Übersicht
Beratung der Patientin mit Endometriose/Adenomyose in Bezug auf Fertilität
Schon bei Verdacht auf Endometriose/Adenomyose empfiehlt es sich, das Thema Fruchtbarkeit
anzusprechen – und zwar auch bei der jungen Patientin, die zum Vorstellungszeitpunkt
noch keinen konkreten Kinderwunsch hat. Das Gespräch sollte in einer ruhigen Atmosphäre,
möglichst vor Einleitung von therapeutischen Maßnahmen stattfinden. Das Informationsbedürfnis
der Patientin soll hierbei erschöpfend bedient werden, insbesondere in Hinblick auf
die Einordnung bestehender Vorinformationen. Hierbei sind die folgenden Punkte wichtig:
-
So lange ein Paar noch nicht versucht hat, den Kinderwunsch zu realisieren, ist eine
konkrete Einschätzung der Fruchtbarkeit allenfalls ganz grob möglich. Entmutigende
Äußerungen sollte man unterlassen.
-
Das Alter der Patientin ist auch bei Endometriose der Hauptprognosefaktor in Bezug
auf die Fruchtbarkeit und es gilt in diesem Punkt, die Patientin dafür zu sensibilisieren,
die Familienplanung in ein Alter zu legen, in dem auch ohne Endometriose optimale
Fertilitätsraten bestehen. Dieses Zeitfenster liegt im 20.–30. Lebensjahr.
-
Die Frühform der Adenomyose kann durch Ultraschall oder MRT weder sicher bewiesen
noch ausgeschlossen werden [13]. Daher sind Aussagen gegenüber der Patientin in Hinblick auf die Fertilität mit
großer Zurückhaltung zu treffen.
-
Auch kleine und asymptomatische Endometriome sollten bei Diagnose endokrin therapiert
werden (Expertenkonsens; basierend auf: [14]
[15]).
-
Vor dem Hintergrund der physiologischen Funktion und der phylogenetischen Bedeutung
der Menstruation muss darauf hingewiesen werden, dass die zunehmende Häufigkeit der
Menstruation und dadurch entstehende Beschwerden durch den Lebensstilwandel des letzten
Jahrhunderts bedingt ist [16].
-
Die Patientin soll auch zum Thema Kryokonservierung von Eizellen informiert werden.
Hier gilt es zu bedenken, dass das Alter der Patientin eine entscheidende Rolle spielt,
da es nicht nur um die Eizellquantität, sondern auch um deren Qualität geht [17].
-
Darüber hinaus sollten patientinnenindividuelle fertilitätsrelevante Faktoren angesprochen
werden.
-
Regelmäßige Kontrollen und Reevaluationen sollen der Patientin empfohlen werden.
Bedeutung der Adenomyose für die Fertilität
Bei vorliegender Dysmenorrhö sollte eine Adenomyose bedacht werden. Direkte sonografische
Zeichen sind dabei selten zu finden, indirekte Zeichen sind häufiger darzustellen
[18]
[19]
[20]
[21]. Die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Adenomyose-Diagnose durch 2D-TVS variiert
von einer Sensitivität von etwa 86%, wenn eine Kombination aus subendometrialen Mikrozysten,
myometrialen Zysten und heterogenem Myometrium festgestellt wird, bis zu nur etwa
52–60%, wenn nur eine Uterusvergrößerung oder -asymmetrie festgestellt wird [20]. Es wurde zusätzlich festgestellt, dass Veränderungen der Ultraschallbefunde zyklusabhängig
sein können, was die sichere Diagnoseerstellung erschwert. Gerade bei jungen Frauen
werden leichtere Formen beobachtet; es überwiegen indirekte Zeichen im Ultraschall
[22]
[23]. Um akzeptable positive Vorhersagewerte zu erreichen, müssen mehrere Zeichen vorhanden
sein [20]
[24]. Der kappa-Wert sowohl für die Inter- als auch die Intra-Observer-Variabilität für
das Vorliegen eines Adenomyose-Zeichens lag für die meisten Parameter unter 0,4 (schlechte
Übereinstimmung) [25]. Bei der Beratung der jungen Patientin mit schwerer Dysmenorrhö sollte die Symptomatik
im Mittelpunkt stehen, eine Verunsicherung durch die Diagnosestellung Adenomyose soll
unbedingt vermieden werden [26].
