Dtsch Med Wochenschr 2025; 150(24/25): 1483-1489
DOI: 10.1055/a-2647-9559
Übersicht

Chirurg, Musiker und Brahms-Freund: Theodor Billroth (1829–1894)

Surgeon, Musician and Friend of Brahms: Theodor Billroth (1829–1894)

Authors

  • Christoph Jannis Arta

  • Wolfgang Sandberger

  • Frank Meyer

  • Stefan Piatek

  • Stephanie Piatek

Christian Albert Theodor Billroth (1829–1894) ist heutzutage in Medizinerkreisen vor allem als Pionier der modernen Chirurgie bekannt. Zeitlebens hegte er jedoch auch eine große Liebe zur Musik und war an allen Stationen seines Wirkens im Zentrum des Musiklebens aktiv. Die Begegnung mit Johannes Brahms (1833–1897) war für beide von großer Bedeutung. Dieser Beitrag soll ein Schlaglicht auf die faszinierende Freundschaft zweier zentraler Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts werfen.

Abstract

Christian Albert Theodor Billroth (1829–1894) is primarily known as a pioneer of modern surgery among medical professionals today. During his entire life, however, he was also very musically inclined and was at the center of musical life wherever he worked. As a student, he was an active member of Göttingen University’s musical circles, later he wrote concert reviews and organized private concerts in his home. In late 1865, he invited the composer and pianist Johannes Brahms (1833–1897) to such a soiree in Zurich. Henceforth, Brahms appreciated the surgeon as a correspondent on an equal footing – several letters to Brahms are proof of Billroth’s effusive enthusiasm for new works by Brahms, and primarily also of his musical expertise. Billroth’s soirees in Vienna often focused on Brahms, when luminaries such as the Hellmesberger String Quartet or Joseph Joachim played his newest works for Brahms, so that he could make final amendments before printing them. The present article sheds a light on the fascinating friendship of two central 19th-century figures.

Kernaussagen
  • Theodor Billroth zeigte von Kindesalter an ein großes Interesse an der Musik. Obwohl er sich für eine medizinische Karriere entschied und zu einem der wohl bedeutendsten Chirurgen des 19. Jahrhunderts wurde, blieb er seinen musikalischen Neigungen zeitlebens verbunden.

  • An allen Stationen seiner beruflichen Tätigkeit gelangte Billroth schnell auch in die Zentren der musikalischen Kreise. Er betätigte sich u.a. als Pianist, Komponist und Arrangeur, ebenso wie als Musikkritiker. Außerdem lud er führende Musiker-Persönlichkeiten zu regelmäßigen Musikabenden in seinem Hause ein.

  • Im November 1865 gelang es Billroth, den Pianisten und Komponisten Johannes Brahms (1833–1897) für ein Privatkonzert zu gewinnen. Der an diesem Abend einsetzende Kontakt sollte sich nach dem Umzug der beiden nach Wien noch intensivieren, für beide zu einer der wichtigsten Freundschaften werden und bis zu Billroths Lebensende bestehen bleiben.

  • Brahms schätzte die musikalische Expertise Billroths und nutzte dessen Musik-Soireen wiederholt zur Erprobung seiner neuen Kompositionen, ehe er sie in den Druck gab. Dabei musizierten so renommierte Interpreten wie das Hellmesberger-Quartett oder der gemeinsame Freund und Violinvirtuose Joseph Joachim. Außerdem schickte Brahms seine neuen Werke zur Durchsicht an Billroth und schöpfte Selbstvertrauen aus dessen meist enthusiastischen Rückmeldungen. Der Chirurg wiederum schätzte den musikalischen Austausch mit Brahms als Ausgleich zu seinem anstrengenden Arbeitsalltag.

  • In Billroths letzten Lebensjahren erfuhr die Freundschaft mit Brahms einige Irritationen, nicht zuletzt wegen seines aufkeimenden Interesses an Musiktheorie und -ästhetik, das Brahms kritisch sah. Trotz dieser Trübungen stellt das Verhältnis von Brahms und Billroth eine bemerkenswerte interdisziplinäre Freundschaft dar.



Publication History

Article published online:
25 November 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

  • 1 Billroth T. Billrothʼs Autobiographie. Wien Klin Wochenschr 1894; 7: 120-122
  • 2 Billroth T. Historische Studien über die Beurtheilung und Behandlung der Schusswunden vom fünfzehnten Jahrhundert bis auf die neueste Zeit. Berlin: Georg Reimer; 1859
  • 3 Nagel M, Schober K-L, Weiß G. Theodor Billroth. Chirurg und Musiker. Regensburg: ConBrio Verlagsgesellschaft; 1994
  • 4 Genschorek W. Wegbereiter der Chirurgie. Johann Friedrich Dieffenbach, Theodor Billroth. 2. Aufl. Leipzig: B. G. Teubner Verlagsgesellschaft; 1983
  • 5 Billroth T. Brief an Christine Billroth, Göttingen, Februar 1850. In: Fischer G. , Hrsg. Briefe von Theodor Billroth. Hannover, Leipzig: Hahnsche Buchhandlung; 1897: 1-14
  • 6 Billroth T. Musikleben in Zürich. Allgemeine Musikalische Zeitung. Neue Folge 1864; 2: 353-355
  • 7 Gottlieb-Billroth O. Theodor Billroth und Johannes Brahms. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 3-176
  • 8 Sandberger W. Brahms in seiner Lebenswelt. In: Sandberger W. , Hrsg. Brahms-Handbuch. Stuttgart, Weimar, Kassel: J. B. Metzler & Bärenreiter; 2009: 44-62
  • 9 Billroth T. Brief an Johannes Brahms, Wien, 27. Juli 1883. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 350-352
  • 10 Brahms J. Brief an Theodor Billroth, Thun, 21. August 1886. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 402
  • 11 Billroth T. Brief an Johannes Brahms, Wien, 5. März 1890. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 449-452
  • 12 Brahms J. Brief an Theodor Billroth, Tutzing, Juli 1873. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 199-200
  • 13 Gottlieb-Billroth O. Anmerkungen zum Brief von Theodor Billroth an Johannes Brahms, Zürich, 4. Mai 1866. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 181
  • 14 Gottlieb-Billroth O. Italienische Reisen. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 504-518
  • 15 Hadaschik BA, Hadaschik EN, Hohenfellner M. Billroth und Brahms. Medizin und Musik in der persönlichen Begegnung. Der Urologe 2012; 51: 245-251
  • 16 Hanslick E. Aus meinem Leben. Berlin: Allgemeiner Verein für Deutsche Literatur; 1894
  • 17 Billroth T. Brief an Johann von Mikulicz, Wien, 12. Februar 1883. In: Fischer G. , Hrsg. Briefe von Theodor Billroth. Hannover, Leipzig: Hahnsche Buchhandlung; 1897: 300-302
  • 18 Billroth T. Brief an Johannes Brahms, Wien, 2. Juli 1876. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 221-222
  • 19 Gottlieb-Billroth O. Anmerkungen zum Brief von Johannes Brahms an Theodor Billroth, Ischl, 21. Juli 1880. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 301
  • 20 Brahms J. Brief an Theodor Billroth, Wien, 17. Januar 1894. In: Gottlieb-Billroth O. , Hrsg. Billroth und Brahms im Briefwechsel. Mit Einleitung, Anmerkungen und vier Bildtafeln. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1935: 488