Arthritis und Rheuma 2025; 45(05): 356-363
DOI: 10.1055/a-2630-3121
Kinderrheumatologie
Übersichtsartikel

Transition in die Erwachsenenmedizin: bekannte Herausforderungen neu denken – von internationalen und digitalen Ideen

Authors

  • Christiane Reiser

    1   Abteilung für pädiatrische Rheumatologie und autoinflammation reference centre Tübingen, Kinderklinik, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
    2   Abteilung für Kinderrheumatologie, Landeskrankenhaus Bregenz, Bregenz, Österreich
  • Özlem Satirer

    1   Abteilung für pädiatrische Rheumatologie und autoinflammation reference centre Tübingen, Kinderklinik, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Oana Buzoianu

    1   Abteilung für pädiatrische Rheumatologie und autoinflammation reference centre Tübingen, Kinderklinik, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Verena Heck

    1   Abteilung für pädiatrische Rheumatologie und autoinflammation reference centre Tübingen, Kinderklinik, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Gabi Erbis

    1   Abteilung für pädiatrische Rheumatologie und autoinflammation reference centre Tübingen, Kinderklinik, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
  • Johannes Knitza

    3   Institut für Digitale Medizin, Philipps Universität Marburg und Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Deutschland
  • Sebastian Saur

    4   Zentrum für Interdisziplinäre Klinische Immunologie, Rheumatologie und Autoimmunerkrankungen sowie Abteilung für Innere Medizin II (Onkologie, Hämatologie, Immunologie und Rheumatologie), Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
 

Zusammenfassung

Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen aus verschiedenen inner- und außereuropäischen Ländern zeigen, dass ein zentraler Aspekt der Übergangsphase der Wunsch nach einer Behandlung auf Augenhöhe ist. Die Jugendlichen möchten von ihren Ärzt*innen ernst genommen werden und wünschen sich, als Ganzes gesehen zu werden. Sie möchten nicht nur als Patient*innen mit einer Diagnose wahrgenommen werden, sondern als Individuen mit eigenen Lebensrealitäten und Herausforderungen, die sie neben ihrer Erkrankung zu bewältigen haben.

Dieses Leben umfasst nicht nur die regelmäßige Einnahme von Medikamenten und die Kontrolle von Blutwerten, sondern auch die Bewältigung von sozialen, emotionalen und schulischen Herausforderungen. Für die Umsetzung einer patientenzentrierten Behandlung gilt es, gemeinsame Fortbildungsprogramme für die Pädiatrie und die Erwachsenenmedizin durchzuführen. Die Lebenswirklichkeit von jungen Erwachsenen muss in der Betreuung der Internist*innen Bedeutung finden und in der Pädiatrie müssen wir die Jugendlichen in allen Lebensbereichen umfassend schulen, sodass sie der neuen Betreuungsstruktur gewachsen sind.


ABKÜRZUNGEN

COACH: Chronic Conditions in Adolescents: Implementation and Evaluation of Patient-centred Collaborative Healthcare
DiGA: digitale Gesundheitsanwendung
ePA: elektronische Patientenakte
ePROs: elektronische Patient-reported Outcomes
ERN-RITA: European Reference Network RITA
JIA: Juvenile idiopathische Arthritis
LLMS: Large Language Models
SLE: systemischer Lupus erythematodes
TTP: Tübinger Transitionsprogramm


Der strukturierte Übergang (Transition) von Jugendlichen mit rheumatischen Erkrankungen aus der kinder- und jugendrheumatologischen Versorgung in die Erwachsenenmedizin stellt eine komplexe Phase dar. Diese Lebensphase ist nicht nur durch immanente körperliche und (psycho-)soziale Veränderungen geprägt, sondern erfordert auch eine Anpassung an neue medizinische Versorgungssysteme.

Es besteht allgemeiner Konsens über die Notwendigkeit zur Umsetzung strukturierter Konzepte, die Jugendlichen den Übergang in die Erwachsenenmedizin erleichtern. Die Jugendlichen sollen in ihren gesundheitsbezogenen Themen unterstützt werden, um damit die Voraussetzungen für selbstbestimmte, informierte Entscheidungen zu schaffen und somit langfristig die Lebensqualität von jungen Menschen mit chronischen Erkrankungen zu verbessern.

