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DOI: 10.1055/a-2665-3314
Transition bei Ösophagusatresie: medizinische, psychosoziale und strukturelle Aspekte einer lebenslangen Versorgung
Artikel in mehreren Sprachen: deutsch | EnglishAutor*innen
Zusammenfassung
Die Ösophagusatresie (ÖA) wird vielfach als kinderchirurgische Diagnose verstanden, deren Behandlung mit der operativen Korrektur abgeschlossen scheint. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine komplexe chronische Erkrankung, die ein lebenslanges Monitoring erfordert. Neben operationsbedingten Folgen sind insbesondere gastroösophageale, muskuloskelettale und pulmonale Langzeitprobleme, zusätzliche Fehlbildungen sowie Aspekte der Lebensqualität zu berücksichtigen. Der Übergang in die Erwachsenenmedizin stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. In Deutschland fehlen bislang flächendeckende Transitionsstrategien und spezialisierte multidisziplinäre Versorgungsteams; vorhandene Modellprojekte blieben bisher auf einzelne Standorte begrenzt. Eine kontinuierliche, interdisziplinäre Betreuung, die medizinische, psychosoziale und familiäre Dimensionen integriert, ist daher essenziell. Bis zur institutionellen Implementierung strukturierter Konzepte übernehmen Kinder- und Jugendärzt:innen eine Schlüsselrolle als Lots:innen im Transitionsprozess. Ergänzend leisten Selbsthilfeorganisationen durch Information, Peer-Support und praxisnahe Hilfen einen wichtigen Beitrag. Nachhaltige Versorgungsstrukturen sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Transition und tragen dazu bei, jungen Menschen mit ÖA ein stabiles, gesundes und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Langfristig bedarf es politischer und institutioneller Rahmenbedingungen zur Etablierung von Transitionszentren, interdisziplinären Netzwerken und verbindlichen Übergabestrukturen, um eine adäquate Versorgung erwachsener ÖA-Betroffener sicherzustellen.
Schlüsselwörter
Ösophagusatresie - Transition - Erwachsenenmedizin - chronische Erkrankung - ganzheitliche VersorgungEinleitung
Die Ösophagusatresie (ÖA) wird traditionell als kinderchirurgische Diagnose verstanden. Eltern erhalten oft den Eindruck, dass die Erkrankung mit der Operation und dem Kindesalter abgeschlossen sei. Doch die Realität ist komplexer: Die Patient Journey endet weder mit der chirurgischen Korrektur noch mit dem Erwachsenwerden. Während manche Familien mit den anhaltenden medizinischen Problemen ein hohes Maß an Akzeptanz entwickeln, bleiben dadurch relevante Komplikationen häufig unerkannt oder unbehandelt. Besonders herausfordernd ist der Übergang von der pädiatrischen in die erwachsenenmedizinische Versorgung. Hier bestehen in Deutschland noch große Versorgungslücken, da spezialisierte multidisziplinäre Behandlungsteams für Erwachsene bislang kaum etabliert sind. Dieser Beitrag stellt die zentralen medizinischen, psychosozialen und strukturellen Aspekte des Übergangs in die Erwachsenenmedizin dar.
Transition in der Medizin – Definition, aktueller Stand und Bedeutung bei Ösophagusatresie
Begriffsklärung: Transition vs. Transfer
Transition (lat. transitio = Übergang) bezeichnet den geplanten, mehrjährigen Prozess des Übergangs von der pädiatrischen in die Erwachsenenmedizin. Ziel ist die Förderung von Selbstmanagement, psychosozialer Reife und gesundheitsbezogener Autonomie [1], [2].
Davon abzugrenzen ist der Transfer, also der konkrete Moment des Wechsels, z. B. die Überweisung zu einer Erwachsenenklinik [3]. Ohne vorbereitende Transition führt dieser oft zu Versorgungsabbrüchen und schlechteren Gesundheitsoutcomes [1], [2], [3]. Nationale und internationale Leitlinien betonen daher strukturierte Vorbereitung, individuelle Pläne und interprofessionelle Abstimmung [4], [5], [6]. Die deutsche S3-Leitlinie fordert explizit den Einbezug von Jugendlichen, Eltern und der Erwachsenenmedizin [6].
