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DOI: 10.1055/a-2619-7824
Der Einsatz von KI in der Radiologie – KI-Leistungen bei der Befundung als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung?
- I. Einleitung
- II. Die KI in der vertragsärztlichen Versorgung
- III. Folgen der Nichteinordnung einer KI-Leistung als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung
- IV. Zusammenfassung
I. Einleitung
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (nachfolgend: KI) breitet sich derzeit immer weiter aus und wird auch in der Medizin diskutiert, zum Beispiel im Rahmen des Prozessmanagements in Arztpraxen und Krankenhäusern oder bei Roboterassistenten.[ 1 ] Auch in der Radiologie kommt der Einsatz von KI bei der Auswertung von Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen in Betracht. Die KI, die anhand der von ihr zur Verfügung gestellten Datengrundlage lernt, Krankheiten zu erkennen, bietet verschiedene Anwendungsfelder in der bildgebenden Diagnostik. Dabei kommt beispielsweise in Betracht, die KI zur Befundsicherung einzusetzen oder aber die KI einzusetzen, um Auffälligkeiten zu erkennen, zu quantifizieren oder zu klassifizieren. Die vielfältigen Möglichkeiten werden dadurch ergänzt, dass die KI bei verschiedenen bildgebenden Verfahren in der Radiologie zur Anwendung kommen kann. Dabei ist aber die eingangs dieses Absatzes erwähnte Datengrundlage zugleich der limitierende Faktor der KI, da die KI nur so gut ist, wie die Datengrundlage, die ihr zum Trainieren zur Verfügung steht.
Während der Einsatz von KI aus medizinischer Sicht viele Möglichkeiten, aber ebenso Risiken bietet, stellen sich aus rechtlicher Sicht bei dem Einsatz von KI in der Medizin verschiedene Fragen. Durch die Verabschiedung der Verordnung 2024/1689 über künstliche Intelligenz (nachfolgend: KI-VO) durch die Europäische Union (nachfolgend: EU) im Jahr 2024, ergaben sich vor allem im Hinblick auf die regulatorischen Voraussetzungen des Einsatzes von KI in der Medizin rechtliche Fragestellungen. Dabei stehen vor allen haftungsrechtliche Fragen im Vordergrund, bei denen es im Kern darum geht, wer für die Fehler einer KI haftet. Weitere Beachtung in juristischen Beiträgen finden bisher datenschutzrechtliche und medizinprodukterechtliche Erwägungen zum Einsatz der KI in der Medizin. Neben den vorbenannten rechtlichen Fragestellungen stellt sich aber auch die Frage nach dem Einsatz von KI-Produkten in der vertragsärztlichen Versorgung, mit der bislang kaum eine rechtliche Auseinandersetzung erfolgte. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit solche Leistungen Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung im ambulanten Bereich sind. Diese Frage ist insbesondere im Hinblick auf die Abrechenbarkeit von Leistungen der KI relevant. Sobald eine Leistung Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist, kann sie gegenüber einem gesetzlich krankenversicherten Patienten[ 2 ] (nachfolgend: GKV-Patient) im ambulanten Bereich nicht unmittelbar abgerechnet werden.
Dieser Beitrag befasst sich daher in einem ersten Teil mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung (nachfolgend: GKV) und erläutert, welche Bedeutung dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (nachfolgend: EBM) zukommt. Zudem wirft er einen Blick auf Individuelle Gesundheitsleistungen (nachfolgend: IGeL). Daran anknüpfend wird erörtert, wie zu prüfen ist, ob die Leistung, die eine KI im Rahmen der Befundung erbringt, Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Rechtlicher Anknüpfungspunkt hierbei ist § 28 SGB V, der mit „ärztliche und zahnärztliche Behandlung“ überschrieben ist. Ob die Leistung der KI eine ärztliche Behandlung nach § 28 Abs. 1 SGB V darstellt, richtet sich danach, ob sie im EBM enthalten ist oder nicht. Diese Prüfung ist komplex und findet sich unter der Überschrift „Die Leistung der KI als Bestandteil des EBM“ wieder (II. 2. a.).
Daran anschließend wird kurz auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 SGB V eingegangen, bevor kurze Ausführungen zu den Folgen der Nichteinordnung der KI-Leistung als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung folgen. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, wie KI-Leistungen im Rahmen der GOÄ abgerechnet werden können. Zuletzt folgt eine Zusammenfassung.
II. Die KI in der vertragsärztlichen Versorgung
Der Einsatz der KI in der Radiologie wirft im ambulanten Bereich bei der Behandlung von GKV-Patienten vor allem die Frage auf, ob die Leistung der KI als IGeL-Leistungen erbracht werden kann oder ob die Leistung Gegenstand des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Zur Beantwortung dieser Frage ist immer eine Einzelfallprüfung erforderlich. Im Rahmen jeder Prüfung sind dabei stets die im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit geltenden Vorschriften, insbesondere die des SGB V, zu beachten. Diese werden im Folgenden näher dargelegt.
