Open Access
CC BY-NC-ND 4.0 · Dtsch Med Wochenschr 2025; 150(23): e58-e65
DOI: 10.1055/a-2685-5087
Originalarbeit

Status quo und Erfahrungswerte hausärztlicher Versorger*innen in Bezug auf die Beratung und das Management von Adipositas

Ergebnisse einer quantitativen Online-Befragung von Allgemeinmediziner*innen in DeutschlandStatus quo and experience of primary care providers with regard to the counseling and management of obesityResults of a quantitative-exploratory survey of general practitioners in Germany

Authors

  • Julian Wangler

    1   Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
  • Michael Jansky

    1   Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
 

Zusammenfassung

Einleitung

Übergewicht und Adipositas stellen das Gesundheitswesen vor Herausforderungen. Hausärzt*innen befinden sich in einer günstigen Position, um wichtige Beiträge zur Prävention und zum Management bei Adipositas zu leisten. Ziel der Studie war es, Positionen, Haltungen, Erfahrungswerte und Verbesserungswünsche von Hausärzt*innen mit Blick auf die Adipositas-Versorgung zu ermitteln.

Methoden

Im Zuge einer Online-Befragung wurden zwischen Januar und April 2024 insgesamt 4038 Hausärzt*innen befragt. Über die deskriptive Analyse hinaus erfolgte zur Ermittlung signifikanter Unterschiede zwischen 2 Gruppen ein t-Test bei unabhängigen Stichproben.

Ergebnisse

Hausärzt*innen erleben Adipositas als bedeutende Herausforderung. Sie legen bei der Gewichtsberatung Wert darauf, die individuelle Lebenssituation zu erfassen, um Ursachen und Konsequenzen des Übergewichts besser zu bestimmen. Während eine Ernährungsberatung von jedem zweiten Befragten durchgeführt wird, kommt eine Bewegungsberatung seltener vor. Ein Teil macht von der Möglichkeit Gebrauch, Patient*innen konkrete Gesundheitsangebote zu empfehlen. In Bezug auf therapeutische Maßnahmen befassen sich die Befragten mit der Umstellung der Ernährung, gefolgt von Fragen der psychosozialen Unterstützung und physischen Aktivierung. Oft sind Hausärzt*innen mit der Bilanz des Krankheitsmanagements nicht zufrieden und wünschen sich tragfähigere interprofessionelle Strukturen.

Diskussion

Die Potenziale der Primärversorgung für das Adipositas-Management werden derzeit nicht voll ausgeschöpft. Es erscheint sinnvoll, bei Hausärzt*innen das Bewusstsein für die Hintergründe der Adipositas sowie eine motivierende, verhaltensorientierte Gesprächsführung besser zu verankern. Die Diagnose „Adipositas“ sollte mit konkreten Handlungsempfehlungen verbunden werden. Hausärzt*innen sollten in ihrer Vermittlerrolle bestärkt werden, indem sie Patient*innen je nach Bedarf in ein Netzwerk weiterer Hilfen einbinden. Die Entwicklung hausarztkonformer Versorgungsprogramme zum Management der Adipositas sollte weiter vorangetrieben werden.


Abstract

Introduction

Overweight and obesity pose significant challenges for the healthcare system. General practitioners in particular are in a good position to make important contributions to the prevention and management of obesity. The aim of the study was to determine the positions, attitudes and experiences, as well as the wishes for improvement of GPs with regard to obesity care.

Methods

In the course of an online survey, a total of 4,038 GPs were surveyed between January and April 2024. In addition to the descriptive analysis, a t-test for independent samples was conducted to determine significant differences between 2 groups.

Results

GPs experience obesity as a significant challenge. When providing weight advice, they place particular importance on assessing the individual’s life situation in order to better determine the causes and consequences of excess weight. While nutritional advice is provided by every second respondent, exercise advice is less common. Some make use of the opportunity to recommend specific health services to patients. In terms of therapeutic measures, the respondents place great emphasis on changing the diet, followed by questions of psychosocial support and physical activation. GPs are often not satisfied with the outcome of disease management. The respondents would like to see more sustainable interprofessional structures.

Discussion

The potential of primary care for obesity management is currently not being fully exploited. It seems sensible to raise awareness among GPs of the causes of obesity and to anchor a motivating, behavior-oriented conversation in a more efficient way. A diagnosis of obesity should be linked to concrete recommendations for action. GPs should be strengthened in their mediator role by integrating patients into a network of other support services as needed. The development of GP-compliant care programs for obesity management should be further promoted.


Einleitung

In nahezu allen westlichen Ländern ist eine erhebliche Zunahme des Krankheitsbilds der Adipositas zu verzeichnen [1] [2] [3]. Als chronische Erkrankung mit stark einschränkender Lebensqualität korrespondiert die Adipositas mit diversen anderen Gesundheitsproblematiken. Für Europa ist anzunehmen, dass sie u.a. bei der Herausbildung von ca. 80% der Fälle von Diabetes mellitus Typ 2, bei ca. 35% der ischämischen Herzerkrankungen und ca. 55% der hypertensiven Erkrankungen entscheidend beteiligt ist [4] [5]. Verengt man den Blick auf Deutschland, sind hierzulande 53% der Erwachsenen übergewichtig (BMI 25–29,9 kg/m²) und davon 17% adipös (BMI >30 kg/m²) [2] [3].

