Arthritis und Rheuma 2025; 45(04): 270-277
DOI: 10.1055/a-2600-6262
Kinderrheumatologie
Übersichtsartikel

Protrahiertes febriles Myalgie-Syndrom bei Kindern mit Familiärem Mittelmeerfieber

Eine systematische Übersicht und ein Fallbericht
Toni Hospach
1   Zentrum für Pädiatrische Rheumatologie am Klinikum Stuttgart (ZEPRAS), Stuttgart, Deutschland
,
Friederike Blankenburg
1   Zentrum für Pädiatrische Rheumatologie am Klinikum Stuttgart (ZEPRAS), Stuttgart, Deutschland
,
Anita Heinkele
1   Zentrum für Pädiatrische Rheumatologie am Klinikum Stuttgart (ZEPRAS), Stuttgart, Deutschland
,
Thekla von Kalle
2   Radiologisches Institut, Olgahospital, Klinikum Stuttgart, Stuttgart, Deutschland
,
Tilmann Kallinich
3   Charité, Universitätsmedizin, Berlin, Deutschland
,
Kristina Rücklová
1   Zentrum für Pädiatrische Rheumatologie am Klinikum Stuttgart (ZEPRAS), Stuttgart, Deutschland
4   Karls Universität, Prag, Tschechien
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Das protrahierte febrile Myalgie-Syndrom (PFMS) ist eine seltene Form des Familiären Mittelmeerfiebers (FMF), gekennzeichnet durch anhaltende Muskelschmerzen, Fieber und erhöhte Entzündungsmarker. Es kann Bauchschmerzen, Durchfall und Hautausschläge verursachen, die eine IgA-Vaskulitis imitieren. PFMS kann die erste Manifestation von FMF sein, was zu einer verzögerten Diagnose führt. Ziel war eine Literaturübersicht zu klinischen Merkmalen und Behandlungsmöglichkeiten von PFMS bei Kindern sowie eine eigene Falldarstellung. 18 Artikel und 7 Lehrbücher wurden untersucht. Ergebnisse zeigen, dass PFMS oft als erste FMF-Manifestation auftritt und bei über der Hälfte der Patienten Kortikosteroide wirksam sind. MRT zeigt bei PFMS-Patienten häufig Muskelödeme. Genetische Tests und MRT sind wichtige diagnostische Hilfsmittel.


ABKÜRZUNGEN

CS: Kortikosteroide
FMF: Familiäres Mittelmeerfieber
NSAID: nicht steroidale Antirheumatika
PFMS: protrahiertes febriles Myalgie-Syndrom
VUR: vesikoureteraler Reflux
WES: Whole-Exome-Sequenzierung

Einleitung

Das protrahierte febrile Myalgie-Syndrom (PFMS) wurde erstmals von Langevitz u. Mitarb. 1994 [1] als Teil des klinischen Spektrums des familiären Mittelmeerfiebers (FMF) beschrieben. Es handelt sich um eine seltene Manifestation des FMF, von der etwa 1 % der Patienten mit FMF betroffen sind [2]. Die klinischen Symptome sind schwerwiegend, mit starken bis stärksten Muskelschmerzen, Fieber, Bauchschmerzen und Durchfall, die bis zu mehreren Wochen anhalten und oft von einem Ausschlag begleitet werden, der eine IgA-Vaskulitis imitiert. Die Entzündungsparameter sind erhöht [3], [4], [5]. Da die typische Dauer der FMF-Symptome 72 Stunden nicht überschreitet, kann die lange Dauer von PFMS für Kliniker irreführend sein. Sie neigen dazu, sich auf alternative Diagnosen wie Polyarteriitis nodosa, entzündliche Darmerkrankungen, IgA-Vaskulitis, Infektionen usw. zu konzentrieren. Daher kann die Diagnose verzögert werden, insbesondere in Ländern mit geringer Inzidenz des FMF, in denen die Kliniker nicht mit dem gesamten Spektrum der klinischen Manifestationen vertraut sind. Patienten mit PFMS als primärer Manifestation des FMF [6] sind daher möglicherweise unnötigen diagnostischen Verfahren und einem langen Leidensweg ausgesetzt, wenn sie nicht umgehend angemessen behandelt werden.

