Open Access
CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd
DOI: 10.1055/a-2672-3968
GebFra Science
Review

Schockzustände in der Schwangerschaft – Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI – Sektion Schock) und der Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin (AGG – Sektion Maternale Erkrankungen)

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch

Authors

  • Thomas Standl

    1   Klinik für Anästhesie, Operative Intensiv- und Palliativmedizin, Städtisches Klinikum Solingen gGmbH, Solingen, Germany
  • Thorsten Annecke

    2   Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Krankenhaus Köln-Merheim, Klinikum der Universität Witten/Herdecke, Köln, Germany
  • Stefan Geiger

    3   Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Elblandklinikum Riesa, Riesa, Germany
  • Jan Kähler

    4   Klinik für Kardiologie, Klinikum Herford, Herford, Germany
  • Franz Kainer

    5   Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Silvia Schönenberger

    5   Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Sven Kehl

    6   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, LMU Klinikum, LMU München, München, Germany
  • with contributions from members of the Section Shock of the DIVI* and the AGG**
 

Zusammenfassung

Ziel Die Empfehlungen der Sektion Schock der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Sektion Maternale Erkrankungen der AGG (Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin) der DGGG haben das Ziel der Verbesserung der Diagnostik und des Managements von Schwangeren in einer Schocksituation. Im Jahr 2018 wurde von der Sektion Schock der DIVI eine veränderte Definition der Schockformen publiziert. Da eine Schwangerschaft zu umfangreichen physiologischen Veränderungen, die jedes Organsystem betreffen und unmittelbare Auswirkungen auf Schockentstehung und -verlauf haben können, führt, wurden die Spezifika der Schockformen in der Schwangerschaft herausgearbeitet.

Methode Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche und iterative Konsensbildung innerhalb der Sektion Schock der DIVI und der Sektion Maternale Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin (AGG).

Ergebnisse Schock als Kreislaufinsuffizienz mit einem gravierenden Missverhältnis von O2-Angebot (DO2) und Bedarf (VO2) bleibt allen Schockformen, auch bei der Schwangeren, gemeinsam. Als Besonderheiten der Schwangerschaft werden eine veränderte Empfindlichkeit gegenüber auslösenden Ursachen, veränderte klassische Schocksymptome und die speziellen diagnostischen und therapeutischen Ansätze zur Rettung von Mutter und Kind behandelt.

Schlussfolgerungen Die Statements und Empfehlungen helfen, die zwischen den verschiedenen Schockformen (hypovolämischer Schock, distributiver Schock, kardiogener Schock und obstruktiver Schock) vorhandenen Ursachen leichter zu erkennen und das entsprechende Management einzuleiten.


Einleitung

Statement

Den verschiedenen Schockformen werden schwerpunktmäßig 4 Organsysteme zugeordnet:

  • hypovolämischer Schock dem Blut- und Flüssigkeitskompartiment

  • distributiver Schock dem Gefäßsystem

  • kardiogener Schock dem Herzen

  • obstruktiver Schock dem Kreislaufsystem

Mit Beginn einer Schwangerschaft unterliegt der weibliche Organismus einer zunehmenden physiologischen Veränderung und Adaptation, die alle Organsysteme betrifft ([Tab. 1]) und sich im Krankheitsfall aggraviert. Die Überarbeitung der Nomenklatur, Definition und Unterteilung der verschiedenen Schockformen in 4 Hauptgruppen ordnete diesen schwerpunktmäßig 4 Organsysteme zu [1]:

Tab. 1 Physiologische Veränderungen der Organfunktionen während einer Schwangerschaft.

FRC: funktionelle Residualkapazität; SVR: systemischer Gefäßwiderstand; PVR: pulmonaler Gefäßwiderstand; HZV: Herzzeitvolumen (l/min); MAC: minimal alveläre Konzentration (volatiler Anästhetika)

respiratorisches System

progesteroninduzierte erhöhte CO2-Empfindlichkeit

Zunahme des Atemzugvolumens und der Atemfrequenz bis 40%

Steigerung des Atemminutenvolumens bis 50%

erniedrigte FRC um 20%

Anstieg des O2-Verbrauchs um 20 – 25%

milde chronische Hyperventilation und respiratorische Alkalose

pO2 + 10 mmHg, pCO2 − 10 mmHg, maternaler ph-Wert zwischen 7,40 – 7,45

östrogeninduzierte Zunahme der Durchblutung und Ödembildung im Bereich der oberen Atemwege