Aktuelle Situation in Deutschland
In Deutschland fehlt bislang eine flächendeckend implementierte Transitionsstrategie [7], [9]. Modellprojekte wie TRANSLATE-NAMSE haben wertvolle Ansätze entwickelt, blieben aber lokal begrenzt [7], [12]. Erhebungen zeigen, dass die meisten pädiatrischen Fachabteilungen keine formalen Konzepte etabliert haben [8], [9]. Zudem erzwingt die Altersgrenze von 18 Jahren häufig einen abrupten Wechsel – ohne ausreichende Vorbereitung oder psychosoziale Begleitung.
Eine Umfrage aus der pädiatrischen Nephrologie zeigt: Über 80% der Kliniken hatten keine schriftlichen Vereinbarungen, betonten aber die Notwendigkeit strukturierter Übergänge [8]. Auch Patient:innen mit Ösophagusatresie sind im Erwachsenenalter oft nicht mehr adäquat allgemeinmedizinisch angebunden [15] ([Tab. 1]).
|
Bereich |
Ist-Zustand |
Soll-Zustand |
|---|---|---|
|
Transitionsprogramme |
nur Pilotprojekte, lokal begrenzt |
flächendeckend implementiert |
|
Altersgrenze |
abrupt bei 18 Jahren |
flexibel, individuell angepasst |
|
Erwachsenenstrukturen |
kaum spezialisierte Zentren |
multidisziplinäre Zentren bundesweit |
|
Nachsorgeplanung |
selten dokumentiert |
standardisierte Pläne mit Übergabegespräch |
|
Kommunikation Kindermedizin – Erwachsenenmedizin |
fragmentiert |
klare Schnittstellen, feste Ansprechpartner |
|
psychosoziale Begleitung |
unzureichend |
fester Bestandteil im Transitionskonzept |
Die Ösophagusatresie – Beispiel für komplexe Nachsorge
Die Ösophagusatresie (ÖA) ist eine Fehlbildung von Luft- und Speiseröhre, die durch eine Anastomosenoperation allein nicht vollständig geheilt werden kann [33], [34]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines lebenslangen Monitorings. In der Nachsorge müssen sowohl medizinische als auch psychosoziale Aspekte berücksichtigt werden – einschl. zusätzlicher Fehlbildungen im Rahmen der VACTERL-Assoziation sowie der Langzeitfolgen der operativen Versorgung. Dies unterstreicht die Bedeutung einer kontinuierlichen, interdisziplinären Betreuung, die körperliche und psychische Dimensionen gleichermaßen einschließt und auch die Familiensysteme einbezieht.
Gastroösophageale Langzeitprobleme
Aktuelle Übersichtsarbeiten weisen auf eine zunehmende Evidenz für die lebenslange gastrointestinale Vulnerabilität von Patient:innen mit ÖA hin [10]. Zwar wird durch die operative Rekonstruktion die anatomische Kontinuität wiederhergestellt, doch ersetzt sie die komplexe neuromuskuläre Steuerung des Ösophagus nur unvollständig. Dies führt häufig zu persistierenden, motilitätsassoziierten Beschwerden. Eine personalisierte Nachsorge, die sich an funktionellen Symptomen sowie endoskopischen und manometrischen Befunden orientiert, wird daher zunehmend gefordert [10].
Motilitätsstörungen und nervale Steuerung
Viele Betroffene leiden an Störungen der oralen Phase, des Bolustransports und der unteren Sphinkterkontrolle. Vermutlich spielt dabei eine Schädigung des N. vagus und seiner Äste – insbesondere des N. laryngeus recurrens – eine Rolle [28], [29]. Da diese Bahnen für Motilität, Schluck- und Stimmfunktion essenziell sind, können Funktionsstörungen nicht nur Dysphagie, sondern auch Heiserkeit, Stimmbandparesen und eine erhöhte Aspirationsgefahr verursachen. Solche Probleme treten häufiger erst im Kindes- oder Jugendalter auf und erfordern eine interdisziplinäre Nachsorge (u. a. Gastroenterologie, Logopädie, HNO).