Während Colchicin weder zur Vorbeugung noch zur Behandlung dieser Symptome ausreicht, hat sich gezeigt, dass Kortikosteroide (CS) zu einem schnellen Abklingen von Schmerzen und Fieber führen [1], [7], [8]. Bei CS-refraktären erwachsenen und pädiatrischen Patienten wurde die Interleukin-1-Blockade mit Anakinra als wirksam berichtet [9], [10], [11], [12], [13], [14], [15].

Ziel dieser Studie war es, das Bewusstsein für PFMS mittels einer systematischen Literaturübersicht und unseren eigenen Erfahrungen mit einer Patientin zu schärfen. Ein weiteres Ziel war es, zu überprüfen, wie PFMS in Standardlehrbüchern der Rheumatologie rezipiert wird. Die Diskussion seltener Krankheitsmanifestationen könnte in Zeiten globaler Migration von wachsender Bedeutung sein.


Methoden

PubMed wurde mit den Stichworten „Protracted febrile Myalgia“ durchsucht. Die letzte Suche fand am 24. März 2024 statt ([ Abb. 1 ])

Zoom
Abb. 1 Schematische Übersicht über die eingeschlossenen Artikel nach der Suche in PubMed.

7 Standardlehrbücher der Rheumatologie wurden zum Thema PFMS durchgesehen, darunter:

  • Petty RE, Laxer RM, Lindsley CB et al. Textbook of Pediatric Rheumatology. 8th ed. Amsterdam: Elsevier; 2021 [16]

  • Hochberg MC, Gravallese EM, Silman AJ et al. Rheumatology. 7th ed. Amsterdam: Elsevier; 2018 [17]

  • Martini A, Hachulla E, BMJ Publishing Group. EULAR Textbook on Paediatric Rheumatology. London: BMJ Publishing Group; 2018 [18]

  • Bijlsma JWJ, Hachulla E, da Silva JAP et al. EULAR Textbook on Rheumatic Diseases. 3 rd ed. London: BMJ Publishing Group; 2018 [19]

  • Wagner N, Dannecker G, Kallinich T. Pädiatrische Rheumatologie 3. Aufl. Berlin: Springer; 2022 [20]

  • Hashkes PJ, Laxer RM, Simon A. Textbook of Autoinflammation. Berlin: Springer; 2019 [21]

  • Ben Chetrit E, Pisetsky DS, Case SM. Familial Mediterranean fever: Epidemiology, genetics, and pathogenesis. Wolters Kluwer UpToDate. Updated Feb 01, 2024; letzter Zugriff am 25.3.24 [22]

UpToDate wurde auch als Standardlehrbuch der Rheumatologie angesehen, da die einzelnen Kapitel von renommierten Experten verfasst werden.

Darüber hinaus wurde ChatGPT unter Verwendung der Schlüsselwörter „Fieber“ und „Myalgie“ befragt.

Zudem wurden der klinische Verlauf und die diagnostischen Verfahren der von uns behandelten Patientin retrospektiv überprüft und hier vorgestellt. Von den Eltern wurde eine informierte Zustimmung eingeholt.


Ergebnisse

Systematische Durchsicht der veröffentlichten pädiatrischen Fälle

Unsere PubMed-Analyse ergab 18 zwischen 2000 und 2023 veröffentlichte Artikel mit insgesamt 78 pädiatrischen Patienten (einschließlich unseres eigenen Berichts). Die Anzahl der gemeldeten Fälle in den Serien ist gering und reicht von 1–14. Die Autoren stammen überwiegend aus Gebieten mit hoher FMF-Inzidenz.

