Arthritis und Rheuma 2025; 45(04): 278-280
DOI: 10.1055/a-2600-6012
Kasuistik Kinderrheumatologie

Jugendlicher mit Perikarditis nach Streptokokkeninfekt: Rheumatisches Fieber?

Bernd-Ulrich Keck
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Schwäbisch Hall
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In Mitteleuropa ist ein rheumatisches Fieber bei Kindern und Jugendlichen mit einer Inzidenz von unter 2 von 100 000 Kindern im Alter von 5–14 Jahren eine seltene Erkrankung. Wir berichten über einen 17-jährigen Jugendlichen, der nach einer Streptokokkenangina eine ausgeprägte Perikarditis und einen linksseitigen Pleuraerguss entwickelte.

Fallbericht

Anamnese

Ein bis dahin gesunder Jugendlicher entwickelte eine typische Streptokokkenangina mit hohem Fieber, Halsschmerzen und Schluckbeschwerden. Vom Kinderarzt wurde ein für Streptokokken typischer Rachenbefund erhoben und daher kein Abstrich entnommen. Der Jugendliche wurde mit Penicillin behandelt und entfieberte dann 3 Tage nach Beginn der Antibiotikabehandlung.

Am Tag 9 nach Beginn der Infektion trat erneutes Fieber auf, ab dem Folgetag dann zunehmende Brustschmerzen vor allem beim Treppensteigen, bei Vorbeugung des Ober-körpers und bei tiefer Einatmung. Es traten weitere Fieberzacken an einzelnen Tagen, vor allem nachts, mit Temperaturen bis 39 °C auf. Zeitgleich bestanden Gelenkschmerzen an beiden Handgelenken, an beiden Kniegelenken und im rechten Schultergelenk. Für einige Tage konnte der rechte Arm nicht angehoben werden. Es entwickelte sich eine zunehmende Einschränkung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit. Am Tag 18 nach Beginn der Streptokokkeninfektion erfolgte eine Vorstellung beim Hausarzt, im Rahmen einer Blutentnahme dort wurde ein deutlich erhöhter CRP-Wert und erhöhte D-Dimere festgestellt. Der Jugendliche wurde mit Verdacht auf eine Lungenembolie stationär in unsere Kinderklinik eingewiesen.


Befund

17 8/12 Jahre alter Jugendlicher in leicht reduziertem Allgemeinzustand, Gewicht: 70 kg (P48), Länge: 171 cm (P63), Sauerstoffsättigung: 94 %, Herzfrequenz: 100 Schläge/min, Blutdruck: 112/76 mmHg. Herztöne regelmäßig, leichte Tachykardie, keine Herznebengeräusche. Lunge links abgeschwächtes Atemgeräusch auskultierbar, Patient klagt über linksseitige Thoraxschmerzen. Tonsillen hyperplastisch, nicht gerötet, keine Beläge, Rachenring nicht gerötet, zervikale Lymphknoten im Kieferwinkel vergrößert.


Laborbefunde

Blutbild: 8490 Leukozyten/dl, 57 % Granulozyten, 30 % Lymphozyten, 10 % Monozyten, 1 % eosinophile Granulozyten, 1 % basophile Granulozyten

Hb: 11,9 g/dl, 408 000 Thrombozyten/μl

CRP: 14,7 mg/dl, BSG: 65/123 mm N. W., D-Dimere: 4,83 μg/dl

Troponin T: 5,8 pg/ml (Norm: bis 13 pg/ml), proBNP: 244 pg/ml (Norm: bis 125 pg/ml)


Infektionsdiagnostik

Mehrere Blutkulturen und Kultur des Perikardergusses: negativ

Direktpräparat der Perikardflüssigkeit: negativ

Keine Bakterien nachweisbar, keine säurefesten Stäbchen

Langzeitkultur auf TBC: negativ. PCR auf Bakterien aus Perikardflüssigkeit: negativ, PCR auf Tuberkulose aus Perikardflüssigkeit: negativ


Pathologische Begutachtung der Perikardflüssigkeit

Zellzahl: 3711 Zellen/dl, 27 % polymorphkernige Leukozyten, 68 % mononukleäre Zellen, 2 % hoch fluoreszierende Zellen, 4 % eosinophile Zellen

LDH aus Perikarderguss: 46 U/l, pH aus Perikarderguss: 7,4

Pathologische Beurteilung: CAP-Klasse 2, hämorrhagischer, lymphozytärer, granulozytärer, leicht eosinophiler und mesothelialer Erguss. Befund passt zu einem entzündlichen Begleiterguss. Kein Anhalt für Malignität.


