Rofo
DOI: 10.1055/a-2633-7048
Bildessay

Intraneurale Ganglionzysten am proximalen Tibiofibulargelenk

Intraneural ganglion cysts at the superior tibiofibular joint
Stefan Heckl
1   Radiology and Neuroradiology, Hirslanden Park Hospital, Zürich, Switzerland (Ringgold ID: RIN60557)
,
2   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany (Ringgold ID: RIN9188)
,
Jan Fritz
3   Radiology, New York University Medical Center, New York, United States (Ringgold ID: RIN12297)
,
Christer Ruff
2   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany (Ringgold ID: RIN9188)
,
Marius Horger
4   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany
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Ganglionzysten im Bereich des proximalen Tibiofibulargelenks sind selten, insbesondere wenn sie intraneural lokalisiert sind. Diese zeichnen sich durch die besondere Eigenschaft aus, in verschiedene Schichten des betroffenen Nervs eindringen zu können – ein Merkmal, das epineurale Zysten nicht aufweisen.

Klinisch manifestieren sich diese Zysten vor allem durch Schwellung und Schmerzen. Bei einer nervalen Beteiligung treten zudem charakteristische motorische und sensorische Defizite auf, die je nach Ausmaß der Kompression variieren können.

Die Pathogenese intraneuraler Zysten wird vorrangig durch die Theorie von Spinner et al. erklärt, welche die artikuläre Zystengenese in den Fokus stellt [1] [2] [3]. Im Gegensatz dazu wird degenerativen Gelenkveränderungen nur eine untergeordnete Rolle in der Zystenentstehung zugeschrieben. Eine Schlüsselrolle nimmt hierbei der artikuläre Ast des Nervus peroneus communis ein, der eine direkte Verbindung zum Gelenk herstellt und als möglicher Ursprung der Zystenbildung gilt.

Die artikuläre Genese intraneuraler Ganglionzysten basiert auf der Annahme, dass synoviale Flüssigkeit aus dem Gelenk entlang des artikulären Nervenastes nach außen wandert ([Abb. 1]). Die Zyste folgt hierbei dem Weg des geringsten Widerstands innerhalb des Epineuriums, wobei auch anatomische Gegebenheiten und umgebende Strukturen die Ausbreitung beeinflussen können. Ein bemerkenswertes Beispiel für dieses Migrationsverhalten zeigt sich am superioren tibiofibularen Gelenk: Hier kann eine intraneurale Ganglionzyste zunächst proximal in den Nervus ischiadicus einwandern, anschließend die Seite kreuzen und schließlich distal zu den terminalen Ästen ziehen. Neben der artikulären Genese wird in seltenen Fällen auch eine degenerative Entstehung diskutiert. Diese kann durch ein Trauma oder eine fortgeschrittene Gelenksdegeneration mit Kapseldefekt begünstigt werden, wodurch synoviale Flüssigkeit in die Gelenksnervenäste übertritt.

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Abb. 1 Die Anatomie des proximalen Tibiofibulargelenk und der Mechanismus der Entstehung intra- und extraneuraler Ganglien des N. peroneus communis.

Die MRT stellt die bevorzugte Diagnostikmethode zur Beurteilung zystischer Läsionen im Bereich des Kniegelenks dar [4]. Typischerweise weisen Ganglionzysten in T1-gewichteten Sequenzen eine relativ niedrige Signalintensität auf, während sie in T2-gewichteten Sequenzen hyperintens erscheinen. Dabei wird häufiger eine homogene als eine heterogene Struktur beobachtet ([Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5], [Abb. 6], [Abb. 7]).

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Abb. 2 Axiale T2-STIR-Sequenz auf Höhe des rechten Tibiofibulargelenks. Darstellung einer großen zystischen Struktur (Pfeil) in unmittelbarer Nähe des Nervus peroneus communis (extraneurale Ganglionzyste) mit partieller Kompression des Nervs.
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Abb. 3 Axiale fettsupprimierte PD-Aufnahme des rechten Tibiofibulargelenks mit einer T2-hyperintensen zystischen Formation (Pfeil) in enger Nachbarschaft zum Nervus peroneus communis. Die Zyste folgt dem Verlauf des Epineuriums entlang des artikulären Astes des Nervus peroneus communis, was dem Transverse-Limb-Sign entspricht.
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Abb. 4 Koronare fettsupprimierte PD-Aufnahme mit ausgedehnter Darstellung des Nervus peroneus communis sowie des oberflächlichen Peronealnervs, die beide durch eine intraneurale Ganglionzyste (Pfeil) betroffen sind.
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Abb. 5 Axiale fettsupprimierte PD-Aufnahme des rechten Tibiofibulargelenks mit Nachweis einer zystischen Struktur mit dissezierender Ausbreitung (Pfeil) in einen Ast des Nervus peroneus communis.
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Abb. 6 Sagittale fettsupprimierte PD-Aufnahme des linken Tibiofibulargelenks mit einer Ganglionzyste, die sich dissezierend entlang des Nervus peroneus superficialis nach peripher ausbreitet.
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Abb. 7 Sagittale fettsupprimierte PD-Aufnahme des rechten Kniegelenks mit degenerativen Veränderungen und einer großen Ganglionzyste, die entlang des Nervus peroneus communis und des Nervus peroneus verläuft.