Evidenzbasierte Leitlinien empfehlen ein multifaktorielles Krankheitsmanagement, das in gesteigerter physischer Aktivität, einer systematisch reduzierten Kalorienaufnahme bei umgestellter Ernährung und ggf. einer Unterstützung von Lebensstil- und Verhaltensänderungen besteht [6] [7] [8]. Für diese Aufgaben werden Hausärzt*innen als besonders geeignet erachtet, da sie neben dem Krankheitsmanagement Betroffene auch motivational und psychosozial unterstützen oder von den Möglichkeiten der Interaktion mit anderen Versorgungs- und Gesundheitsakteuren Gebrauch machen können [9] [10] [11].

Trotz der großen Potenziale, die der hausärztlichen Versorgung unterstellt werden, gibt es immer wieder Hinweise auf bestehende Defizite. Ein Aspekt betrifft die gelegentlich nachgewiesenen negativen Einstellungen gegenüber Adipositas-Patient*innen, wodurch Vorbehalte in Bezug auf Ernährungs- und Bewegungstherapien sowie eine unsensible oder inkonsequente ärztliche Kommunikation begünstigt werden können [3] [12] [13] [14] [15] [16] [17]. Als Ursache für Effektivitätsproblematiken in der hausärztlichen Versorgung wurde auch ein Mangel an adäquaten Strukturen sowie eine mangelnde Finanzierung von Ernährungs-, Bewegungs- und medikamentösen Therapien durch die Krankenkassen diskutiert [6] [10] [18] [19]. Dies mündete erst in jüngster Zeit im Aufsetzen eines genuinen Disease-Management-Programms (DMP) Adipositas. Jenseits einzelner internationaler Befunde mangelt es für den deutschsprachigen Raum bislang an Studien, die den Status quo des hausärztlichen Adipositas-Managements belastbar erfassen und auf dieser Grundlage verbreitete Einstellungs- und Handlungsmuster aufzeigen können. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Positionen, Haltungen, Erfahrungswerte und Verbesserungswünsche von Hausärzt*innen breit zu ermitteln.


Methoden

Zur Adressierung des Forschungsdesiderats hat die vorliegende Untersuchung ein ausführliches Meinungs- und Erfahrungsbild unter Hausärzt*innen eingeholt. In der ersten Jahreshälfte 2024 wurde eine Vollbefragung von Hausärzt*innen in 4 Bundesländern durchgeführt. Diese war als Online-Befragung konzipiert.

Erhebungsinstrument

Die Konzeption des Befragungsinstruments für die quantitative Querschnittsstudie erfolgte maßgeblich auf Grundlage einer qualitativen Vorstudie, bei der im Jahr 2022 insgesamt 36 hausärztlich tätige Mediziner*innen zur Thematik befragt wurden [18]. Daneben floss eine ausführliche Literaturrecherche ein (u.a. [1] [2] [5] [9] [10] [11] [12] [13] [21] [22] [23] [24] [25]).

Der Fragebogen beinhaltet insgesamt 43 geschlossene, aber auch offene Fragen, und setzt sich v.a. aus folgenden inhaltlichen Schwerpunkten zusammen:

  • Wahrnehmung der Adipositas als Versorgungsproblematik

  • Erfahrungen mit Adipositas-Betreuung und -Management (der Schwerpunkt der Befragung liegt auf der durch Hausärzt*innen selbst geleisteten Gewichts- und Ernährungsberatung)

  • Erlebte Herausforderungen und Umgangsstrategien

  • Zufriedenheit und (Erfolgs-)Bilanzierung im Hinblick auf bisheriges Adipositas-Management

  • Erfahrungen mit Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) zur Thematik

  • Favorisierte Ansätze zur Optimierung des Adipositas-Managements

Vor dem Feldeinsatz wurde ein Pre-Test mit 50 zufällig ausgewählten Hausärzt*innen durchgeführt.


Rekrutierung

Bei der Befragung handelte es sich um eine vollständig anonymisierte Untersuchung. Die schriftliche Einladung zur Teilnahme richtete sich an sämtliche 13 912 als Behandler*innen aktiven Hausärzt*innen in Baden-Württemberg (6664), Hessen (3839), Rheinland-Pfalz (2667) und im Saarland (742). Im Zuge des einmaligen Anschreibens wurde den zu befragenden Ärzt*innen u.a. ein passwortgeschützter Zugang zur Online-Befragung mitgeteilt (keine Incentives). Der Befragungszeitraum erstreckte sich von Anfang Januar bis Ende April 2024.


Datenanalyse

Die Daten wurden mittels SPSS 23.0 ausgewertet. Zur Ermittlung signifikanter Unterschiede zwischen 2 Gruppen erfolgte ein t-Test bei unabhängigen Stichproben. Es wurden 2 Signifikanz-Niveaus getestet (mittlere Differenz bei p<0,05 und p<0,001).

