Schlüsselwörter
Lungentransplantation - extrakorporale Membranoxygenierung - Atemwegschirurgie
Keywords
lung transplantation - extracorporale membrane oxygenation - airway surgery
Einleitung
Extrakorporale Verfahren, insbesondere die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO),
haben in verschiedensten Bereichen der Medizin Einzug gehalten. Die Technologie
bietet
je nach Anwendung einen temporären Ersatz des pulmonalen Gasaustausches sowie eine
hämodynamische Stabilisierung der Patient*innen. Anfänglich mit überschaubaren
Ergebnissen eingesetzt, hat sich das Anwendungsspektrum des extrakorporalen
Lungenersatzes in den letzten Jahrzehnten erheblich erweitert, auch dank technischer
Fortschritte wie optimierten Oxygenatoren, heparinbeschichteten Schlauchsystemen
und
verbesserten Pumpen [1].
Im Kontext der Lungentransplantation spielt die ECMO prä-, intra- und postoperativ
eine zunehmend zentrale Rolle [2]. Beim „Bridging“ zur Transplantation ist die ECMO oft die
einzige Möglichkeit, Patient*innen zu stabilisieren, bis ein geeignetes Spenderorgan
zur
Verfügung steht. Idealerweise werden Patient*innen unter laufender ECMO-Unterstützung
wach geführt und mobilisiert. Intraoperativ hat die ECMO die Herz-Lungen-Maschine
(HLM)
weitgehend ersetzt und ermöglicht eine schonendere und dennoch sichere Transplantation,
selbst bei komplexen Patient*innen. Auch postoperativ ist die ECMO essenziell,
um bei
initial schlechter Graft-Funktion oder kardiorespiratorischer Instabilität die
Patient*innen zu stabilisieren und dennoch lungenprotektive Strategien zu verfolgen.
Auch in anderen Aspekten der Thoraxchirurgie, wie erweiterten Resektionen und
Atemwegseingriffen, hat die ECMO einen festen Stellenwert und findet breite
Anwendung.
Nachfolgend werden grundlegende ECMO-Konfigurationen und deren Anwendungen im Kontext
der Lungentransplantation sowie der allgemeinen Thoraxchirurgie beleuchtet.
Konfigurationsarten
Venovenöse ECMO
Die venovenöse (VV) ECMO ist das Standardverfahren im respiratorischen Versagen
([Abb. 1]). Mit
entsprechend dimensionierten Kanülen kann ein vollständiger Lungenersatz erreicht
werden. Während Blutflussraten bis 1,5 l/min für eine effektive Decarboxylierung
i. d. R. ausreichen, sind für einen zusätzlichen Oxygenierungseffekt höhere
Blutflüsse notwendig [3]. Systeme zur reinen Decarboxylierung (sog. Extracorporeal
CO2-Removal – ECCO2R) finden aufgrund der limitierten
Blutflussrate, insbesondere im Kontext der Lungentransplantation, mittlerweile
wenig
Anwendung, obwohl der Einsatz sog. „Higher-Extraction Devices“ (Blutfluss
> 0,5 l/min) zum Bridging bei primär hyperkapnischem Lungenversagen teils
vielversprechende Erfolge erbringen konnte [4].
Abb. 1 Verschiedene ECMO-Konfigurationen und deren Anwendung. Die ECMO kann in
speziellen Situationen auch um zusätzliche Verfahren (*), wie etwa eine
Impella erweitert werden.
Die Standardkonfiguration der VV ECMO in den meisten Zentren ist eine femorale
Drainagekanüle und eine juguläre rückführende Kanüle, wenn auch vereinzelt die
jugulofemorale Betriebsart gewählt wird. Diese werden typischerweise in
Seldinger-Technik eingebracht. Die Verwendung des Ultraschalls vor, während und
nach
der Kanülierung ist mittlerweile als Standard anzuerkennen. Bei fehlenden
Kanülierungsmöglichkeiten der oberen Körperhälfte findet eine femorofemorale VV
ECMO
Anwendung. Hier werden 2 unterschiedlich lange und verschieden designte Kanülen
über
die linke und rechte V. femoralis eingebracht. Die kürzere, distal gelegene Kanüle
dient zur Drainage, wohingegen die längere, rückführende Kanüle weiter zentral
in
der V. cava inferior zu liegen kommt. Wie auch bei der femorojugulären VV ECMO
sollte zwischen den Kanülenspitzen zumindest 5–10 cm Abstand eingehalten werden,
um
eine Rezirkulation zwischen den Kanülen zu vermeiden.