DEFINITION

Transition: strukturierter Übergang von chronisch kranken Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin. Transfer = administrative Übergabe an/in die Erwachsenenmedizin

Diverse Empfehlungen zur Transition wurden im Rahmen der S3-Leitlinie zur Transition veröffentlicht [1]. Diese beinhalten Anforderungen an die Transitionssprechstunde wie z. B. Interdisziplinarität, Struktur, Schulungen von Jugendlichen, thematischen Besonderheiten des Jugendalters und der „Transitionreadiness“. Nach psychischen Begleiterkrankungen und psychiatrischen Diagnosen sollte frühzeitig gescreent werden, da die gesundheitsbezogene Lebensqualität dieser jungen Patient*innen im Vergleich zur Kontrollgruppe erniedrigt sein kann [1], [2], [3]. Im Rahmen des Verbundprojekts COACH (Chronic Conditions in Adolescents: Implementation and Evaluation of Patient-centred Collaborative Healthcare) wurden Jugendliche mit Juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) einmal pro Jahr mittels Fragebogen gescreent auf das Vorliegen psychischer Probleme. Hier zeigte sich, dass ca. 20 % der Jugendlichen an Depressionen oder Angststörungen leiden, wobei ähnliche Untersuchungen auch noch höhere Inzidenzen zeigen [4]. Fragebögen können hier geeignete Screeningtools darstellen, um diese Patient*innen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten anzubieten [3].

In den unterschiedlichen pädiatrischen Fachdisziplinen sowie Einrichtungen existieren multiple Verfahren der Transition, etwa das Tübinger Transitionsprogramm (TTP) in der Kinderrheumatologie. In einer retrospektiven Studie von Boeker u. Mitarb. aus dem Jahr 2022 wurden ehemalige Teilnehmende des Programms hinsichtlich Lebensqualität, Versorgungskontinuität und Zufriedenheit befragt. Die Ergebnisse zeigten eine hohe Akzeptanz sowie positive Langzeiteffekte auf das Gesundheitsverhalten und die Wahrnehmung des Übergangsprozesses bei dennoch im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt verringerter gesundheitsbezogener Lebensqualität. Gleichzeitig wird deutlich, dass solche Programme bislang nur lokal verfügbar sind und es an bundesweiten Standards oder verpflichtenden Implementierungsstrukturen mangelt. Die Autoren betonen daher die Notwendigkeit, Transitionsversorgung in Deutschland systematisch auszubauen und nachhaltig zu verankern ([ Abb. 1 ]) [5].

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Abb. 1 Im Rahmen des Transitionskonzepts der Uniklinik Tübingen soll die Selbstständigkeit der Jugendlichen ab dem Alter von ca. 13 Jahren gefördert werden unter engmaschiger Begleitung des psychosozialen Teams und Einbeziehung der Eltern [5]. (Quelle: Christine Michler, Lisa Fauser, Pädiatrisches Inflammationszentrum, Universitätsklinikum Tübingen)

Unmet Needs und Herausforderungen in der Transitionsmedizin

Die Transitionsmedizin hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Weltgesundheitsorganisation fordert eine stärkere Anpassung von Gesundheitsdiensten an die Bedürfnisse Jugendlicher und junger Erwachsener, einschließlich ihrer aktiven Beteiligung an Entwicklung, Überwachung und Evaluation von Versorgungsangeboten [3]. Dennoch basieren viele Studien bislang nicht auf direkten Rückmeldungen der betroffenen Jugendlichen, sodass trotz der formellen Anerkennung ihrer Beteiligung eine wesentliche Forschungs- und konsekutive Versorgungslücke besteht [2], [3], [4]. Als Instrument zur Selbsteinschätzung von z. B. Wissen über die Erkrankung, gesundheitsbezogenen Bedürfnissen sowie die allgemeine und versorgungsbezogene Zufriedenheit von Jugendlichen wurde der Transitions-KompAZ entwickelt und validiert [6]. Der Fragebogen ist im Rahmen der Sprechstunde einsetzbar und eignet sich auch als Mittel zur Evaluation des Transitionsprozesses.