Im Zuge der Ergebnisdarstellung wird an verschiedenen Stellen auf die [Tab. 1] und [Tab. 2] verwiesen, in denen sich die Auswertung für Subgruppen (Urbane vs. Landärzt*innen, aggregierte Zusatzbezeichnungen) itembezogen entnehmen lässt. Die Auswertung der offenen Fragen basiert auf einer Nachcodierung im Sinne der qualitativen Inhaltsanalyse [19]. Prägnante Freitext-Antworten finden sich gesammelt in Tabelle S3.

Tab. 1 Schwerpunkte bei der Gewichtsberatung.

Frage: Auf welche der folgenden Punkte legen Sie bei einer durchzuführenden Gewichtsberatung besonderen Wert? (n=4038, Mehrfachangabe möglich)

Gesamt-zustimmung

Urbane vs. Landärzt*innen

Abgefragte Zusatzbezeichnungen aggregiert (n=681)

Signifikanter Unterschied: * p < .001

Eingehen auf persönliche Lebenssituation des Patienten

93%

85%/100%

99%

Deutliches Thematisieren der Folgen starken Übergewichts

83%

95%/71% *

95%

Allgemeine Aufklärung über Prinzipien des Abnehmens (maßvolle Gewichtsreduktion vs. große Schritte)

82%

91%/73% *

94%

Mögliche Ursachen des (persönlichen) Übergewichts

82%

74%/90% *

96%

Vereinbaren individueller (Abnehm-)Ziele mit Kontrolle bei Wiedervorstellung

59%

70%/48% *

79%

Konkrete Vorschläge, Empfehlungen, auf deren Grundlage der Patient eigenständig weiterarbeiten kann

55%

65%/45% *

78%

Spezifische Ernährungsberatung (u.a. Umstellung auf kalorienarme Ernährung, Essverhalten bzw. -rhythmus)

55%

65%/45% *

75%

Überweisung zur weiterführenden Betreuung/Behandlung bei einem Spezialisten (Facharzt, Ernährungsberater*in oder ggf. spezielle Einrichtung)

46%

53%/39% *

40%

(Leitliniengerechte) Diagnosestellung

45%

58%/32% *

73%

Psychosoziale Situation des Patienten und deren Stabilisierung bzw. Verbesserung

45%

39%/52%*

57%

Aushändigen von Informationsmaterialien, Benennung von Informationsquellen

44%

37%/51% *

60%

Spezifische Bewegungsberatung

37%

39%/34%

63%

Tab. 2 Schwerpunkte bei der Adipositas-Therapie.

Frage: Wenn Sie mit Adipositas-Patient*innen eine Gewichtsreduktion anstreben, wo legen Sie die Schwerpunkte in der Therapieplanung? Bitte sagen Sie mir, wie groß der Stellenwert der folgenden Elemente bei Ihnen ist. (n=4038)

Gesamt-zustimmung („sehr groß“ und

„eher groß“ zusammengefasst)

Urbane vs. Landärzt*innen

(„sehr groß“ und

„eher groß“ zusammengefasst)

Abgefragte Zusatzbezeichnungen aggregiert (n=681)

(„sehr groß“ und

„eher groß“ zusammengefasst)

Signifikanter Unterschied: * p < .001

Umstellung der Ernährung, Ernährungstherapie

58%

67%/49% *

80%

Psychosoziale Unterstützung

47%

40%/54% *

60%

Bewegungstherapie, Bewegungsförderung, Sport

43%

51%/35% *

69%

Vermittlung von Informationen und Materialien zur Selbsthilfe

45%

39%/51% *

63%

Verhaltenstherapie (eigene Verhaltensmuster besser reflektieren und langfristig ändern)

40%

45%/35% *

62%

Medikamentöse Unterstützung (z.B. Orlistat, Liraglutid)

25%

27%/23%

28%



Ergebnisse

Stichprobe

Von den 4114 bearbeiteten Fragebögen gingen 4038 vollständig ausgefüllte Bögen in die Auswertung ein (Rücklauf: 29%). Tabelle S1 stellt die gewonnene Stichprobe und repräsentative Daten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gegenüber. Mit Blick auf die Variable „Geschlecht“ sind 63% der Stichprobe männlich und 37% weiblich; das Durchschnittsalter beträgt 53 Jahre. Urbane und ländliche Praxisstandorte sind in ähnlichem Umfang vertreten.


Wahrnehmung der Adipositas als Versorgungsproblematik

Nach Angabe der Befragten sind im Durchschnitt 19% der aktuell betreuten Patient*innen stark übergewichtig bis adipös; diese Zahl hat nach Einschätzung von 69% der Befragten in den letzten 5–10 Jahren (sehr) stark zugenommen. Entsprechend erachten 73% starke Übergewichtsproblematiken als eine (sehr) große Herausforderung für das Gesundheitswesen.