Theoretische Überlegungen legen nahe, dass eine hormonelle Behandlung mit dem Ziel
einer therapeutischen Amenorrhö möglicherweise einen protektiven Effekt auf den Erhalt
der Fertilität hat – im Sinne einer frühen sekundären Prävention (z. B.: Dienogest,
LNG-IUD 52 mg, Pille in der kontinuierlichen Einnahme, GnRH-Agonisten und Antagonisten
mit Add-back). Hierzu fehlen allerdings bisher lang angelegte prospektive Studien
(Expertenkonsens). Im Verlauf soll ein möglicherweise entstandener Kinderwunsch erfragt
werden.
Bei bestehendem Kinderwunsch und Sterilität gibt es Evidenz, dass Adenomyose die Wahrscheinlichkeit
einer Einnistung und Schwangerschaft verringert und das Risiko für eine Fehlgeburt
erhöht [27]
[28].
Weiterhin gibt es Hinweise, dass eine Vorbehandlung vor einem Embryotransfer die Wahrscheinlichkeit
einer erfolgreichen Schwangerschaft erhöht [29]
[30]
[31].
Denkbare Ansätze vor Einleitung eines Embryotransfers sind:
-
LNG-IUD
-
Long/Ultra-long-Protokoll
-
Stimulation – Suppression – Embryotransfer
-
Des Weiteren können Gestagene oder orale GnRH-Antagonisten dafür verwendet werden,
wobei es noch wenig wissenschaftliche Daten zu diesen Therapien für diese Zwecke gibt.
Insbesondere in der jungen Generation besteht häufig eine Skepsis gegenüber der Hormontherapie,
daher können folgende Aspekte genannt werden, um der Patientin weitere Vorteile der
Hormongabe zu erläutern:
-
vermeidbare Langzeitfolgen durch die Einnahme von Analgetika (Gastritis, Nierenprobleme
usw.)
-
geringere Schwangerschafts- und Lebendgeburtenraten bei Adenomyose
-
erhöhte Abortraten bei Adenomyose
-
Risiko des chronischen UB-Schmerzes [32]
[33]
-
Hypermenorrhö, Anämie
Welche Diagnostik bei Sterilität und Verdacht auf Endometriose?
Bei aktuellem Kinderwunsch ist es sinnvoll, die Patientin und ihren Partner frühzeitig
reproduktionsmedizinisch abzuklären. Dies kann durch einen darin erfahrenen Frauenarzt
oder ein reproduktionsmedizinisches Zentrum erfolgen.
Zunächst erfolgt eine gründliche allgemeine Anamnese mit besonderem Fokus auf endometriosespezifische
Beschwerden sowie eine Sterilitätsanamnese beider Partner. Aufseiten des Mannes sollte
ein Spermiogramm erfolgen.
Bei der körperlichen Untersuchung mittels Spekulum und Palpation können Hinweise für
eine Endometriose festgestellt werden. Hierbei ist auch die Beurteilung des Fornix
posterior zu beachten [34].
Der transvaginale Ultraschall stellt aktuell die empfohlene Erstlinientechnik zur
Diagnose der Endometriose dar. Hierbei können Ovarialendometriome zuverlässig erkannt
werden. Aber auch eine tief infiltrierende Endometriose kann mit einer standardisierten
Untersuchungsmethode wie der IDEA mit etwas Übung mit großer Sicherheit festgestellt
werden [35]. Die Dokumentation kann mithilfe der #ENZIAN-Klassifikation erfolgen [36].
Zur Diagnostik einer Adenomyose können die Morphological Uterus Sonographic Assessment-(MUSA-)Kriterien
herangezogen werden (siehe [Tab. 1]; [18]).
Tab. 1
MUSA-Kriterien. Daten aus [18].
direkte Zeichen
|
indirekte Zeichen
|
myometrane Zysten
|
Asymmetrie der Myometriumdicke
|
myometrane hyperechogene Inseln
|
Schallschatten
|
echogene subendometriale Knospen
|
irreguläre Junktionalzone
|
|
unterbrochene Junktionalzone
|
|
kugelförmiger Uterus
|
|
vermehrte Durchblutung des Myometriums
|
Bei dem sonografischen Verdacht auf eine tief infiltrierende Endometriose sollte durch
eine Nierensonografie ein bereits bestehender Harnstau ausgeschlossen werden [34].