Auch unabhängig vom Vorliegen chronischer Erkrankungen berichten Jugendliche im Rahmen ihrer Adoleszenzentwicklung über zahlreiche Unmet Needs ([ Abb. 2 ]) [7]. Diese betreffen insbesondere körperliche Gesundheit, psychisches Wohlbefinden, schulische und berufliche Perspektiven sowie Zukunftsängste. Die Adoleszenzphase, generell geprägt durch Identitätsfindung und zunehmendes Autonomiestreben, kann diverse Herausforderungen wie Angst, Depression, Stress und soziale Isolation mit sich bringen.

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Abb. 2 Unmet Needs aus Sicht der Jugendlichen (dunkelblau) und aus Sicht des medizinischen Personals (hellblau) [10], [12].

Jugendliche mit chronischen Erkrankungen sind zusätzlich zu den krankheitsspezifischen Herausforderungen mit psychosozialen Belastungen und einem Gefühl der Andersartigkeit konfrontiert, woraus besondere Anforderungen an die kontinuierliche Therapieadhärenz und den Zugang zu altersgerechten Versorgungsstrukturen abzuleiten sind [7], [8], [9].

Eine weitere Herausforderung in der Transitionsmedizin besteht darin, dass bestehende Übergangsprogramme nicht in der Lage sind, die Bedürfnisse von Patient*innen mit unterschiedlichen sozioökonomischen Bedingungen, Gesundheitssystemen und Versicherungsstrukturen zu erfüllen [10]. Darüber hinaus können Patient*innen, die aufgrund von Ausbildung oder Beruf in andere Städte oder Länder ziehen, auf Schwierigkeiten stoßen, Gesundheitsdienstleister zu erreichen, die mit ihrer Krankengeschichte vertraut sind, was den Transitionsprozess weiter verkomplizieren kann [10], [11].

ERFAHRUNGSBERICHT

Psychosozial-therapeutischer Dienst, Tübingen, zu Videosprechstunden

Während der Corona-Pandemie haben wir für Patient*innen unserer Jugendsprechstunde Videosprechstunden sowohl für einzelne Jugendliche als auch für Gruppen angeboten. Die Einzelsprechstunden werden bis heute genutzt. Das Gruppenangebot mussten wir aus Kapazitätsgründen leider einstellen. Die Rückmeldungen unserer Patient*innen zu den Angeboten waren sehr positiv, als Vorteile wurden benannt:

  • Die unabhängige Zugänglichkeit: Jugendliche können von überall aus auf Beratung und Unterstützung zugreifen, ohne lange Anfahrtswege in Kauf nehmen zu müssen. Dies ist besonders wichtig für diejenigen, die möglicherweise in ländlichen Gebieten leben und auf spezialisierte Versorgung in Zentren angewiesen sind und damit längere Anfahrtswege verbunden sind.

  • Flexibilität: Online-Sitzungen haben es den Jugendlichen ermöglicht, Termine leichter in ihren Alltag zu integrieren, sei es zwischen Schule, Freizeitaktivitäten oder anderen Verpflichtungen. Es wurde als erhebliche Stressreduktion erlebt.

  • Vertraute Umgebung gibt Sicherheit: die Jugendlichen fühlten sich in ihrer gewohnten Umgebung wohl, es war ihnen angenehmer über sensible Themen zu sprechen, auch kritische Themen konnten tiefgehend besprochen werden.

  • Vertrautheit mit der Technologie: Die Jugendlichen sind mit den digitalen Technologien vertraut. Dies hat dazu geführt, dass sie, als die kompetenten Nutzer*innen, selbst Gruppensitzungen gelenkt und gestaltet haben. In der Konsequenz führte dies zu Aktivierung bezüglich Übernahme eigener Gesundheitsfürsorge.

  • Die Eltern haben die Angebote ebenfalls positiv bewertet, da auch von ihnen eine Veränderung in der Haltung der Jugendlichen gegenüber ihrer Erkrankung festgestellt werden konnte.