Aus Sicht von 65% der Befragten ist es die vordringliche Aufgabe von Hausärzt*innen, Ansprechpartner für das Management bzw. zur Behandlung oder auch Prävention der Adipositas zu sein. Dabei geben 33% an, dass das Praxispersonal teilweise oder sogar mehrheitlich geschult ist, wenn es um Themen wie Übergewicht, Gewichtsreduktion, Ernährung oder Bewegung geht (17% der Praxen haben hierfür eine Person). Hingegen können 50% nicht auf geschultes Personal zurückgreifen. Befragte Mediziner*innen mit einer Weiterbildung in Ernährungsmedizin und/oder Sportmedizin verfügen über mehrheitlich fortgebildetes Personal.

Normalerweise kommen Gespräche mit Patient*innen im Hinblick auf ihr Übergewicht eher beiläufig über andere Konsultations- und Betreuungsanlässe zur Sprache (82% häufig bzw. gelegentlich); erheblich seltener kommen Patient*innen konkret wegen ihrer Adipositas in die Sprechstunde (27% häufig bzw. gelegentlich).


Erfahrungen mit einer Gewichtsberatung

Von den Befragten geben 54% an, zumeist Beratungen zu mehreren Zeitpunkten bzw. kontinuierlich durchzuführen; 46% führen in der Mehrzahl einmalige Beratungen durch. Ärzt*innen, die über mindestens einen der abgefragten Weiterbildungshintergründe verfügen, führen überdurchschnittlich oft regelmäßige Beratungen durch.

Hausärzt*innen legen bei der Gewichtsberatung besonderen Wert darauf, die Lebenssituation der Patient*innen zu erfassen und dies in einen Zusammenhang mit Ursachen und Konsequenzen des Übergewichts zu stellen ([Tab. 1], auch für Subgruppen-Vergleiche). Rund jeder zweite Befragte führt eine genuine Ernährungsberatung durch oder delegiert weiter. Weitergebildete Befragte räumen der Entwicklung einer individuellen Abnehmstrategie sowie gesonderten Ernährungs- und Bewegungsberatungen höheres Gewicht ein. Während urbane Allgemeinmediziner*innen verstärkt Wert auf die Vereinbarung von Strategien zur Gewichtsreduktion legen, kommt es ihren Kolleg*innen auf dem Land v.a. darauf an, sich mit dem Lebenswandel der Patient*innen zu befassen (Tabelle S3; Zitat-Nr. 1, 2).

Gemessen an der Gesamtheit der von Adipositas betroffenen Patient*innen, bei denen eine Beratung durchgeführt wurde, geben 54% aller Befragten an, Patient*innen häufig oder gelegentlich konkrete Angebote empfohlen zu haben (z.B. Ernährungsberatung, Angebote der Krankenkasse, Sportkurse). Zudem geben 36% an, Patient*innen häufig oder gelegentlich an spezifische Gesundheitsangebote vermittelt zu haben. Letzteres ist bei Ärzt*innen mit der Weiterbildung Ernährungs- bzw. Sportmedizin erheblich öfter der Fall (62%).


Erfahrungen mit einem (therapeutischen) Adipositas-Management

73% der Befragten geben an, häufig (27%) oder gelegentlich (46%) Aufgaben beim Adipositas-Management zu übernehmen. Hiervon bekunden wiederum 46%, in der Regel federführend beim Management zu sein; eine ähnlich große Gruppe (43%) orientiert sich an Vorgaben von Spezialist*innen.

Am stärksten befassen sich die Befragten beim konkreten Adipositas-Management mit der Umstellung der Ernährung, gefolgt von Fragen der psychosozialen Unterstützung und physischen Aktivierung ([Tab. 2], auch für Subgruppen-Vergleiche). Erneut offerieren Landärzt*innen eine stärkere psychosoziale und Aufklärungskomponente, wohingegen ihre urbanen Kolleg*innen vermehrt in aktive Maßnahmen zur Veränderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens investieren.


Erlebte Herausforderungen und Umgangsstrategien

Bilanzierend betrachtet, sind 40% mit den Ergebnissen der therapeutischen Maßnahmen (sehr) zufrieden. Ärzt*innen, die angegeben haben, v.a. auf psychosoziale Unterstützung und Bewegungsförderung zu setzen, sind anteilsmäßig am zufriedensten. Ebenfalls sind Ärzt*innen, die mehrheitlich über geschultes Personal verfügen, zufriedener als Ärzt*innen mit kaum oder gar keinem geschulten Personal.