Kreislaufsystem

Synthese von Progesteron, Prostacyclin PGI2, NO gesteigert

Tonusabnahme der glatten Gefäßmuskulatur mit SVR − 21% und PVR − 34%

Abnahme des effektiv zirkulierenden Blutvolumens (relative Hypovolämie) zu Beginn der Schwangerschaft

Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems mit gesteigerter Natrium- und Wasserretention (2. + 3. Trimenon)

Anstieg SV + 30%, HF + 17%, HZV + 40%, uteriner Blutfluss am Geburtstermin bis 900 ml/min (≈ 14% des HZV)

Blutsystem

Zunahme von Gesamtblutvolumen bis 40%, Plasmavolumen bis 50%, Erythrozytenvolumen bis 30% mit bzw. 20% ohne Eisensubstitution

trotzdem Anämie (Verdünnung und Eisenmangel durch fetalen Verbrauch) Hkt − 5 bis − 10% (mit bzw. ohne Eisensubstitution)

Hypalbuminämie mit Ödemneigung

Gerinnungssystem

Anstieg der Faktoren I, VII, VIII, IX, X, XII

Abnahme von Protein C und S, physiologische APC-Resistenz

Abnahme von tPA, PTT und Clotting Time

Thromboembolierate in der Gravidität 0,05 – 1,8% (~ 6-fach erhöht)

Thromboembolierate peripartal bis 14,4-fach erhöht

Gastrointestinum

Magenentleerung ist nicht verzögert, auch nicht bei Adipositas

unveränderte gastrale Säuresekretion während Schwangerschaft

Abnahme des unteren ösophagealen Sphinkterdrucks durch Progesteronwirkung, erhöhten intraabdominalen Druck, Verlagerung der Magenachse

Magenentleerung nach Wehenbeginn verzögert, vor allem unter Opioidtherapie (i. v., i. t. und epidural)

Eine leichte Mahlzeit 2 – 4 h vor Sectio erhöht das intragastrale Volumen und senkt den pH.

Nierenfunktion

gesteigerter renaler Blutfluss bis + 60%

gesteigerte glomeruläre Filtrationsrate + 60%

erhöhter Aldosteronspiegel fördert Na+- und Wasser-Retention und Ödembildung (siehe oben)

zentrales u. peripheres Nervensystem

sedativer Effekt von Progesteron

reduzierte MAC für volatile Anästhetika − 40%

erhöhte Empfindlichkeit für Lokalanästhestika (respiratorische Alkalose erhöht Diffusion von nicht-ionisierten LA an die Nerven)

erhöhte Empfindlichkeit für LA-Intoxikation (relative Hypalbuminämie, reduzierte Krampfschwelle)

  • hypovolämischer Schock dem Blut- und Flüssigkeitskompartiment

  • distributiver Schock dem Gefäßsystem

  • kardiogener Schock dem Herzen

  • obstruktiver Schock dem Kreislaufsystem

Dem hypovolämischen Schock liegt ein absoluter Volumenverlust zugrunde. Der distributive Schock führt zu einer relativen Hypovolämie infolge einer pathologischen Verteilung des intravasalen Volumens. Beim kardiogenen Schock führt eine ungenügende Herzleistung, beim obstruktiven Schock eine widerstandsbedingte Pathologie zur Malperfusion. Die Betrachtung der Schockformen unter dem Aspekt Schwangerschaft soll eine zielgerichtete Diagnostik und Therapie des Schocks bei der Schwangeren im präklinischen und klinischen Bereich erleichtern.


Methodik

Die vorliegenden Empfehlungen wurden durch eine Arbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten der Sektion „Schock“ der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie der Sektion „Maternale Erkrankungen“ der Arbeitsgemeinschaft für Geburtshilfe und Pränatalmedizin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (AGG i. d. DGGG) erstellt. Grundlage bildete eine selektive Literaturrecherche in der PubMed-Datenbank bis einschließlich Mai 2024. Die Suchbegriffe umfassten unter anderem „pregnancy AND shock“, „obstetric hemorrhagic shock“, „cardiogenic shock AND pregnancy“, „septic shock AND pregnancy“, und „obstructive shock AND pregnancy“. Zusätzlich wurden nationale und internationale Leitlinien (z. B. AWMF, NICE, SCCM, Surviving Sepsis Campaign) berücksichtigt.