Infektionsserologie

Borrelien, Mykoplasmen, HHV 6, Coxiella burnetii negativ, Parvovirus B19 IgG positiv, IgM negativ. PCR auf Influenza, RSV und COVID-19 negativ. Stuhl auf Adenoviren, Rotaviren und Noroviren negativ.


Serologie

ASL-Titer: 2041 IU/ml (Norm: < 200 IU/ml), Anti-Streptodornase: 711 E/ml (Norm: < 200 E/ml), ANA: 1:1280, ENA: SSA-Antikörper > 240, Immunglobuline: IgG: 2380 mg/dl (Norm: < 1600 mg/dl), IgA und IgM normal


Röntgen-Thorax

Global verbreiterte Herzkontur („Bocksbeutel“), linksbasal streifige Minderbelüftungen, Randwinkelergüsse

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Abb. 1 Röntgen-Thorax „Bocksbeutelherz“

Echokardiografie

Zirkulär Perikarderguss diastolisch 2,5–3 cm, hämodynamisch bedeutsam mit Fibrinfäden. Gute biventrikuläre Pumpfunktion.

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Abb. 2 Echokardiografie mit bedeutsamem Perikarderguss, parasternale Längsachse.
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Abb. 3 Echokardiografie mit bedeutsamem zirkulärem Perikarderguss, 4-Kammerblick.

Sonografie Pleura

Seröser Pleuraerguss links, ca. 4 cm

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Abb. 4 Pleuraerguss links.

Sonografie Kniegelenke

Geringer Erguss im linken Kniegelenk, Durchmesser im Recessus suprapatellaris von 6 mm, rechts unauffällig.

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Abb. 5 Sonografie Kniegelenke.

EKG

S-Persistenz, präterminale T-Negativierungen bis V6 mit abgeflachten T-Wellen, pq-Zeit: 160 ms, keine ST-Veränderungen



Diskussion

Zur Aufnahme kam ein mäßig beeinträchtigter Jugendlicher mit Fieber, hohen Entzündungszeichen und mit einem Perikarderguss als führendem klinischem Problem. Bei hämodynamischer Bedeutsamkeit erfolgte eine Punktion des Ergusses und die Einlage einer Drainage. Initial bestand der Verdacht auf eine bakterielle Perikarditis. Es erfolgte eine antibiotische Behandlung mit Ampicillin/Sulbactam i. v. und Doxycyclin oral, nach Abnahme der mikrobiologischen Diagnostik. Eine bakterielle Ursache, auch eine Tuberkulose, konnte im Verlauf relativ rasch ausgeschlossen werden.

Ebenso ergaben die Laborergebnisse und radiologische Begutachtung keine Hinweise auf ein malignes Geschehen.

Obwohl initial kein Rachenabstrich auf Streptokokken durchgeführt wurde, konnten wir aufgrund der Klinik und dem Verlauf der Antikörper gegen Streptokokken eine akute Streptokokkeninfektion sichern. Als weitere mögliche Diagnosen standen nun ein rheumatisches Fieber, bei positiven ANA- und SSA-Antikörpern eine autoimmunologische Erkrankung, z. B. ein systemischer Lupus erythematodes (SLE) oder ein Sjögren-Syndrom, welche durch die Streptokokkeninfektion ausgelöst wurden, sowie eine idiopathische rekurrierende Perikarditis im Fokus unserer ätiologischen Überlegungen.

Anhand der aktuellen Jones-Kriterien für eine Low-Risk-Population kann die Diagnose eines rheumatischen Fiebers gestellt werden. Gesichertes Hauptkriterium ist die Karditis, als Nebenkriterien gelten Fieber über 38,5 °C, erhöhte Entzündungszeichen und die Polyarthralgie. Die geringe, passagere Ergussbildung im linken Kniegelenk werteten wir nicht als Hauptkriterium.