Mit 61% hat eine Mehrheit der Befragten bislang die Erfahrung gemacht, dass von Adipositas betroffene Patient*innen sich (sehr) schwer auf ein therapeutisches Vorgehen einlassen. Von ihnen fällt es 65% (sehr) schwer, im Prozess des Krankheitsmanagements die Motivation zur Erzielung einer Lebensstil-Veränderung aufrechtzuerhalten. Mittels verschiedener offener Fragen ließen sich Ursachenkomplexe für diese erlebten Herausforderungen bestimmen (Tabelle S3; Zitat-Nr. 3–5):

  • Mangel an zeitlichen Ressourcen/schlechte Vereinbarung mit dem Praxisalltag (74%),

  • hohe Beratungsresistenz und mangelnde Motivation bzw. Compliance (65%),

  • Probleme mit der Nachhaltigkeit des Erfolgs (Jojo-Effekte, 56%),

  • mangelnde Möglichkeiten/Strukturen zur Initiierung einer multiprofessionellen Versorgungskette und Kooperation mit anderen Gesundheitsakteuren (53%, v.a. unter Landärzt*innen),

  • Schwierigkeiten bei der Avisierung und Justierung individuell passender Ziele zur Gewichts- und Lebensstil-Änderung (42%).

Auffällig ist, dass Ärzt*innen mit einschlägigen Weiterbildungen diese Herausforderungen moderater erleben. So geben in dieser Gruppe 40% an, Adipositas-Patient*innen seien (sehr) schwer von einer Therapie zu überzeugen. Ebenfalls erleben es 41% der weitergebildeten Ärzt*innen als schwer, im Prozess des Krankheitsmanagements die Motivation aufrechtzuerhalten. Eine Erklärung hierfür kann sein, dass unter weitergebildeten Befragten deutlich häufiger Vorgehensweisen oder Strategien benannt werden, die mit Erfolg praktiziert wurden, um Patient*innen im Zuge des Krankheitsmanagements anzuregen (Tabelle S3; Zitat-Nr. 6–11).

Bei vielen der ernährungs- und sportmedizinisch fortgebildeten Ärzt*innen ist hervorstechend, dass sie auf der kommunalen Ebene über gute Kontakte zu Angeboten im Bereich der Bewegungs- und Gesundheitsförderung verfügen. Dies gilt etwa für die Zusammenarbeit mit Fitness-Studios, Selbsthilfegruppen, Ernährungs- und Gesundheitsberatern (Tabelle S3; Zitat-Nr. 12).


Erfahrungen mit DiGAs und Leitlinien

Unter den Befragten geben 29% an, adipositasbetroffenen Patient*innen bereits häufig oder gelegentlich DiGAs zur Unterstützung verschrieben zu haben. Während 42% der urbanen Ärzt*innen wenigstens gelegentlich DiGAs verschreiben, sind dies unter Landärzt*innen in der Stichprobe nur 13% (p < .001).

Die Befragten mit regelmäßiger DiGA-Verordnungserfahrung im Adipositas-Kontext blicken deutlich positiver auf Therapie-Resultate. So zeigen sich in dieser Gruppe 54% der Befragten mit den Ergebnissen therapeutischer Maßnahmen (sehr) zufrieden; demgegenüber sind es bei den übrigen Befragten 34% (p < .001). Ebenfalls gibt es unter Hausärzt*innen mit DiGA-Erfahrung gegenüber den übrigen Befragten einen erheblich größeren Anteil derer, die die Beratungs- und Therapie-Adhärenz von Adipositas-Patient*innen als (sehr) groß bewerten (49% vs. 29%, p < .001) bzw. es als (eher) leicht empfinden, die Motivation im Prozess des Krankheitsmanagements aufrechtzuerhalten (48% vs. 27%, p < .001).

Diese Befunde werden durch eine detaillierte Abfrage möglicher positiver Effekte im Zusammenhang mit dem DiGA-Einsatz bestätigt (Tabelle S2).


Optimierung des Adipositas-Managements

In Bezug auf eine Optimierung des derzeitigen Status quo häufen sich Forderungen nach einer Schaffung von mehr übergeordneten Strukturen zur Unterstützung der ambulanten Adipositas-Versorgung. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf regionalen oder kommunalen Gesundheitsnetzwerken und Kooperationsbündnissen, welche Haus- und Fachärzt*innen sowie andere Gesundheitsakteure besser verzahnen (Tabelle S3; Zitat-Nr. 13–14).

Viele Befragte räumen offen ein, keinen zufriedenstellenden Überblick über bestehende Gesundheitsangebote bzw. Vermittlungsoptionen im Themenfeld zu haben, da es oftmals an unkomplizierten Orientierungsmöglichkeiten fehle. Auch deshalb sei es sinnvoll, wenn Kommunen sich stärker einer Zusammenführung unterschiedlicher Angebote, einschließlich einer breiten Kommunikation hierüber, widmeten.

Allgemein kritisiert wird von den Befragten ein ausgeprägter Mangel an Strukturen und Versorgungsakteur*innen, die Hausärzt*innen bei der Adipositas-Prävention und beim therapeutischen Management kontinuierlich unterstützen könnten. Insbesondere in ländlichen Gebieten fehle es an niedrigschwelligen Beratungsangeboten, v.a. zur psychosozialen Unterstützung. Die kürzlich getroffene Entscheidung, ein DMP Adipositas einzuführen, wird von 79% als (sehr) effektiver Beitrag zur Verbesserung der ambulanten Versorgung angesehen. Hier geben 71% an, ihr Interesse an einer Teilnahme am DMP Adipositas sei (sehr) groß. Weitere Vorschläge betreffen eine stärkere Involvierung der Krankenkassen bei der (kontinuierlichen) Adipositas-Beratung sowie ein größeres Angebot an zertifizierten Schulungen für hausärztliche Teams.