Gastroösophageale Refluxkrankheit (GÖRK)
Die gastroösophageale Refluxkrankheit gehört zu den häufigsten Langzeitkomplikationen: Sie betrifft etwa die Hälfte der Jugendlichen und nahezu alle Erwachsenen [18], [19]. Die Symptomatik ist dabei oft unspezifisch; auch asymptomatische Patient:innen können relevante Schäden entwickeln. Mögliche Komplikationen sind Strikturen, eosinophile Ösophagitis, Dumping-Syndrom, Barrett-Metaplasie bis hin zum Karzinom [18]. Daher sind regelmäßige Kontrollendoskopien (ÖGD), idealerweise alle 5 – 10 Jahre, obligat [18], [19].
Ernährung und Gedeihen
Schon Kinder mit ÖA entwickeln häufig Aversionen gegen bestimmte Nahrungsmittel oder Ängste vor dem Verschlucken [16]. Dies kann zu Essstörungen und Gedeihstörungen führen. Im Erwachsenenalter zeigen sich deutliche Unterschiede zur Allgemeinbevölkerung: 21% der Betroffenen sind untergewichtig, nur 2% adipös [15]. Logopädische und ernährungstherapeutische Unterstützung bleibt daher auch über Kindheit und Jugend hinaus wichtig, um Mangelernährung und Folgeprobleme zu verhindern [15], [17]. Dies gilt insbesondere, wenn die primäre Versorgung ausschließlich chirurgisch erfolgte und über Jahre keine strukturierte Nachsorge stattfand.
Respiratorische Langzeitkomplikationen
Respiratorische Probleme gehören zu den zentralen Langzeitfolgen der Ösophagusatresie [11], [13], [14]. Besonders häufig ist die Tracheomalazie, die bei bis zu einem Drittel der Betroffenen auftritt [11]. Durch die Instabilität der Luftröhre kommt es zu chronischem Husten, rezidivierenden Infekten, Atelektasen und im Verlauf sogar zu Bronchiektasen. Symptome wie Stridor, Giemen oder Atemnot werden im Kindesalter oft fälschlich als Asthma oder Krupphusten gedeutet. Auch mikroaspirationsbedingte Bronchitiden sind häufig.
Diagnostik
Die Abklärung erfolgt interdisziplinär und umfasst Lungenfunktionstests, flexible und starre Bronchoskopien sowie bildgebende Verfahren. Low-Dose-CT- oder Real-Time-MRT-Untersuchungen mit dynamischen Atemmanövern ermöglichen die Darstellung von Kollapsphänomenen der Trachea und Bronchien [13], [14], [35].
Therapie und Management
Therapeutische Optionen reichen von Inhalationen (Kochsalz, N-Acetylcystein) und strukturierter Atemphysiotherapie (z. B. autogene Drainage, PEP-Systeme) bis hin zu chirurgischen Verfahren wie der Tracheopexie bei schweren Verläufen [11], [13], [14]. Auch antibiotische Strategien nach dem Vorbild der Mukoviszidosebehandlung sind etabliert [14]. Dabei ist entscheidend, Eltern und später die Patient:innen selbst zu schulen und Reserveantibiotika für Akutsituationen bereitzuhalten – auch im Erwachsenenalter.
Strukturierte Langzeitbetreuung
Eine kontinuierliche Atemphysiotherapie sollte als fester Bestandteil der Nachsorge verordnet werden [13]. Bei rezidivierenden Infekten und Zeichen chronischer Lungenschädigung empfiehlt sich der Übergang in spezialisierte Bronchiektasenambulanzen (pädiatrisch oder pneumologisch), um regelmäßige Verlaufskontrollen und Frühinterventionen sicherzustellen [14]. Für vertiefende Aspekte sei auf den Beitrag „Pneumologische Probleme bei Kindern mit operierter Ösophagusatresie“ verwiesen.
Muskuloskelettale Folgen und Skoliose
Nach offenen Thorakotomien entwickeln viele Patient:innen mit Ösophagusatresie muskuloskelettale Spätfolgen, darunter Rippenfusionen, Thoraxasymmetrien und Skoliosen [17], [32]. Minimalinvasive, thorakoskopische Operationstechniken senken dieses Risiko deutlich [20].
