppression - interdisziplinär
Keywords
transplantation - immune suppression - interdisciplinary
Einleitung
Die Lungentransplantation stellt einen bedeutenden Fortschritt in der modernen Medizin
dar und hat sich seit den ersten erfolgreichen Eingriffen in den späten 1960er-Jahren
kontinuierlich weiterentwickelt. Der erste Lungentransplantationseingriff wurde 1963
von Dr. James D. Hardy an der University of Mississippi durchgeführt. Der Patient
überlebte jedoch nur wenige Tage. Doch trotz dieser frühen Rückschläge markierte dieser
Eingriff den Beginn einer Ära, die von bahnbrechenden Fortschritten in der Chirurgie,
der Medikation und der Transplantationswissenschaft geprägt war. In den 1980er-Jahren
kam die Einführung von Immunsuppressiva, insbesondere des Medikaments Ciclosporin,
als ein wesentlicher Durchbruch. Die verbesserte Kontrolle der Abstoßungsreaktionen
führte zu einer signifikanten Erhöhung der Überlebensraten nach Lungentransplantationen,
was die Anwendung der Transplantation bei Patienten mit schweren, nicht mehr behandelbaren
Lungenerkrankungen ermöglichte.
Zwar gehören nach wie vor die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und die
interstitielle Lungenerkrankung (ILD) zu den häufigsten Gründen für eine Transplantation,
jedoch wurden die Indikationen zunehmend angepasst. Zudem konnte der Donorpool durch
verbesserte Organerhaltungstechniken und erweiterte Transplantationsrichtlinien erheblich
vergrößert werden [1]. Diese Veränderungen spiegeln sich auch in den fortlaufenden Empfehlungen der International
Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT) wider [2]
[3]
[4].
Die ISHLT-Richtlinien, zuletzt im Jahr 2021 überarbeitet [3], definieren erweiterte medizinische und soziale Faktoren der Patienten, die für
eine Lungentransplantation in Betracht gezogen werden. Ein zentrales Anliegen der
aktualisierten Richtlinien ist die Individualisierung der Patientenbewertung, um nicht
nur die Überlebensraten, sondern auch die Lebensqualität und die funktionellen Ergebnisse
nach der Transplantation zu maximieren. Die zunehmende Anerkennung von Faktoren wie
Alter, Begleiterkrankungen, allgemeinem Gesundheitszustand und dem sozialen Hintergrund
des Patienten hat die Entscheidungskriterien für die Transplantation erheblich verändert.
Die Entscheidung über eine Lungentransplantation ist heutzutage nicht mehr ausschließlich
auf das Vorliegen der zugrunde liegenden Lungenerkrankung beschränkt, sondern berücksichtigt
vielmehr eine Vielzahl von Faktoren, die den klinischen Verlauf und den langfristigen
Erfolg der Transplantation beeinflussen können. Die wichtigsten Entwicklungen in den
letzten Jahren betreffen daher vor allem die Einschätzung von Risikofaktoren, wie
etwa Begleiterkrankungen, die Gebrechlichkeit des Patienten (Frailty) [5], den sozialen Hintergrund und die Lebensqualität des Patienten.
In Bezug auf Infektionskrankheiten, wie etwa multiresistente Erreger oder chronische
Virusinfektionen (Humanes Immundefizienz-Virus [HIV], Hepatitis), berücksichtigt die
neue Richtlinie die Fortschritte in der medizinischen Behandlung, die mittlerweile
auch bei diesen Patienten erfolgreiche Transplantationsergebnisse ermöglichen [6]. Dies führt zu einer inklusiveren Haltung gegenüber solchen Patientengruppen [7]
[8].
Ein weiterer Fortschritt in den neuen Richtlinien betrifft die Handhabung von Krebserkrankungen
in der Vorgeschichte von Transplantationskandidaten. Früher wurden Patienten mit einer
Tumorerkrankung oft pauschal von der Transplantation ausgeschlossen. Heute wird jedoch
ein differenzierterer Ansatz verfolgt, der je nach Art des Tumors und dem Rezidivrisiko
eine individuellere Entscheidungsfindung ermöglicht [9].