Viele Befragte wünschen sich darüber hinaus mehr Anstrengungen im Bereich der (Primär-)Prävention und eine konsequente Aufklärung (Tabelle S3; Zitat-Nr. 15–17).



Diskussion

Zusammenfassung

Allgemeinmediziner*innen erleben Adipositas als zunehmende Herausforderung; zugleich sehen sie es als ihre Aufgabe an, betroffene Patient*innen zu betreuen und ggf. therapeutisch zu begleiten. Dabei legen sie bei der Gewichtsberatung v.a. Wert darauf, die individuelle Lebenssituation zu erfassen und dies in einen Zusammenhang mit Ursachen und Konsequenzen des Übergewichts zu stellen. Während eine Ernährungsberatung von jedem zweiten Befragten durchgeführt wird, kommt eine Bewegungsberatung seltener vor. Urbane Allgemeinmediziner*innen achten verstärkt auf die Vereinbarung von Strategien zur Gewichtsreduktion; landärztliche Kolleg*innen befassen sich besonders mit dem Lebenswandel und Fragen der Stabilisierung. Ein Teil der Befragten macht von der Möglichkeit Gebrauch, Patient*innen konkrete Gesundheitsangebote zu empfehlen.

In Bezug auf therapeutische Maßnahmen befassen sich die Befragten mit der Umstellung der Ernährung, gefolgt von Fragen der psychosozialen Unterstützung und physischen Aktivierung. Oftmals ziehen Hausärzt*innen eine durchwachsene Bilanz des Krankheitsmanagements. So haben viele Befragte die Erfahrung gemacht, dass die Therapie-Adhärenz und Motivation von Adipositas-Patient*innen begrenzt sind. Dies wird verstärkt durch die Problematik der allgemeinen Zeit- und Ressourcen-Knappheit sowie eine geringe Anbindung an interprofessionelle Strukturen.

In der Stichprobe stechen 2 Gruppen hervor, die mit Blick auf die Gesamtbetrachtung der eigenen Beratungstätigkeit und therapeutischen Interventionen zu positiveren Urteilen gelangen und auch weniger Herausforderungen beim Krankheitsmanagement erleben. Zum einen sind dies Ärzt*innen mit einschlägigen Weiterbildungen (v.a. in der Ernährungs- und Sportmedizin). Sie benennen merklich öfter als übrige Ärzt*innen erfolgreiche Strategien im Umgang mit diesem Patient*innen-Klientel. Deutlich sticht hier hervor, dass es oftmals eine geregelte Kooperation mit anderen Gesundheitsakteuren gibt, an die konsequent verwiesen wird. Zum anderen sind Ärzt*innen, die sich regelmäßig auf die Einbindung von DiGAs in therapeutische Aktivitäten stützen, merklich zufriedener mit den Ergebnissen ihres Krankheitsmanagements.

Die Befragten begrüßen in großer Zahl die Einführung des DMP Adipositas und zeigen Interesse, an diesem zu partizipieren. Dies steht in Verbindung zu ihrer Forderung nach der Schaffung weiterer (evidenzbasierter) Unterstützungsstrukturen.


Gegenüberstellung mit Befunden anderer Studien

Die Resultate fügen sich in die Studienlage ein, wonach eine Adipositas ambulante Ärzt*innen vor multifaktorielle Herausforderungen stellt. Unter einem Teil der Ärzt*innen ist Adipositas ein polarisierendes Krankheitsbild – und zieht je nach den gemachten Erfahrungen und Grundeinstellungen unterschiedliche Grade an Versorgungsbereitschaft nach sich [2] [10] [13] [16] [19] [20] [21] [22] [23] [24]. Wie unterschiedlich diese ausfallen können, hat eine vorangegangene qualitative Vorstudie eruieren können [17]. Hierbei zerfiel die Stichprobe aus 36 interviewten Hausärzt*innen in 4 Cluster, die von starken Stereotypisierungen und geringer Versorgungsbereitschaft in Bezug auf Adipositas-Betroffene bis hin zu aufgeschlossenen und aktiven Ärzt*innen reichten. Hervorstechend sind Befragte, die je nach gewählter Vorgehensweise informelle Netzwerke zu Fitness- und Bewegungsanbietern geknüpft haben oder mit psycho- und verhaltenstherapeutischen Akteuren zusammenarbeiten.

Oft scheinen Hausärzt*innen eine eher passive Rolle vorzuziehen oder sich auf eine Zuweiserfunktion zu Spezialist*innen zu beschränken – und sehen die Verantwortung für eine Gewichtsreduktion somit primär aufseiten des Patienten [22] [25] [26]. Damit einhergehend werden Therapiepläne zur Gewichtsreduktion stark einzelfallabhängig aufgestellt [16] [25]. Es gibt ferner Hinweise darauf, dass Hausärzt*innen eine vergleichsweise geringe Kenntnis adipositasbasierter Leitlinien haben und deren Anwendung selten praktizieren [7] [27] [28].