In speziellen Fragestellungen und bei unklaren Befunden kann ein MRT die sonografische
Diagnostik ergänzen und wird durch das Endometriosezentrum veranlasst.
Die weitere Sterilitätsdiagnostik erfolgt durch die zyklusspezifische Diagnostik von
antralem Follicle Count (AFC), AMH sowie der Gonadotropine und dient der Beurteilung
der ovariellen Reserve der Patientin.
Die diagnostische Laparoskopie mit histologischer Sicherung der Endometriose ist heute
nicht mehr in jedem Fall erforderlich. Falls eine operative Abklärung erfolgt, dann
sollte diese beinhalten: Hysteroskopie, Laparoskopie, Chromopertubation und eine suffiziente
Tubendiagnostik durch erfahrenen Operateur (siehe unten).
Die ovarielle Reserve – wie und wann soll sie erhoben werden?
Die ovarielle Reserve wird durch die Anzahl der Primordialfollikel bereits intrauterin
festgelegt und bestimmt die hormonelle Aktivität der Ovarien bis zur Menopause. Zur
Einschätzung der ovariellen Reserve können Surrogatmarker wie die Anzahl der Antralfollikel
(Antral Follicle Count = AFC) oder das Anti-Müller-Hormon (AMH) herangezogen werden.
Die Bestimmung dieser Surrogatmarker der ovariellen Reserve ist bei allen Frauen in
der reproduktiven Lebensphase sinnvoll, insbesondere, wenn ovarielle Tumoren – wie
Endometriome – oder andere Pathologien im kleinen Becken vorliegen, die Einfluss auf
die der ovariellen Reserve haben können. In der Sterilitätsdiagnostik ist die Bestimmung
der ovariellen Reserve durch AFC oder AMH immer erforderlich.
Die Ermittlung des AFC erfolgt mittels transvaginaler Sonografie (TVS), idealerweise
in der frühen Follikelphase (am Zyklustag 2–5) in Abwesenheit eines dominanten Follikels
oder Corpus luteum, kann aber mit geringer Fluktuation über den gesamten Zyklus hinweg
zuverlässig evaluiert werden. In die AFC-Bestimmung fließen alle antralen Follikel
zwischen 2–10 mm an beiden Ovarien ein [37]. Die Messung kann im 2D Real Time-, 2D Cine Loop- oder 3D-Modus gegebenenfalls auch
unter Anwendung automatisierter Auswertungen für höchste Präzision und Reproduzierbarkeit
erfolgen. Wichtig ist hierbei, die Ovarien standardisiert in 2 Ebenen – beispielsweise
von medial nach lateral und von kranial nach kaudal – durchzufächern. Die Interpretation
der Werte wird in [Tab. 2] dargestellt. Da die ovarielle Reserve altersabhängig abnimmt, bieten Nomogramme
zusätzliche Orientierung zur schnellen Einschätzung, ob der erhobene AFC Wert perzentilen-
und altersentsprechend normal ist [38].
Tab. 2
Antrale Follikelanzahl (AFC) beider Ovarien. Daten aus [37].
Nomenklatur
|
AFC
|
Interpretation für Stimulation
|
sehr geringe funktionelle Ovarialreserve
|
0–4
|
stark reduzierte Wahrscheinlichkeit für Schwangerschaft, sehr hohes Risiko für schwaches
Ansprechen auf ovarielle Stimulationsbehandlung
|
reduzierte funktionelle Ovarialreserve
|
5–8
|
hohes Risiko für schwaches Ansprechen auf ovarielle Stimulationsbehandlung
|
normale funktionelle Ovarialreserve
|
9–19
|
normales Ansprechen auf ovarielle Stimulationsbehandlung wahrscheinlich
|
hohe funktionelle Ovarialreserve
|
> 20
|
Risiko für erhöhtes Ansprechen auf ovarielle Stimulationsbehandlung und ovarielle
Überstimulation
|
Der AMH-Wert ist für die Vorhersage eines Ansprechens auf ovarielle Stimulation validiert,
er beschreibt jedoch auch die funktionelle ovarielle Reserve und zeigt eine gute Korrelation
mit dem AFC [39]. Empfohlen wird die Bestimmung des AMH-Wertes insbesondere in folgenden Situationen:
-
bei unklarem Ergebnis des AFC, beispielsweise bei ovariellen Tumoren oder weit kranial
gelegenen und schwer einsehbaren Ovarien [37].