Altersgrenze
Ein wichtiger Punkt der aktualisierten Richtlinien bezieht sich auf die Altersgrenze
für die Lungentransplantation. Während frühere Richtlinien bei Patienten über 70 Jahren
eher von einer Lungentransplantation abrieten, zeigen die neuesten Daten, dass sorgfältig
ausgewählte ältere Patienten auch nach einer Lungentransplantation vergleichbare Ergebnisse
wie jüngere Patienten erzielen können. Es wird erwartet, dass die Ergebnisse bei älteren
Patienten durch eine sorgfältige Risikobewertung und Optimierung der Begleiterkrankungen
weiter verbessert werden können. Auch wenn Empfänger über 70 Jahre ein geringeres
Langzeitüberleben aufweisen, sollte das biologische Alter zusammen mit den anderen
Risikofaktoren bewertet werden [10]
[11].
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Insbesondere bei Patienten mit schwerer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
wird ein zunehmend differenzierterer Ansatz verfolgt. Die ISHLT-Richtlinien empfehlen,
dass Patienten mit fortgeschrittener COPD, die jedoch noch nicht unmittelbar gefährdet
sind, frühzeitig eine spezialisierte Transplantationsberatung erhalten. Dies betrifft
insbesondere Patienten, bei denen zusätzlich pulmonale Hypertonie, Hyperkapnie, schwere
Exazerbationen oder eine schnelle Verschlechterung der Lungenerkrankung festgestellt
werden. Bei bestimmten Patienten mit COPD kann eine Lungenvolumenreduktion (LVR) vorübergehend
zu einer Verbesserung des Krankheitsverlaufs führen, ohne dass dies langfristig negative
Auswirkungen auf das Überleben nach einer späteren Transplantation hat. Es ist jedoch
Vorsicht bei der Auswahl dieser Patienten geboten, um mögliche postoperative Komplikationen
wie Infektionen zu minimieren [12].
Verdächtige pulmonale Rundherde
Verdächtige pulmonale Rundherde
Patienten mit verdächtigen pulmonalen Rundherden sollten nicht grundsätzlich von einer
Lungentransplantation (LuTx) ausgeschlossen werden. In einer retrospektiven Analyse
wurden bei 6,9% der LuTx-Patienten solche Rundherde festgestellt, von denen sich lediglich
17,3% als maligne erwiesen. Selbst bei Nachweis eines Frühstadiums eines Lungenkarzinoms
in der explantierten Lunge zeigte sich ein akzeptables Langzeitüberleben. Die 5-Jahres-Überlebensrate
betrug 73,1% für Patienten ohne verdächtige Rundherde und 59,2% bei Patienten mit
bestätigtem Malignom [13]. Eine engmaschige bildmorphologische Kontrolle, z. B. im Rahmen der 3-monatlichen
LAS-Updates (LAS: Lung Allocation Score), ist jedoch empfehlenswert.
Idiopathische pulmonale Fibrose
Idiopathische pulmonale Fibrose
Die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) stellt eine weitere häufige Indikation für
Lungentransplantationen dar. Antifibrotische Medikamente wie Nintedanib und Pirfenidon
haben in den letzten Jahren den Krankheitsverlauf verlangsamt und auch die Zahl der
akuten Exazerbationen reduziert. Dennoch bleibt die Transplantation für Patienten
mit fortgeschrittener IPF oft die einzige Option, da diese Medikamente nicht direkt
die Mortalität beeinflussen. In diesem Zusammenhang empfiehlt die ISHLT weiterhin
eine frühe Überweisung von IPF-Patienten zur Transplantationsbewertung, um ihnen die
Möglichkeit zu geben, von einer Lungentransplantation zu profitieren, bevor eine akute
Exazerbation auftritt. Patienten mit Bindegewebserkrankungen (CTD-ILD: Connective
Tissue Diseases – z. B. systemische Sklerose [Sklerodermie], rheumatoide Arthritis,
Dermatomyositis/Polymyositis und Mischkollagenose) wird eine Lungentransplantation
grundsätzlich nicht verweigert, jedoch sollte eine gründliche und
sorgfältige Evaluierung durchgeführt werden [2].