Die aus der Literatur identifizierten relevanten Beiträge wurden durch die Arbeitsgruppe inhaltlich bewertet. Bei widersprüchlicher Datenlage erfolgte eine Einordnung nach klinischer Relevanz, Plausibilität und Übertragbarkeit auf den geburtshilflich-intensivmedizinischen Kontext. Die Empfehlungen und Statements wurden iterativ in mehreren digitalen Konsensrunden diskutiert und im Konsens verabschiedet. Ziel war es, praxisrelevante Empfehlungen für die differenzierte Diagnostik und Therapie der verschiedenen Schockformen in der Schwangerschaft zu formulieren, die sowohl in der geburtshilflichen Versorgung als auch im intensivmedizinischen Setting anwendbar sind.


Hypovolämischer Schock

Empfehlung

Zur Therapie des hypovolämischen Schocks sollte eine rasche Blutstillung und intravasale Volumensubstitution (mit balancierten Kristalloiden) erfolgen.

Empfehlung

Im hypovolämischen Schock sollte bei fortbestehender Hypotension ein Vasokonstriktor (z. B. Noradrenalin) verabreicht werden, um einen systolischen arteriellen Blutdruck (SAP) von ≥ 100 mmHg zu erreichen.

Empfehlung

Beim hypovolämischen Schock durch traumatische und peripartale Blutungen sollten frühzeitig Tranexamsäure (1 g) und bei fortbestehender Blutung Fibrinogen (2 – 4 g) verabreicht werden.

Eine kritisch verminderte kardiale Vorlast durch Volumenverluste charakterisiert den hypovolämischen Schock [1]. Durch Zunahme des Plasma- und Erythrozytenvolumens toleriert eine Schwangere einen größeren Blutverlust als nichtschwangere Patientinnen.

Der geburtshilfliche hämorrhagische Schock wird hauptsächlich durch peripartale Blutungen wegen einer Uterusatonie, bei Plazentaresten und Geburtsverletzungen verursacht. Insbesondere Blutungen im Rahmen einer Placenta-accreta-Spektrum-Störung sind mit einem hohen Blutungsrisiko assoziiert [2]. Schockauslöser ist die kritische Abnahme des zirkulierenden Blutvolumens; der massive Verlust von Erythrozyten verstärkt die Gewebehypoxie.

Der traumatisch-hämorrhagische Schock weist zusätzlich ein erhebliches Gewebetrauma mit frühzeitigen Gerinnungsstörungen und Endothelschäden z. B. beim Polytrauma auf [3], [4], [5], [6]. Bei der Schwangeren ist hier die vorzeitige Plazentalösung mit Hypovolämie durch Blutung und Gewebstrauma des Uterus (Couvelaire-Uterus) aufzuführen [7].

Der hypovolämische Schock im engeren Sinne und der traumatisch-hypovolämische Schock weisen relevante Flüssigkeitsverluste ohne Blutung durch äußere oder innere Flüssigkeitsverluste auf. Ursachen sind anhaltendes Erbrechen wie bei der Hyperemesis gravidarum und Diarrhö sowie nicht kompensierte renale Verluste (Diabetes insipidus, hyperosmolares diabetisches Koma). Die Sequestration großer Flüssigkeitsmengen nach extravasal bei Ileus, akuter Pankreatitis oder Eklampsie führt ebenfalls zur Reduktion des zirkulierenden Plasmavolumens.

Die Therapie des hypovolämischen Schocks besteht in der raschen Blutstillung und intravasalen Volumensubstitution. Diese erfolgt mit balancierten Kristalloiden. Bei fortbestehender Hypotension soll ein Vasokonstriktor (z. B. Noradrenalin) verabreicht werden, um einen systolischen arteriellen Blutdruck (SAP) von ≥ 100 mmHg zu erreichen. Bei traumatischen und peripartalen Blutungen sollen zusätzlich frühzeitig Tranexamsäure (1 g) sowie bei fortbestehender Blutung Fibrinogen (2 – 4 g) verabreicht werden [8]. Die Behandlung des hämorrhagischen Schocks im Rahmen der peripartalen Hämorrhagie ist in der AWMF-Leitlinie „Peripartale Blutungen, Diagnostik und Therapie“ (S2k, Register-Nr. 015 – 063) zusammengefasst [2]. Im präpartalen Therapiealgorithmus ist grundsätzlich eine fetale Minderversorgung zu berücksichtigen.


Distributiver Schock

Statement

Der distributive Schock beruht auf einer pathologischen Umverteilung des zunächst unveränderten absoluten intravasalen Volumens ins Interstitium. Es werden der septische Schock und der neurogene Schock unterschieden.