Eine Sonderform der VV ECMO-Kanülierung stellen die Doppellumenkanülen dar ([Abb. 2]). Durch 2 Lumina
innerhalb einer Kanüle mit entsprechenden Ansaug- und Auslassöffnungen kann eine
VV
ECMO-Unterstützung mit lediglich einer Kanüle durchgeführt werden. Zur Kanülierung
wird typischerweise die rechte V. jugularis verwendet und die Kanülenspitze bis
in
die V. cava inferior eingeführt. Hierzu bedarf es entsprechender Bildgebung, um
ein
akzidentielles Vorschieben in den rechten Ventrikel auszuschließen und die korrekte
Positionierung zu ermöglichen. Zur Visualisierung sind transthorakaler Ultraschall,
transösophagealer Ultraschall, Durchleuchtung oder repetitive Röntgenaufnahmen
je
nach Institution und Verfügbarkeit geeignet [5]. Da nur eine einzige
ausreichend große Vene zugänglich sein muss, eignet sich diese Kanülierungsart
besonders für Patient*innen mit sehr limitierten Zugangsmöglichkeiten. Kürzlich
wurde die bisher größte Serie mit „atypischen“ Kanülierungslokalisationen für
Doppellumenkanülen (d. h. V. subclavia, V. jugularis links, V. femoralis)
publiziert, wobei es zu keinen kanülierungsassoziierten Komplikationen kam [6].
Abb. 2 In einem wachen Bridge-to-transplant-Konzept, hier mit einer über die
linke V. jugularis eingebrachten Doppellumenkanüle, kann eine
Dekonditionierung durch Physiotherapie und durch aktive Interaktion mit dem
Umfeld weitgehend verhindert werden.
Eine Limitierung der VV ECMO, insbesondere bei ausgeprägten Lungenerkrankungen,
ist die Rechtsherzbelastung und pulmonale Hypertension. Diese kann bereits
vorbestehen oder sich oft auch im Verlauf der VV ECMO-Therapie deutlicher ausprägen.
Mehrere ECMO-Strategien kommen hier als mögliche Lösung infrage. Einerseits kann
durch den Decarboxylierungseffekt eines VV Systems bereits eine gewisse Senkung
des
pulmonalarteriellen Drucks erwartet werden [7]. Um den Lungenkreislauf und das
Rechtsherz jedoch aktiv zu entlasten, ist eine venoarterielle (VA) oder
venoarteriovenöse (VAV) ECMO zu etablieren bzw. ein laufendes System entsprechend
umzukonfigurieren; auf diese wird in den nachfolgenden Abschnitten eingegangen.
Andere Möglichkeiten sind das interventionelle Setzen eines Atriumseptumdefekts,
um
einen Rechts-links-Shunt zu erzeugen [8]. Eine ECMO-Variante mit
Rechtsherzunterstützung stellt auch die Kanülierung mittels Protek-Duo
(CardiacAssist Inc., Pittsburgh, PA, USA) dar. Diese Doppellumenkanüle wird über
die
V. jugularis bis in den Hauptstamm der Pulmonalarterie eingebracht, wird daher
als
venopulmonale (VP) ECMO bezeichnet und erlaubt dadurch eine Rechtsherzunterstützung
[9].
Aufgrund der Komplexität beider Verfahren bzw. der erst sehr rezenten Beschreibung
sind diese bisher weniger verbreitet als die einfacher durchzuführende VA
ECMO.
Venoarterielle ECMO
Die VA ECMO bietet hämodynamische Unterstützung prinzipiell für Patient*innen mit
oder ohne Lungenversagen. Verschiedene periphere und zentrale Kanülierungsarten
sind
etabliert und finden je nach Situation Anwendung. Peripher wird meist femorofemoral
in Seldinger-Technik oder in teilchirurgischer Technik (sog. „Cut-down“) kanüliert.