-
vor geplanter operativer Therapie, insbesondere bei ovarieller und tief infiltrierender
Endometriose [34].
Bei altersentsprechend reduzierten Werten des AFC oder AMH ist eine Beratung bezüglich
fertilitätsprotektiver Maßnahmen durch Kryokonservierung von Eizellen und bei stabiler
Partnerschaft von Embryonen empfohlen [17]
[34]. Zu beachten gilt, dass der AMH-Wert unter Hormontherapie (Gestagene, kombinierte orale Kontrazeptiva, Relugolix-CT, Linzagolix) eingeschränkt und meist um bis zu 20% reduziert sein kann [40]
[41]. Wie das AMH ist auch der AFC unter Hormontherapie (Gestagene oder kombinierte orale Kontrazeptiva) eingeschränkt beurteilbar und meist reduziert [37].
Der EFI-Score und seine Alternativen – wie kann der #Enzian eingesetzt werden?
Der Endometriose-Fertilitätsindex (EFI) ist derzeit das einzige validierte prognostische
Instrument zur Abschätzung der Fertilität bei Patientinnen mit Endometriose [42]. Er setzt sich aus anamnestischen Parametern (Alter, Dauer der Sterilität, Schwangerschaftsanamnese)
sowie intraoperativen Befunden zusammen. Dabei werden insbesondere der morphologische
und funktionelle Zustand der Tuben, Fimbrien und Ovarien bewertet, ergänzt durch die
intraoperative Klassifikation der Endometriose gemäß ASRM (https://endometriose-sef.de/wp-content/uploads/2023/10/EFI_Skore_Deutsch_14.pdf). Trotz seiner Verbreitung weist der EFI-Score erhebliche Limitationen auf. Von den
insgesamt 10 zu vergebenden Punkten entfallen lediglich 2 auf das Ausmaß der Endometriose,
während die tuboovariellen Strukturen (mit maximal 3 Punkten) über einen separaten
Score erfasst werden. Da die ASRM-Klassifikation weder die TIE (tief infiltrierende
Endometriose) noch das Vorliegen einer Adenomyosis berücksichtigt, bleiben zentrale
pathophysiologische Faktoren für die therapeutische Entscheidungsfindung unberücksichtigt.
Darüber hinaus stellt der EFI eine rein intraoperative Beurteilung dar, die nicht
auf bildgebende Verfahren wie die Sonografie (USD) oder Magnetresonanztomografie (MRT)
anwendbar ist.
Die im EFI enthaltenen anamnestischen Faktoren und die in der Untersuchung erhobenen
sonografischen Befunde bieten für sich bereits eine solide Basis für die Beratung
der Patientin mit Kinderwunsch.
Der #Enzian-Score [36] als erweiterte Klassifikation
Die #Enzian-Score wurde als Alternative zur rASRM-Klassifikation (rASRM: Revised American
Society for Reproductive Medicine) entwickelt und bietet eine differenziertere Darstellung
aller Endometriose-Stadien. Dabei werden verschiedene anatomische Kompartimente (vordere,
mittlere und hintere Kompartimente) sowie das Infiltrationsausmaß berücksichtigt.
Im Gegensatz zum EFI-Score kann der #Enzian-Score auch bildgebend (z. B. mittels transvaginaler
Sonografie oder MRT) evaluiert werden und erlaubt so eine nicht-invasive Einschätzung
des Krankheitsausmaßes [43]
[44]
[45].
Bislang fehlen groß angelegte Studien, die den prognostischen Wert des #Enzian-Scores
hinsichtlich Fertilität belegen.
Kombination aus EFI- und #Enzian-Score
Neuere Untersuchungen schlagen vor, die Vorteile beider Klassifikationssysteme zu
kombinieren, um eine präzisere Abschätzung der Fertilitätsprognose zu ermöglichen.