FALLBERICHT

Ein 6-jähriges Mädchen wurde von einem anderen Krankenhaus mit 3 Wochen lang anhaltendem Fieber bis zu 39 °C überwiesen. Ihre Hauptbeschwerden waren stärkste beidseitige Oberschenkelschmerzen, sodass eine Gewichtsbelastung nicht möglich war. Außerdem litt sie unter sehr starken Bauchschmerzen, und an den Fußrücken zeigte sich ein petechialer Ausschlag. Die Eltern waren blutsverwandt und syrischer Abstammung und verneinten zunächst jegliche Erkrankungen naher Familienmitglieder.

Aufgrund einer Mikrohämaturie und Leukozyturie – bei nicht signifikanter Bakteriurie – wurde die Patientin mit Antibiotika behandelt. Anamnestisch wurden rezidivierende Pyelonephritiden aufgrund eines vesikoureteralen Refluxes (VUR) angegeben. Der VUR war bereits 2 Jahre vor der jetzigen Erkrankung operiert worden. Vor der Einweisung in unser Krankenhaus war bei der Patientin eine Lumbalpunktion durchgeführt worden, die einen normalen Liquorbefund ohne bakterielles Wachstum ergab.

Bei der Aufnahme zeigte die körperliche Untersuchung ein weiches Abdomen, Splenomegalie und einen leichten petechialen Ausschlag an den unteren Extremitäten. Das Blutbild (Normbereich in Klammern) zeigte eine Leukozytose von 25 000 (4500–13 000), 80 % Neutrophile, Hämoglobin 8,7 g/dl (11,8–15), MCV 56 fl (69–93), MCH 17,3 pg (22–34), MCHC 20 g/dl (32–40) und eine Thrombozytose mit 731 000/μl (150 000–410 000). Das CRP war auf 153 mg/l erhöht (< 5), die Kreatinkinase war normal.

Proteinase-3- und Myeloperoxidase-Antikörper waren negativ. Die Urinanalyse zeigte erneut eine leichte Mikrohämaturie und Leukozyturie mit Wachstum von Proteus mirabilis, was eine Harnwegsinfektion wahrscheinlich macht (Anzahl der Kolonien nicht verfügbar).

Bei mehr als der Hälfte der Patienten (41/78, 54 %) trat PFMS als erste Manifestation des FMF auf. Davon waren 8 (10 %) afebril. Myalgien wurden bei 100 % der Patienten angegeben, Bauchschmerzen bei 65 % und ein Hautausschlag bei 26 %. Bei 59 von 77 Patienten (77 %) erwiesen sich CS als wirksam, bei CS-refraktären Fällen wurde Anakinra bei 5 von 5 Patienten erfolgreich eingesetzt ([ Tab. 1 ]). Angaben zur Wirksamkeit von nicht steroidalen Antirheumatika (NSAID) wurden in den meisten Fällen nicht gemacht; bei 5 Patienten wurden sie als wirksam eingestuft, bei 8 Patienten nicht (Daten nicht gezeigt). Von den 77 Patienten (ohne unseren eigenen Fall) wurden 5 mittels MRT untersucht, wobei alle eine T2-Signalanreicherung in den Muskeln zeigten, die auf eine Myositis hinweist [23].

Tab. 1

Veröffentlichte Fallberichte und Serien von pädiatrischen Patienten mit protrahiertem febrilem Myalgie-Syndrom.

