Psychiatr Prax 2025; 52(06): 353-354
DOI: 10.1055/a-2653-0661
Mitteilungen BDK

Mitteilungen aus der Bundesdirektorenkonferenz (BDK)

 

Tagungsbericht: 10. NFEP Berlin – „Megatrends in der psychiatrischen Versorgung“30. Juni – 1. Juli 2025, Berlin

Zum zehnten Mal jährte sich nun das „NFEP“, das vom 30.06. bis 01.07.25 wieder im Berliner Krankenhaus Elisabeth Herzberge stattfand. Organisiert wurde es vom Arbeitskreis der Krankenhausleitungen psychiatrischer Kliniken (akp). Vor 10 Jahren gründete er das „Nationale Forum für Entgelte in der Psychiatrie und Psychosomatik“ aus der Not heraus, gemeinsam als ärztliche, pflegerische und kaufmännische Leitungen bundespolitisch Position zu beziehen angesichts neuer einschneidender Bundesgesetze, die die auskömmliche Finanzierung der psychiatrisch-psychosomatischen Krankenhausversorgung bedrohten. Aus dem Forum gingen viele Impulse und Initiativen hervor, die zu Modifikationen und Adaptationen von PsychVVG, KHEntgG und zuletzt der PPP-RL führten. Anlässlich des zehnten Jubiläums und der aktuellen Entwicklungen beschlossen nun die Bundesvorstände von BDK (Bundesdirektorenkonferenz – Verband der leitenden Ärztinnen und Ärzte psychiatrischer Kliniken (BDK e.V.)), BFLK (Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie e.V.) und VKD (Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V.), das Forum inhaltlich zu erweitern und umzubenennen in „Nationales Forum für Entwicklungen in der Psychiatrie und Psychosomatik“. Der diesjährige Untertitel „Megatrends in der psychiatrischen Versorgung“ unterstreicht den neuen inhaltlichen Anspruch programmatisch.

Passend hierzu und anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der Psychiatrie-Enquete spannten Prof. Dr. Thomas Becker, Seniorprofessor für Sozialpsychiatrie Leipzig, und Prof. Dr. Thomas Pollmächer, ehemaliger DGPPN-Präsident in ihren Einführungsvorträgen den thematischen Bogen von den großen Reformen der europäischen und der nationalen Psychiatriegeschichte bis hin zur aktuellen realen Gefahr eines Wieder-Verlorengehens ihrer großen Errungenschaften. Dies besteht angesichts eines immer stärkeren Sparzwangs, einer Fehlverteilung von Ressourcen und einer starken Tendenz zur Institutionalisierung, die aus ökonomischen Partialinteressen resultiert. Aufgeworfen wurde die große Frage nach der früher zentralen Idee des Wohlfahrtsstaates, bzw. der Notwendigkeit der Daseinsvorsorge im Rahmen des Gesundheitssystems. Welchen Beitrag kann das NFEP zu einer Wiederbelebung des gesellschaftlichen und politischen Diskurses um eine bestmögliche und solidarische Versorgung aller psychisch Kranken mit einer ausgewogenen Balance zwischen Autonomie und Fürsorge in der Therapie, Unterbringung und Teilhabe.

Anschließend diskutierten zwei Tage lang Expertinnen und Experten aus Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, relevanten Berufsverbänden und Krankenkassen miteinander, wie den Herausforderungen der Megatrends Ambulantisierung, Urbanisierung, Klimawandel, Digitalisierung, Spezialisierung, Fachkräftemangel und Demografie in Zeiten klammer Kassen und eines steigenden Reformbedarfs begegnet werden kann.

Anhand der Schluss-Statements aller an der Podiumsdiskussion beteiligter Verbandsvorsitzenden lassen sich zentrale Punkte herausarbeiten, die an die Politik adressiert werden sollen und den breiten öffentlichen Diskurs anregen sollen.

Statements der Verbandsvorsitzenden

Bomke (VKD FG Psych.): Es braucht weniger institutionelle Ausrichtung und eine gesellschaftliche Neubestimmung des Wohlfahrtsstaates. Die Versorgungspyramide ist von unten zu denken, Selbsthilfe und Prävention sind zentral.

Pollmächer (DGPPN): Es geht nicht um immer mehr Geld und Personal, sondern um eine Steuerung der Ressourcen hin zu den schwer und chronisch betroffenen Patienten, die sie wirklich in vollem Umfang benötigen.

Neubert (GKV-SV): Die Krankenhäuser nützen ihre jetzt schon vorhandenen Möglichkeiten einer flexiblen Versorgung ungenügend aus. Sie sollten eher hierauf ihre Energie verwenden, als ständig neue Reformen und Veränderungen der Rahmenbedingungen zu fordern.

