Rofo
DOI: 10.1055/a-2642-6362
Bildessay

Die mukoide Degeneration des vorderen und hinteren Kreuzbandes: MRT-Bildgebung und Differentialdiagnosen

Mucoid degeneration of the anterior and posterior cruciate ligament: MR-Imaging findings and differential diagnoses
Marius Horger
1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany
,
Jan Fritz
2   Radiology, New York University Medical Center, New York, United States (Ringgold ID: RIN12297)
,
3   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany (Ringgold ID: RIN9188)
,
Christer Ruff
3   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany (Ringgold ID: RIN9188)
,
Stefan Heckl
4   Department of Radiology, Hirslanden Park Hospital, Zürich, Switzerland (Ringgold ID: RIN60557)
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Diese Fallzusammenstellung verfolgt das Ziel, auf eine seltene Pathologie der Kreuzbänder, der mukoiden Degeneration, und der Bildcharakteristika im MRT aufmerksam zu machen.

Während Ganglionzysten des vorderen (ACL) und hinteren Kreuzbandes (PCL) dem Radiologen vergleichsweise vertraut sind, ist die mukoide Degeneration weniger bekannt und wird in der MRT-Diagnostik daher häufig übersehen. Sie kann sowohl isoliert im ACL oder PCL auftreten als auch beide Ligamente gleichzeitig betreffen.

Die genauen Ursachen der mukoiden Degeneration sind bislang nicht abschließend geklärt. Verschiedene pathogenetische Mechanismen wurden diskutiert [1] [2] [3]. Eine Hypothese geht von einem synovialen Ursprung aus: Demnach könnte eine Ansammlung von Synovialflüssigkeit innerhalb einer ligamentären Synovialausstülpung zur Degeneration führen.

Ein weiterer Erklärungsansatz betont die Rolle vorausgegangener Knieverletzungen. Wiederholte sportliche Belastungen könnten zu Mikrotraumata innerhalb der Ligamentfasern führen, die vom Körper nicht adäquat repariert werden. Dies würde eine fehlerhafte Heilung mit Ablagerung von mukoidem Material begünstigen – ein Mechanismus, der auch bei der mukoiden Degeneration des Ligamentum patellae bei Sportlern beobachtet wird. Beim ACL konnte gezeigt werden, dass als Reaktion auf kleinste traumatische Verletzungen Fibroblasten Glycosaminoglykane – einen Hauptbestandteil der mukoiden Substanz – sezernieren.

Darüber hinaus wird ein möglicher Zusammenhang mit degenerativen Prozessen diskutiert, insbesondere im Rahmen des Alterungsprozesses. Auch ektopisch gelegenes synoviales Gewebe innerhalb der Kreuzbänder könnte zur pathologischen Ausschüttung interstitieller Flüssigkeit beitragen. Die Rolle pluripotenter mesenchymaler Stammzellen in den Kreuzbändern ist bislang nicht geklärt, doch es wird vermutet, dass auch sie an der Pathogenese der mukoiden Degeneration beteiligt sein könnten.

Ein zunehmend anerkannter ätiologischer Faktor ist die Enge des interkondylären Notchs, die als prädisponierender Mechanismus für die Entwicklung einer mukoiden Degeneration betrachtet wird [1]. Arthroskopische Untersuchungen zeigten eine auffällige Korrelation zwischen einer besonders schmalen interkondylären Notch und dem Vorliegen einer mukoiden Degeneration [1]. Diese Beobachtung stützt die Hypothese einer traumatischen Genese: Eine Notch-Breite von weniger als 1,8 cm bei Frauen und weniger als 2 cm bei Männern begünstigt ein Impingement des ACL, wodurch es wiederholt zu Mikrotraumata innerhalb des Ligaments kommen kann [1].

Angesichts dieser potenziellen Ursachen ist eine präzise Diagnostik essenziell, um eine mukoide Degeneration der Kreuzbänder zuverlässig zu identifizieren und von anderen ligamentären Pathologien abzugrenzen. Die Diagnostik beruht auf einer engen Korrelation zwischen klinischer Symptomatik und bildgebenden Verfahren, wobei insbesondere die MRT eine entscheidende Rolle spielt.