1. Das System der GKV
Wesentliches Grundelement der GKV ist das Sachleistungsprinzip gemäß §§ 2 Abs. 2 S. 1, 13 Abs. 1 SGB V, wonach die Leistungen gegenüber dem GKV-Patienten als Sach- und Dienstleistungen zu erbringen sind. Für das Verhältnis zwischen Arzt und dem GKV-Patienten ist zu berücksichtigen, dass in diesem Verhältnis zwar zivilrechtlich ein Behandlungsvertrag gem. § 630a BGB besteht, der Arzt allerdings keinen direkten Vergütungsanspruch gegenüber dem GKV-Patienten hat. Der Sachleistungsanspruch des Patienten besteht zudem gegenüber der Krankenkasse des GKV-Patienten. Der Arzt hat seine Leistungen gegenüber dem GKV-Patienten daher kostenfrei als Sach- und Dienstleistungen zu erbringen. Eine unmittelbare Abrechnung der Leistung zwischen Arzt und GKV-Patient findet nicht statt. Ein in der vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt rechnet seine Leistungen auf der Grundlage des EBM gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung, deren Mitglied er ist, ab.
a. Der EBM
Der EBM ist Abrechnungsgrundlage der Leistungen, die der Vertragsarzt erbringt. Es handelt sich hierbei um ein Leistungsverzeichnis, welches den Umfang und Inhalt der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen und ihr wertemäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander festlegt (§ 87 Abs. 2 SGB V). Der EBM ist Bestandteil des Bundesmantelvertrages für Ärzte (§ 87 Abs. 1 S. 1 SGB V). Der Bundesmantelvertrag für Ärzte (nachfolgend: BMV-Ä) wird zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen geschlossen (§§ 82 Abs. 1, 87 Abs. 1 S. 1 SGB V) und ist somit für die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen verbindlich. Da der EBM Teil des BMV-Ä ist, kommt auch ihm eine Verbindlichkeit für die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen zu.
Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind zunächst alle im Leistungsverzeichnis des EBM enthaltenen Leistungen.[ 3 ] Er bildet daher für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer eine verbindliche Abrechnungsgrundlage für die Vertragsärzte. Alle im EBM enthaltenen Leistungen sind Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung, auf die der GKV-Patient einen Rechtsanspruch hat. Darin nicht aufgeführte Leistungen können nicht zulasten der GKV nach dem Sachleistungsprinzip abgerechnet werden. Zudem ist zu beachten, dass der EBM ein abschließendes Regelwerk darstellt[ 4 ] und einer analogen Anwendung – anders als die Gebührenordnung für Ärzte (nachfolgend: GOÄ) – nicht zugänglich ist. Auf die GOÄ wird im Zusammenhang mit den IGeL-Leistungen noch näher eingegangen.
Der eingangs dieses Abschnittes erwähnte BMV-Ä sieht in § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 3 die Möglichkeit vor, dass der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Arzt einen direkten Vergütungsanspruch gegenüber dem GKV-Patienten hat.
Gemäß § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 3 BMV-Ä dürfen Ärzte für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, unmittelbar von Patienten eine Vergütung nur fordern, wenn die dort niedergelegten Voraussetzungen eingehalten worden sind. § 18 Abs. 8 BMV-Ä hat folgenden Wortlaut (Hervorhebung nicht im Original):
„(8) Der Versicherte hat Anspruch auf Sachleistung, wenn er nicht Kostenerstattung gewählt hat. Vertragsärzte, die Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung an Stelle der ihnen zustehenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, verstoßen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten. Der Vertragsarzt darf von einem Versicherten eine Vergütung nur fordern,
1. wenn die elektronische Gesundheitskarte vor der ersten Inanspruchnahme im Quartal nicht vorgelegt worden ist bzw. ein Anspruchsnachweis gemäß § 19 Abs. 2 nicht vorliegt und nicht innerhalb einer Frist von zehn Tagen nach der ersten Inanspruchnahme nachgereicht wird,
2. wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt,
3. wenn für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde. […]“
Während § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 2 BMV-Ä diejenigen Fallgestaltungen betrifft, in denen ein GKV-Patient auf seinen bestehenden Sachleistungsanspruch verzichtet und stattdessen die Behandlungskosten selbst tragen will, bezieht sich Nr. 3 auf ärztliche Leistungen, die nicht Bestandteil des GKV-Leistungskataloges, d. h. der vertragsärztlichen Versorgung sind. Diese dürfen als privatärztliche Leistung gegenüber GKV-Versicherten erbracht und in Rechnung gestellt werden, soweit der Patient auf die Verpflichtung zur eigenständigen Kostentragung hingewiesen und vorher eine schriftliche Zustimmung von ihm eingeholt worden ist. Eine Kostentragungspflicht der GKV besteht in diesen Fällen nicht. § 18 Abs. 8 S. 3 Nr. 3 SGB V betrifft damit Leistungen, welche auch als IGeL-Leistungen bezeichnet werden und nicht zum Leistungskatalog der GKV gehören.[ 5 ]
Es lässt sich daher festhalten, dass der EBM das Verzeichnis der in der vertragsärztlichen Versorgung im ambulanten Bereich enthaltenen Leistungen darstellt. Die im EBM enthaltenen GOP sind für den Vertragsarzt verbindlich. Der BMV-Ä eröffnet dem Vertragsarzt in § 18 Abs 8 S. 3 Nr. 2 die Möglichkeit, Leistungen zu erbringen, die nicht Bestandteil der GKV sind.