Aus der V. cava inferior wird Blut entnommen und anschließend über die rückführende
Kanüle in die Aorta retrograd re-infundiert. Nachteil der peripheren VA ECMO liegen
zum einen in kanülierungsassoziierten Komplikationen, wie z. B. Thromboembolien,
Gefäßverletzungen und -verschlüssen, Blutungen und Wundinfektionen. Zum anderen
kann
es insbesondere bei Patient*innen mit respiratorischem Versagen, aber vorhandener
linksventrikulärer Funktion zum sog. Harlequin-Phänomen kommen. Am Ort des
Zusammentreffens beider Blutflüsse (d. h. des retrograden ECMO-Blutflusses
einerseits und des genuinen kardialen Auswurfes andererseits) entsteht ein
Umschlagpunkt in Form einer Wasserscheide. Je nach deren Lokalisation werden manche
aortalen Gefäßabgänge entweder mit gut gasausgetauschtem ECMO-Blut oder andere
mit
unzureichend oxygeniertem Blut aus dem linken Ventrikel versorgt. Diese
Wasserscheide zwischen gut oxygeniertem und weniger oxygeniertem Blut kann sich
durch verschiedene Einflussfaktoren verschieben und muss daher rechtzeitig erkannt
werden. Als Grundregel sollte bei Patient*innen mit VA ECMO daher die Pulsoxymetrie
sowie die arterielle Blutentnahme am rechten Arm erfolgen. Hirnsättigungsmonitoring,
z. B. mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS), kann unter Kenntnis ihrer
Limitationen ebenso zusätzliche Hinweise auf ungleiche Durchblutung liefern wie
kontrastmittelgestützter Gefäßultraschall [10]
[11].
Zusätzlich wird meist eine antegrade, kleinlumige arterielle Kanüle in die A.
femoralis eingebracht, um eine Beinischämie zu vermeiden. Ein pulsoxymetrisches
und
klinisches Monitoring der Beinreperfusion ist ebenfalls obligat.
Bei zentraler VA ECMO kann ein Harlequin-Phänomen vermieden werden, da der
rückführende Schenkel der ECMO in die Aorta ascendens eingebracht wird. Nachteil
ist
wiederum der chirurgische Zugang, wobei Thorakotomie, Sternotomie oder
Clamshell-Inzision allesamt geeignet sind, um eine zentrale VA ECMO zu etablieren.
Eine Sonderform stellt die sog. „Sport“-Konfiguration dar. Hierbei wird z. B.
aus
der V. jugularis venöses Blut drainiert und über einen Graft an der A. subclavia
das
oxygenierte Blut rückgeführt. Neben spezifischen Komplikationen wie die des
Hyperperfusionssyndroms des Armes hat diese Konfiguration allerdings Vorteile
im
Hinblick auf die Mobilisierbarkeit der Patient*innen [12].
Venoarteriovenöse ECMO
Die Notwendigkeit einer VAV ECMO ergibt sich vor allem zum einen bei einer
rechtskardialen Dekompensation unter laufender VV ECMO oder bei refraktärem
Harlequin-Phänomen und bereits etablierter VA ECMO. Bei der VAV ECMO wird venöses
Blut entnommen und zum einen in eine andere Vene und zusätzlich in eine Arterie
abgegeben. Die meistverwendete Konfiguration ist eine femorale Drainagekanüle
über
die V. femoralis und je eine rückführende Kanüle über die V. jugularis und A.
femoralis. Der Rückfluss wird über ein Y-Stück geteilt. Beide Schenkel müssen
kontinuierlich mittels Flusssensoren gemonitort werden, da der jeweilige Fluss
Schwankungen unterliegt und von verschiedensten Faktoren abhängt. Über
Schlauchklemmen kann der Widerstand in den Schenkeln behelfsmäßig reguliert und
so
die Flussmenge bis zu einem gewissen Grad gesteuert werden. Auch mithilfe einer
Doppellumenkanüle kann durch das zusätzliche Einbringen einer arteriellen Kanüle
eine VAV ECMO etabliert werden [13].
Weitere Konfigurationen
Aufgrund der Verfügbarkeit verschiedenster Kanülenarten und individueller
Situationen ergibt sich eine Reihe weiterer, eher selten notwendiger
Konfigurationsarten. Erwähnenswert ist z. B. das Erweitern durch zusätzliche venöse
Drainagekanülen für eine venovenoarterielle (VV-A) oder venovenovenöse (VV-V)
Konfiguration, um höhere Blutflüsse generieren zu können. Außerdem kann die
Parallel- und Reihenschaltung zweier ECMO-Geräte erwogen werden, um etwa die
Oxygenierungskapazität zu steigern oder um Kreislauf- und Lungensupport getrennt
voneinander managen zu können [14]. Zur reinen Entlastung des
rechten Herzens bei ausgeprägter pulmonaler Hypertension ist außerdem ein
pumpenloser Shunt zwischen Pulmonalarterie und linkem Atrium über eine
Novalung-Membran möglich (PA-LA; [Abb. 3]) [15].
