Nervenheilkunde 2025; 44(09): 624-625
DOI: 10.1055/a-2582-4830
Gesellschaftsnachrichten

Promotionspreisträger 2025

 

Auch in diesem Jahr wurden herausragende Promotionsarbeiten durch die Berliner Gesellschaft geehrt und die Preisträger haben ihre Arbeiten bereits im Rahmen der Mittwochsveranstaltung im Mai präsentiert. Hier stellen wir sie noch einmal kurz vor.

Psychiatrie

Dr. med. Michael Eggart studierte an der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Neuruppin, und schloss auch dort am Zentrum für seelische Gesundheit der Immanuel Klinik Rüdersdorf seine Promotion ab.

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Abb. 1 Dr. med. Michael Eggart.(Fotoquelle © privat [rerif])

Seine Arbeit trägt den Titel ‚Charakteristika und klinische Relevanz der Interozeption bei depressiv erkrankten Menschen‘. Zu den Kernmerkmalen der unipolaren Depression zählen neben affektiven, kognitiven und neurovegetativen Symptomen somatische Beschwerden wie Schmerzen, Fatigue oder Störungen des vitalen Leibgefühls (Schwere, Leere, Lähmung, Blockade, Entfremdung). Diese Leibgefühlsstörungen sind bislang unzureichend in nosologischen Klassifikationen (ICD-11, DSM-5) berücksichtigt, erweisen sich häufig als therapierefraktär und sind möglicherweise von prognostischer Relevanz. Der Prozess der Wahrnehmung, Integration und Interpretation von Signalen aus dem Körperinneren eines Menschen wird als Interozeption (in der klassischen Psychopathologie bekannt als „Gemeingefühl“) bezeichnet.

Die interozeptive Sensibilität definiert die Disposition einer Person, ihre Aufmerksamkeit auf Leibempfindungen zu richten und wird mittels des Multidimensional Assessment of Interoceptive Awareness, Version 2 (MAIA-2), operationalisiert. Dieser Fragebogen wurde in der Studie erstmals in einer stationären Stichprobe mit hauptsächlich schwer-depressiven Patienten (N = 110) in der deutschen Version erfolgreich validiert. Prä-Post-Veränderungen auf Skalen der MAIA-2 prädizierten zuverlässig eine Abnahme des Depressionsschweregrads. Zudem wurde der ungünstige Einfluss persistierender somatischer Symptome auf das Therapieansprechen partiell durch interozeptive Mechanismen mediiert. Verringertes Leibvertrauen sowie ein achtsamer Aufmerksamkeitsstil gegenüber Leibempfindungen zu Beginn der stationären Behandlung waren Risikofaktoren für Fatigue-Residualsymptome am Behandlungsende. Hinsichtlich der unklaren Ätiopathogenese der dysfunktionalen Interozeption bei Depressionen konnte kein Zusammenhang mit niederschwellig-systemischen Entzündungsprozessen (CRP-Serumkonzentration) identifiziert werden.

Zusammenfassend zeigen die Befunde, dass dysfunktionale Interozeptionen ein Kerncharakteristikum der Depression darstellen und von klinischer Relevanz sind, da sie ein Ansprechen auf die Behandlung sowie poststationäre Residualsymptome (inkl. Suizidgedanken) prädizieren. Vor dem Hintergrund der häufig unzureichenden Wirksamkeit etablierter Depressionstherapien ist die Entwicklung und Implementierung interozeptiver Behandlungsverfahren indiziert. Einen interozeptiven Behandlungsansatz vertritt beispielsweise die Berührungsmedizin durch manuelle Stimulation von Interozeptoren der Haut, für die antidepressive, anxiolytische und analgetische Langzeiteffekte nachgewiesen sind.

Literaturnachweise zu den Publikationen der kumulativen Dissertation erhalten Sie beim Verfasser.


Neurologie

Jan Hellmeyer befindet sich derzeit im letzten Jahr seines Studiums an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und verteidigte seine Promotion im vergangenen Jahr an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. In seiner Dissertation untersuchte er den klinischen Einfluss einer neuen diagnostischen Methode bei Glioblastom (GBM)-Patienten. Die Fragestellung ergab sich infolge der Erfahrung, dass regelmäßig Patienten unter einer bisherigen GBM-Diagnose unerwartet lange überleben. Andererseits versterben (einige) Patienten, bei denen primär ein niedriggradiges Gliom diagnostiziert wurde, nach so kurzer Zeit, wie es sonst für GBM-Patienten zu erwarten gewesen wäre. GBMs zählen zu den aggressivsten primären Hirntumoren und stellen weiterhin eine große diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Die Einführung der epigenetischen DNA-methylierungsbasierten Klassifikation ermöglicht eine präzisere Einteilung von ZNS-Tumoren.

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Abb. 2 Jan Hellmeyer. (Fotoquelle © privat [rerif])

Die retrospektive Analyse zeigte, dass durch die zusätzliche epigenetische Klassifikation mindestens zwei Gruppen unterschieden werden können: eine mit übereinstimmenden (konkordanten) und eine mit abweichenden (diskordanten) Befunden im Vergleich zur konventionellen neuropathologischen Diagnose. Patienten mit diskordanten Befunden wiesen ein signifikant längeres Überleben auf.

Der GBM-Begriff erweist sich angesichts neuer molekularer und epigenetischer Erkenntnisse sowie der zeitlichen und methodischen Abhängigkeit als fragil. Trotz fortschreitender Charakterisierung bleibt die begriffliche Einordnung von GBMs unbefriedigend, insbesondere in Fällen mit divergenten pathologischen und klinischen Merkmalen. Die ausgeprägte Heterogenität, die sich auch in den nachgewiesenen Überlebenszeitunterschieden widerspiegelt, wirft die grundlegende Frage auf, ob es sich tatsächlich um ein einheitliches Krankheitsbild handelt. Die Ergebnisse unterstreichen den Stellenwert epigenetischer DNA-Methylierungsuntersuchungen zur Klassifikation von GBMs und legen nahe, dass ein standardisierter Einsatz zur Vertiefung des klinischen Verständnisses dieser komplexen Erkrankung beitragen könnte.

Die zugrundeliegenden Daten stammen aus der Klinik für Neurochirurgie des Vivantes Klinikum im Friedrichshain (Prof. Dag Moskopp) in enger Kooperation mit dem Institut für Neuropathologie der Charité (Prof. David Capper) sowie unter weiterer Betreuung durch die Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Münster (Prof. Markus Holling).


IMPRESSUM

Prof. Dr. Tom Bschor

Redaktion: Dr. Anja M. Bauer

Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Schlosspark-Klinik, Abteilung für Psychiatrie

Heubnerweg 2, 14059 Berlin

info@bgpn.de, www.bgpn.de



Publication History

Article published online:
12 September 2025

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Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Dr. med. Michael Eggart.(Fotoquelle © privat [rerif])
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Abb. 2 Jan Hellmeyer. (Fotoquelle © privat [rerif])