Beim distributiven Schock liegt eine relative Hypovolämie infolge einer pathologischen Umverteilung des zunächst unveränderten absoluten intravasalen Volumens vor. Ursachen sind ein Verlust der Steuerung des Gefäßtonus und später eine Permeabilitätsstörung des Gefäßsystems mit Verschiebung des intravasalen Volumens ins Interstitium [1].

Septischer Schock

Statement

Ein septischer Schock wird definiert durch einen Laktatwert von > 2 mmol/l und eine persistierende Hypotonie, die den Einsatz von Vasopressoren notwendig macht, um den mittleren arteriellen Blutdruck (MAP) > 65 mmHg zu halten.

Empfehlung

Septische Patientinnen sollen frühzeitig als solche erkannt werden. Auf Schwangere abgestimmte Scores können die Diagnosestellung in der Schwangerschaft unterstützen.

Empfehlung

In der Therapie des septischen Schocks bei schwangeren Patientinnen sollen mütterliche Belange und fetale Interessen in Einklang gebracht werden.

Eine Sepsis ist eine fehlregulierte Körperantwort auf eine Infektion mit lebensbedrohlichen Organdysfunktionen. Diese werden durch Zunahme des SOFA-(Sequential-Organ-Failure-Assessment-)Scores um ≥ 2 Punkte quantifiziert [9]. Ein Laktatwert von > 2 mmol/l und eine persistierende Hypotonie, die den Einsatz von Vasopressoren notwendig macht, um den mittleren arteriellen Blutdruck (MAP) > 65 mmHg zu halten, definieren den septischen Schock [10]. Pathophysiologisch steht eine immunopathisch getriggerte endotheliale Dysfunktion mit Vasodilatation, Blutdruckabfall und einer pathologischen Gefäßpermeabilität mit intravasalem Volumenverlust (Capillary-Leak-Syndrom) im Zentrum. Eine gelegentlich auftretende sepsisbedingte Kardiodepression verstärkt die Hypotension [11]. Der frühzeitigen Identifikation von Patientinnen mit Sepsis kommt im Hinblick auf den weiteren Krankheitsverlauf eine zentrale Bedeutung zu [12].

Bei Schwangeren ist zu berücksichtigen, dass bereits physiologischerweise eine Tachykardie > 90/min mit Tachypnoe bestehen kann und Leukozytenwerte bis 16 000/µl als Normalbefund einzustufen sind, sodass die Aussagekraft der üblicherweise verwendeten Scores stark eingeschränkt ist. Auf die Schwangere abgestimmte Scores wie der Maternal Early Warning Score (MEWS) können die Diagnosestellung unterstützen [13]. Der MEWS umfasst die Beurteilung und Bewertung von Blutdruck, Atemfrequenz, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur und Bewusstseinszustand anhand einer Punkteskala, wobei höhere Punktwerte ein größeres Risiko anzeigen. Alternativ sollten die Scores mit entsprechend angepassten Grenzwerten als Obstetrically modified SOFA Score (omSOFA) eingesetzt werden [14].

Eine Sepsis mit Streptokokken der Gruppe A ist eine typische Komplikation im Wochenbett mit schwersten Verläufen, insbesondere wenn die Diagnose zu spät gestellt wird. Neben Kleinkindern, älteren und immunsupprimierten Personen zählen Schwangere zur Hochrisikogruppe für Influenzainfektionen, die ein 4-faches Risiko für Krankenhausaufnahme sowie ein erhöhtes Risiko für Intensivbehandlung und Tod haben. Die schwangerschaftsassoziierten Anpassungen des Herz-Kreislauf- und Immunsystems gelten als Auslöser einer verzögerten Erholung nach viralen Infektionen sowie für längere und schwerere Krankheitsverläufe. Dementsprechend sind Schwangere überwiegend im 2. und 3. Trimenon betroffen. Ein Asthma bronchiale ist die häufigste Begleiterkrankung [15]. Mund-Kiefer-Gaumen-Spalten, Neuralrohrdefekte, angeborene Herzfehler, neurologische Störungen und Schizophrenie wurden bei Feten nach mütterlicher Influenzainfektion gesehen [16]. Aufgrund dieses Risikos wird eine frühzeitige antivirale Therapie empfohlen [15]. Der überwiegende Teil der schwangeren oder postpartalen Patientinnen, die infolge einer Infektion mit Influenza A auf einer Intensivstation behandelt wurden oder gestorben sind, waren nicht geimpft, weshalb Schwangeren während der Grippesaison zur Impfung geraten wird [15].