Abb. 3 Etablierung eines zentralen PA-LA-Bridgings bei einer Patientin mit
primärer pulmonaler Hypertension. Hierzu wird zunächst eine VA ECMO
implantiert, anschließend die pumpenlose PA-LA-Novalung über eine
Thorakotomie eingebracht und danach die VA ECMO wieder entfernt. Mit diesem
Konzept können die Lungenstrombahn und der rechte Ventrikel entlastet
werden. Die Patientin wurde anschließend wach bis zur Lungentransplantation
geführt.
ECMO-Management auf der Intensivstation
ECMO-Management auf der Intensivstation
Die intensivmedizinische Betreuung von ECMO-Patient*innen erfordert eine enge und
gut
eingespielte interdisziplinäre Zusammenarbeit. Intensivmediziner*innen übernehmen
dabei
eine führende Rolle von der Patient*innenselektion und der Indikationsstellung
über die
ECMO-Anlage, das (Komplikations-)Management und die interdisziplinäre Koordination
in
den meisten Zentren [16]. Im Speziellen fallen Monitoring, Troubleshooting, Strategien
zur Antikoagulation sowie die Bereitstellung mobiler ECMO-Programme für die auswärtige
ECMO-Anlage bei instabilen Patient*innen in das Spektrum der behandelnden
Intensivstationen.
Monitoring
Wie auch bei allgemeinen intensivmedizinischen Patient*innen ist die regelmäßige
klinische Inspektion und Untersuchung bei ECMO-Patient*innen unabdingbar, da
Ischämien, Hyperämien oder Blutungen im Status häufig erkannt werden können. Dies
beinhaltet auch die Inspektion des ECMO-Systems auf Thromben oder Ablagerungen.
Neben den angeführten Maßnahmen zur Detektion einer differenziellen Hypoxie
(Harlequin-Phänomen, s. o.) wird außerdem empfohlen, die Hämodynamik im Sinne
der
kardialen Funktion regelmäßig zu überprüfen. Dies gilt für jede Art der
Konfiguration: Die Wahl des VV ECMO-Blutflusses sollte mit Bedachtnahme auf das
Herzzeitvolumen getroffen werden und i. d. R. etwa 60–80% desselben betragen,
da
Abweichungen in beide Richtungen mit ineffizienter Oxygenierungsleistung einhergehen
können [7].
Hierfür hat sich der Einsatz von Ultraschall im Allgemeinen und Echokardiografie
im
Speziellen bewährt und ist aus der klinischen Routine bei ECMO-Patient*innen nicht
mehr wegzudenken [17]
[18]. Auch für die Evaluierung von Kanülenposition,
Klappenfunktion und die Suche nach Komplikationen, wie z. B. Perikard- und
Pleuraergüssen oder Blutungsquellen, ist der Ultraschall essenziell. Im VA
ECMO-Setting sind zusätzlich Fragen nach Notwendigkeit und Positionierung von
Deventing-Devices (z. B. Impella) und nach dem Weaning-Zeitpunkt sonografisch
adressierbar [19]. Auch Methoden des kontinuierlichen hämodynamischen
Monitorings werden mit Bedachtnahme auf ihre jeweiligen Limitationen empfohlen
–
insbesondere Bioreaktanz oder Ösophagus-Doppler-Sonden können unter laufender
ECMO-Anwendung nur sehr bedingt zur Abschätzung der Hämodynamik herangezogen werden.
Die Verwendung von Thermodilution oder Pulskonturanalyse sollte jedenfalls um
echokardiografische VTI-Messungen (VTI: Velocity-Time-Index) im linksventrikulären
Ausflusstrakt erweitert werden [20]. Laborkontrollen sollten ein-
bis 2-mal täglich erfolgen und neben Standardlaborparametern auch
Gerinnungsparameter mit Antikoagulationsmonitoring (s. u.), D-Dimer, Fibrinogen
und
Hämolyseparameter wie freies Hämoglobin, LDH und Bilirubin enthalten. Anzustrebende
Hämoglobingrenzwerte werden mangels Evidenz für ECMO-Patient*innen nicht gesondert
empfohlen und sollten sich nach dem individuellen Bedarf richten. An der ECMO
selbst
empfiehlt sich die Messung und regelmäßige Dokumentation von venösem Sog-,
Transmembran- und Reperfusionsdruck sowie bei Vorhandensein auch von
Echtzeitparametern wie Hämoglobin und venöser Prä-Oxygenator-Sauerstoffsättigung.