Künstliche Intelligenz (KI) und Klassifikation
Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt zunehmend an Bedeutung in der nicht-invasiven
Diagnostik von Endometriose, insbesondere durch den Einsatz von Deep-Learning-Algorithmen
in der Ultraschall- (USD) und Magnetresonanztomografie-(MRT-)Bildanalyse. Die Zukunftsperspektive
liegt in der Integration von multimodalen Datenquellen, einschließlich klinischer
Parameter, Bildgebung und molekularbiologischer Marker, um die Diagnosesicherheit,
Therapieplanung und Prognosemodelle zu optimieren.
Kryokonservierung bei Endometriose
Sinnvolle Beratung zur Kryokonservierung bei Endometriose
Frauen mit Endometriose haben eine geringere Ovarialreserve und damit einhergehend
niedrigere AMH-Werte im Vergleich zu Frauen ohne Endometriose. Endometriome per se
und insbesondere deren Operation haben einen schädigenden Einfluss auf die Ovarialreserve
und damit auf die zukünftige Fertilität. Frauen sollten daher vor der Operation darüber aufgeklärt werden, dass Optionen der Fertilitätsprotektion
durch das Kryokonservieren von Eizellen existieren, auch wenn ein internationaler
Konsens bezüglich Benefit und Indikation derzeit fehlt [17].
Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen [46]:
-
Abhängig von Befund und Krankheitsdynamik soll die Aufklärung über Kryokonservierung
angepasst werden. Bei entsprechender Indikation sollte die Beratung durch eine reproduktionsmedizinisch
kompetente Frauenärztin oder im Endometriose-, Reproduktionszentrum durchgeführt werden.
-
Die Rückrufrate in den bisherigen Programmen variiert von 13% [47] bis 46% [48].
-
Die Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt steigt mit der Anzahl der kryokonservierten
Eizellen und sinkt mit zunehmendem Alter zum Zeitpunkt der Eizellentnahme. Ab Mitte
30 wird die Prognose vom Alter dominiert [48]
[49]
[50]
[51].
-
Nutzen und Risiken der Vitrifikation von Eizellen sollten der Patientin vor Operationen
am Ovar bekannt sein, um eine selbstbestimmte Entscheidung treffen zu können [52].
Kryokonservierung von Eizellen als Option bei potenziellem zukünftigen Kinderwunsch
-
Endometriome bilateral
-
Endometriom unilateral und niedriger AMH-Wert
-
Rezidiv eines Endometrioms
-
Endometriom unilateral nach kontralateraler Operation
-
junge Patientin mit bereits niedrigem AMH-Wert
Kryokonservierung von Eizellen nicht erforderlich
-
altersadäquate AFC- und AMH-Werte
-
junge Patientin mit Kinderwunsch und guten Chancen für eine spontane Konzeption
-
aktuell laufende Kinderwunschbehandlung
-
Endometriom unilateral, klein und stabil (auch unter hormoneller Therapie)
-
kein aktueller oder späterer Kinderwunsch
Sinnvolle Indikation zur HSK, LSK, Chromopertubation und Endometriosesanierung
Bei Kinderwunsch sollten morphologische und klinische Befunde abgeklärt werden, insbesondere
eine TIE oder ovarielle Endometriose sowie eine Adenomyose gilt es zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der weiteren Betreuung empfiehlt es sich, zwischen einem perspektivischen
und einem konkreten Kinderwunsch sowie der nach WHO definierten Infertilität (12 Monate
ungeschützter Geschlechtsverkehr ohne Eintritt einer Schwangerschaft) zu unterscheiden.
Im Falle einer Infertilität werden zunächst die oben bereits beschriebenen Faktoren
abgeklärt. Auch der männliche Sterilitätsfaktor muss bekannt sein (Expertenkonsens).
Je älter die Patientin, desto früher sollten diese diagnostischen Schritte eingeleitet
werden. Dabei gilt als pragmatische Grenze bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr spätestens:
< 35 Jahre: 1 Jahr; 35–40 Jahre: 6 Monate; über 40 Jahre: unmittelbar.