Autoren

Publikationsjahr

Zeitschrift

Patientenzahl

Primärmanifestation

afebrieler Verlauf

Myalgie

Bauchschmerzen

Exanthem

Kortikosteroid Wirkung

Anakinra Wirkung

Majeed et al. [3]

2000

Semin Arthritis Rheum

7

3

0

7

4

1

3

-

Tekin et al. [24]

2000

Acta Paediatr

9

0

0

9

6

8

8

-

Ertekin et al. [25]

2005

Rheumatol Int

2

2

0

2

1

0

2

-

Soylu et al. [5]

2006

J Clin Rheumatol

6

5

0

6

5

2

6

-

Bircan u. Usluer [26]

2008

J Clin Rheumatol

6

1

0

6

5

0

6

-

Soylu et al. [27]

2008

Semin Arthritis Rheum

1

1

0

1

0

0

1

-

Duru et al. [28]

2010

Pediatr Int

2

0

0

2

1

1

2

-

Senel et al. [29]

2010

Mod Rheumatol

1

0

0

1

0

1

1

-

Bircan [30]

2010

Semin Arthritis Rheum

1

0

0

1

0

1

0

-

Demir et al. [31]

2012

Pediatr Diabetes

1

0

1

1

1

0

1

-

Oguz et al. [32]

2016

Indian J Pediatr

1

1

1

1

0

0

1

-

Rom et al. [33]

2018

Semin Arthritis Rheum

8

4

0

8

8

0

8

-

Yildirim et al. [14]

2019

Rheumatol Int

5

1

0

5

5

3

2

2

Cakan et al. [34]

2020

North Clin Istanb

1

1

0

1

1

0

0

1

Ling et al. [35]

2021

J Clin Rheumatol

1

0

1

1

0

0

1

-

Öztürk et al. [15]

2021

Rheumatol Int

6

6

2

6

2

1

4

-

Aviran et al. [23]

2022

Orphanet J Rare Dis

5

5

0

5

2

0

2

-

Aydin [36]

2023

Mod Rheumatol

14

11

3

14

9

1

11

2

Hospach (vorliegender Fall)

2024

1

1

0

1

1

1

-

-

Gesamt (%)

78

42 (54)

8 (10)

78 (100)

51 (65)

20 (26)

59/77 (77)

5/5 (100)

Die mediane Dauer von Fieber und Myalgie betrug 14 bzw. 15 Tage (Spanne 3–42 bzw. 1–45 Tage) ([ Tab. 2 ]).

Tab. 2

Dauer von Fieber und Myalgien bei den publizierten Patienten.

Autoren

Publikationsjahr

Fieberdauer in Tagen (Spanne)

Dauer Myalgien in Tagen (Spanne)

*Median

Majeed et al. [3]

2000

35* (28–42)

35* (28–42)

Tekin et al. [24]

2000

n. a.

n. a.

Ertekin et al. [25]

2005

15

15

Soylu et al. [[5]

2006

31,5* (21–42)

31,5* (21–42)

Bircan u. Usluer [[26]

2008

n. a.

28

Soylu et al. [27]

2008

14

14

Duru et al. [28]

2010

14

14

Senel et al. [29]

2010

n. a.

n. a.

Bircan [30]

2010

12

12

Demir et al. [31]

2012

0

1

Oguz et al. [32]

2016

0

10

Rom et al. [33]

2018

n. a.

15,5 (1–45)

Yildirim et al. [14]

2019

n. a.

17,5 (7–21)

Cakan et al. [34]

2020

14

14

Ling et al. [35]

2021

n. a.

n. a.

Öztürk et al. [15]

2021

17* (12–28)

21 (12–28)

Aviran et al. [23]

2022

10* (10–42)

10 (10–42)

Aydin [36]

2023

5* (5–28)

15 (5–28)

Hospach (vorliegender Fall)

2024

42

42

alle Fälle

14* (3–42)

15* (1–45)


Überprüfung von „Rheumatologie“-Lehrbüchern

FALLBERICHT – FORTSETZUNG

Die Differenzialdiagnose umfasste eine bakterielle Infektion (rezidivierende Pyelonephritis, Enteritis), einen intraabdominalen Abszess, eine entzündliche Darmerkrankung (Bauchschmerzen, Fieber), eine IgA-Vaskulitis (Petechien, Bauchschmerzen) und Polyarteriitis nodosa (Fieber, vaskulitischer Ausschlag, Bauch- und Muskelschmerzen, Hämaturie). Ein FMF wurde aufgrund der langen Fieberdauer zunächst nicht in Betracht gezogen.