Als weitere Ursachen für die Reserviertheit von Hausärzt*innen beim Adipositas-Management ist wiederkehrend ein Mangel an adäquaten Strukturen diskutiert worden [7] [29] [30]. Infolgedessen fehlt es an individualisierbaren, evidenzbasierten Therapiekonzepten, mittels derer Patient*innen vom Hausarzt kontinuierlich im Prozess ihrer Lebensstil-Änderung unterstützt werden können [15] [19] [31]. Die erfolgte Einführung des DMP Adipositas wird in allgemeinärztlichen Fachöffentlichkeiten als Weg gesehen, dieses lange Zeit bestehende Defizit aufzubrechen [17] [23].

Ferner hat sich gezeigt, dass die Kenntnis der Ärzte von vor Ort verfügbaren Hilfs- und Unterstützungsangeboten, an die sie die Patient*innen weitervermitteln könnten, oftmals begrenzt ist, und dass nur ein kleinerer Teil der Ärzt*innen konsequent Gebrauch davon macht, indem etwa auf Fitness- und Bewegungsanbieter oder psychotherapeutische Akteure hingewiesen wird [11]. Offenbar fehlt es vielen Ärzt*innen sowohl an einem Überblick als auch an niedrigschwelligen Vermittlungsmöglichkeiten [32].

Studien haben gezeigt, dass Adipositas-Patient*innen ihre Hausärzt*innen als zentrale Ansprechpartner betrachten und im Fall einer hausärztlichen Beratung eine erhöhte Bereitschaft zur Änderung ihres Lebensstils zeigen [21] [25] [26] [29] [30] [33]. In der Versorgungspraxis allerdings sind Patient*innen mit starkem Übergewicht oftmals mit der Betreuung durch ihren Hausarzt unzufrieden [15] [16] [22] [25]. Im Zuge einer Interviewstudie mit dieser Zielgruppe [24] konnten mehrere Problembereiche der hausärztlichen Versorgung identifiziert werden:

  1. beiläufige oder verzögerte Feststellung des Übergewichts;

  2. Ausbleiben einer kontinuierlichen Gewichtsberatung;

  3. keine Vereinbarung von konkreten Zielen zur Gewichtsreduktion;

  4. fehlende Hinweise auf Hilfs- und Unterstützungsangebote;

  5. unsensible bzw. stigmatisierende Gesprächsführung.

Im Lichte der Studienergebnisse lassen sich unter Berücksichtigung der Literaturlage verschiedene Ansatzpunkte für eine Optimierung des hausarztbasierten Adipositas-Managements ableiten. Diese stehen durchaus im Einklang mit der interdisziplinären Adipositas-Leitlinie der Deutschen Adipositas-Gesellschaft [8], adressieren darüber hinaus aber v.a. die eigenständigen Positionen der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin. Letztere setzen zunächst darauf, eine hausarztbasierte Grundversorgung sicherzustellen und Patient*innen dann bedarfsorientiert an andere Versorgungsebenen -bzw. -akteure weiterzuleiten. Im Einzelnen kann festgehalten werden:

  • Es erscheint ratsam, bei Hausärzt*innen das Bewusstsein dafür zu stärken, dass Adipositas komplexe Hintergründe haben kann, bei denen nicht nur der individuelle Lebensstil, sondern auch überindividuelle Faktoren wie Lebensumstände, genetische Veranlagung und Vorerkrankungen wirksam sind [1] [2] [5] [9].

  • Übergewichtsproblematiken sollten in der hausärztlichen Versorgung systematisch, konsequent und zeitnah thematisiert werden. Sinnvolle Anlässe sind z.B. Check-ups [12] [17].

  • Die Feststellung eines starken Übergewichts oder einer Adipositas sollte mit konkreten Handlungsempfehlungen und realistischen, individuell abgestimmten Zielstellungen verbunden werden (Ernährung, Bewegung). Hier geben bestehende Leitlinien weitere Hilfestellung und Orientierung [6] [27].

  • Eine fokussierte Ernährungs- und Bewegungsberatung in der Hausarztpraxis erscheint als sinnvoller Beitrag, um die Adipositas-Prävention zu stärken. Hierzu sind im internationalen Kontext bereits Good-Practice-Beispiele vorgelegt worden [2] [6] [29] [31] [34] [35].

  • Eine regelmäßige, verbindliche Gesprächsführung sowie das Bestreben, Patient*innen bei ihrer persönlichen Situation „abzuholen“ (verhaltensorientierte Behandlungsstrategien), sind wichtige Voraussetzungen für das langfristige Gelingen eines Managements [25] [30] [33].