Einmal täglich empfiehlt sich die Messung einer Post-Oxygenator-Blutgasanalyse
mit
einer FdO2 von 1,0, um anhand des Verlaufes inzipiente
Oxygenatordysfunktionen zu erkennen.
Troubleshooting
Blutungs- und thromboembolische Komplikationen gehören gemeinsam mit Infektionen
zu den häufigsten potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen. Auch
kanülierungsassoziierte Probleme, kardiovaskuläre Komplikationen, technische Defekte
und Oxygenatorversagen, Hämolyse, zusätzliches Organversagen,
(Extremitäten-)Ischämien und Entgleisung von Metabolik oder Gerinnung sollten
antizipiert werden. Für das entsprechende Troubleshooting ist ein funktionierendes
interdisziplinäres Gesamtkonzept in enger Abstimmung mit Fachdisziplinen wie
Chirurgie, Transfusionsmedizin und Radiologie notwendig. Auch ist darauf zu achten,
dass alle direkt am Bett arbeitenden Berufsgruppen diese Probleme kennen und
erkennen sowie auch adressieren können. Regelmäßige Schulungen und
(Simulations-)Trainings sind dafür unabdingbar und stellen ein Qualitätsmerkmal
von
ECMO-Zentren dar.
Antikoagulation
Trotz substanzieller Weiterentwicklung der ECMO-Systeme im Bereich der
Biokompatibilität und Heparininnenbeschichtungen ist für den Betrieb extrakorporaler
Gasaustauschverfahren i. d. R. eine systemische Antikoagulation notwendig.
Allerdings fehlt die Evidenz für optimale Handlungsempfehlungen, und die
Antikoagulationspraktiken variieren beträchtlich zwischen den Zentren. Die
Gesellschaften empfehlen unfraktioniertes Heparin (UFH), Bivalirudin oder Argatroban
[21]
[22]. Bei der Verwendung von UFH fanden wir in unserer eigenen
Studie positive Auswirkungen von additivem Prostaglandin auf Blutungs- und
Thromboserate [23].
Grundsätzlich bestehen auch Möglichkeiten des therapeutischen Monitorings, z. B.
mittels medikationsspezifischer Anti-Faktor-Xa-Assays (Anti-Xa; Zielwert i. d. R.
0,2–0,4 U/ml), aktivierter partieller Thromboplastinzeit (aPTT; Zielwert 1,5-
bis
2,5-facher Ausgangswert), viskoelastischer Tests oder medikamentenspezifisch
individualisierter Assays (z. B. Hemoclot). Allerdings ist diese Art, die
Antikoagulationswirkung abzubilden, nach wie vor ungenau, handelt es sich doch
um
In-vitro-Tests, die weder die endotheliale Reaktion noch die komplexe
Blut-Oberflächen-Interaktion mitberücksichtigen können. Außerdem unterliegen die
Tests einer signifikanten Variabilität [21].
In Situationen mit hohem Blutungsrisiko (z. B. Thrombopenie < 50 G/l) wird die
systemische Antikoagulation als (relativ) kontraindiziert erachtet und üblicherweise
pausiert. Bei komplexen hämorrhagischen oder thromboembolischen Komplikationen
empfiehlt sich jedenfalls eine individuelle Strategie unter Einbeziehung von
Spezialist*innen der Hämostaseologie. Insbesondere im frühen postoperativen Verlauf
richtet sich die Antikoagulation nach der individuellen klinischen Einschätzung,
wie
etwa intraoperative Faktoren sowie Qualität und Menge der Drainageflüssigkeit,
und
daher einer Abwägung zwischen Thromboserisiko und Nachblutungsgefahr.
ECMO-Retrieval
Die Stabilisierung mittels ECMO-Anlage in peripheren Krankenhäusern durch mobile
Teams und der im Anschluss begleitete Transport wird als „ECMO-Retrieval“
bezeichnet. Dieses Konzept eignet sich für Patient*innen, die zum Zeitpunkt der
telefonischen Vorstellung durch das auswärtige Krankenhaus hochgradig instabil,
eingeschränkt transportfähig oder sich rapide verschlechternd darstellen und ein
primärer Interhospitaltransfer ans Zentrum daher als zu riskant einzustufen ist.
Da
die Indikation zur Lungentransplantation häufig bei Patient*innen außerhalb des
Zentrums gestellt wird, ermöglichen diese Programme einen Transfer auch bei
hochgradig kompromittierter kardiorespiratorischer Situation [24]. Die
Indikationsstellung erfolgt individuell und in Absprache mit den behandelnden
Kolleg*innen.