b. IGeL-Leistungen
Nicht Bestandteil des Leistungsumfangs der GKV sind IGeL-Leistungen. Dabei handelt es sich um Leistungen, die von GKV-Patienten nachgefragt werden und die ärztlich empfehlenswert oder, je nach Intensität des Patientenwunsches, zumindest ärztlich vertretbar sind.[ 6 ] Es handelt sich daher um Leistungen, für die das im System der GKV nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB V geltende Sachleistungsprinzip nicht gilt. Diese Leistungen müssen daher von dem GKV-Patienten selbst bezahlt werden. Die Abrechnung erfolgt nach Maßgabe der GOÄ. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine ärztliche Leistung nur dann als IGeL gegenüber dem gesetzlich versicherten Patienten nach Maßgabe der GOÄ abgerechnet werden kann, wenn sie nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist.
Die GOÄ ist eine Rechtsverordnung, deren Rechtsgrundlage sich in § 11 BÄO findet. Danach wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für ärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für ärztliche Leistungen festzusetzen.[ 7 ] Die GOÄ regelt das Vergütungsrecht im Verhältnis zwischen Arzt und Privatpatient. Der Arzt kann jedoch unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 8 S. 3 NR. 2 SGB V die Möglichkeit haben, gegenüber dem GKV-Patienten einen direkten Vergütungsanspruch zu haben und seine Leistungen unmittelbar mit ihm abzurechnen.[ 8 ] Dabei ist die Abrechnung nach Maßgabe der GOÄ vorzunehmen.[ 9 ] Im Fall von IGeL-Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, besteht der Vergütungsanspruch des Arztes direkt gegenüber dem GKV-Patienten und richtet sich nach der GOÄ.
2. Die leistungsrechtliche Einordnung der KI nach dem SGB V
Nachdem unter 1. dargelegt wurde, dass im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung das Sachleistungsprinzip zu beachten ist, steht im Folgenden insbesondere die in § 28 SGB V geregelte ärztliche Behandlung im Mittelpunkt. Diese wird dem Patienten im Rahmen des Sachleistungsprinzips gewährt.
Die vertragsärztliche Versorgung umfasst gemäß § 73 Abs. 2 S. 1 SGB V neben der ärztlichen Behandlung (§ 28 SGB V) auch die Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln (§ 31 SGB V) sowie die digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a SGB V). Wie bereits in unserem Beitrag vom Mai 2023[ 10 ] erörtert, ist die Einordnung der Leistung einer KI zunächst von ihrer Einordnung als Medizinprodukt abhängig. Nach der Definition aus Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte sind Medizinprodukte solche Instrumente, Apparate, Geräte, Software, Implantate, Reagenzien, Materialien oder sonstige Gegenstände, die dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt sind und allein oder in Kombination einen oder mehrere der dann aufgezählten medizinischen Zwecke erfüllen sollen. Zu den Zwecken zählt unter anderem die Diagnose, Vorhersagung und Prognose von Krankheiten. Eine KI-basierte App kann eine Software darstellen, die die Funktion zur Diagnose, Vorhersage oder Prognose entsprechend der vom Hersteller festgelegten Zwecke nachweislich erfüllen soll. Folglich kann es sich bei der Leistung einer KI um ein Medizinprodukt im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745 handeln. Die KI stellt weder ein Arznei- und Verbandsmittel (§ 31 SGB V), noch eine digitale Gesundheitsanwendung (§ 33a SGB V) dar. Bei den Arznei- und Verbandsmitteln nach § 31 SGB V stellt sich primär die Frage, ob das jeweilige Medizinprodukt als arzneimittelähnliches Medizinprodukt qualifiziert werden und somit in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden kann. Dafür müsste es sich bei der KI nach § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V um einen Stoff handeln, der zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt ist. Auf Grundlage der Definition aus § 3 Arzneimittelgesetz, welcher Stoffe als chemische Elemente, pflanzliche oder tierische Bestandteile und Microorganismen einordnet, kann man in Bezug auf eine KI feststellen, dass diese vielmehr auf Grundsätzen der Physik und