  • Hausärzt*innen sollten in ihrer Vermittlerrolle bestärkt werden, indem sie Adipositas-Patient*innen je nach Bedarf in ein Netzwerk weiterer Hilfen einbinden. Fast alle gesetzlichen Krankenkassen bieten Präventionsprogramme an; ähnliches gilt für Gesundheitsämter, die oftmals einen guten Überblick über Kurs- und Beratungsangebote in Landkreisen und Regionen haben [2]. Kommunale Kooperationsnetzwerke zur Gesundheitsförderung könnten Hausärzt*innen entscheidend helfen, einen Überblick über bestehende Angebote zu gewinnen und gezielt zu vermitteln [7] [31].

  • Die Einbeziehung digitaler Tools wie insbesondere die als Medizinprodukte zertifizierten DiGAs versprechen Mehrwerte, wie erste Evidenz durch Studien nahelegt [36]. Hausärztliche Teams sollten diesbezüglich umfassend informiert und für die Möglichkeiten einer systematischen DiGA-Nutzung sensibilisiert werden.

  • Die Schaffung und Weiterentwicklung strukturierter Versorgungsprogramme zum Adipositas-Management erscheint sinnvoll [7] [31]. Die Programme sollten nicht nur auf die Verbesserung der Versorgung abzielen, sondern auch eine gezielte Schulung hausärztlicher Teams beinhalten. Wichtig ist eine stärkere Sensibilisierung für den Wert geprüfter und zertifizierter Leitlinien [18] [27] [28]. Internationale Modellprojekte zur umfassenden Schulung hausärztlicher Praxisteams lassen sich gezielt adaptieren [5] [17].


Stärken und Schwächen

Die Befragung hat auf einer qualitativen Vorstudie aufgebaut und war daher konkret und praxisnah auf die hausärztliche Perspektive zugeschnitten. Eine Reihe offener Fragen ermöglichte die Erfassung nicht standardisierter Informationen. Zudem erzielte die Befragung einen vergleichsweise hohen Rücklauf. Dennoch ist auf diverse Limitationen hinzuweisen. So kann die Studie nicht im strengen Sinne, sondern – durch einen Vergleich mit KV-Daten – höchstens angenähert einen repräsentativen Anspruch erheben (begrenzte Fallzahl, regionale Rekrutierung). Zudem ist es möglich, dass Ärzt*innen mit Interesse an der untersuchten Thematik sich stärker an der Studie beteiligt haben. Hinzuweisen ist auch darauf, dass wir zwar auch Verweis- und Vermittlungstätigkeiten hin zu Akteuren der Gesundheits- und Lebensstil-Beratung erfasst haben; der Schwerpunkt lag allerdings auf der allgemeinen hausärztlichen Beratungs- und Unterstützungsleistung.


Schlussfolgerung

Adipositas wird von Hausärzt*innen als zunehmendes und im Versorgungsgeschehen forderndes Krankheitsbild wahrgenommen. Dennoch sehen sich viele Allgemeinmediziner*innen als primäre Ansprechpartner*innen für diese Patient*innen-Klientel. Sie legen beim Krankheitsmanagement abweichende Schwerpunkte, die sich auch mit Blick auf mögliche Weiterbildungshintergründe oder städtische und ländliche Praxisstandorte unterscheiden können. Besonders im Fokus ist die Umstellung der Ernährung, gefolgt von Fragen der psychosozialen Unterstützung und physischen Aktivierung. Angesichts eines bestehenden Defizits bei evidenzbasierten, interprofessionellen Versorgungsstrukturen wird die Einführung des DMP Adipositas begrüßt.

Ein zentraler Befund der Studie ist, dass Problematiken beim Adipositas-Management zum einen von einschlägig weitergebildeten Ärzt*innen (v.a. Ernährungs- und Sportmedizinern), zum anderen von Ärzt*innen mit regelmäßiger DiGA-Nutzung in deutlich geringerem Maße erlebt werden; die Zufriedenheit mit den Ergebnissen der therapeutischen Intervention fällt bei ihnen positiver aus. Gerade mit Blick auf digitale Hilfsmittel, die bei der Lebensstil-Änderung helfen können, bietet das primärärztliche Setting somit gute Anwendungspotenziale, die noch stärker gehoben werden sollten.

Kernaussagen
  • Die Hausarztpraxis bietet gute Voraussetzungen für die Prävention, Beratung und das Management der Adipositas.

  • Es erscheint sinnvoll, dass Hausärzt*innen starke Übergewichtsproblematiken konsequent und zeitnah ansprechen. Die Diagnose „Adipositas“ sollte mit konkreten Handlungsempfehlungen verbunden werden. Dabei ist eine kontinuierliche, motivierende Gesprächsführung entscheidend.

  • Hausärzt*innen sollten in ihrer Mediatorenrolle bestärkt werden, indem sie Patient*innen bedarfsorientiert in ein Netzwerk weiterer Hilfen einbinden. Die Entwicklung strukturierter, hausarztkonformer Versorgungsprogramme sollte weiter vorangetrieben werden.




Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Julian Wangler
Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Universitätsmedizin Mainz
Am Pulverturm
55131 Mainz
Deutschland   

Publication History

Article published online:
16 October 2025

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