Indikationen
Lungentransplantation
Verschiedenste Arten der extrakorporalen Zirkulation sind heute mehr denn je
integraler Bestandteil von Lungentransplantationszentren. Die technischen
Weiterentwicklungen der Membranen, Pumpen, Schlauchsysteme und Kanülen haben zum
einen zur deutlichen Reduktion der ECMO-assoziierten Nebenwirkungen geführt (z. B.
durch Zentrifugalpumpen, heparinbeschichtete Schlauchsysteme etc.). Des Weiteren
sind extrakorporale Verfahren heute längst nicht mehr wenigen hochspezialisierten
Zentren vorbehalten, sondern stehen relativ breit unterschiedlichsten
Fachdisziplinen zur Verfügung. Gleichzeitig ist durch die geringere Invasivität
die
Nutzen-Risiko-Abwägung anders zu bewerten als vor einigen Jahren, weshalb sich
auch
die Anzahl der extrakorporalen Unterstützungen in der Lungentransplantation deutlich
erhöht hat [1]. Besonders relevant sind 2 kürzlich erschienene
Konsensusdokumente zur extrakorporalen Unterstützung im Kontext der
Lungentransplantation. Sowohl durch die American Association for Thoracic Surgery
(AATS) als auch durch die International Society for Heart & Lung Transplantation
(ISHLT) wurden kürzlich Empfehlungen zum Einsatz von extrakorporalen Verfahren
publiziert [25]
[26].
Präoperative ECMO
Präoperativ kommen ECMO-Verfahren als „Bridging“ zur Lungentransplantation zum
Einsatz. In der Regel handelt es sich um Patient*innen auf der Warteliste, bei
denen
es zur raschen Verschlechterung der respiratorischen Funktion kommt oder in
selektierten Fällen, um Patient*innen mit therapierefraktärem Lungenversagen ohne
Aussicht auf Regeneration der Lunge, wie z. B. bei einigen Patient*innen mit
COVID-19-ARDS [27]. Historisch war das Überleben der ECMO-gebridgten
Patient*innen nach Lungentransplantation deutlich schlechter, weshalb sich ethische
Fragestellungen in der Organallokation ergaben [28]. Allerdings kam es hier zur
Trendwende, denn trotz sich ändernder Patientendemografie wird ein immer besseres
Langzeitüberleben nach ECMO-Bridging erreicht [1]. Dies spiegelt sich auch in den
publizierten Erfahrungen einzelner Zentren wider, die das 1-Jahres-Überleben in
den
Gesamtkohorten mit 69–100% angeben und in den rezenten Jahren eine stetige
Verbesserung beobachten lassen [29]
[30]
[31]
[32]
[33]
[34]. Essenziell für den Erfolg
des ECMO-Bridgings zur Lungentransplantation ist vor allem die Vermeidung einer
Dekonditionierung. Idealerweise werden Patient*innen wach an der ECMO geführt
und
nehmen aktiv an der Physiotherapie teil. Eine femorale Kanülierung stellt keine
Kontraindikation für eine Mobilisierung der Patient*innen dar und kann ohne
zusätzliche Risiken erfolgen [35]. ECMO-Konfigurationen mit Doppellumenkanülen oder die
„Sport“-VA-ECMO überzeugen zusätzlich durch die oftmals einfachere Handhabung
während der Therapieeinheiten [36]. Wach gebridgte Patient*innen
haben – vor allem bei längeren Wartezeiten an der ECMO – eine deutlich geringere
postoperative Morbidität und schnellere Genesung, was sich etwa in einem kürzeren
Intensiv- und Krankenhausaufenthalt widerspiegelt [37]
[38]. Die Indikation zur ECMO bei
Patient*innen auf der Lungentransplantationswarteliste orientiert sich daher an
der
respiratorischen Erschöpfung trotz nicht invasiver Beatmung und hat ihren
Stellenwert idealerweise noch vor Intubation und mechanischer Beatmung [39]
[40].