Wenn am Ende der Verdacht auf eine organische Ursache der Infertilität übrig bleibt,
kann eine invasive Abklärung und eventuell therapeutische Maßnahmen per HSK, LSK und
Chromopertubation angeboten werden. Der therapeutische Effekt dieser Maßnahme bei
Sanierung einer peritonealen Endometriose wird kontrovers beurteilt: sowohl die deutsche
Leitlinie „Diagnostik und Therapie vor einer assistierten reproduktionsmedizinischen
Behandlung“ als auch die ESHRE-Leitlinie empfehlen dieses Vorgehen mit moderater bis
guter Evidenz. Andere Studien sehen einen lediglich geringen Nutzen [17]
[34]
[53]. Bei eindeutiger Indikation zur ART kann auf diese Maßnahme verzichtet werden. Je
augenfälliger andere Sterilitätsfaktoren sind, desto zurückhaltender soll jedoch die
Indikation zur operativen Therapie gestellt werden. Letztlich empfiehlt sich insbesondere
bei der operativen Diagnostik und Therapie der Infertilität ein individuelles Vorgehen
mit einer der aktuellen Datenlage entsprechenden Aufklärung und aktivem Miteinbeziehen
des Paars.
Welche Endometriome muss man wie operieren?
Argumente für die Durchführung einer Operation bei Endometriomen sind [54]:
Argumente gegen eine Operation bei Endometriomen sind [54]:
-
oligosymptomatische Patientin
-
Vorliegen weiterer Sterilitätsursachen
-
ältere Patientin
-
reduzierte ovarielle Reserve
-
bilaterale Endometriome
-
Rezidivsituation
Operationsverfahren und Spontankonzeption:
Die operative Entfernung von Endometriomen erhöht im Gegensatz zum exspektativen oder
eingeschränkt operativen Vorgehen die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Spontanschwangerschaften
[21]
[54].
Operationsverfahren und assistierte Reproduktion:
Ist eine assistierte Reproduktion geplant, so werden die Erfolgsaussichten durch eine
vorherige Endometriomentfernung vermutlich nicht erhöht. Eine Operation des Ovars
soll nur dann erwogen werden, wenn Schmerzen dies erforderlich machen und/oder die
Eizellreserve ausreichend hoch ist [54] oder eine ART aufgrund der anatomischen Verhältnisse nicht möglich ist.
Einfluss des Operationsverfahrens auf die ovarielle Reserve:
-
Alle Behandlungsverfahren haben einen potenziell fertilitätsschädigenden Effekt.
-
Die Sklerotherapie ist eine effektive Therapieoption. Die vorliegende Datenlage bestätigt
erhöhte Lebendgeburtenraten nach laparoskopischer Sklerotherapie und ART [55]. Der Abfall des AMH-Wertes nach Sklerotherapie scheint geringer zu sein als nach
Zystektomie [55].
-
Ablative Verfahren sollen, wenn sie verwendet werden, eine geringe Eindringtiefe haben
[17].
-
Die operative Entfernung von Endometriomen durch eine komplette Zystektomie reduziert
die ovarielle Reserve und Funktion [56]
[57]
[58].
-
Methoden der Blutstillung haben unterschiedlich starke Auswirkungen auf die Ovarfunktion.
Dabei scheint insbesondere die Anwendung von bipolarem Strom ovarschädigender zu sein
als die Verwendung einer Naht oder von Hämostyptika [59]
[60]
[61].
-
Bei kleinen Endometriomen und glattem Peritoneum ist keine Naht erforderlich. Bei
großen Endometriomen und seitengleicher Peritoneumresektion soll die ovarielle Naht
zur Blutstillung und Adhäsionsprophylaxe angewendet werden (Expertenkonsens).
-
Weitere Einflussfaktoren wie Zystengröße, Bilateralität und Erfahrung des Operateurs
spielen eine relevante Rolle. Die Datenlage hierzu ist aber divergent [59]
[62].
Einfluss des Operationsverfahrens auf die Rezidivwahrscheinlichkeit:
Die Zystektomie zur Komplettentfernung eines Endometrioms ist anderen operativen Ansätzen
hinsichtlich der Rezidivwahrscheinlichkeit (Zystenrezidive, Schmerzrezidive) überlegen
[21]
[59]
[63]. Ein Faktor, der die Rezidivwahrscheinlichkeit beeinflusst, ist das Alter der Patientin.
Diese war bei Frauen unter 35 erhöht [64]. In aktuellen Beobachtungsstudien konnte bei Endometriomen unter 4 cm und laparoskopischer
Sklerotherapie eine geringe Rezidivwahrscheinlichkeit demonstriert werden [65]
[66].