Abgesehen von der Bakteriurie war die mikrobiologische Untersuchung negativ auf Bakterien. Sie ergab eine PCR-Positivität für Enteroviren und Adenoviren im Stuhl, was weder die lang anhaltenden Symptome noch die sehr hohen Entzündungsparameter erklärte. Aufgrund der Mikrohämaturie, der Leukozyturie und des Wachstums von Proteus mirabilis in der Urinkultur wurde eine antibiotische Behandlung mit Cefpodoxim eingeleitet, die jedoch keine Wirkung zeigte. Zu Beginn der Erkrankung war eine MRT-Untersuchung des Abdomens mit Kontrastmittelanreicherung im überweisenden Krankenhaus unauffällig gewesen, enthielt jedoch keine T2-gewichteten Bilder mit Fettunterdrückung. Wir wiederholten die Untersuchung 3 Wochen später, einschließlich STIR-Aufnahmen. Das MRT wurde zunächst als unauffällig interpretiert. Erst retrospektiv wurden subtile pathologische hyperintense Herde in den Muskeln der Bauchdecke sowie an den Ansatzstellen der Gesäßmuskeln an den Beckenknochen entdeckt ([ Abb. 2 ]). Bei einer Ganzkörper-MRT mit STIR-Sequenzen 1 Woche später waren diese Befunde nicht mehr vorhanden.

Zoom
Abb. 2 MRT T2 STIR koronar mit bilateralen Hyperintensitäten an den Ansatzstellen des M. gluteus zu den Ossa ilii.

Die Durchsicht von 7 rheumatologischen Standardlehrbüchern ergab, dass schwere Myalgien in 6, Bauchschmerzen, Durchfall und Hautausschlag nur in 1 Buch erwähnt wurden. Die mögliche extreme Dauer der Symptome über Wochen wurde nur in 2 Büchern deutlich beschrieben. Eine wirksame Behandlung mit Kortikosteroiden wurde in 3 Büchern angesprochen, Anakinra nur in 1 Buch [16], [17], [18], [19], [20], [21], [22]. Eine digitale Suche mit ChatGPT mit den Begriffen Fieber und Myalgie ergab entzündliche Erkrankungen einschließlich verschiedener Autoimmunerkrankungen und Vaskulitiden, aber PFMS wurde nicht angeboten (letzte Online-Suche 27. Mai 2024).

FALLBERICHT – FORTSETZUNG

Da in der Differenzialdiagnose eine Polyarteriitis nodosa oder andere seltene Vaskulitiden in Betracht gezogen wurden, wurden sowohl eine MR-Angiografie als auch eine konventionelle Angiografie durchgeführt, die keine Aneurysmen der intraabdominalen Arterien zeigten. Außerdem wurde durch eine Gastroskopie und eine Koloskopie eine entzündliche Darmerkrankung und durch eine Knochenmarkpunktion eine Leukämie ausgeschlossen. Die Behandlung mit Ibuprofen führte weder zu einer vollständigen Schmerzlinderung noch zu einem Rückgang des Fiebers. Nach 6 Wochen entfieberte die Patientin und die Schmerzen sistierten. Eine erneute gründliche Familienanamnese ergab, dass die Cousins der Eltern an FMF litten. Daher war bei unserem Patienten eine gezielte genetische Analyse angezeigt, die eine Homozygotie für die M694V-Mutation im MEFV-Gen bestätigte.



Diskussion

PFMS ist eine seltene, aber schwerwiegende FMF-Manifestation, die eine schnelle Diagnose und den Beginn einer angemessenen Behandlung erfordert, um Schmerzen zu lindern und unnötige diagnostische und therapeutische Verfahren zu vermeiden. Unser Bericht soll das Bewusstsein für PFMS schärfen, insbesondere bei Klinikern aus Ländern mit geringer FMF-Inzidenz; dies ist der erste Bericht aus dieser geografischen Region.