Informatik beruht und gerade keine chemischen Elemente, pflanzliche oder tierische Bestandteile sowie Microorganismen beinhaltet. Außerdem sind KI-basierte Leistungen nicht zu einer Anwendung am oder in dem Körper, sondern zur Untersuchung von durch radiologische Untersuchung gewonnenen Schnittbildern bestimmt, womit sie kein arzneimittelähnliches Produkt im Sinne des § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V darstellen. Ferner ist die KI auch nicht als digitale Gesundheitsanwendung nach § 33a Abs. 1 S. 1 SGB V einzuordnen. Aus dem Verordnungserfordernis des § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V ergibt sich im Wege der Auslegung, dass das Medizinprodukt von dem Hersteller dazu bestimmt sein muss, in der Regel von den Versicherten selbst verwendet zu werden. Auch wenn eine Unterstützung durch den Leistungsträger denkbar ist, so sind digitale Gesundheitsanwendungen, die ausschließlich von dem Leistungsträger verwendet werden, nicht mehr erfasst.[ 11 ] Die fraglichen Leistungen, die von der KI erbracht werden, sind jedoch nicht zur Anwendung durch den Versicherten bestimmt, sie sollen von dem Leistungsträger angewendet werden. Folglich handelt es sich bei der KI auch nicht um eine digitale Gesundheitsanwendung nach § 33a SGB V.
Ob die Leistung der KI eine ärztliche Behandlung nach § 28 Abs. 1 SGB V darstellt, richtet sich danach, ob sie im EBM enthalten ist oder nicht. Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Sie umfasst alle Maßnahmen der ambulanten medizinischen Versorgung der Versicherten. Damit diese Leistung an GKV-Patienten erbracht werden kann, muss sie gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 SGB V Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sein.
a. Die Leistung der KI als Bestandteil des EBM
Es ist zu prüfen, ob die Leistung, die die jeweilige KI erbringt, Bestandteil des EBM ist. Der EBM ist – wie bereits erörtert – die verbindliche Abrechnungsgrundlage für die vertragsärztliche Tätigkeit. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, befasst sich dieser Beitrag mit KI-Leistungen im Rahmen der bildgebenden Diagnostik, konkret der Befundung. Für radiologische Leistungen kommt vor allem das Kapitel 34 des EBM in Betracht, welches „Diagnostische und interventionelle Radiologie, Computertomographie, Magnetfeld-Resonanz-Tomographie und Positronenemissionstomographie bzw. Positronenemissionstomographie mit Computertomographie“ lautet. Eine spezielle GOP für Leistungen, die von einer KI erbracht werden, ist im EBM aktuell nicht enthalten. Es ist jedoch zu beachten, dass die Leistung der KI auch Bestandteil einer bereits bestehenden GOP des EBM sein kann. Bei der Prüfung, ob eine konkrete Leistung der KI in einer GOP des EBM enthalten ist, sind die Überschrift der GOP, die Beschreibung und der Leistungsinhalt der GOP zu beachten.
aa. Der Aufbau einer GOP des EBM
Die GOP des EBM setzen sich, wie voranstehend erwähnt, aus der Überschrift, einer Beschreibung sowie dem Leistungsinhalt zusammen. Die Überschrift einer GOP des EBM dient vor allem der Erleichterung der Handhabung des EBM, hat darüber hinaus allerdings auch die Funktion, dass sie den obligaten Leistungsinhalt des EBM wiedergibt.[ 12 ]
Zentrales Strukturelement des EBM ist der Leistungsinhalt, bei dem zwischen obligatem und fakultativem Leistungsinhalt unterschieden wird.[ 13 ] Die vollständige Erbringung des obligaten Leistungsinhaltes ist Voraussetzung für die Abrechenbarkeit der entsprechenden GOP. Leistungen, die im Rahmen des fakultativen Leistungsinhaltes aufgeführt sind, müssen nicht erbracht werden; werden sie jedoch erbracht, sind sie Bestandteil der entsprechenden GOP und mit ihr abgegolten.
bb. Grundsätze zur Auslegung der GOP des EBM
Da – wie bereits erörtert – keine eigene GOP für Leistungen, die von einer KI erbracht werden, besteht, stellt sich die Frage, inwieweit einzelne Leistungen, die die KI erbringt, Bestandteil bereits bestehender GOP des EBM sein können. Hierfür ist jedoch eine Auslegung des Wortlautes der einzelnen GOP des EBM erforderlich.