Effekt der hormonellen Therapie bei Endometriomen:
Entgegen früheren Publikationen können auch unter einer therapeutischen Amenorrhö
die Symptome und die Größe der Endometriome reduziert werden [14]
[15]. Durch den Wegfall des chronisch entzündlichen Reizes reduziert sich die Fibrosierung
des ovariellen Gewebes und der Eizellverlust sinkt [67]. Hierbei ist eine engmaschige Reevaluation nötig und die Lebenssituation der Patientin
ist zu beachten.
Die hormonelle Therapie mittels oralen Kontrazeptivums reduziert die Rezidivwahrscheinlichkeit
[68]
[69]
[70].
Patientinnen mit Endometriomen, die keine hormonelle Therapie wünschen, sollten über
das Progressionsrisiko aufgeklärt werden – auch in Hinblick auf die Fertilität. Sollte
eine hormonelle Therapie nicht gewünscht sein, so soll erstmalig eine Kontrolle nach
3 Monaten erfolgen, im Anschluss in 6-monatlichen Intervallen (Expertenkonsens).
Beeinflussen nicht-ovarielle Endometriose-Operationen die ovarielle Reserve?
In Hinblick auf nicht-ovarielle Endometriose-Operationen und deren Einfluss auf die
ovarielle Reserve sind den Autoren valide Studien nicht bekannt. Diese sind allerdings
aufgrund der fehlenden Standardisierung der Operationsverfahren auch nicht möglich.
Bei der Operation sollte stets berücksichtigt werden, dass auch der positive Einfluss
der Operation auf dünnen Beinen steht. Hieraus ergibt sich die Empfehlung, jeden operativen
Schritt in Hinblick auf Nutzen und Risiken sorgfältig abzuwägen.
Obwohl Chris Sutton in einer doppelanonymisierten, randomisierten Studie bereits 1993
feststellte, dass die peritoneale Exzision von Endometrioseherden im Vergleich zur
reinen Feststellung signifikant höhere Schwangerschaftsraten ergibt, hat er dabei
die ovarielle Reserve nicht gemessen [71]. Allerdings ist auch bekannt, dass die peritoneale Exzision von Endometrioseherden
zusammen mit Endometriom-Operationen den AMH-Spiegel weiter senkt [72].
Eine chirurgische – auch sehr vorsichtige – Enukleation von Endometriose-Zysten (Endometriomen)
ist daher nur in Schmerzsituationen und bei einer Zystengröße, die das Follikelwachstum
verhindert, indiziert [73].
Operation der Hydrosalpinx
Eileitererkrankungen sind für etwa 20% der Fälle von Infertilität verantwortlich,
wobei die Hydrosalpinx eine besonders schwerwiegende Form darstellt [74]. Je nach Ausprägung können distale Tubenpathologien klassifiziert werden ([Tab. 3]):
Tab. 3
Prognosescore zur Klassifikation bei distaler Tubenpathologie.
Adhäsionen wenig = avaskulär bzw. dünn; Mukosa = geschätzter Erhaltungsgrad der Mukosa
im ampullären Teil in %. Bei fehlender oder verschlossener Gegenseite wird der Punktescore
verdoppelt. Daten aus [75].
|
Wanddicke
|
dünn
|
|
|
dick (> 2 mm)
|
Adhäsionen
|
keine
|
wenig
|
ausgeprägt
|
|
Mukosa
|
> 75%
|
25–75%
|
< 25%
|
keine
|
Score
|
0
|
1
|
2
|
3
|
Stadium
|
I
|
II
|
III
|
|
Punkte
|
0–5
|
6–10
|
11–16
|
|
Die Pathogenese variiert je nach Ursache, insbesondere zwischen infektiösen Erkrankungen
und Endometriose, sodass Analogieschlüsse mit Vorsicht zu ziehen sind.
Die Hydrosalpinx, gekennzeichnet durch einen distalen Eileiterverschluss und Flüssigkeitsansammlung,
beeinträchtigt sowohl die spontane als auch die assistierte Reproduktion erheblich.
Studien zeigen, dass Implantations- und Schwangerschaftsraten bei betroffenen Frauen
deutlich niedriger sind als bei gesunden Frauen [74]
[76]. Die zugrunde liegenden Mechanismen umfassen den mechanischen Scheuereffekt der
Flüssigkeit, toxische Effekte auf den Embryo und eine verringerte Empfänglichkeit
des Endometriums [74]
[76].
