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DOI: 10.1055/a-2686-2404
Gastkommentar zu „Schichterfüllungsquoten in der Pflege und Überlebenschancen sehr kleiner Frühgeborener – Datenanalyse der Perinatalzentren Level 1 in Deutschland 2019–2023“
Authors
Die hier präsentierte Studie [1] zielt auf ein zentrales Element ab, dass unser tägliches Arbeiten prägt: die Vorgabe zur Schichterfüllung des G-BA. Was ist der Kern der G-Ba Forderung? Die Teams der Level I Zentren sollen zu jeder Zeit „ausreichende Kapazitäten“ haben, die komplexen Aufgaben in der Versorgung der Allerkleinsten unserer Gesellschaft optimal erfüllen zu können. Die hier vorgestellte Studie zeigt nun, dass die dazu angelegten quantitativen Vorgaben kein besonders guter Diskriminator sind, um „ausreichende Kapazität“ zu definieren. Im Gegenteil, denn höhere Fallzahlen, die häufig mit einer besseren Ergebnisqualität assoziiert sind, waren hier mit einer niedrigeren Schichterfüllungsquote verbunden.
Genau das spiegelt die Realität an größeren Zentren wider: die Belastung ist sehr wechselnd und verändert sich oft innerhalb einer Schicht enorm. Zusammen mit dem hier präsentierten Ergebnis, dass bis zu einer Erfüllungsquote von 80% keine signifikante Verschlechterung der gewählten Outcomeparameter eintrat zeigt, dass die meisten Teams die „ausreichende Kapazität“ nicht quantitativ hervorbringt, so dass es vor allem die Qualität der Pflege ist, die das Ergebnis beeinflusst, zumindest solange eine Mindestgröße des Teams nicht unterschritten wird. So schreiben die Autoren in der Diskussion auch, dass „Komplikationsraten […] weniger durch die Anzahl als durch Qualifikation, Erfahrung und Engagement des medizinischen Personals beeinflusst [wird]“ [1]. Das wissen alle, die täglich auf den Stationen arbeiten: ein motiviertes Team mit erfahrenen Pflegenden wird den volatilen Anforderungen in der Regel gewachsen sein.
Was ist also zu tun? (1) Es muss sinnvolle Ausbildungsstrukturen für die Pädiatrische Pflege geben. Diese wurden durch den generalistischen Ansatz rückgebaut. Hier ist die Politik gefragt! (2) Die Arbeitsbedingungen im Bereich der Intensivmedizin müssen so gestaltbar sein, dass Teambuilding und Flexibilisierung einen hohen Stellenwert bekommen. Hier sind die Führungsebenen der Kliniken gefragt! (3) Die Tatsache, dass es einen Generationenwechsel gibt, sollte vor dem Hintergrund, dass Erfahrung und Zusammenarbeit der Schlüssel für die besten Versorgung der uns anvertrauten Kinder sind, in den Teams jeden Tag dazu führen, dass Erfahrung weitergegeben wird und auf den eigenen Anspruch trifft, gute Medizin machen zu wollen. Hier sind „die Erfahrenen“ und „die Jungen“ in allen Teams gefragt!
Noch ein Aspekt ist erwähnenswert: es wird immer mehr klar, dass gute Neonatologie sich nicht ausreichend an neonataler Mortalität und neonatalen Outcomes messen lässt, sondern langfristige Perspektiven wichtig sind. Hier spielen möglicherweise Familienintegrierende und Entwicklungsfördernde Versorgungsansätze eine Rolle, die häufig personalintensiver sind. Möglicherweise könnte es also doch einen quantitativen Aspekt der „ausreichenden Kapazität“ für die Versorgung von Kindern und ihrer Eltern geben. Aber auch hier ist die entsprechende Qualifikation der Teammitglieder die erste Voraussetzung und in zukünftigen Studien müssten die Outcomeparamter anders gesetzt werden! Auch hier wäre die Gelegenheit für die Politik entsprechende Anreize zu schaffen!
Publication History
Article published online:
13 October 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Roll C, Liersch-Baumann K, Bührer C. Schichterfüllungsquoten in der Pflege und Überlebenschancen sehr kleiner Frühgeborener – Datenanalyse der Perinatalzentren Level 1 in Deutschland 2019–2023. Z Geburtsh Neonatol 2025; 229