Acute Respiratory Distress Syndrome
Acute Respiratory Distress Syndrome
Ein weiterer zentraler Aspekt der ISHLT-Richtlinien ist der Einsatz von Lungentransplantationen
bei Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS), insbesondere infolge schwerer Virusinfektionen
wie COVID-19. Seit 2020 wurden bilaterale Lungentransplantationen für COVID-19-assoziiertes
ARDS dokumentiert [14]. Wann der richtige Zeitpunkt für eine LuTX bei ARDS ist, wird immer noch kontrovers
diskutiert. Es wird empfohlen, mindestens 4–6 Wochen nach Beginn des Atemversagens
abzuwarten, bevor eine Transplantation erwogen wird. In Deutschland stellt das „Bridging
to Transplantation“ für Patienten, die zuvor nicht umfassend evaluiert wurden, eine
Abweichung von den bestehenden Richtlinien dar. Solche Entscheidungen müssen gemäß
den Vorgaben der Bundesärztekammer (BÄK) gemeldet werden.
In einer Analyse von Daten aus 3 großen europäischen Transplantationszentren zeigte
sich, dass Virusinfektionen die Hauptursache für ARDS waren. Alle Patienten benötigten
mechanische Beatmung und ECMO-Unterstützung. Die postoperative Beatmungsdauer betrug
im Median 33 Tage, und 30 Tage nach der Transplantation lag die Mortalität bei 7,7%.
Die 1- und 5-Jahres-Überlebensraten betrugen 71,6% bzw. 54,2%. Auch wenn die Überlebensraten
schlechter sind als in der normalen Lungentransplantationskohorte, sollte die LuTX
als lebensrettende Option für sorgfältig ausgewählte ARDS-Patienten angesichts fehlender
alternativer Behandlungsmöglichkeiten nicht vorenthalten werden [15].
Faktoren für ein positives Ergebnis nach Transplantation:
-
jüngeres Alter
-
keine Vorerkrankungen
-
keine extra-pulmonalen Organdysfunktionen
-
Verwendung von ECLS (Extracorporeal Life Support) als Brücke zur Transplantation
-
pulmonale Ursache des ARDS
Die Transplantation und perioperative Betreuung sind jedoch komplex und sollten nur
in erfahrenen Zentren durchgeführt werden. Im Optimalfall erfolgt die Behandlung unter
„Awake ECMO“, wobei der Patient während der extrakorporalen Membranoxygenierung wach
bleibt, was eine schnellere Mobilisierung und eine Prähabilitation ermöglicht.
Mukoviszidose
Die Mukoviszidose (CF) stellte ebenfalls eine wichtige Indikation für Lungentransplantationen
dar. Zwar hat die Einführung von hochwirksamen Medikamenten wie Elexacaftor/Tezacaftor/Ivacaftor
(ETI) in den letzten Jahren die Zahl der Lungentransplantationen bei CF-Patienten
signifikant verringert, jedoch bleibt die Lungentransplantation weiterhin relevant
für Patienten, deren Krankheit trotz der Therapie bei selteneren Mutationen oder Therapieabbruch/Unverträglichkeit
fortschreitet [16].
Pulmonale arterielle Hypertonie
Pulmonale arterielle Hypertonie
Ein weiteres bedeutendes Thema ist die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH), bei
der die bilaterale Lungentransplantation für therapieresistente Erkrankungen als bevorzugte
Methode für die Behandlung gilt. Die bilaterale Lungentransplantation erzielt ähnliche
Ergebnisse wie eine kombinierte Herz-Lungen-Transplantation, weshalb sie laut den
ISHLT-Konsensdokumenten (2014, 2021) die bevorzugte Methode für PAH-Patienten ist.
In Fällen, in denen eine kardiale Ursache vorliegt, die operativ korrigiert werden
kann, wird eine bilaterale Lungentransplantation mit chirurgischer Reparatur bevorzugt,
anstelle einer kombinierten Herz-Lungen-Transplantation [17]. Eine Analyse von Patienten mit Eisenmenger-Syndrom zeigte, dass eine bilaterale
Lungentransplantation mit Reparatur bei Vorliegen eines Vorhofseptumdefekts bessere
Überlebensraten ergab. Hingegen war dies bei einem Ventrikelseptumdefekt nicht der
Fall, was
darauf hindeutet, dass in solchen komplexeren Fällen eine kombinierte Herz-Lungen-Transplantation
in Erwägung gezogen werden kann [18].