Im Vergleich zu Nichtschwangeren besteht ein erhöhtes Risiko für Krankenhausaufnahme, Behandlung auf einer Intensivstation oder Tod sowie für eine Früh- oder Totgeburt infolge einer SARS-CoV-2 Infektion [17]. In einer retrospektiven Studie wurden 5,5% von 793 COVID-19-positiven schwangeren Frauen auf die Intensivstation aufgenommen und 1,3% erlitten einen tödlichen Verlauf. Stellung der Diagnose im 3. Trimenon sowie Lebensalter und erhöhter BMI der Mutter wurden als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf identifiziert [18], [19]. Durch eine Entbindung verbesserte sich dabei nur die Oxygenierung. Die Entbindung wurde vorwiegend aus mütterlicher Indikation eingeleitet. Risikofaktoren für mütterliches Versterben waren hoher BMI und Komorbiditäten; Risikofaktoren für fetale oder neonatale Letalität waren Gestationsalter bei der Entbindung und Höhe des SOFA-Scores während der ersten 24 Stunden [18].

Neben wiederholten Messungen der Blutlaktatwerte, Abnahme von Blutkulturen sowie der Gabe von Breitspektrumantibiotika [20], [21] gehört die Zufuhr von 30 ml/kg Körpergewicht balancierter kristalloider Lösungen zusammen mit der Applikation von Vasopressoren bis zu einem MAP von 65 mmHg zu den zentralen therapeutischen Maßnahmen der initialen Stabilisierung, die in der ersten Stunde begonnen werden sollten [14]. Vasopressoren können zur Verminderung der Uterusdurchblutung und des fetalen Blutflusses führen. Eine unbehandelte Hypotonie der Mutter hat diesen Effekt jedoch auch, sodass in der Therapie des septischen Schocks bei schwangeren Patientinnen stets mütterliche Belange und fetale Interessen in Einklang zu bringen sind [22].


Neurogener Schock

Statement

Ein neurogener Schock zeichnet sich durch den akuten Abfall des systolischen arteriellen Blutdrucks auf unter 100 mmHg und einer Herzfrequenz < 60 Schlägen pro Minute aus und geht mit einer Bewusstseinseintrübung sowie bei hoher Rückenmarksschädigung einem Verlust der spinalen Reflexe einher.

Statement

Entscheidend für die Behandlung des neurogenen Schocks ist die Therapie der Ursache.

Zum neurogenen Schock führt ein Ungleichgewicht zwischen vegetativer Regulation der Herzaktion und der Gefäßmuskulatur. Er zeichnet sich durch den akuten Abfall des SAP < 100 mmHg und der Herzfrequenz < 60/min aus und geht mit einer Bewusstseinstrübung sowie bei hoher Rückenmarksschädigung einem Verlust der spinalen Reflexe einher [1].

Die Pathomechanismen werden unterteilt in

  • eine direkte Schädigung der Zentren für die Kreislaufsteuerung durch Traumata (Hirnstammtraumen) oder Schlaganfälle. Häufigste Ursachen in der Schwangerschaft bzw. im Wochenbett sind die Präeklampsie/Eklampsie, die Sinusvenenthrombose und das reversible zerebrale Vasokonstriktionssyndrom (Postpartum-Angiopathie). Neben Gerinnungsstörungen sollten außerdem zerebrale Aneurysmen, arteriovenöse Malformationen, aber auch das Moya-Moya-Syndrom ausgeschlossen werden [23], [24].

  • Alterierte Afferenzen zum Kreislaufzentrum in der Medulla oblongata durch Angst, Stress und Schmerz z. B. unter der Geburt oder

  • eine Unterbrechung der absteigenden Verbindung von den bulbären Steuerungszentren zum Rückenmark (Querschnittsyndrom). Ein neurogener Schock kann auch bei Meningitiden (Infektion und septischer Schock), unter oder nach Krampfanfällen (Präeklampsie) oder einem rasch aufsteigenden Guillain-Barré-Syndrom entstehen [25], [26].

