Rofo 2026; 198(01): 6-10
DOI: 10.1055/a-2688-2775
Bildessay

Macrodystrophia lipomatosa mit fibrolipomatösem Hamartom des Nervus medianus, ischiadicus und des Plexus brachialis

Macrodystrophia lipomatosa with fibrolipomatous hamartoma of the median nerve, sciatic nerve and brachial plexus

Authors

  • Marius Horger

    1   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany
  • Jan Fritz

    2   Radiology, New York University Medical Center, New York, United States (Ringgold ID: RIN12297)
  • Georg Gohla

    3   Department of Diagnostic and Interventional Neuroradiology, Eberhard Karls University Tübingen, Tübingen, Germany (Ringgold ID: RIN9188)
  • Stefan Heckl

    4   Department of Radiology, Hirslanden Park Hospital, Zürich, Switzerland (Ringgold ID: RIN60557)

Die Macrodystrophia lipomatosa (ML), auch als Fettriesenwuchs bezeichnet, stellt eine seltene Form der Makrodaktylie dar. Es handelt sich um eine angeborene, jedoch nicht vererbbare Erkrankung, die durch einen lokalisierten Riesenwuchs (Gigantismus) eines Teils einer Extremität gekennzeichnet ist – meist in Form einer partiellen Akromegalie eines oder zweier Finger. Charakteristisch ist ein disproportionales Wachstum mesenchymaler Gewebeanteile, insbesondere von fibroadipösem Gewebe.

An den betroffenen Stellen verdrängt das abnorme Fettgewebe weitgehend das normale Knochenmark, das Periost, die Nervenscheiden, Muskeln und Sehnenscheiden. Die ML wurde erstmals 1925 von dem deutschen Arzt Hans Feriz beschrieben [1]. Besonders häufig sind die peripheren Nerven betroffen, die zu den Fingern ziehen. Dies führt während der Entwicklungsphase zu einer typischen, teils isolierten Vergrößerung der betroffenen Nervenstrukturen.

Ein alternativer Begriff für die Erkrankung ist die „Lipomatose des Nerven“, bei der eine lipomatöse Transformation des Epineuriums im Vordergrund steht. Im Zusammenhang mit der ML lassen sich häufig spezielle, gutartige Gewebeveränderungen abgrenzen, bei denen Fettgewebe innerhalb des Nerven selbst versprengt vorkommt. Diese Veränderungen werden als fibrolipomatöses Hamartom bezeichnet und im weiteren Verlauf dieser Arbeit gesondert behandelt.

Die ML manifestiert sich bevorzugt an den oberen Extremitäten entlang des Nervus medianus und an den unteren Extremitäten im Bereich des Nervus plantaris. Weitere mögliche Lokalisationen schließen Hirnnerven und den Plexus brachialis mit ein.

Typischerweise zeigen betroffene Kinder mehrere, unverhältnismäßig vergrößerte, geschwollene und deformierte Finger auf einer Körperseite. Die Haut bleibt dabei unbeteiligt. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt, was zu einer erhöhten Unfallgefahr und zu funktionellen sowie ästhetischen Beeinträchtigungen der betroffenen Extremität führt. Sekundär kann es zu einer Osteoarthritis kommen. Zudem kann die Deformierung der Knochen zur Kompression benachbarter Gefäße und Nerven führen.

Eine Einteilung der ML erfolgte 1967 durch Barsky in eine statische und eine progressive Form, wobei Letztere häufiger auftritt. Bei der progressiven Form ist die Wachstumsgeschwindigkeit des mesenchymalen Gewebes bis zur Pubertät erhöht, stagniert jedoch ab diesem Zeitpunkt [2].

Die genaue Pathogenese der ML ist bislang nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass ein Ungleichgewicht bestimmter Wachstumsfaktoren sowie Mutationen, insbesondere mit Aktivierung des PI3K/AKT-Signalwegs, eine entscheidende Rolle spielen [3] [4] [5]. Histopathologisch zeigt sich eine gutartige Proliferation mesenchymaler Gewebeanteile, insbesondere von Fett- und Bindegewebe. Fetttröpfchen sind häufig nachweisbar.

Auch bildgebend lassen sich charakteristische Veränderungen feststellen ([Abb. 1], [Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5]). Im konventionellen Röntgen zeigen sich Weichteilschwellungen einzelner Finger sowie exzessive Endost- oder Periostformationen. Die kortikale Hypertrophie der Knochen kann sich in Form von Exostosen darstellen. In der CT wird die hypodense Fettproliferation innerhalb der Muskelfasern deutlich sichtbar. Die MRT zeigt ausgedehntes Fettgewebe mit Signalintensitäten, die denen des subkutanen Fettes entsprechen. In T1-gewichteten Sequenzen imponiert das Fett hyperintens, durchzogen von hypointensen fibrösen Bändern.