Obwohl die Einführung des Lung Allocation Score (LAS) weitgehend als Erfolg gewertet
wird, hatte sie unbeabsichtigte Folgen für Patienten mit pulmonaler arterieller Hypertonie
(PAH). Die zur Berechnung des LAS herangezogenen Parameter – wie forcierte Vitalkapazitat
(FVC), Sauerstoffbedarf und Anstieg des Kohlendioxidgehalts – sind bei PAH häufig
nur geringfügig verändert, was dazu führt, dass diese Patienten im Verhältnis zur
Schwere ihrer Erkrankung einen vergleichsweise niedrigen LAS erhalten. Pulmonale arterielle
Hypertonie war die einzige Krankheitsgruppe, bei der die Mortalität auf der Warteliste
nach Einführung des LAS nicht gesenkt wurde [19]. Tatsächlich waren PAH-Patienten nach der Einführung des LAS die Gruppe, die am
wahrscheinlichsten auf der Warteliste starb und am wenigsten wahrscheinlich transplantiert
wurde.
Trotz der Seltenheit als Diagnosegrund für eine Transplantation stellen PAH-Patienten
die Mehrheit der Ausnahmeanträge (Exceptional Lung Allocation Score, eLAS). Bemerkenswert
ist, dass Patienten mit PAH, deren Ausnahmeanträge abgelehnt wurden, eher auf der
Warteliste sterben als diejenigen, deren Antrag genehmigt wurde – ein Unterschied,
der bei anderen Diagnosen nicht zu beobachten ist.
In der Zukunft könnte die Kombination aus einem verfeinerten LAS (Lung Composite Allocation
Score), der ebenfalls eine Vorimmunisierung berücksichtigt, und neuen gezielten Therapien
wie Sotatercept nicht nur die Präzision bei der Zuteilung von Transplantationen erhöhen,
sondern auch die Notwendigkeit einer Transplantation bei gut kontrollierter PAH reduzieren
[20]
[21].
Retransplantationen
Basierend auf der ISHLT-Registry wurden 1597 Patienten retransplantiert. Seit 2005
machten Retransplantationen etwa 4–6% der Transplantationen aus. Rund 68% der Retransplantationen
erfolgten mehr als 2 Jahre nach der ersten Transplantation, 9,4% innerhalb der ersten
90 Tage. Das 1-Jahres-Überleben lag bei 73,8%. Eine große retrospektive Analyse identifizierte
3 wichtige Risikofaktoren für die Mortalität im 1. Jahr: das Intervall zwischen den
Transplantationen, das Alter und die Notwendigkeit einer mechanischen Ventilation
vor der Retransplantation. Patienten, die bei beiden Transplantationen eine bilaterale
Transplantation erhielten, hatten eine bessere Überlebensrate als diejenigen, die
eine Einzeltransplantation erhielten [22].
Die Studie betont die Bedeutung von Interzentrumsunterschieden und schlägt vor, spezifische
Allokationsscores für Retransplantationen zu entwickeln. Insgesamt zeigen die Ergebnisse,
dass Lungentransplantationen bei Retransplantationen eine zufriedenstellende, jedoch
geringere Überlebensrate im Vergleich zu Ersttransplantationen aufweisen. Zukünftige
Studien und kontinuierliche Datensammlung sind entscheidend, um die besten Praktiken
für Retransplantationen zu identifizieren [22].
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass die 2021 aktualisierten ISHLT-Richtlinien den
Fortschritt in der Lungentransplantation der letzten Jahrzehnte widerspiegeln. Seit
den aktualisierten Richtlinien wurden in der klinischen Praxis zunehmend Risikofaktoren
berücksichtigt, die Indikationen erweitert und ein individualisierter Ansatz verfolgt,
was dazu beigetragen hat, Lungentransplantationen für immer mehr Patienten zu einer
realistischen Option zu machen. Neben dem medizinischen Erfolg sollte jedoch auch
die Lebensqualität der Patienten nach der Transplantation sowie die psychosozialen
Aspekte nicht unbeachtet bleiben. Viele Patienten erleben eine Verbesserung der Lebensqualität,
aber Herausforderungen wie Ängste vor Abstoßung, Infektionen und die Anpassung an
die Langzeitmedikation sind ebenfalls häufig. Psychosoziale Unterstützung durch ein
interdisziplinäres Team ist entscheidend, um das Wohlbefinden der Patienten langfristig
zu fördern.