Bei der juristischen Auslegung des Inhalts der GOP ist zu beachten, dass Leistungsbeschreibungen nicht ausdehnend oder analog angewendet werden dürfen. Konkret hat das Bundessozialgericht (nachfolgend: BSG) ausgeführt (Hervorhebung nicht im Original):[ 14 ]
„Für die Auslegung der genannten GOP ist in erster Linie der Wortlaut der Regelung maßgebend. Grund für die besondere Bedeutung des Wortlauts ist nach der zu den GOP des EBM-Ä ergangenen ständigen Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 11.12.2013 – B 6 KA 14/13 R – SozR 4–2500 § 87 Nr 28 RdNr 11; zuletzt: BSG Urteil vom 11.9.2019 – B 6 KA 22/18 R – SozR 4–5531 Nr 01 210 Nr 1 RdNr 13 jeweils mwN) zum einen, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä – des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs 1 SGB V – ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände besteht nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden. Diese Grundsätze gelten auch für Kostenerstattungstatbestände, sofern sie eine Pauschalerstattung vorsehen (BSG, Urteil vom 11.12.2013 – B 6 KA 14/13 R – SozR 4–2500 § 87 Nr 28 RdNr 11; BSG, Urteil vom 16.12.2015 – B 6 KA 39/15 R – SozR 4–5531 Nr 40 100 Nr 1 RdNr 25).“
Nach diesen vom BSG aufgestellten Grundsätzen gilt, dass eine ausdehnende Auslegung der GOP sowie eine analoge Anwendung der GOP des EBM nicht zulässig ist. Eine systematische Auslegung soll nur dann möglich sein, wenn der Wortlaut einer GOP unklar ist.
cc. Der Einsatz der KI im Rahmen der Befundung
Wie bereits eingangs erwähnt, gibt es viele verschiedene Anwendungsgebiete für die KI in der Medizin. Im Folgenden soll der Einsatz der KI in der Radiologie im Rahmen der Befundung geprüft werden. Dabei kommt beispielsweise in Betracht, dass die KI zur Detektion von Auffälligkeiten, zur Klassifikation der detektierten Auffälligkeiten oder zur Quantifizierung eingesetzt wird.
In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die konkrete Leistung, die die KI erbringt, Leistungsbestandteil der entsprechenden GOP des EBM ist. Geht man davon aus, dass die KI bei der Auswertung von Röntgen-, CT-, oder MRT-Aufnahmen eingesetzt wird, stellt sich zunächst die Frage, ob die Auswertung der Aufnahmen (Befundung) überhaupt Bestandteil einer GOP des EBM ist. Dies ergibt sich selten aus dem Wortlaut der einzelnen GOP des Kapitels 34 des EBM.
Die Überschrift der einzelnen GOP setzt sich oftmals aus dem bildgebenden Verfahren (Röntgen, CT, MRT) und dem Substantiv „Untersuchung“ sowie der zu untersuchenden Körperregion zusammen:
Für die GOP 34 341 EBM lautet die Überschrift beispielsweise:
„CT-Untersuchung des gesamten Abdomens“
Für die GOP 34 430 EBM lautet sie:
„MRT-Untersuchung des Thorax“
Sodann folgt die Beschreibung, die oftmals den Wortlaut der Überschrift wiedergibt, so auch bei den beiden angeführten Beispielen.
Darauf folgt der obligate Leistungsinhalt, der im Fall der GOP 34 430 EBM einen Hinweis darauf enthält, dass die Darstellung in zwei Ebenen, die Darstellung des Mediastinums und/oder der Lunge zu enthalten hat. Bei der GOP 34 341 EBM lautet der obligate Leistungsinhalt „Darstellung vom Zwerchfell bis zum Beckenboden“.
Ob die Befundung der dargestellten Körperregionen ebenfalls Bestandteil der GOP ist, ergibt sich aus dem obligaten Leistungsinhalt, der zur Abrechenbarkeit der Leistung vollständig erbracht werden muss, nicht. Sofern in der Überschrift oder der Leistungsbeschreibung der Begriff „Untersuchung“ enthalten ist, ist die Frage aufzuwerfen, ob die Untersuchung die Befundung miteinschließt. Dafür ist eine, nach der Rechtsprechung des BSG restriktive, Auslegung des Wortlauts der Überschrift bzw. Beschreibung einzelner, wie der beiden vorbenannten, GOP vorzunehmen.
Betrachtet man den systematischen Zusammenhang der vorbenannten GOP, sind nicht nur die im selben Kapitel, Abschnitt oder Unterabschnitt stehenden GOP relevant; daneben sind auch die Allgemeinen Bestimmungen und die Präambeln zu den Kapiteln, Abschnitten und Unterabschnitten zu beachten. Die Allgemeinen Bestimmungen zum EBM enthalten grundsätzliche Informationen zur Berechnungsfähigkeit ärztlicher Leistungen in der GKV und gelten für alle ärztlichen Leistungen des EBM.[ 15 ]
Aus diesem Grund sind sowohl die Allgemeinen Bestimmungen des EBM, als auch die Präambel zu Kapitel 34 sowie die Präambeln zu den einzelnen Abschnitten des Kapitels 34 zu beachten.