Fazit: Die Videosprechstunden wurden von den Jugendlichen als eine wertvolle Unterstützung erlebt, sowohl im Einzelkontakt als auch in Gruppensitzungen. Es hat zu mehr Aktivierung von Jugendlichen geführt, die unabhängig von ihren Eltern an den Terminen teilnehmen konnten. Sie haben spürbar sehr viel mehr Verantwortung für die Termine übernommen, weil es ihre Termine waren. In den Gruppensitzungen wurden Themen von den Jugendlichen selbst benannt, für die anderen vorbereitet und inhaltlich durchgeführt.

Die Gruppengröße hat sich von ursprünglich 8 Jugendlichen auf 3 eingependelt, die über 6 Monate regelmäßig an den Sitzungen teilgenommen haben.


Transitionsprogramme in der Kinderrheumatologie im internationalen Vergleich

Internationale Vergleiche zeigen erhebliche Unterschiede in Struktur, Umsetzung und Qualität von Transitionsprogrammen in der Kinderrheumatologie. Während Länder wie Großbritannien und die Niederlande nationale Strategien entwickelt haben, die pflegerische und psychosoziale Aspekte systematisch integrieren, fehlt in anderen Ländern, darunter Deutschland, eine flächendeckende Implementierung.

In Großbritannien wurde mit dem Programm „Ready Steady Go“ ein strukturiertes, nationales Transitionsmodell etabliert, das in mehreren Fachdisziplinen – einschließlich der Rheumatologie – Anwendung findet. Das Programm ist in 3 klar definierte Phasen gegliedert („Ready“, „Steady“, „Go“) und orientiert sich am individuellen Entwicklungsstand der Jugendlichen. Es beinhaltet standardisierte Checklisten zur Erhebung von Selbstständigkeit, medizinischem Wissen und psychosozialen Bedürfnissen. Ein besonderer Fokus liegt auf der aktiven Einbindung von Pflegekräften, die den Prozess koordinieren und die Jugendlichen in ihrer Selbstmanagementfähigkeit stärken. Studien zeigen, dass das Programm sowohl von Patient*innen als auch vom medizinischen Fachpersonal als praktikabel und effektiv bewertet wird [13].

Auch in den Niederlanden wurden frühzeitig umfassende Transitionskonzepte implementiert. Programme wie „On Your Own Feet“ verfolgen einen multidisziplinären Ansatz, bei dem ärztliche, pflegerische, psychologische und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Charakteristisch ist die enge Kooperation zwischen pädiatrischen und internistischen Versorgungsstrukturen sowie die Einbindung der Jugendlichen in Schulungseinheiten, in denen der selbstbestimmte Umgang mit der Erkrankung gezielt gefördert wird. Evaluationen zeigten, dass diese Programme zu einer gesteigerten Transition-Readiness und einer höheren Zufriedenheit der Patient*innen führten [14], [15].

Eine aktuelle Erhebung im Rahmen des European Reference Network RITA (ERN-RITA) zeigt, wie unterschiedlich die Transitionspraxis in Europa ist. Die von Israni u. Mitarb. durchgeführte Umfrage unter Fachzentren macht deutlich, dass es vielerorts an klaren Zuständigkeiten, standardisierten Abläufen und einer strukturierten Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen mangelt. Gleichzeitig berichten viele Einrichtungen von unzureichenden personellen und finanziellen Ressourcen, um eine qualitativ hochwertige Transition umzusetzen [16], [17].

So zeigte eine türkische Validierungsstudie zweier international etablierter Fragebögen – TRANSITION-Q und STARx –, dass junge Menschen mit rheumatischen Erkrankungen ihre Bereitschaft zum Wechsel in die Erwachsenenversorgung je nach kulturellem Hintergrund sehr unterschiedlich einschätzen. Beide Instrumente dienen der strukturierten Erfassung der Transition-Readiness, also der Fähigkeit und Bereitschaft Jugendlicher, ihre chronische Erkrankung eigenständig zu managen. Während der TRANSITION-Q vor allem alltagspraktische Kompetenzen (z. B. Terminorganisation, Medikamenteneinnahme) abbildet, erfasst der STARx-Fragebogen zusätzlich Aspekte wie Selbstverantwortung, Adhärenz und Kommunikation [18], [19]. Die Studie macht deutlich, dass solche Instrumente kulturell sensibel gestaltet und kontextangepasst eingesetzt werden müssen, um zuverlässige Aussagen zur Übergangsbereitschaft zu ermöglichen [20]. Eine kürzlich veröffentlichte weitere türkische Studie nutzt den Transition Readiness Assessment Questionnaire 5.0 als sinnvolles Tool zur Detektion der Bereitschaft zum Transfer [21].