Die ECMO-Konfiguration richtet sich nach der Grunderkrankung, dem aktuellen
Zustand und der lokalen Gefäßsituation ([Abb. 1]). Insbesondere bei längeren ECMO-Laufzeiten kann es zu
einer Eskalation oder Deeskalation der ECMO-Konfiguration kommen. Bei Patient*innen
mit zystischer Fibrose, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und der Mehrzahl
der
Patient*innen mit Lungenfibrose ist eine VV ECMO meist ausreichend. Aufgrund der
Häufigkeit dieser Grunderkrankungen ist auch die VV ECMO die am häufigsten
durchgeführte Bridging-Variante [29]
[31]
[32]
[33]
[40]
[41]. Allerdings kann es vor allem
bei Patient*innen mit Lungenfibrose und ausgeprägter sekundärer pulmonaler
Hypertension zur deutlichen Rechtsherzbelastung kommen, weshalb eine Erweiterung
des
Supports (wie oben beschrieben) notwendig werden kann. Bei Patient*innen mit
primärer pulmonaler Hypertension ist das Rechtsherzversagen bei meist ausreichendem
Gasaustausch führend. Hier sind die möglichst wache, periphere VA ECMO-Kanülierung
oder in weiterer Folge eine Umkanülierung in PA-LA-Konfiguration die Modalitäten
der
Wahl. Eine frühzeitige ECMO-Anlage bei den ersten Anzeichen einer beginnenden
Rechtsherzdekompensation wird in diesem Patient*innenkollektiv auch empfohlen,
womit
in erfahrenen Zentren sehr gute Langzeitergebnisse erzielt werden [25]
[42].
Intraoperative ECMO
Aufgrund der En-bloc-Implantationstechnik mit HLM während den Anfängen der
Lungentransplantation war die HLM bis vor einigen Jahren ein noch immer verbreitetes
Verfahren, obwohl sich die chirurgische Technik bereits zur sequenziellen
bilateralen Lungentransplantation gewandelt hatte. Aufgrund der Invasivität der
HLM
und den damit assoziierten schlechteren Ergebnissen, ist die HLM heute nur noch
komplexen Lungentransplantationen vorbehalten, wie etwa mit konkomitanten
herzchirurgischen Eingriffen [43]
[44].
Für die intraoperative ECMO gibt es einige absolute und relative Indikationen.
Eine ausgeprägte primäre oder sekundäre pulmonale Hypertension, hämodynamische
Instabilität, respiratorische Insuffizienz und chirurgisch-technische Gründe sind
einige Beispiele, die eine ECMO notwendig machen können. Ermöglichung einer
lungenprotektiven Beatmung, kontrollierte Reperfusion durch Entlastung des
Lungenkreislaufes, bessere Exposition und eine bereits etablierte ECMO bei
unerwarteten, chirurgisch-technischen Problemen sind weitere Gründe, die von
verschiedenen Zentren unterschiedlich bewertet werden. Falls die Entscheidung
zur
ECMO getroffen wird, wird sowohl in den AATS- als auch ISHLT-Konsensusdokumenten
die
Verwendung einer VA ECMO-Konfiguration empfohlen; intraoperativ sollte der zentralen
VA ECMO gegenüber der peripheren Kanülierung der Vorzug gegeben werden ([Abb. 4]). Bei
vorbestehender VV ECMO soll intraoperativ eine Umkonfiguration auf eine VA ECMO
erwogen werden [25]
[26]. Die Frage, ob jede Lungentransplantation mit ECMO oder
nur selektiv Patient*innen mit gewissen Risikofaktoren von Beginn an mit ECMO
transplantiert werden sollen, bleibt auch in den Konsensusdokumenten offen. Wegen
der sehr niedrigen Inzidenz der primären Graft-Dysfunktion (PGD) und besserem
Langzeitüberleben ist die routinemäßige, zentrale VA ECMO über bilaterale, anteriore
Thorakotomien an unserem Zentrum derzeit als Standard etabliert [45]
[46].
Abb. 4 Intraoperativer Situs einer Lungentransplantation über eine
Clamshell-Inzision, wobei eine zentrale VA Kanülierung auch über beidseitige
Thorakotomien möglich ist.
Postoperativ prolongierte ECMO
Nach erfolgter Transplantation können verschiedene Szenarien eine postoperative
Prolongation der ECMO-Unterstützung notwendig machen. Bei Patient*innen mit primärer
pulmonaler Hypertension ist aufgrund der Interaktion zwischen dem chronisch
hypertrophen rechten Ventrikel, dem nun geringeren Widerstand des Gefäßbetts des
Lungentransplantats und einer daraus resultierenden linksventrikulären diastolischen
Dysfunktion ein progredientes Lungenödem zu erwarten. Daher werden beinahe alle
Patient*innen mit primärer pulmonaler Hypertension mit einer prolongierten
peripheren VA ECMO versorgt. Die VA ECMO erlaubt die Entlastung des
Lungenkreislaufes und eine Remodellierung des linken Ventrikels, was i. d. R.
innerhalb der 1. Woche erfolgt [47]
[48]
[49]
[50].