Eine aktuelle prospektive MRT-Studie aus Leipzig konnte diese Beobachtungen erstmals morphologisch und funktionell in Echtzeit belegen: Kinder nach offener ÖA-Operation zeigten signifikant häufiger Rippenfusionen und Adhäsionen (78%) sowie Skoliosen (15%) im Vergleich zu minimalinvasiv operierten Kindern oder gesunden Kontrollen [32]. Zudem war die thorakale Entwicklung eingeschränkt, mit verminderten rechtsseitigen Lungenvolumina und asymmetrischen Thoraxbewegungen. Besonders die Zahl der durchgeführten Thorakotomien erwies sich als Risikofaktor für reduzierte Thoraxvolumina.
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass muskuloskelettale und pulmonale Langzeitprobleme nach Thorakotomien häufig unterschätzt werden und eine gezielte Nachsorge erfordern. Neben regelmäßigen klinischen und bildgebenden Kontrollen sollten insbesondere Physiotherapie, Atemübungen und sportliche Aktivitäten gefördert werden. Geeignete Sportarten stärken nicht nur die körperliche Entwicklung, sondern unterstützen auch die psychosoziale Stabilität der Betroffenen. Hierzu sei auf den Beitrag „Verbesserung der Physical Literacy bei Kindern und Jugendlichen mit Ösophagusatresie“ verwiesen.
Psychosoziale Aspekte und Lebensqualität
Trotz erheblicher medizinischer Fortschritte berichten viele Betroffene weiterhin von Einschränkungen im Alltag. Dazu zählen reduzierte körperliche Belastbarkeit, Beeinträchtigungen in Schule, Ausbildung oder Beruf sowie eine eingeschränkte Partnerschafts- und Lebensqualität [15], [21], [22], [23]. Besonders belastend sind dysphagiebedingte Probleme in sozialen Situationen, etwa beim gemeinsamen Essen, sowie Schulabsentismus infolge rezidivierender respiratorischer Infekte. Beides trägt zu emotionalem Stress und reduzierter Lebensqualität bei [21], [22], [31].
Darüber hinaus zeigen Studien eine erhöhte Prävalenz psychischer Erkrankungen wie Depressionen, ADHS und Autismus bei Patient:innen mit Ösophagusatresie [24]. Deshalb sollte die psychische Gesundheit in der Nachsorge regelmäßig überprüft werden. Neben medizinischer Betreuung sind die Einbindung von Selbsthilfeorganisationen (z. B. KEKS, SoMA) sowie eine empathische, offen geführte Arzt-Patienten-Kommunikation entscheidende Faktoren für eine langfristig stabile Lebensqualität ([Tab. 1]).
Aus der ÖA-Vorgeschichte ergibt sich ein klarer Handlungsrahmen.
Empfehlungen für die ambulante Betreuung (vgl. [Tab. 2])
|
Bereich |
Empfohlene Maßnahme |
Frequenz/Kommentar |
|---|---|---|
|
gastrointestinal |
ÖGD mit Biopsien (Stenosen, GÖRK, Barrett, EoE) |
alle 5 – 10 Jahre oder symptomorientiert |
|
respiratorisch |
Lungenfunktion, ggf. Bronchoskopie, Atemtherapie |
alle 1 – 2 Jahre, bei Infekten sofort |
|
Ernährung |
Gewicht, BMI, Essverhalten |
jährlich |
|
muskuloskelettal |
Inspektion auf Haltung, Skoliose |
jährlich |
|
psychosozial |
EA-QoL, Screening auf Depression/ADHS/Autismus |
regelmäßig |
|
Impfungen |
Pneumokokken, Influenza, Pertussis, Haemophilus influenzae (Hib), ggf. RSV (Respiratory Syncytial Virus) + COVID-19 |
Impfstatus regelmäßig prüfen |
|
Vernetzung |
KEKS/NEKS-Gesundheitsordner, Selbsthilfeanbindung |
kontinuierlich |
Der Übergang in die Erwachsenenmedizin ist besonders kritisch, da in Deutschland spezialisierte multidisziplinäre Teams bislang kaum etabliert sind. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die ambulante Betreuung klare Handlungsempfehlungen:
-
gastrointestinale Nachsorge: Regelmäßige Endoskopien (ÖGD) mit Biopsien, auch bei fehlender Symptomatik, um Komplikationen wie Stenosen, Refluxkrankheit, Barrett-Metaplasie oder eosinophile Ösophagitis frühzeitig zu erkennen.