Ein anerkannter wichtiger Aspekt erfolgreicher Transition ist die gezielte Schulung medizinischer Fachkräfte im Umgang mit den besonderen Bedürfnissen Jugendlicher im Übergangsprozess. McDonagh u. Mitarb. betonen die Relevanz fachspezifischer Fortbildungen zu entwicklungspsychologischen Grundlagen, altersgerechter Kommunikation sowie interprofessioneller Zusammenarbeit als zentrale Voraussetzung für eine gelingende Versorgung im Rahmen der Transition von Jugendlichen mit chronisch-rheumatischen Erkrankungen [22].

Ein innovativer Ansatz zur Unterstützung von Jugendlichen im Übergangsprozess wird im Rahmen der kanadischen TRACER-Studie untersucht. Dabei handelt es sich um ein virtuelles, coachingbasiertes Interventionsprogramm, das Themen wie Gesundheitsmanagement, Zukunftsplanung und Selbstvertretung adressiert. Ziel der multizentrischen Studie ist die Evaluation der Machbarkeit und Akzeptanz eines strukturierten Transition-Coachings in der rheumatologischen Versorgung [23]. Aber auch auf Transition spezialisierte Kliniken, wie z. B. die Rheumatology Transition Clinic an der Universität von Utah, berichten, dass nur die Hälfte der Patient*innen und Eltern sich auf den Transfer umfassend vorbereitet fühlen [24].

Zusammenfassend zeigt der internationale Vergleich, dass durchdachte, interprofessionelle und sozial differenzsensible Programme zur Transition in der Kinderrheumatologie nicht nur medizinische, sondern auch gesellschaftliche Relevanz besitzen. Umfassende nationale Programme aus Großbritannien, den Niederlanden oder Kanada können wichtige Maßstäbe setzen für eine systematische Weiterentwicklung der Transitionskonzepte im deutschsprachigen Raum.


Digital Health zur Optimierung der rheumatologischen Transition

Die fortschreitende Digitalisierung bietet vielversprechende Möglichkeiten, die Transition von jungen, digital affinen Patient*innen in der Rheumatologie gezielt zu unterstützen [25]. Forschung in diesem Bereich ist daher von großem Interesse.

Künstliche Intelligenz und Large Language Models (LLMs)

Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT revolutionieren zunehmend unseren Alltag und werden immer häufiger als Alternative zu herkömmlichen Suchmaschinen genutzt, um Fragen zu beantworten. Jüngste Studien haben gezeigt, dass solche Modelle bei spezifischen Patientenfragen, beispielsweise zu systemischem Lupus erythematodes (SLE), qualitativ hochwertige und empathische Antworten liefern – teils besser als internationale Expert*innen [26]. Aktuell liegt der Fokus darauf, spezialisierte Modelle zu entwickeln, die valide Informationen bereitstellen [27]. Erste Chatbot-Pilotprojekte zur gezielten Unterstützung der rheumatologischen Transition liegen bereits vor. Die hohe Nutzungsrate von 97 % und das positive qualitative Feedback zeigen das Potenzial, das Selbstmanagement von Patient*innen zu fördern [28]. Ebenfalls sind teilweise LLMs bereits an ersten Unikliniken wie dem UKE im Einsatz, um Entwürfe für Arztbriefe zu generieren [29].


Elektronische Patientenakte und klassische digitale Tools

Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) könnte die rheumatologische Transition erheblich erleichtern, indem sie einen vollständigen und schnellen Zugriff auf alle relevanten Dokumente ermöglicht. Darüber hinaus tragen klassische Websites und Apps signifikant zur Wissenssteigerung von Patient*innen bei [30].