Entscheidend für die Behandlung des neurogenen Schocks ist die Therapie der Ursache. Die initiale Behandlung konzentriert sich auf die hämodynamische Stabilisierung. Neben einer zügigen Volumentherapie wird Noradrenalin verabreicht, das die Durchblutung der Plazenta beeinträchtigen und eine fetale Bradykardie induzieren kann. In der Spätphase der Schwangerschaft besteht durch kontrahierende Wirkung des Uterus das Risiko einer fetalen Asphyxie. Die Bradykardie wird mit Atropin oder Glycopyrrolat behandelt. Obwohl die Datenlage insgesamt begrenzt ist, gibt es keine Hinweise auf Teratogenität, und eine Anwendung in der Schwangerschaft ist nach strenger Indikationsstellung möglich [27], [28]. Zur Tonisierung des Gefäßsystems können auch direkte oder indirekte Sympathomimetika wie Phenylephrin, Cafedrin-Theoadrenalin und Droxidopa eingesetzt werden [27]. Weiterhin werden Mineralokortikoide wie Prednisolon und Prednison zur Erhöhung des Plasmavolumens und Verhinderung von Natriumverlusten empfohlen [28].



Kardiogener Schock

Statement

Klinisch wird der kardiogene Schock definiert durch einen systolisch arteriellen Blutdruck < 90 mmHg oder Mitteldruck von 30 mmHg unter dem Ausgangswert sowie einen Cardiac Index (CI) < 1,8 l/min/m2 ohne pharmakologische oder mechanische Unterstützung.

Statement

Häufige peripartale Ursachen eines kardiogenen Schocks sind peripartale Kardiomyopathien und Fruchtwasserembolien.

Empfehlung

Bei vorbestehender Belastungsdyspnoe sollte auf klinische Zeichen eines (kardiogenen) Schocks geachtet werden, da die kardiale Dekompensation häufig nicht erkannt wird.

Der kardiogene Schock ist eine primär kardiale Funktionsstörung mit kritischer Verminderung der kardialen Pumpleistung. Klinisch wird der kardiogene Schock definiert durch einen SAP < 90 mmHg oder Mitteldruck von 30 mmHg unter dem Ausgangswert sowie einen Cardiac Index (CI) < 1,8 l/min/m2 ohne pharmakologische oder mechanische Unterstützung [1].

In einer Studie traten 59% der Fälle postpartal, 23% während der Geburtsphase und 18% ante partum auf [29]. Die häufigste Ursache sind peripartale Kardiomyopathien mit einer Inzidenz von 1/3000, davon 25% präpartal. Antepartal und peripartal sind Fruchtwasserembolien relativ häufig Ursache eines kombinierten Schockgeschehens mit kardiogener Komponente [29]. Ein Schock infolge eines akuten Koronarsyndroms tritt bei etwa 1/150 000 Schwangerschaften auf. Mechanische Probleme können selten bei vorbestehenden (rheumatischen) Klappenvitien oder akuter Endokarditis zu einem kardiogenen Schock führen.

Bei Schwangeren sind physiologisch das Herzzeitvolumen (HZV) erhöht und der periphere Widerstand sowie der Blutdruck erniedrigt. Ein erstes Maximum des HZV wird oft um die 24. Schwangerschaftswoche erreicht: kardiale Dekompensationen treten daher oft in diesem Zeitraum oder unmittelbar postpartal auf. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Schwangerschaft als „kardialem Stresstest“ [30].

Bei vorbestehender Belastungsdyspnoe werden Beschwerden häufig bagatellisiert und kardiale Dekompensationen nicht identifiziert. Eine Dyspnoe, ein systolischer Blutdruck < 90 mmHg, eine Herzfrequenz > 130/min oder < 45/min, eine Atemfrequenz > 25/min, eine Sauerstoffsättigung < 90%, ein Laktat > 2,0 mmol/l oder eine zentralvenöse Sauerstoffsättigung < 60% sind bei Schwangeren klinische Zeichen eines (kardiogenen) Schocks.

Nach der Diagnosestellung muss die Ursache identifiziert werden. Neben Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung stehen EKG, Echokardiografie und die Messung des BNP im Vordergrund. Die Schwelle für den Einsatz von radiologischer Diagnostik liegt bei Schwangeren hoch. Bei Patientinnen mit einer vorbestehenden kardialen Problematik ist daher eine Statuserhebung vor der Schwangerschaft sinnvoll. Eine enge Abstimmung zwischen den beteiligten Fachdisziplinen ist immer erforderlich. Eine kritische Indikationsstellung für eine invasive Koronardiagnostik ist notwendig.