-
respiratorische Diagnostik: Lungenfunktionstests alle 1 – 2 Jahre, Bronchoskopien bei rezidivierenden Infekten oder chronischem Husten; ggf. Atemtherapie und Empfehlung zu altersgerechter körperlicher Aktivität
-
Ernährungsstatus: regelmäßige Erfassung von Gewicht, BMI und Essverhalten; frühzeitige Einbindung von Ernährungsmedizin und Logopädie bei Auffälligkeiten
-
muskuloskelettales Screening: klinische Untersuchung auf Haltungsschäden und Skoliose, ggf. bildgebende Abklärung
-
psychosoziale Begleitung: Erhebung der Lebensqualität (z. B. mit dem EA-QoL), bei Bedarf Anbindung an Psychotherapie oder Sozialberatung
-
Prävention: Überprüfung und Aktualisierung des Impfschutzes, insbesondere gegen Pneumokokken, Influenza, Pertussis und Haemophilus influenzae (Hib), ggf. RSV (Respiratory Syncytial Virus) – neue Impfmöglichkeiten: z. B. Nirsevimab (passive Immunisierung im 1. Lebenswinter), besonders für Säuglinge mit Risikofaktoren. Ferner zu erwägen: COVID-19 (entsprechend STIKO-Empfehlung für Kinder ab 6 Monaten mit Vorerkrankungen).
-
Selbsthilfe und Vernetzung: Empfehlung zur Nutzung von Patientenorganisationen wie KEKS oder SoMA sowie des KEKS-Gesundheitsordners als strukturierte Dokumentations- und Kommunikationshilfe
Diese Empfehlungen unterstreichen, dass die Nachsorge von ÖA-Betroffenen nicht als abgeschlossener chirurgischer Eingriff, sondern als lebenslange, interdisziplinäre Aufgabe verstanden werden muss.
Partizipierende in der ganzheitlichen Nachsorge
Die bisherigen Handlungsempfehlungen und die weiterhin bestehenden Defizite in den Transitionsstrukturen verdeutlichen die Notwendigkeit gut informierter, vernetzter und engagierter Akteur:innen. Sie tragen entscheidend dazu bei, eine kontinuierliche Nachsorge sicherzustellen und den Übergang in die Erwachsenenmedizin strukturiert zu gestalten. Im Folgenden werden die wichtigsten Beteiligten sowie Perspektiven für die Versorgungsentwicklung vorgestellt.
Kinderärzt:innen als Schlüsselakteur:innen
Kinderärzt:innen, die chronisch kranke Kinder oft über viele Jahre begleiten, spielen eine zentrale Rolle im Transitionsprozess. Durch ihr Wissen über Krankheitsverlauf, familiäre Dynamiken und psychosoziale Faktoren können sie den Übergang frühzeitig vorbereiten, altersgerechte Schulungen integrieren und individuelle Pläne entwickeln.
Gezielte Assessments ermöglichen es, Selbstständigkeit, Krankheitsverarbeitung und psychosoziale Reife einzuschätzen. Darauf aufbauend lassen sich Maßnahmen wie Transitionssprechstunden, Praktika in Erwachsenenambulanzen oder strukturierte Übergabegespräche planen.
In der Praxis scheitern diese Ansätze jedoch häufig an fehlenden Ressourcen und mangelnder Vernetzung mit der Erwachsenenmedizin. Fachärzt:innen für Erwachsene sind oft nicht ausreichend auf die komplexen Bedarfe vorbereitet. Umso wichtiger sind verbindliche Kommunikationsstrukturen und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Patientenorganisationen als Brückenbauer
Selbsthilfeorganisationen wie KEKS oder SoMA ergänzen die medizinische Versorgung durch Information, Peer-Support und Transitionsprogramme. Ihre Angebote reichen von Workshops und Übergabeheften bis hin zu Mentoring durch ältere Betroffene. Dadurch fördern sie Gesundheitskompetenz, Adhärenz und Lebensqualität [25], [26].