Chancen und Herausforderungen sozialer Medien

Soziale Medien bieten großes Potenzial für die Vernetzung von Patient*innen und die Verbreitung von Informationen. Allerdings erfordern sie auch ein hohes Maß an Medienkompetenz, um Fehlinformationen zu erkennen und einzuordnen [31]. Plattformen zum Erfahrungsaustausch bieten Jugendlichen psychosoziale Unterstützung und tragen zur Entstigmatisierung bei.

ZUSATZINFO

Telemedizin und elektronische Patient-reported Outcomes

Telemedizinische Ansätze, wie sie beispielsweise in Chile implementiert wurden [32], haben gezeigt, dass sie zahlreiche Vorteile mit sich bringen. Dazu zählen weniger Fehlzeiten in Schule oder Beruf, geringere Schmerzen, verbesserte Therapietreue und ein früherer Zugang zu Therapien mit Biologika. Ergänzend dazu ermöglicht das Erfassen von elektronischen Patient-reported Outcomes (ePROs) eine frühzeitige Identifikation von nicht adhärenten Patient*innen und eine bessere Vorbereitung auf Präsenztermine. Standardisierte elektronische Fragebögen können auch gezielt genutzt werden, um gezielt Wissenslücken zu identifizieren und zu schließen [6], [33]. Innovative Technologien, wie Smartphone-basierte Gelenkuntersuchungen [34] oder kapillare Blutentnahmen von Autoantikörpern oder Entzündungszeichen in Eigenregie [35], erweitern die Möglichkeiten des telemedizinischen Monitorings. Um die Therapietreue zu steigern, können Erinnerungs-Apps empfohlen werden [36].


Digitale Gesundheitsanwendungen

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), auch bekannt als „Apps auf Rezept“, ergänzen herkömmliche Therapiemöglichkeiten. Zwar ist derzeit keine DiGA speziell für entzündlich-rheumatische Erkrankungen zugelassen [37], doch laufen bereits mehrere Zulassungsstudien. Verschiedene häufige Komorbiditäten, wie Adipositas, Rückenschmerzen, Depressionen oder Schlafstörungen, können bereits digital adressiert werden [38]. Für Patient*innen und Ärzt*innen lohnt sich daher eine Prüfung, ob passende DiGAs verfügbar sind.

FAZIT FÜR DIE PRAXIS

Eine erfolgreiche Transition in der Kinder- und Jugendrheumatologie erfordert ein strukturiertes Vorgehen und die Integration innovativer Lösungen wie digitaler Gesundheitsanwendungen. Durch die gezielte Adressierung der „Unmet Needs“ kann eine verbesserte Versorgung und langfristige Lebensqualität für junge Menschen mit rheumatischen Erkrankungen erreicht werden. Der Blick hin zu anderen Nationen wie Kanada oder auch zu unseren europäischen Nachbarländern könnte wertvolle Informationen liefern, wie wir Transitionsprozesse weiter verbessern können. Digital Health Tools werden in den digitalaffinen jungen Generationen elementare Bestandteile im Gesundheitsmanagement darstellen. Studien zur Wirksamkeit von Transitionsprogrammen und digitalen Ansätzen sind notwendig, um hier evidenzbasierte Standards weiterzuentwickeln.




Christiane Reiser

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Interessenkonflikt

CR erhielt eine Forschungsunterstützung von der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen (No. 3050–00).

JK ist Berater von GAIA & Vila Health.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Christiane Reiser
Hoppe-Seyler-Straße 1
72076 Tübingen
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
06. Oktober 2025

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Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Im Rahmen des Transitionskonzepts der Uniklinik Tübingen soll die Selbstständigkeit der Jugendlichen ab dem Alter von ca. 13 Jahren gefördert werden unter engmaschiger Begleitung des psychosozialen Teams und Einbeziehung der Eltern [5]. (Quelle: Christine Michler, Lisa Fauser, Pädiatrisches Inflammationszentrum, Universitätsklinikum Tübingen)
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Abb. 2 Unmet Needs aus Sicht der Jugendlichen (dunkelblau) und aus Sicht des medizinischen Personals (hellblau) [10], [12].