Unsere Übersichtsarbeit verdeutlicht zudem die Seltenheit dieser Erkrankung, da bisher nur 78 pädiatrische Patienten in Fallberichten oder kleinen Fallserien mit maximal 14 Patienten beschrieben wurden [6].

Als wichtigstes Ergebnis unserer Untersuchung bewerten wir die Tatsache, dass bei mehr als der Hälfte der Patienten (42/78, 54 %) PFMS die erste Manifestation des FMF war. Diese Patienten stellen eine besondere Herausforderung für Kliniker dar, die meist mit dem typischen Verlauf des FMF vertraut sind, das durch kurze Fieberschübe von maximal 72 Stunden gekennzeichnet ist. Im Gegensatz dazu können die Symptome bei PFMS von Tagen bis zu über 6 Wochen andauern. Bei der langen Dauer und der Fülle an Symptomen wie Fieber, Myalgie, Bauchschmerzen und vaskulitischem Ausschlag sind eher andere systemische Erkrankungen wie Polyarteriitis nodosa in Betracht zu ziehen [26]. Dies war auch bei unserer Patientin der Fall, die mehreren MRT-Untersuchungen sowie einer Angiografie und einer Endoskopie des Magen-Darm-Traktes mit Biopsie unterzogen wurde. Diese Eskalation des diagnostischen Vorgehens ist eine übliche Strategie bei anhaltendem Fieber unklarer Ursache. Dabei wurde sogar die FDG-PET/CT als wertvolles Instrument beschrieben [37], die allerdings bei unserer Patientin nicht durchgeführt wurde.

Darüber hinaus ergab die Literaturrecherche, dass zwar bei 10 % kein Fieber auftrat, aber alle Patienten über Myalgien, 65 % über Bauchschmerzen und 26 % über Hautausschläge klagten (s. [ Tab. 1 ]). Dabei wird deutlich, dass die Diagnose von PFMS ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordert, da sich die Kombination klinischer Symptome mit anderen systemischen Erkrankungen wie Vaskulitiden, entzündlichen Darmerkrankungen oder Infektionen überschneidet. Bislang gibt es keinen pathognomonischen Test für PFMS – der CK-Wert ist in der Regel normal, auch Muskelbiopsien sind nicht wegweisend [38]. Die von Kaplan u. Mitarb. vorgeschlagenen Diagnosekriterien für PFMS umfassen schwerste Myalgien von mindestens 5 Tagen Dauer bei jungen Patienten mit FMF, mit Fieber, erhöhten Entzündungswerten und das Vorhandensein von mindestens einer M694V-Mutation [4]. Damit kann die Diagnose PFMS bei Patienten mit einem bekannten, genetisch bestätigten FMF leicht gestellt werden. Andererseits bleibt die Diagnose bei Patienten, die PFMS als erste Manifestation von FMF aufweisen, schwierig. Selbst wenn die Diagnose in Betracht gezogen wird, kann die erforderliche genetische Bestätigung einige Tage bis Wochen dauern. Daher sollten Gentests in allen Verdachtsfällen so früh wie möglich durchgeführt werden. Bei ähnlichen Patienten könnte sogar eine umfangreichere genetische Untersuchung wie eine Whole-Exome-Sequenzierung (WES) in Betracht gezogen werden. Die in der Literatur berichteten Kohorten zeigten, dass PFMS häufiger bei Patienten mit homozygoten Mutationen im 10. Exon (z. B. M694V) des MEFV-Gens auftritt [39].

Die wenigen Berichte zur MRT-Bildgebung als diagnostisches Hilfsmittel zeigten unterschiedliche Befunde. Während Aviran u. Mitarb. bei allen 5 untersuchten Patienten eine starke T2-Signalanreicherung in den Muskeln berichteten, die auf eine Myositis hinweist [23], [40] ,beschrieb ein Bericht eines erwachsenen japanischen Patienten eine Verdickung der Faszien [40].