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Abb. 1 Koronare T1-gewichtete Aufnahme der Hand mit überschießendem Wachstum des Daumens, insbesondere im Bereich des subkutanen und muskulären Fettgewebes. Das normale Muskelgewebe in der Region des Daumens sowie in den ersten beiden Interdigitalräumen ist weitgehend zurückgebildet. Die Karpal- und Metakarpalknochen erscheinen überproportional vergrößert und deformiert. Auch die distale Muskulatur des Unterarms, insbesondere der Musculus pronator quadratus, zeigt eine ausgeprägte Fettinfiltration.
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Abb. 2 Sagittale T1-gewichtete Aufnahme des Daumenmuskelbauchs mit nahezu ausschließlich fettäquivalentem Signal. Feine fibröse Strukturen wechseln sich mit Fettanteilen ab. Typisch für das fibrolipomatöse Hamartom ist der verdickte Nervus medianus an der volaren Handinnenseite.
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Abb. 3 Koronare T1-gewichtete Aufnahme des Daumens mit partieller Fusion der vergrößerten Handwurzelknochen. Distal des Karpaltunnels zeigt sich heterotopes Muskelgewebe mit pseudotumorösem Aspekt.
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Abb. 4 Sagittale, fettunterdrückte Protonendichte-gewichtete Aufnahme auf Höhe des Karpaltunnels. Massive Vergrößerung des Nervus medianus durch fibrolipomatöses Gewebe mit leicht erhöhter Signalintensität und typischer Spaghetti-artiger Erscheinung. Die Handwurzelknochen sind deutlich deformiert, verdreht und destruiert.
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Abb. 5 Sagittale, fettunterdrückte kontrastmittelverstärkte T1-gewichtete Aufnahme eines fibrolipomatösen Hamartoms des Nervus medianus mit leichtem Gewebs-Enhancement.

Im Rahmen der Differenzialdiagnostik müssen verschiedene Erkrankungen berücksichtigt werden. Dazu zählen die juvenile idiopathische Arthritis, Neurofibromatose, Lymphangiomatose, Hämangiomatose, das Klippel-Trenaunay-Weber-(KTW)-Syndrom, das Proteus-Syndrom, das Maffucci-Syndrom sowie das fibrolipomatöse Hamartom selbst. Auch sehr seltene Syndrome wie das CLOVES-Syndrom (Congenital Lipomatous Overgrowth, Vascular malformations, Epidermal nevi, Spinal/skeletal anomalies) sollten differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.

Wichtig ist, dass einige dieser Krankheitsbilder auch gemeinsam mit der ML auftreten können, insbesondere das KTW-Syndrom und das fibrolipomatöse Hamartom [6].

Eine klare Abgrenzung zur Neurofibromatose (Typ 1) ist essenziell: Bei dieser vererbbaren Erkrankung finden sich kutane Veränderungen, während die ML nicht vererbt wird und typischerweise unilateral auftritt. Die in T2-gewichteten MRT-Bildern besonders hyperintensen Neurofibrome stehen in engem Bezug zum Nerven, während bei der ML Fett innerhalb der Nervenscheide ein typisches Merkmal ist.

Bei Lymphangiomen lassen sich in der MRT ödematöse Schwellungsbereiche erkennen, die in T2-Sequenzen gegenüber Fett signalreicher und septiert erscheinen. Das KTW-Syndrom ist bereits bei Geburt durch Naevus flammeus, Varizen und übermäßige Knochen- und Weichteilbildung charakterisiert. Letztere ist bei Lymphangiomatose und Hämangiomatose, die vorrangig Blutschwämmchen zeigen, nicht vorhanden.

Das Proteus-Syndrom kann der ML ähneln, da auch hier eine einseitige Hypertrophie typisch ist. Es weist jedoch zusätzliche, charakteristische Merkmale auf wie Lungenzysten, pigmentierte Nävi, Veränderungen der Schädelkalotte und intraabdominelle Lipome.

Die Therapie der ML ist in erster Linie chirurgisch. Ziel ist die funktionelle und kosmetische Verbesserung durch Verfahren wie Osteotomie, Epiphysiodese, Massenreduktion und Rekonstruktionen.

Im Folgenden soll detaillierter auf das mit der ML häufig assoziierte fibrolipomatöse Hamartom (FLH) des Nervs eingegangen werden, da dieses eine eigenständige Entität mit typischer klinischer und bildgebender Präsentation darstellt.

Das fibrolipomatöse Hamartom (FLH) tritt in etwa 80% der Fälle am Nervus medianus auf. Es führt bei Kindern zu einer langsam zunehmenden Verdickung des betroffenen Nervs ohne geschlechtsspezifische oder hereditäre Prädisposition [6].

In der Literatur wird das FLH auch unter anderen Begriffen geführt: Lipofibrom, lipomatöses Hamartom, lipofibromatöses Hamartom, fettige Infiltration des Nervus medianus oder faserig-fettige Überwucherung [7]. Histologisch ist das FLH durch fibrolipomatöse Proliferationen des Epi- und Perineuriums mit wenigen atrophischen peripheren Nervenfaszikeln gekennzeichnet.