Nach den Allgemeinen Bestimmungen I.2.1.4. EBM gilt die Berichtspflicht. Danach ist für die Abrechnungsfähigkeit der Leistung des Kapitels 34 stets Voraussetzung, dass dem Hausarzt eine Befundkopie übermittelt wird. Die Tatsache, dass ein Radiologe eine Leistung des Kapitels 34 nur abrechnen kann, wenn er dem Hausarzt eine Befundkopie übermittelt hat, spricht dafür, dass die Leistung „Röntgenaufnahme“ auch die Befundung dieser Aufnahme beinhaltet. Ergänzend können auch die Präambeln der jeweiligen Abschnitte zur Auslegung herangezogen werden. Ziffer 4 der Präambel zu Kapitel 34 des EBM lautet:
4. „In den Gebührenordnungspositionen dieses Kapitels sind die Beurteilung, obligatorische schriftliche Befunddokumentation, […] enthalten.“
Die Ziffer 4 der Präambel zu Kapitel 34 legt nahe, dass die Befundung Teil des Leistungstatbestandes der oben genannten GOP ist. Denn eine Befunddokumentation ohne vorangegangene Befundung ist logisch nicht denkbar. Zudem stellt die Ziffer 4 der Präambel zu Kapitel 34 des EBM ausdrücklich klar, dass auch die Beurteilung in den GOP enthalten ist. Die Beurteilung ist im medizinischen Kontext nichts anderes als die Befundung.
Ebenso spricht die Einführung des Abschnitts 34.8 in systematischer Hinsicht dafür, dass von der GOP 34221 auch die Befundung umfasst ist. Denn in Abschnitt 34.8 sind die telekonsiliarischen Befundbeurteilungen von Röntgenaufnahmen und CT-Aufnahmen geregelt. Die telekonsiliarische Befundbeurteilung ist in der Anlage 31a zum BMV-Ä geregelt und wird definiert als „zeitversetzte Zweitbefundung von Röntgenaufnahmen und Computertomographieaufnahmen durch einen Konsiliararzt mittels elektronischen Austausches der Aufnahmen sowie sonstigen, für die Zweitbefundung relevanten Patienteninformationen“ (§ 1 Abs. 1 S. 1 der Anlage 31a zum BMV-Ä).
Wäre die Befundung und der Röntgenaufnahmen nicht bereits von den einzelnen GOP des Kapitels 34 umfasst, würde die Regelung, wonach eine Zweitbefundung unter den Voraussetzungen der GOP, die im Abschnitt 34.8 des EBM geregelt sind, abrechenbar ist, keinen Sinn ergeben. Denn ohne eine (Erst-)Befundung kann es keine Zweitbefundung geben.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Befundung Teil der GOP des Kapitels 34 sein kann.
Bei neu eingeführten GOP wie der GOP 34 370 EBM, die erst mit Wirkung zum 01.01.2025 in den EBM aufgenommen wurde, ergibt sich bereits aus dem Verweis des obligaten Leistungsinhalts auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (MVV-PL), dass die Befundung Teil der Leistung ist. Die GOP 34 370 EBM hat die CT-Koronarangiographie gemäß der Nr. 42 der Anlage I der MVV-RL zum Gegenstand. In ihrem obligaten Leistungsinhalt wird auf die „Befunderstellung gemäß § 3 Abs. 4 der Nr. 42 der Anlage I der MVV-RL“ verwiesen.
In § 3 Abs. 4 der MVV-RL ist Folgendes geregelt (Hervorhebung nicht im Original):
„Das diagnostische Ergebnis der CCTA hat basierend auf den Kriterien zum Diameter-Stenosegrad von mindestens 50 % in mindestens einer Koronararterie zum Ausschluss oder zur Bestätigung einer obstruktiven KHK eine Diagnosestellung sowie eine begründete Therapieempfehlung oder eine Empfehlung zur weiteren Abklärung unter Berücksichtigung des Stenosegrades der Koronararterien zu erhalten.“
Wie sich aus dem obligaten Leistungsinhalt der GOP 34 370 EBM ergibt, ist die „Befunderstellung gemäß § 3 Abs. 4 der Nr. 42 der Anlage I der MVV-RL“ Leistungsbestandteil der GOP 34 370 EBM. Aus § 3 Abs. 4 der Nr. 42 der Anlage I der MVV-RL ergibt sich, dass das Ergebnis der CT-Koronarangiographie eine Diagnosestellung zu enthalten hat. Eine Diagnosestellung ist nur dann möglich, wenn zuvor die erhobenen Befunde ausgewertet wurden. Zudem ergibt sich bereits aus dem Verweis, in dem auf die „Befunderstellung“ verwiesen wird, dass die Befunderstellung Teil des obligaten Leistungsinhalts ist.
