Perkins ZB.
et al.
Prehospital Resuscitative Thoracotomy for Traumatic Cardiac Arrest.
JAMA Surg 2025;
160: 432-440
DOI:
10.1001/jamasurg.2024.7245
Studiendesign und Ergebnisse
Die kürzlich erschienene Arbeit analysierte retrospektiv die Datenbank der London
Air Ambulance (LAA) über einen Zeitraum von 21 Jahren. Die LAA behandelt ca. 2000
Traumapatienten pro Jahr, hiervon ⅓ mit penetrierenden Traumata. Im Berichtszeitraum
wurden 601 prähospitale Notfallthorakotomien bei TCA durchgeführt.
In der weit überwiegenden Zahl der Fälle erfolgte die Notfallthorakotomie bei jungen
Männern (89,5%, medianes Alter 25 Jahre) mit penetrierendem Trauma (88%), meist Stichverletzungen
(73,5%). Stumpfe Traumata waren selten (12%), sodass die Aussagekraft für diese Patienten
limitiert bleibt.
Die Studie untersuchte verschiedene Faktoren hinsichtlich ihres Einflusses auf das
Überleben bis Krankenhausentlassung. Hierbei zeigte sich, dass eine ursächliche Perikardtamponade
günstiger ist als die Exsanguination oder die Kombination beider Ursachen. Weiterhin
war ein Intervall von ≤ 5 Minuten von Eintritt des TCA bis zur Thorakotomie ein unabhängiger
Überlebensfaktor. Es gab keine Überlebenden bei Perikardtamponade und TCA > 15 Minuten
sowie bei Hämorrhagie und TCA > 5 Minuten. Günstig war außerdem das Vorliegen einer
pulslosen elektrischen Aktivität (PEA) im Vergleich zu Asystolie bzw. agonalem Rhythmus.
Es überlebten jedoch auch 12% der Patienten mit Asystolie/agonalem Rhythmus, sodass
dies nicht als alleiniges Kriterium akzeptiert werden kann. Von den 72 Patienten mit
stumpfem Trauma überlebte eine Person mit einer Perikardtamponade.
Kommentar
Patienten im TCA, bei denen alle anderen reversiblen Ursachen behoben wurden, haben
ohne Thorakotomie oder alternative erweiterte Maßnahmen eine nahezu hundertprozentige
Mortalität. Die vorliegende Publikation zeigt, dass eine Thorakotomie bei einem Teil
dieser Patienten lebensrettend ist. Die Auswahl geeigneter Kandidaten bleibt herausfordernd.
So ist davon auszugehen, dass die Perikardtamponade in einem wesentlichen Teil der
Fälle erst nach der Thorakotomie klinisch festgestellt wurde, was den Stellenwert
als Indikationskriterium einschränkt. Alternativ müsste vor Thorakotomie weitere Diagnostik,
z. B. mittels Ultraschall, erfolgen. Der eindrücklich gezeigte Einfluss des Intervalls
zwischen TCA und Thorakotomie unterstreicht jedoch, dass neben Indikationsstellung
und Expertise in der Technik insbesondere die Geschwindigkeit entscheidend ist. Die
einzuhaltenden Zeitintervalle lassen sich im TCA nicht durch Thoraxkompression verlängern
und werden regelhaft bis zum Eintreffen in einem Schockraum abgelaufen sein. Vielmehr
müssen geschulte Behandler geeignete Patienten bereits in der Präklinik erreichen.
Die Notfallthorakotomie ermöglicht neben der sicheren Entlastung einer Perikardtamponade
auch Maßnahmen zur intrathorakalen Blutungskontrolle sowie die hocheffektive Aortenkompression.
Da die Thorakotomie teils als sehr invasiv und komplex wahrgenommen wird, werden weniger
invasive und vermeintlich technisch einfachere Alternativen diskutiert.
Statt des im Studienkollektiv verwendeten Clamshell-Zugangs wäre auch eine links laterale
Thorakotomie leitliniengerecht. Durch den kleineren Zugang entstehen jedoch mehrere
Nachteile. Es besteht weniger Übersicht, wodurch sich die Zeit bis zur Versorgung
der Verletzung signifikant verlängert [1]. Weiterhin können während manueller Aortenkompression wichtige Maßnahmen wie Perikardiotomie
oder offene/geschlossene kardiale Kompression nicht parallel erfolgen.
Für die Entlastung einer Perikardtamponade nach Trauma mittels (ultraschallgezielter)
Perikardpunktion besteht keine mit den vorliegenden LAA-Daten vergleichbare Datenbank,
sodass Erfolgsquote, Risiken oder Überlebensraten unklar sind. Die korrekte Durchführung
unter prähospitalen Reanimationsbedingungen ist technisch anspruchsvoll, die Evakuation
koagulierter Tamponadenanteile nicht möglich.
Eine temporäre Aortenokklusion kann alternativ zum offenen Vorgehen auch endovaskulär
erfolgen (REBOA). Zur prähospitalen Anwendung dieses Verfahrens wurde kürzlich eine
kleine Observationsstudie veröffentlicht [2]. Bei erfolgreicher REBOA-Anlage konnte der Blutdruck signifikant gesteigert werden,
allerdings schlug die Anlage des arteriellen Zugangs bei 3 von 8 Patienten im TCA
fehl, sodass auf offene Aortenokklusion konvertiert werden musste. Intrathorakale
Blutungsquellen können mittels REBOA technisch nicht adressiert werden.
Insgesamt ist die verfügbare Evidenz für Perikardpunktion und REBOA geringer als für
die Notfallthorakotomie.
Bei allen genannten alternativen Methoden besteht das Risiko, durch den Behandlungsversuch
mittels eines vermeintlich weniger invasiven Verfahrens wertvolle Zeit zu verlieren
und hierdurch das kurze Zeitfenster für eine erfolgversprechende Clamshell-Thorakotomie
zu verpassen.
Die Notfallthorakotomie stellt eine leitliniengerechte Therapie im TCA dar, die nachweislich
auch prähospital lebensrettend sein kann. Der Stellenwert alternativer Interventionen
bleibt unsicher. Geschulte Teams müssen den Patienten rechtzeitig erreichen. Entscheidend
für den Erfolg sind frühzeitige Intervention und stringente Patientenselektion.
Dr. med. Frank Weilbacher, Heidelberg; Dr. med. univ. Stephan Katzenschlager, Heidelberg;
Prof. Dr. med. Erik Popp