Unser eigener Fall zeigte ein hyperintenses Signal an den Ansatzstellen der Gesäßmuskeln am Darmbein sowie kleine hyperintense Herde in anderen Muskeln, was die Bedeutung von T2-gewichteten Bildern mit Fettunterdrückung (STIR, TIRM, T2 SPAIR, T2 Dixon usw.) unterstreicht.

Eine besondere Herausforderung stellt sich, wenn die Patienten eine afebrile Myalgie aufweisen, wie dies in 10 % der untersuchten Patienten der Fall war (s. [ Tab. 1 ]). In dieser Konstellation müssen per definitionem andere (als PFMS-)Myalgieformen in Betracht gezogen werden. In dem Bericht von Majeed u. Mitarb. hatten 8 % der Kinder mit FMF spontane Myalgien und 81 % belastungsinduzierte Myalgien [3].

Im Hinblick auf die Therapie wird berichtet, dass CS bei PFMS sehr wirksam sind [8], [10], [41]. Andererseits gab es auch CS-refraktäre Patienten, die vollständig auf die Il-1-Blockade mit Anakinra ansprachen [14]. NSAID waren meist nicht wirksam.

Darüber hinaus zeigt unsere Literaturdurchsicht, dass die überwiegende Mehrheit der Autoren aus Ländern mit hoher FMF-Inzidenz stammt und die publizierenden Fachzeitschriften wahrscheinlich kein breiteres Publikum von Rheumatologen erreichen, insbesondere in Ländern mit niedriger FMF-Inzidenz. Obwohl PFMS in spezifischen Publikationen, einschließlich der EULAR-Empfehlungen zum Management von FMF [42], beschrieben wird, ist es in den Standardlehrbüchern der Rheumatologie nicht ausreichend behandelt. Insbesondere werden häufig die mehrwöchige Fieberdauer und weitere Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall und petechialer Ausschlag nicht erwähnt. Die Verwendung des künstlichen Intelligenz-Tools ChatGPT mit den Begriffen „Fieber und Myalgie“ erwies sich in vorliegenden Fall als nicht diagnosebehilflich.

FAZIT FÜR DIE PRAXIS

PFMS ist eine schwere und seltene Manifestation des FMF. Da seine Dauer die typischerweise kurze (maximal 72 Stunden) Dauer der FMF-Symptome erheblich überschreiten kann, kann die Diagnose in Ländern mit geringer FMF-Inzidenz schwierig sein und sich erheblich verzögern, insbesondere in Fällen mit PFMS als primärer FMF-Manifestation. Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie ist die Tatsache, dass bei mehr als der Hälfte der pädiatrischen Patienten PFMS das erste Symptom des FMF war. Genetische Tests auf FMF sollten in frühen Stadien des Verdachts auf PFMS durchgeführt werden. Darüber hinaus kann die MRT-Bildgebung mit T2-gewichteten Sequenzen mit Fettsuppression das Ödem der Muskeln und/oder Faszien bestätigen und somit die Diagnose PFMS unterstützen. Unser Fall zeigt, dass die Unkenntnis über PFMS zu unnötigen und invasiven Eingriffen sowie zu einer Verzögerung einer wirksamen Behandlung führen kann. Aufgrund unserer Erfahrung schlagen wir vor, dass PFMS in den Standardlehrbüchern der pädiatrischen Rheumatologie ausführlicher behandelt werden sollte.



Toni Hospach

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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Toni Hospach
Klinikum Stuttgart
Kriegsbergstr. 60
70174 Stuttgart
Deutschland   

Publication History

Article published online:
29 August 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Schematische Übersicht über die eingeschlossenen Artikel nach der Suche in PubMed.
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Abb. 2 MRT T2 STIR koronar mit bilateralen Hyperintensitäten an den Ansatzstellen des M. gluteus zu den Ossa ilii.