Zwei charakteristische MRT-Zeichen sind das Schienengleiszeichen (tram track sign) und das Selleriestielzeichen (celery stalk sign), die als wegweisende Hinweise auf eine mukoide Degeneration gelten.

Diese bildgebenden Befunde stehen in direktem Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik der Patienten. Typischerweise stehen belastungsabhängige Knieschmerzen im Vordergrund, insbesondere bei Extension oder tiefer Flexion. Häufig besteht zudem eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks.

Pathophysiologisch wird der Schmerz durch das Vorwölben des hypertrophierten vorderen ACL in das hintere laterale Kompartiment des Knies verursacht. Der erhöhte Druck auf das ACL während der Flexion und Extension könnte über spezifische intraligamentäre Schmerzrezeptoren vermittelt und an das zentrale Nervensystem weitergeleitet werden.

Obwohl mechanische Faktoren als Hauptursache der mukoiden Degeneration des ACL angesehen werden, sollten bei der Differenzialdiagnose stets weitere potenzielle Ursachen in Betracht gezogen werden – insbesondere in der MRT-Bildgebung. Hierzu zählen beispielsweise freie Gelenkkörper, dislozierte Meniskusrisse oder eine synoviale Plica.

Interessanterweise zeigt sich bei den meisten Patienten mit mukoider Degeneration der Kreuzbänder keine ausgeprägte anteriore oder posteriore Instabilität des Kniegelenks.

Zur Diagnosestellung spielen spezifische MRT-Merkmale eine entscheidende Rolle. Das Schienengleiszeichen ist ein typisches Merkmal der mukoiden Degeneration des PCL in T2-gewichteten MRT-Bildern. Es zeigt sich als zentral gelegene Zone mit hoher Signalintensität, verursacht durch mukoide Ablagerungen, während die Randbereiche des PCLs durch linear verlaufende signalarme Zonen gekennzeichnet sind, in denen keine Mukoidablagerungen vorliegen [4] [5] [6].

Das Selleriestielzeichen ist charakteristisch für die mukoide Degeneration des ACL. In T2-gewichteten Sequenzen erscheinen intakte Filamente als lineare Hypointensitäten, die durch strähnige T2-hyperintense Signale aufgrund mukoider Ablagerungen unterbrochen werden. Die Ablagerungen beeinträchtigen dabei nicht den longitudinalen Faserverlauf, sondern befinden sich zwischen den einzelnen Fasern [4].

Ein weiteres typisches Merkmal der mukoiden Degeneration des ACL ist eine diffuse, bulbäre Verdickung des Bandes ([Abb. 1], [Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4]). Darüber hinaus können Erosionen des angrenzenden Knochens oder intraossäre Zysten an den femoralen oder tibialen Ligamentanheftungsstellen auftreten, was als zusätzliches diagnostisches Kriterium gelten kann ([Abb. 5], [Abb. 6], [Abb. 7], [Abb. 8], [Abb. 9]).

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Abb. 1 Sagittale (a) und axiale (b) fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahmen des Knies bei einem Patienten mit mukoider Degeneration vorwiegend des vorderen Kreuzbands (ACL, Pfeil). Zusätzlich zeigt sich eine proximale Degeneration des hinteren Kreuzbands mit Ausfüllung der interkondylären Notch (b). Deutliche Verdickung und Signalhyperintensität des ACL mit typischem Selleriestielzeichen (celery stalk sign) (a).
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Abb. 2 Axiale (a), koronare (b) und sagittale (c–d) fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahmen der Kreuzbänder mit zentraler Signalhyperintensität und randständiger, regelrechter Hypointensität. Das sogenannte Schienengleiszeichen (tram track sign, Pfeile in b (hinteres Kreuzband)) ist typisch für eine mukoide Degeneration. Pfeil in c = hinteres Kreuzband, Pfeil in d = vorderes Kreuzband.
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Abb. 3 Sagittale fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahme des Knies mit bulböser Verbreiterung des vorderen Kreuzbands (ACL) infolge einer mukoider Degeneration. Zusätzlich sind zystische Knochenveränderungen nahe der proximalen Insertionsstelle des ACLs sowie eine begleitende proximale Ganglionzyste (kleiner Pfeil) erkennbar.
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Abb. 4 Koronare fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahme des Knies mit mukoider Degeneration des vorderen und hinteren Kreuzbands, jeweils mit Impingement gegen die interkondyläre Notch.
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Abb. 5 Sagittale T1-gewichtete Aufnahme bei mukoider Degeneration des vorderen Kreuzbands. Die typische fibrilläre Struktur sowie die normale Signalintensität des Bandes sind aufgehoben und eine deutlich erhöhte T1-Signalintensität kommt zur Darstellung.
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Abb. 6 Sagittale fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahme bei einem Patienten mit Z.n. Knietrauma mit Ausbildung eines kombinierten Risses des vorderen und hinteren Kreuzbandes im Verlauf.
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Abb. 7 Koronare (a) und axiale (b) fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahmen bei einem Patienten mit enger interkondylärer Notch und mukoider Degeneration des vorderen Kreuzbands. Zusätzlich zeigt sich ein Knochenmarködem an der Innenseite des lateralen Femurkondylus infolge des Impingements.
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Abb. 8 Koronare fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahme mit Impingement des vorderen Kreuzbands bei mukoider Degeneration und enger interkondylärer Notch.
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Abb. 9 Axiale fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahme bei mukoider Degeneration des vorderen Kreuzbands mit anteriorem Impingement gegen den Hoffaʼschen Fettkörper (Pfeil).