Empirische Evidenzen deuten darauf hin, dass eine Tubenoperation eine effektive Intervention
zur Reduktion des negativen Einflusses einer Hydrosalpinx auf die Implantation darstellt.
Untersuchungen zufolge kann eine Salpingektomie oder das proximale Verschließen der
Eileiter vor einer assistierten Reproduktion (ART) die klinische Schwangerschaftsrate
(KSSR) im Vergleich zu keiner Intervention signifikant erhöhen. Die Schwangerschaftsrate
ohne Operation liegt demnach bei 19%, während sie nach einer Salpingektomie auf 27–52%
ansteigen kann [76].
Die Tubenrekonstruktion ermöglicht eine natürliche Schwangerschaftsrate (NSSR) von
25–27%, birgt jedoch ein Risiko für Eileiterschwangerschaften (EUG) von 4,76–10% [74]
[77]. Die vorliegenden Studien zeigen, dass die Erfolgsraten in Abhängigkeit vom Schweregrad
der Hydrosalpinx variieren. So liegt die Schwangerschaftsrate (NSSR) bei einer leichten
Hydrosalpinx bei 50,49%, während die Eileiterschwangerschaftsrate (EUG) 7,41% beträgt.
Bei einer mittelschweren Hydrosalpinx liegt die NSSR bei 32,89%, während die EUG 9,09%
beträgt. Bei einer schweren Hydrosalpinx liegt die NSSR bei 10,71%, während die EUG
8,26% beträgt [74].
Die Daten bestätigen, dass eine laparoskopische Tubenoperation insbesondere bei leichter
bis mittelschwerer Hydrosalpinx eine effektive Strategie zur Wiederherstellung der
natürlichen Fertilität darstellt. Bei schwerwiegenden Fällen sind die Erfolgsaussichten
jedoch begrenzt, weshalb eine Salpingektomie zur Verbesserung der Schwangerschaftsrate
empfohlen wird.
Für die Endometriose liegen keine eindeutigen Daten zur optimalen Behandlungsstrategie
vor. Hierbei sind das Ausmaß der Erkrankung, mögliche chirurgische Eingriffe wie die
Adhäsiolyse sowie deren potenzielle Auswirkungen auf die ovarielle Perfusion zu berücksichtigen.
Die Behandlungsentscheidung sollte daher unter Berücksichtigung individueller Faktoren
getroffen werden, um die bestmögliche Fertilitätsprognose zu gewährleisten.
Sequenz TIE – ART
Kleine, aber gute Studien zeigen, dass es sinnvoll sein kann, eine bestehende TIE
vor einer ART zu operieren. Die meisten Studien beziehen sich hier auf eine TIE des
Rektums [78]
[79]. Auch die Operation der TIE ohne nachfolgende ART scheint eine Verbesserung der
Schwangerschaftsraten zu ermöglichen [78]. Bei Patientinnen mit relativ geringen Schmerzsymptomen fällt allerdings die Komplikationsrate
mehr ins Gewicht: dritt- bis viertgradige Komplikationen nach Clavien-Dindo wurden
in einem großen Kollektiv mit etwa 4% Häufigkeit angegeben [80]. Bei symptomatischer tief infiltrierender Endometriose und Kinderwunsch ist die
Indikation zur Operation großzügiger zu stellen als bei asymptomatischen oder oligosymptomatischen
Patientinnen. Insbesondere nach frustraner ART kann aber auch in dem Kollektiv der
oligo- und asymptomatischen Patientinnen eine Resektion der TIE angeboten werden,
bevor die reproduktionsmedizinischen Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Auch bei primärer ART bei bestehender TIE können Schwangerschaftsraten von kumulativ
von 64% über 4 ART-Zyklen erreicht werden [81].
Bei der Entscheidung, primär eine ART durchzuführen, sollte der Grundsatz beachtet
werden, dass bei TIE regelmäßig eine sonografische Verlaufskontrolle der Nieren erfolgen
muss.
Die Indikation zu einer Operation sollte erneut geprüft werden bei wiederholt frustranen
Embryotransfers und bevor die reproduktionsmedizinischen Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Dies wird von den Autoren als Zeitpunkt gesehen, um die Fortsetzung der ART kritisch
zu reevaluieren.