Bei der Therapie einer schwangeren Frau muss Rücksicht auf das ungeborene Kind und auf eine ausreichende Perfusion der Plazenta genommen werden. Die Betreuung sollte daher möglichst primär in spezialisierten Zentren erfolgen, ansonsten ist eine Verlegung zu fordern [31]. Die Therapie der peripartalen Kardiomyopathie besteht oft in einer zeitnahen Geburtseinleitung in Abhängigkeit vom Entwicklungszustand des Kindes. Die spezifische Behandlung eines akuten Koronarsyndroms bei Schwangeren entspricht der einer nicht schwangeren Patientin [32], [33], auch in der dualen Plättchenhemmung.

Die supportive Therapie des kardiogenen Schocks erfordert zunächst eine Optimierung des intravasalen Volumens, gleichzeitig mit einer Optimierung der Oxygenation mittels nicht invasiver Beatmung oder Beatmung. Die Katecholamintherapie bei Schwangeren umfasst den Einsatz von Dobutamin, Adrenalin oder Noradrenalin. Für Phenylephrin gibt es gute Daten, vor allem bei Kaiserschnitten [34]. Levosimendan als Infusion über 24 Stunden kann ebenfalls die kardiale Pumpfunktion verbessern [31]. Fetotoxische Substanzen wie ACE-Hemmer, AT-1-Blocker und Atenolol sollten vermieden werden. Schleifendiuretika, Thiazide, Hydralazin, Nitrate und Betablocker sind dagegen gut verträglich. Bromocriptin kann für die Therapie der peripartalen Kardiomyopathie eingesetzt werden, muss aber von einer mindestens prophylaktischen Heparinisierung begleitet werden [31]. Wenn die spezifischen Maßnahmen und die supportive pharmakologische Therapie einen kardiogenen Schock nicht beenden können, kann eine mechanische Herzunterstützung wie Impella oder extrakorporale Membranoxygenierung erfolgen [35].


Obstruktiver Schock

Statement

Beim obstruktiven Schock vermindern mechanische intra- oder extravasale Faktoren den Blutfluss der großen Gefäße oder den Auswurf des Herzens.

Beim obstruktiven Schock vermindern mechanische intra- oder extravasale Faktoren den Blutfluss der großen Gefäße oder den Auswurf des Herzens [1]. Die häufigsten Ursachen, sind

  • Perikardtamponade

  • Spannungspneumothorax

  • Vena-cava-inferior-Syndrom

  • Thromboembolie mit Lungenembolie

  • Fruchtwasserembolie

Die beiden ersten Ursachen wurden in früheren Arbeiten bereits ausführlich behandelt [1], [36].

Das Vena-cava-inferior-Syndrom führt aufgrund eines akuten Druckgeschehens durch den Fetus zu einer Verminderung des venösen Rückstroms aus dem Gefäß zum rechten Herzen der Mutter mit einem konsekutiven kardialen Low-Output-Syndrom. Es tritt vermehrt im letzten Trimenon auf, wenn die Mutter längere Zeit in Rückenlage liegt und kann aufgrund der Hypotension bis zum Schock auch die Plazentaperfusion erheblich vermindern. Die Therapie besteht in einer raschen Linksseitenlagerung der Schwangeren. Eine notwendige kardiopulmonale Reanimation sollte aufgrund der besseren Effektivität in Rückenlage durchgeführt werden, wobei eine Hilfsperson den graviden Uterus nach links hält (Left uterine Displacement).

Lungenembolien bei Schwangeren sind mit etwa 1/20 000 relativ häufig. Da die D-Dimere in der Schwangerschaft erhöht und somit nicht verwertbar sind, sind hier neben einer arteriellen Blutgasanalyse die Duplex-Sonografie, der modifizierte Wells-Score, notfalls aber auch eine Low-Dose Computertomografie oder Magnetresonanztomografie diagnostisch zielführend [31]. Die spezifische Antikoagulation der Lungenembolie bei Schwangeren kann mit Heparin, NMH oder Fondaparinux erfolgen.