Es zeigt sich also, dass der EBM die Befundung in der Regel nicht als Leistung benennt, entsprechend der Allgemeinen Bestimmungen und der Präambel jedoch vorgesehen ist, dass diese von dem Radiologen vorgenommen wird.
dd. Prüfung des Leistungsinhaltes bei der Befundung
Nachdem festgestellt wurde, dass die Befundung Teil der Leistung einer bestimmten GOP des EBM ist, ist zu prüfen, ob die Leistung, die die KI erbringt, ebenfalls Bestandteil jener GOP des EBM ist. Auch hier ist wieder zu beachten, dass in keiner GOP des Kapitels 34 auf Leistungen, die von einer KI erbracht werden, verwiesen wird. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Leistungen der Radiologe im Zusammenhang mit der Befundung zu erbringen hat. Erbringt die KI eine Leistung, die auch der Radiologe im Rahmen einer Befundung ohne Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel erbringt, ist davon auszugehen, dass die Leistung der KI bereits Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Wenn die Leistung von einem Radiologen im Rahmen einer Untersuchung, die Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist, erbracht wird, kann nicht das Erbringen derselben Leistung und das Ersetzen der Leistung des Radiologen dazu führen, dass diese Leistung nicht mehr Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Ansonsten könnte man durch den Einsatz der KI die Vorschriften zur vertragsärztlichen Versorgung umgehen. Zudem würde so eine einheitliche Behandlung, die nicht nur aus dem Erstellen der Röntgen-, CT- oder MRT-Aufnahme, sondern auch aus der Befundung besteht, künstlich aufspalten. Denn das Erstellen der Aufnahme, an der die KI anschließend die Leistung erbringen soll, würde weiterhin eine Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung darstellen, einzig die Leistung der KI wäre darin nicht enthalten, obwohl diese vom Radiologen im Rahmen der Befundung ohnehin zu erbringen ist und im EBM bereits abgebildet wird.
Andererseits kommt in Betracht, dass die KI eine Leistung erbringt, die ein Radiologe ohne Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel nicht erbringen kann. Hierbei kann es sich beispielsweise um komplexe Berechnungen oder Auswertungen handeln. In diesem Fall ist die Leistung nicht Bestandteil des EBM.
3. Prüfung des Vorliegens einer NUB für Leistungen der KI, die nicht im EBM enthalten sind
Für die Frage nach der Abrechenbarkeit der KI als vertragsärztliche Leistung ist zusätzlich relevant, ob es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode i. S. d. § 135 Abs. 1 SGB V handelt. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) dürfen gemäß § 135 Abs. 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V die Empfehlung über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung abgegeben hat. Ist dies nicht der Fall, dürfen NUB grundsätzlich im ambulanten Bereich als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der GKV nicht erbracht werden. Daher ist für Leistungen, die nicht unter eine GOP des EBM fallen, zusätzlich zu prüfen, ob es sich um eine NUB handelt.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass eine positive Empfehlung des G-BA nicht allein dazu führt, dass die Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abgerechnet werden kann. Eine Abrechnung kann erst dann erfolgen, wenn die Leistung, für die eine positive Empfehlung abgegeben wurde, als Gebührenordnungsposition in den EBM aufgenommen wurde. Denn in der vertragsärztlichen Versorgung werden diejenigen Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht, die im EBM aufgeführt sind.
III. Folgen der Nichteinordnung einer KI-Leistung als Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung
Handelt es sich bei der Leistung, die die KI erbringt, nicht um eine Leistung, die Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist, kann diese Leistung als IGeL-Leistung erbracht werden. Abrechnungsgrundlage ist in diesem Zusammenhang die GOÄ. Im Rahmen der bisher gültigen GOÄ kamen bei der Erbringung von MRT- oder CT-Leistungen vor allem die Ziffern 5733 (Zuschlag für computergesteuerte Analyse (z. B. Kinetik, 3D-Rekonstruktion)) und 5377 (Zuschlag für computergesteuerte Analyse – einschließlich speziell nachfolgender 3D-Rekonstruktion) der GOÄ in Betracht.[ 16 ] Im Rahmen der neuen GOÄ, die am 29.05.2025 auf dem 129. Deutschen Ärztetag beschlossen wurde, wird zu prüfen sein, ob es vergleichbare Gebührenziffern gibt und inwieweit KI-Leistungen in der neuen GOÄ Berücksichtigung finden. Das Thema der KI-Leistungen in der Radiologie bietet daher nicht nur im Rahmen des EBM, sondern auch im Rahmen der neuen GOÄ spannende Fragen rund um die Erbringbarkeit und Abrechenbarkeit der Leistungen.