Ein unzureichender Gasaustausch im Sinne einer PGD kann unabhängig von der
zugrunde liegenden Diagnose nach jeder Transplantation auftreten. Die Einschätzung,
welche Patient*innen von einer Prolongation der ECMO profitieren, kann u. U.
schwierig sein. Meist ist der Trend von transösophagealer Echokardiografie,
konsekutiven Blutgasanalysen und des pulmonalarteriellen Drucks ausschlaggebend.
Eine frühzeitige Entscheidung zur ECMO-Prolongation ist jedoch vorteilhaft, um
weitere Organschäden durch hohe Beatmungsinvasivität zu vermeiden [51]. Aufgrund
der möglichen Komplikationen einer zentralen (Kontamination, Dislokation, Blutung)
oder peripheren (Wundinfektion, Ischämie) prolongierten ECMO ist die Abwägung
zur
Prolongation sorgfältig zu treffen. Bei isolierter Gasaustauschstörung ohne
hämodynamische Komponente wird aufgrund der niedrigeren Komplikationsrate im
Vergleich zur VA ECMO eine VV ECMO empfohlen [25].
Weitere Indikationen
Neben der Lungentransplantation finden extrakorporale Gasaustauschverfahren bei
verschiedensten thoraxchirurgischen Eingriffen Anwendung. Bei großen Mediastinaltumoren
mit entsprechender Kompression der Trachea, des rechten Vorhofs oder der großen
Gefäße
kann es bei Narkoseeinleitung oder während der Präparation zur raschen Dekompensation
kommen. Chirurgische Interventionen können bei diesen ausgedehnten Raumforderungen
primär an der ECMO oder unter „ECMO-Stand-by“ sicher durchgeführt werden. Die
ECMO-Konfiguration richtet sich wiederum nach der individuellen Situation [52]
[53]. Auch bei
erweiterten Resektionen von fortgeschrittenen Tumoren unter Einbezug der V. cava
inferior oder der Aorta descendens sowie der zentralen Atemwege finden verschiedene
ECMO-Modalitäten Anwendung [54]
[55].
Patient*innen mit eingeschränkter Lungenfunktion, sei es durch vorangegangene
Resektionen oder durch akute oder chronische Lungenerkrankungen, können durch
intraoperative ECMO-Unterstützung einem thoraxchirurgischen Eingriff unterzogen
werden.
Dies umfasst z. B. Patient*innen nach vorangegangener kontralateraler Pneumonektomie
[56]
[57],
Lungenvolumenreduktion [58] oder septischen Eingriffen [59]. Auch bei offen chirurgischen
oder endoskopischen Interventionen an den zentralen Atemwegen kann eine
ECMO-Unterstützung erwogen werden [60]
[61]. Insbesondere bei intrathorakalen
Tracheal- oder Carinaresektionen bietet die ECMO deutliche Vorteile. Durch ausreichend
groß dimensionierte Kanülen kann mit einer VV ECMO ein vollständiger Lungenersatz
erreicht werden. Die intermittierende Cross-Table-Beatmung wird somit überflüssig.
Auch
bei traumatischen Atemwegsverletzungen und konkomitantem Lungenversagen kann mithilfe
der ECMO eine chirurgische Versorgung angestrebt werden [62]. Insgesamt kann die
ECMO-Unterstützung diese herausfordernden Eingriffe wesentlich erleichtern oder
sogar
erst ermöglichen.
Zusammenfassung
Extrakorporale Gasaustauschverfahren sind aus der modernen Thoraxchirurgie und
insbesondere der Lungentransplantation nicht mehr wegzudenken. Durch den temporären
Lungenersatz mittels ECMO können immer komplexere Patient*innen mit stetig besseren
Ergebnissen behandelt werden. Trotz der steigenden Erfahrung in den letzten Jahrzehnten
und zahlreicher Publikationen sind erst rezent Empfehlungen durch die internationalen
Gesellschaften veröffentlicht worden. Zukünftig gilt es, die Komplikationsraten
weiter
zu senken, neue technische Entwicklungen kritisch zu prüfen und trotz verschiedenster
Hürden qualitativ hochwertige Studien auf diesem Gebiet durchzuführen.