Diese strukturellen Veränderungen lassen sich nicht nur in der MRT, sondern auch arthroskopisch nachweisen. In der Arthroskopie zeigt sich sowohl das ACL als auch das PCL deutlich verdickt und weist einen charakteristischen gelblichen Farbton auf.

In der MRT ist eine sorgfältige Abgrenzung der mukoiden Degeneration gegenüber anderen Pathologien essenziell. Differenzialdiagnostisch sind insbesondere Ganglionzysten, eine synoviale Chondromatose sowie einfache ligamentäre Risse zu berücksichtigen ([Abb. 10]). Zudem müssen akut traumassoziiert induzierte ligamentäre Ödeme, beispielsweise infolge einer ACL-Ruptur, in die diagnostische Abwägung einbezogen werden. Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose stellt die intraligamentäre Ganglionzyste des ACL dar. Obwohl auch diese zu einer Verdickung des Ligaments und zu einer intrinsischen Signalveränderung führt, zeigt sich ein entscheidender Unterschied in der MRT: Während bei der mukoiden Degeneration das Signal in allen Sequenzen erhöht ist, bleibt die Signalintensität in T2-gewichteten Bildern dennoch geringer als bei synovialer Flüssigkeit innerhalb einer Ganglionzyste ([Abb. 11]). Darüber hinaus neigen Ganglionzysten häufig zu einer perlschnurartigen Anordnung, ein Merkmal, das für die mukoide Degeneration der Kreuzbänder untypisch ist ([Abb. 11]).

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Abb. 10 Koronare fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahme mit mukoid bedingtem Impingement des proximal verdickten hinteren Kreuzbands infolge einer Rissbildung und Retraktion (Pfeil).
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Abb. 11 Sagittale fettsaturierte protonendichte-gewichtete Aufnahme bei einem Patienten mit septiertem, proximal lokalisiertem Ganglion (Pfeil) des vorderen Kreuzbands (ACL). Die physiologische, fibrilläre T2-Hypointensität des ACL ist gut erkennbar.

Eine symptomatische mukoide Degeneration kann arthroskopisch behandelt werden. Hierbei erfolgt die partielle Resektion des Ligaments durch eine longitudinale Inzision entlang des Faserverlaufs. Die Verkleinerung des hypertrophierten Bandes beginnt typischerweise an der proximalen Insertionsstelle des ACL [7]. Alternativ kann eine partielle Verschmächtigung auch mittels Radiofrequenzablation erreicht werden, die zusätzlich zur Adhäsiolyse zwischen ACL und PCL beitragen kann.

Zusammenfassend handelt es sich bei der mukoiden Degeneration der Kreuzbänder um eine seltene Pathologie. Dennoch kann sie klinisch relevante Symptome verursachen, insbesondere bei Patienten ohne weitere nachweisbare Kniepathologien. Daher sollte sie stets als potenzielle Differenzialdiagnose bei ungeklärten Kniebeschwerden in Erwägung gezogen werden.



Publication History

Received: 15 June 2025

Accepted: 23 June 2025

Article published online:
16 July 2025

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