Gegen ein rheumatisches Fieber sprach jedoch die extrem niedrige Inzidenz in einer Low-Risk-Population, die isolierte Perikarditis, der blande Verlauf und auch das Alter des Patienten. Die Konsequenz aus der Diagnose rheumatisches Fieber wäre dann eine antibiotische Dauerprophylaxe für 10 Jahre.

Die initiale Diagnostik, auch mit transösophagealer Echokardiografie, und auch weitere ambulante Kontrollen über mehrere Monate ergaben nur eine minimale Mitralinsuffizienz, die die echokardiografischen Diagnosekriterien eines rheumatischen Fiebers nicht erfüllte.

Zwar ist unter Zuhilfenahme der Echokardiografie die kardiale Beteiligung mit über 80 % das häufigste Symptom des rheumatischen Fiebers [1] und kann alle 3 Schichten des Herzens betreffen, jedoch sind in der Literatur nur ganz vereinzelt Fallbericht eines rheumatischen Fiebers mit isolierter Perikard-Beteiligung bzw. Perikardtamponade beschrieben [2], [3], [4].

Eine Myokarditis mit Herzinsuffizienz bzw. Rhythmusstörungen kommt etwa bei 5 % der Fälle vor, eine Valvulitis (isolierte Mitralklappenbeteiligung in circa 65 %, kombinierte Mitral- und Aortenbeteiligung) ist jedoch bei weitem die häufigste kardiale Manifestation [5].

Für einen systemischen Lupus erythematodes könnten die positiven ANA-, die positiven SSA-Antikörper, das Fieber, der Pleuraerguss und die Perikarditis sprechen. Das männliche Geschlecht, die fehlenden Hauterscheinungen, die fehlenden weiteren typischen Laborwerte (normales Komplement, dsDNA-Antikörper etc.) sprechen eher gegen einen SLE.

Eine Sicca-Symptomatik bestand zu keinem Zeitpunkt, für ein Sjögren-Syndrom würden aktuell nur die ANA- und die SSA-Antikörper sprechen.

Eine idiopathisch rekurrierende Perikarditis führt nach initialer akuter Perikarditis in der Regel nach einem symptomfreien Intervall von 4–6 Wochen zu einer erneuten Perikarditis. Dieses Rezidiv ist jedoch bis zum heutigen Tag über einen Zeitraum von über einem Jahr nicht aufgetreten [6].

Da die Jones-Kriterien für die Diagnose eines rheumatischen Fiebers erfüllt waren, wurde zunächst eine Penicillin-Prophylaxe empfohlen. Der Jugendliche entwickelte über einen Zeitraum von über einem Jahr bis zum jetzigen Zeitpunkt weder Symptome einer erneuten Perikarditis noch Symptome einer Kollagenose und blieb gesund.

Der Fall wurde dann im Online-Diagnosebord der GKJR [7] unter Hinzunahme von pädiatrisch rheumatologischen Spezialisten (Josef Uziel, Israel, Ralf Trauzeddel, Deutschland) für alle 3 Erkrankungen besprochen. Im Ergebnis wurden alle 3 Erkrankungen als möglich erachtet, ein rheumatisches Fieber jedoch hier in Deutschland als eher weniger wahrscheinlich angesehen.

Im Sinne einer Shared Decision wurde dann nach über einem Jahr die Penicillin-Prophylaxe beendet.

Sollte der Jugendliche im weiteren Verlauf erneut erkranken, kann möglicherweise eine definitive Diagnose etabliert werden.



Bernd-Ulrich Keck

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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Bernd-Ulrich Keck
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Diakoniestraße 10
74523 Schwäbisch Hall
Deutschland   

Publication History

Article published online:
29 August 2025

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Abb. 1 Röntgen-Thorax „Bocksbeutelherz“
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Abb. 2 Echokardiografie mit bedeutsamem Perikarderguss, parasternale Längsachse.
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Abb. 3 Echokardiografie mit bedeutsamem zirkulärem Perikarderguss, 4-Kammerblick.
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Abb. 4 Pleuraerguss links.
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Abb. 5 Sonografie Kniegelenke.