Darüber hinaus können Patientenorganisationen als Mediatoren zwischen Familien und Versorgungsstrukturen wirken: Sie adressieren Ängste, klären Erwartungen und schaffen Vertrauen in neue ärztliche Teams. Durch ihre kontinuierliche Begleitung tragen sie wesentlich dazu bei, Brüche im Transitionsprozess abzufedern [30].
Gestaltung eines „Transfer-Ankunftsbahnhofs“
Ein zentrales Ziel künftiger Versorgungsstrukturen sollte der Aufbau eines „Transfer-Ankunftsbahnhofs“ sein – verstanden als realer oder virtueller Ort, an dem die Übergabe von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin koordiniert und begleitet wird [7], [27].
Elemente eines solchen Ankunftsbahnhofs könnten sein:
-
gemeinsame Übergabesprechstunden von Kinder- und Erwachsenenmediziner:innen
-
strukturierte Übergabepläne mit relevanter Krankheits- und Therapiehistorie
-
Transitionslots:innen oder Koordinator:innen, die den Prozess begleiten
-
psychosoziale Unterstützung durch Sozialarbeit und Psychologie
-
partizipative Nachsorgegespräche zur Evaluation des Übergangs
Ein solcher „Bahnhof“ wäre mehr als eine Übergabestation: Er wäre ein Raum für Empowerment, Validierung und Zusammenarbeit, der das „schwarze Loch“ zwischen den Versorgungssystemen schließt und Jugendlichen wie Familien Sicherheit und Orientierung bietet.
Fazit
Die Transition von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen – insbesondere bei seltenen und komplexen Diagnosen wie der Ösophagusatresie – stellt eine zentrale, aber weiterhin unzureichend strukturierte Phase in der Versorgung dar. Zwar beendet die chirurgische Korrektur die akute Krankheitsphase, doch zahlreiche gastrointestinale, pulmonale, muskuloskelettale und psychosoziale Langzeitfolgen erfordern eine kontinuierliche, interdisziplinäre Nachsorge.
Derzeit bestehen in Deutschland erhebliche Defizite: fehlende flächendeckende Transitionsprogramme, starre Altersgrenzen, unzureichende Vernetzung mit der Erwachsenenmedizin und kaum etablierte multidisziplinäre Strukturen. Daraus resultieren Versorgungslücken, die nicht nur medizinische Risiken bergen, sondern auch die Lebensqualität und psychosoziale Stabilität der Betroffenen beeinträchtigen.
Bis zu einer institutionellen Verankerung strukturierter Transitionskonzepte kommt ambulanten Kinder- und Jugendärzt:innen eine Schlüsselrolle zu. Sie sind zentrale Lots:innen, die durch ihre kontinuierliche Begleitung, frühzeitige Aufklärung und individuellen Transitionspläne entscheidend zum Gelingen des Übergangs beitragen. Ergänzend leisten Selbsthilfeorganisationen wie KEKS und SoMA wertvolle Unterstützung, indem sie Informationsangebote, Peer-Support und praktische Hilfen bereitstellen.
Langfristig braucht es jedoch verbindliche politische, institutionelle und finanzielle Rahmenbedingungen: Transitionszentren, interdisziplinäre Netzwerke, feste Übergabestrukturen und definierte Ankunftsorte („Transfer-Bahnhöfe“), die den Wechsel in die Erwachsenenmedizin koordinieren und begleiten. Nur durch solche nachhaltigen Strukturen kann der Übergang gelingen – mit dem Ziel, nicht nur Komplikationen zu vermeiden, sondern jungen Menschen mit Ösophagusatresie und vergleichbaren Erkrankungen ein stabiles, gesundes und selbstbestimmtes Leben im Erwachsenenalter zu ermöglichen.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
-
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Korrespondenzadresse/Correspondence
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
10. Oktober 2025
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Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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