Klinisch manifestiert sich das FLH typischerweise durch eine langsam zunehmende, nicht schmerzhafte Weichteilmasse an der volaren Seite des Handgelenks und Unterarms. Eine daraus folgende Kompression des Nervus medianus kann jedoch zu Schmerzen, Parästhesien und Symptomen wie bei einem Karpaltunnelsyndrom führen.

In der Magnetresonanztomografie lässt sich das FLH aufgrund charakteristischer morphologischer Merkmale sehr präzise diagnostizieren ([Abb. 1], [Abb. 2], [Abb. 3], [Abb. 4], [Abb. 5], [Abb. 6], [Abb. 7], [Abb. 8], [Abb. 9], [Abb. 10], [Abb. 11]). In T1-gewichteten Sequenzen erscheinen die tubulär verdickten Nervenfaszikel signalarm und sind von signalreichen Fettanteilen marmoriert, die sich bei Fettunterdrückung auslöschen lassen. In axialen MRT-Aufnahmen zeigt das FLH daher wie im Ultraschall eine koaxiale Kabel-ähnliche Struktur, wohingegen es in koronaren Aufnahmen die Form von Spaghetti-Bündeln annimmt [7] [8] [9]. Die Faszikel sind gleichmäßig innerhalb der Nervenscheide verteilt und erscheinen sowohl in T1- als auch T2-gewichteten Aufnahmen signalarm. Eine signifikante Kontrastmittelaufnahme bleibt meist aus. Selten kann sich eine metaplastische Knochenbildung mit Kalzifizierungen im Röntgen darstellen.

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Abb. 6 Axiale fettunterdrückte Protonendichte-gewichtete Aufnahme auf Höhe des Karpaltunnels. Deutliche Vergrößerung des Nervus medianus mit raumfordernder Wirkung des fibrolipomatösen Hamartoms auf die Flexorensehnen. Das fibrolipomatöse Hamartom zeigt das typische kabelartige Erscheinungsbild.
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Abb. 7 Patient mit fibrolipomatösen Hamartom des Nervus medianus. Die Aufweitung des Karpaltunnels im Röntgenbild kann im Falle größerer fibrolipomatöser Hamartome diagnostisch hilfreich sein, ist hier jedoch allenfalls milde erweitert. Axiale T1-gewichtete und fettunterdrückte Protonendichte-gewichtete MRT-Aufnahmen zeigen eine langstreckige Verdickung des Nervus medianus mit Spaghetti-Zeichen auf der axialen fettunterdrückten Protonendichte-gewichteten Sequenz.
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Abb. 8 Koronare fettunterdrückte Protonendichte-gewichtete und T1-gewichtete Aufnahmen auf Höhe des Karpaltunnels. Verdickter Nervus medianus mit Spaghetti-Zeichen. Geringgradige fettige Transformation des Nervs. Keine muskuläre Atrophie.
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Abb. 9 Fettige Transformation des linken Nervus ischiadicus. Typisch ist die Verdickung der Nervenfaszikel mit Spaghetti-Zeichen. Kein Hinweis auf muskuläre Fettinfiltration oder Kontrastmittelaufnahme.
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Abb. 10 Axiale und koronare fettunterdrückte Protonendichte-gewichtete und T1-gewichtete Aufnahmen bei fibrolipomatösen Hamartom des Nervus medianus. Verdickte Nervenfaszikel und vergrößerter Nervendurchmesser mit Spaghetti-Zeichen und typischer fibrolipomatöser Transformation im Bereich des Karpaltunnels und weiter proximal in der Handregion.
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Abb. 11 Sagittale T2-gewichtete Aufnahme des linken Plexus brachialis auf Höhe der Aufteilung des medialen Strangs. Die Nervenfaszikel sind von Fettgewebe ummantelt – ein charakteristisches Zeichen des fibrolipomatösen Hamartoms.

Die Differenzialdiagnosen des FLH ähneln denen der ML. In Betracht kommen unter anderem intraneurale Lipome, andere Lipome ([Abb. 12]), neurale Fibrome und andere Formen fettiger Überwucherung. Klinisch müssen insbesondere weitere Ursachen eines Karpaltunnelsyndroms ausgeschlossen werden, etwa Ganglien oder Tenosynovitiden bei rheumatoider Arthritis oder Spondylarthritis. Auch infektiöse Ursachen wie Tuberkulose oder Mykosen sind abzuklären.

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Abb. 12 Koronare T1-gewichtete (A) und axiale fettunterdrückte Protonendichte-gewichtete (B) Aufnahmen bei Lipom im Bereich des Karpaltunnels, das morphologisch einem fibrolipomatösen Hamartom ähneln kann.

Die Therapie des FLH besteht, analog zur ML, vorrangig in der operativen Entfernung des betroffenen Nervensegments, gegebenenfalls mit anschließender Nerventransplantation. In ausgeprägten Fällen kann eine Amputation des betroffenen Fingers notwendig werden. Konservative Maßnahmen zeigen meist keine ausreichende Wirkung.



Publication History

Received: 10 July 2025

Accepted after revision: 21 August 2025

Article published online:
19 September 2025

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