Bei der seltenen Fruchtwasserembolie kommt es während der Wehentätigkeit oder unmittelbar postpartal innerhalb von 30 min nach Entwicklung der Plazenta zur Störung der fetomaternalen Schranke und zum Eindringen von Fruchtwasser in die mütterliche Zirkulation [37]. Neben der Obstruktion der Lungenstrombahn erfolgt eine Aktivierung des Immunsystems mit Ausschüttung vasoaktiver, kardiodepressiver und prokoagulatorischer Transmitter. Die frühe Phase der Erkrankung kennzeichnen ein pulmonaler Vasospasmus und Hypertonus sowie ein Rechtsherzversagen. Daneben entsteht durch den Verbrauch von Gerinnungsfaktoren unmittelbar ein fulminantes Gerinnungsversagen mit Blutungen (hämorrhagischer Schock). Im weiteren Verlauf führen die Symptome Linksherzinsuffizienz und immunologisch vermittelte Vasodilatation (distributiver Schock) oftmals zum Multiorganversagen. Diagnostisch wegweisend ist die Reihenfolge des Auftretens der Symptome mit plötzlichem kardiozirkulatorischem Kollaps, gefolgt von einem unmittelbaren Gerinnungsversagen, noch bevor eine relevante Blutung stattgefunden hat. Die Fruchtwasserembolie ist eine Ausschlussdiagnose. Für die Fruchtwasserembolie existiert bis dato keine kausale Therapie, die Behandlung des kombinierten Schockzustandes erfolgt rein symptomatisch mit Katecholaminen, Gerinnungssubstitution bis zur kardiopulmonalen Reanimation [38], [39].


Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom

Statement

Im Rahmen einer Präeklampsie, einer Eklampsie und eines HELLP-Syndroms kann es durch verschiedene pathophysiologische Veränderungen zu einem Schock kommen.

Im Rahmen von hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen und ihren Komplikationen kann es durch verschiedene pathophysiologische Veränderungen zu einem Schock kommen. Schwere (prä-)eklamptische Verläufe verursachen neben einer Flüssigkeitssequestration ins Interstitium (hypovolämischer Schock) oftmals zusätzlich eine Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem (kardiogener Schock). Eine renale Vasokonstriktion kann zu einem akuten Nierenversagen führen. Eine Eklampsie führt zu Krampfanfällen, und bei Blutdruckwerten > 160/110 mmHg können intrakranielle Blutungen auftreten (neurogener Schock).

In 10 – 20% der Fälle kommt es zum Auftreten eines HELLP-Syndroms mit Hämolyse (H), Transaminasenerhöhung (EL) sowie Thrombozytenabfall (LP). Der typische Oberbauchschmerz wird durch eine gestörte Leberperfusion verursacht und kann in seltenen Fällen zu einer Leberruptur mit lebensbedrohlicher Blutung (hämorrhagischer Schock) führen. Differenzialdiagnostisch sind im Rahmen einer Thrombozytopenie ein aHUS (atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom), eine akute Schwangerschaftsfettleber und eine TTP (thrombotisch-thrombozytopenische Purpura) auszuschließen [6].

Eine Beeinträchtigung der fetalen Versorgung im Rahmen einer Präeklampsie/Eklampsie kann durch eine vorzeitige Plazentalösung verursacht werden und erfordert – ebenso wie eine Leberruptur beim HELLP-Syndrom – die umgehende Notsectio caesarea.


Schlussfolgerung

Aufgrund der speziellen (patho-)physiologischen Veränderungen unter der Schwangerschaft gibt es diagnostische und therapeutische Besonderheiten, auch wenn die grundsätzlichen Maßnahmen zur Behebung von Schockzuständen wenig unterschiedlich zu Nichtschwangeren sind. Besonderes Augenmerk ist bei allen Schockformen auf das Outcome des Fetus zu richten. In Abhängigkeit vom Gestationsalter und dem Schätzgewicht des Kindes kann eine (notfallmäßig) durchgeführte Sectio caesarea den Zustand der Mutter möglicherweise verbessern und (auch) für das Kind lebensrettend sein.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Michael Abou-Dakn, Thorsten Annecke, Christopher Beynon, Matthias Emmel, Dietmar Fries, Stefan Geiger, Axel R. Heller, Jan Kähler, Franz Kainer, Sven Kehl, Janett Kreutziger, Lorenz Lampl, Christoph Menzel, Udo Rolle, Anton Sabashnikov, Andreas Schaper, Bertram Scheller, Silvia Schönenberger, Frank Siemers, Thomas Standl, Wolfram Teske, Stefan Topp


** Michael Abou-Dakn, Franz Kainer, Sven Kehl



Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Thomas Standl, MHBA
Sprecher der Sektion Schock der DIVI
Klinik für Anästhesie, Operative Intensiv- und Palliativmedizin Städtisches Klinikum Solingen gGmbH
Gotenstraße 1
42653 Solingen
Germany   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 25. Mai 2025

Angenommen: 27. Juni 2025

Artikel online veröffentlicht:
05. September 2025

© 2025. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

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