IV. Zusammenfassung
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Einsatz von KI-Produkten in der Radiologie insbesondere bei der Befundung in Betracht kommt. In diesem Zusammenhang stellt sich für den Vertragsarzt die Frage, ob die Leistung, die die KI erbringt, eine Leistung ist, die Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Im System der GKV gilt das Sachleistungsprinzip, wonach der GKV-Patient gegen die Krankenkasse einen Leistungsanspruch hat. Der Vertragsarzt, der die Leistung gegenüber diesem Patienten erbringt, kann seine Leistung nicht gegenüber dem Patienten abrechnen. In der vertragsärztlichen Versorgung stellt der EBM für alle Vertragsärzte die verbindliche Abrechnungsgrundlage dar. Eine Abrechnung über die GOÄ direkt gegenüber dem Patienten ist nur dann möglich, wenn die Leistung, die der Arzt erbringt, nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Hierfür ist zunächst zu prüfen, ob eine ärztliche Behandlung nach § 28 SGB V vorliegt. Dabei ist insbesondere darauf einzugehen, welche GOP des EBM für die Leistung, die die KI erbringt, in Betracht kommt. Geht man davon aus, dass die Leistung der KI bei der Befundung erfolgt, ist zunächst zu prüfen, ob die Befundung als solche Teil der GOP ist. Sofern dies bejaht werden kann, ist zu prüfen, ob die Leistung, die die KI im Rahmen der Befundung erbringt, ebenfalls Bestandteil der zu prüfenden GOP ist. Hierbei stellt sich die Frage, welche Leistung der Radiologe im Rahmen der Befundung erbringt. Je nachdem, ob die Leistung der KI der Leistung des Radiologen entspricht oder nicht, ist diese (k)ein Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Ist die Leistung Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, ist sie von dem Vertragsarzt gegenüber der für ihn zuständigen KV über den EBM abzurechnen. Ist sie nicht Leistungsbestandteil einer GOP des EBM, kann die Leistung als IGeL-Leistung gegenüber dem Patienten erbracht werden und ist nach der GOÄ abzurechnen. Welche Gebührenziffer der GOÄ für die Abrechnung der Leistung in Betracht kommt, ist in diesem Fall wiederrum zu prüfen. Im Rahmen der Abrechnung über die GOÄ ist – anders als bei dem EBM – zu beachten, dass hier eine Analogabrechnung möglich ist. Bei der Frage nach der Abrechenbarkeit der GOÄ bleibt abzuwarten, welche Abrechnungsmöglichkeiten die neue GOÄ bieten wird.
Prof. Dr. Peter Wigge,
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Karina Jentsch
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1 https://www.iks.fraunhofer.de/de/themen/kuenstliche-intelligenz/kuenstliche-intelligenz-medizin.html, zuletzt abgerufen am 03.03.2025.
2 Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich gleichermaßen auf weibliche und männliche Personen. Auf eine Doppelnennung wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.
3 Kölner Kommentar zum EBM, Kommentierung der Allgemeinen Bestimmungen, Kap. B1, 1, Stand: 01.01.2015.
4 Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 87 SGB V, Rn. 6.
5 Scholz, in: BeckOK, SozR, BMV-Ä, § 18, Rn. 7.
6 https://www.kbv.de/html/igel.php; https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/i/igel.html, beide zuletzt abgerufen am 04.03.2025.
7 Clausen in: MAH MedR, 3. Aufl. 2020, § 8, Rn. 182.
8 Clausen in: MAH MedR, 3. Aufl. 2020, § 8, Rn. 339.
9 Clausen in: MAH MedR, 3. Aufl. 2020, § 8, Rn. 344.
10 Dieckmann/Wigge, RoFo 2023, S. 454 ff.
11 Kircher, in: Becker/Kingreen, SGB V, 2024, § 33a, Rn. 13.
12 Kölner Kommentar zum EBM, Kommentierung der Allgemeinen Bestimmungen, Kap. B1, 3, Stand: 01.01.2013.
13 Kölner Kommentar zum EBM, Kommentierung der Allgemeinen Bestimmungen, Kap. B1, 3, Stand: 01.01.2013.
14 BSG, Urt. v. 25.11.2020, Az.: B 6 KA 14/19 R, Rn. 18 – juris.
15 Kölner Kommentar zum EBM, Kommentierung der Allgemeinen Bestimmungen, Kap. B1, 3, Stand: 01.01.2015.
16 Dieckmann/Wigge, RoFo 2023, S. 549, 550.
Publication History
Article published online:
22 July 2025
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