Klitzsch (VPKD): Der Auf- und Ausbau psychosomatischer Institutsambulanzen wäre ein entscheidender Beitrag zur bedarfsgerechten und wohnortnahen Versorgung, insbesondere schwer kranker Patientinnen und Patienten. Eine auskömmliche Finanzierung – z.B. nach dem Bayerischen Modell – ist die Voraussetzung für eine gelingende Ambulantisierung sowohl der Psychosomatik als auch der Psychiatrie.

Wilms (ackpa): Es braucht wieder mehr Kooperation und gemeinsame Anstrengungen aller Psych-Fächer, wenn etwas erreicht werden soll. Gemeinsam sind wir stärker, die Themen überschneiden sich.

Claus (BDK): Die bestmögliche bedarfsgerechte Versorgung über alle Sektorengrenzen hinweg lässt sich mithilfe von Globalbudgets erreichen. Jedes Krankenhaus sollte hierzu gesetzlich die Option erhalten.

Ludovisi-Dehl (BFLK): Die Pflege ist jetzt schon zu wesentlich mehr Tätigkeiten in der Psychiatrie und Psychosomatik in der Lage, als sie tatsächlich eingesetzt wird. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen ist eine Aufwertung durch Weiterbildung und Akademisierung nötig.

Höhmann (VKD FG Psych.): Die Vorstände und Kaufleute sollten sich mehr als Unterstützer und Dienende verstehen gegenüber ihren Versorgenden, anstatt sie als Chefs zu dominieren und zu kontrollieren.

Belling (BAG Psychiatrie): Die Krankenhäuser für Psychiatrie und Psychosomatik sind für die Daseinsvorsorge essenziell, sie müssen auch auskömmlich und nachhaltig finanziert werden. Die Schwerstkranken an der Spitze der Versorgungspyramide sollten auch am meisten bedacht werden mit Geld und Personal. Die Digitalisierung wird schon in einem Jahr eine massive Unterstützung und Verbesserung der psychiatrisch-psychosomatischen Versorgung bringen.


Abschluss und Ausblick

In der Abschlussrunde dankten die akp-Spitzen den Organisatoren und Helfern für die äußerst inspirierende und diskussionsfreudige Tagung in sehr kooperativer und kreativer Atmosphäre. Die neu ins Programm aufgenommene Abendveranstaltung mit Barbeque wurde von den Teilnehmenden sehr gelobt und soll nun auch fester Bestandteil künftiger NFEPs werden. Die Initiatoren der akp als wichtige Player in der psychiatrisch-psychosomatischen Versorgung konsentieren nun ein gemeinsames politisches Positionspapier.

Fazit der Tagung: Megatrends stimulieren neue Herausforderungen, bringen aber auch Chancen für eine ent-stigmatisierende, inklusive und wirkungsvollere psychiatrisch-psychosomatische Versorgung. Sie sind Impulsgeber für die Entwicklung neuer Behandlungsformen und fördern gleichzeitig die Rückbesinnung auf zentrale Werte des Fachgebiets wie den Wohlfahrtsstaat.

Alle Verbände waren sich am Ende der Tagung einig in ihren Forderungen an die Politik in Bund, Ländern und Kommunen nach einer besseren Planung sowie in der Einsicht in die Notwendigkeit, dass sich Kostenträger und Krankenhäuser bald über praktikable Regelungen zur Umsetzung von Globalbudgets verständigen sollten. All dies sei verbunden mit der Hoffnung, dass uns auch die Digitalisierung helfen könnte, die Herausforderungen zu bewältigen.


Glossar

ackpa – arbeitskreis der chefärzteInnen der kliniken für psychiatrie und psychotherapie an allgemeinkrankenhäusern in deutschland

akp – Arbeitskreis der Leitungen psychiatrischer Krankenhäuser

BAG Psychiatrie – Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer und psychosomatischer Krankenhäuser in Deutschland

BDK – Bundesdirektorenkonferenz – Verband der leitenden Ärztinnen und Ärzte psychiatrischer Kliniken (BDK e.V.)

BFLK – Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie e.V.

DGPPN – Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

GKV-SV – Gesetzliche Krankenkassen – Spitzenverband

KHEntgG – Krankenhausentgeltgesetz

NFEP – Nationales Forum für Entwicklungen in der Psychiatrie und Psychosomatik

PsychVVG – Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen

VKD FG Psych. – Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V., Fachgruppe Psychiatrische Einrichtungen

VPKD – Verband der Psychosomatischen Krankenhäuser und Krankenhausabteilungen in Deutschland e.V.


Korresdpondenzadresse

Prof. Dr. Thomas Kraus
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Frankenalb-Klinik Engelthal
Reschenbergstraße 20
91238 Engelthal, Deutschland

Publication History

Article published online:
16 September 2025

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