Zur weiteren Charakterisierung zystischer Läsionen erfolgt in der Regel die Gabe von Kontrastmittel. Dies ermöglicht eine präzisere Abgrenzung gegenüber soliden Strukturen, die in der Bildgebung ähnliche Merkmale aufweisen können. So besteht insbesondere die Gefahr, dass eine Ganglionzyste mit einem benignen neurogenen Tumor oder – in selteneren Fällen – mit einem malignen Tumor wie einem synovialen Sarkom verwechselt wird.

Ein charakteristisches MRT-Muster für intraneurale Ganglionzysten am superioren tibiofibulären Gelenk ist ein aufsteigender, kreuzender und anschließend absteigender Verlauf [3] [4]. Ergänzend lassen sich typische diagnostische Zeichen wie das Signet-Ring-Sign, das Transverse-Limb-Sign und das Tail-Sign beobachten, häufig begleitet von charakteristischen Denervationszeichen ([Abb. 8]).

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Abb. 8 Sagittale (a) und koronare (b) fettsupprimierte PD-Aufnahme sowie axiale kontrastmittelverstärkte fettsupprimierte T1-gewichtete-Aufnahme des rechten Kniegelenks. Nachweis einer Kompression des Nervus peroneus communis durch Ganglionzysten (Pfeil) mit begleitender muskulärer Denervation, charakterisiert durch ein pathologisch erhöhtes Signal (a–b) sowie eine verstärkte Kontrastmittelaufnahme (c).

Besonders hervorzuheben ist zudem das sogenannte U-Pattern, bei dem der Nervus peroneus communis durch die intraneurale Zyste über eine längere Strecke prominent zur Darstellung kommt.

Die hochauflösende MRT ist für die Diagnose intraneuraler Ganglionzysten essenziell. Insbesondere das Signet-Ring-Sign und das Transverse-Limb-Sign haben sich mittlerweile als relativ zuverlässige Kriterien zur Differenzierung zwischen intraneuralen von extraneuralen Ganglionzysten etabliert [5].

Ein weiteres typisches Phänomen ist die perlschnurartige zystische Ausbreitung entlang des Fibulahalses in Richtung des artikulären Nervenastes des Nervus peroneus communis.

Die Abgrenzung zu malignen Nerventumoren, insbesondere peripheren Nervenscheidentumoren wie dem Neurosarkom oder malignen Schwannomen, kann jedoch herausfordernd sein ([Abb. 9]) [6]. Darüber hinaus können auch eine Peroneusneuropathie infolge eines lumbalen Bandscheibenvorfalls oder eine periphere Neuritis ([Abb. 10]) in der MRT ähnliche Signalveränderungen aufweisen, was die Differenzialdiagnose zusätzlich erschwert.

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Abb. 9 Sagittale (a+c) und koronare (b) fettsupprimierte PD-Aufnahmen sowie axiale kontrastmittelverstärkte fettsupprimierte T1-gewichtete-Aufnahme (d) des linken Kniegelenks bei Patienten mit peronealer Neuropathie aufgrund von Schwannomen.
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Abb. 10 Darstellung einer Neuritis des Nervus peroneus communis (Pfeil).

Therapeutisch kann eine ultraschallgesteuerte Aspiration in Betracht gezogen werden. Eine chirurgische Entfernung ist ebenfalls möglich und kann unabhängig vom spezifischen Ganglionzystentyp durchgeführt werden. Zur effektiven Behandlung intraneuraler Ganglionzysten hat Spinner et al. das Konzept der vier „D“s eingeführt: Dissektion, Dekompression, Diskonnektion und Disartikulation [7].

Zusammenfassend ist bei periartikulären zystischen Strukturen aufgrund der beschriebenen typischen Charakteristika stets die Differenzialdiagnose einer intraneuralen Ganglionzyste in Erwägung zu ziehen.



Publication History

Received: 18 March 2025

Accepted after revision: 10 June 2025

Article published online:
16 July 2025

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