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DOI: 10.1055/a-2694-9196
Mitteilungen aus der Bundesdirektorenkonferenz (BDK)
Bericht aus dem Arbeitskreis Psychiatrische Institutsambulanzen (AK PIA), Gemeinsame Arbeitsgruppe von BDK und ackpaVom 22. bis 23.05.2025 fand das diesjährige Jahrestreffen des Arbeitskreises Psychiatrische Institutsambulanzen in der Klinik Hamburg Ochsenzoll statt.
Jahrestreffen der Ländersprecher
Wie üblich begann das Treffen am ersten Tag mit einem Austausch der Ländersprecher. Es waren Vertreter aus 13 Bundesländern vor Ort. In dem konstruktiven und informativen Austausch kristallisierte sich als Hauptthema die sehr unterschiedlichen Vergütungssysteme in den einzelnen Bundesländern heraus. Dabei zeigt sich, dass diese eine Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Bundesländern nahezu unmöglich macht. Einige Länder rechnen nach dem Einzelleistungsvergütungssystem ab, andere haben einfache oder komplexe Pauschalen, es gibt aber auch kombinierte Pauschalen aus EBM-Ziffern und einer PIA-Pauschale. Selbst innerhalb eines Bundeslandes kommen unterschiedliche Abrechnungssysteme zur Anwendung. Naturgemäß hat sich in jedem Bundesland die PIA auf die spezifischen Vergütungsgegebenheiten eingestellt. Gleichzeitig bestimmt das Finanzierungssystem ganz wesentlich die Therapieangebote einer Institutsambulanz. So bieten pauschalierte Systeme wenig Anreize, eine hochfrequente Behandlung anzubieten, sofern nicht, wie z. B. im Bundesland Hessen, eine Intensivpauschale verhandelt werden konnte. Als erhebliche Schwierigkeit der pauschalierten Entgelte wird ferner beklagt, dass in diesen Modellen die gleichzeitige Behandlung in der PIA und bei niedergelassenen Psychotherapeuten nicht zulässig ist, die Übernahme der Psychotherapie in die PIA aber durch die Pauschale nicht refinanziert wird. Dies benachteiligt komplex Erkrankte mit einem intensiven Psychotherapiebedarf. Das Modell der Einzelleistungsvergütung setzt dagegen den Anreiz, den Patientinnen und Patienten die tatsächlich erforderliche Behandlung zukommen zu lassen und bietet die Möglichkeit, auch hochfrequente Leistungen der jeweiligen Berufsgruppen zur Abrechnung zu bringen. Auch wenn die 8. Stellungnahme der Regierungskommission aus dem Jahr 2023 den Umstieg auf das sogenannte „Bayerische Modell“ für alle Bundesländer angeraten hat, ist im vergangenen Jahr lediglich das Land Baden-Württemberg umgestiegen. Offenbar gibt es auch auf Seiten einiger Krankenkassen Vorbehalte gegen die Einzelleistungsvergütung, da diese für die Leistungsträger eine schlechtere Planbarkeit der Ausgabenentwicklung bedingt. Einigkeit herrschte darüber, dass alle derzeitigen Vergütungsstrukturen wenig Anreize für eine stärkere Verlagerung der Versorgung von stationär zu ambulant setzen. Zudem verhindert das ungleiche Finanzierungssystem letztlich eine gemeinsame Interessenvertretung der Institutsambulanzen gegenüber Politik und Kostenträgern und erweist sich somit als ein wichtiges Hemmnis für eine weitere Ambulantisierung.
Weitere relevante Themen des Ländersprechertreffens waren der Fachkräftemangel in allen Berufsgruppen, Probleme bei der Digitalisierung und die zunehmende und an manchen Orten dramatische Unterversorgung durch den vertragsärztlichen Bereich, nicht zuletzt, weil zunehmend Nervenarztsitze in rein neurologische Sitze umgewandelt werden.
Plenum des Arbeitskreises PIA
Das Thema der diesjährigen Tagung am 23.05.25 lautete: „Warum stagniert die Ambulantisierung?“
Zunächst wurde von Herrn Dr. Gartenmaier eine Bestandsaufnahme der Entwicklung der psychiatrischen Institutsambulanzen gemacht. Wie [Abb. 1] zeigt ist die Anzahl der abgerechneten PIA-Fälle bis zum Jahr 2018 deutschlandweit deutlich gestiegen, im Jahr 2019 zeigte sich erstmals ein Rückgang, der sich 2020, vermutlich auch bedingt durch die Corona-Pandemie, nochmals verstärkte. Seither zeigt sich wieder ein leichter Anstieg der Fallzahlen, wobei im Jahr 2023 die Fallzahl von 2018 nur wenig überschritten wurde. Die Zahl der PIA-Behandlungen stagniert also. Im Jahr 2023 gab es im deutschen Durchschnitt 35,7 PIA-Quartalsfälle pro 1000 Einwohner mit einer erheblichen Varianz zwischen den Bundesländern. Das Saarland hat mit 19,6 Fällen pro 1000 Einwohnern die geringste Fallzahl, Bremen mit 51,7 Fällen pro 1000 Einwohnern die höchste ([Abb. 2]). Hinsichtlich der Ausgabenentwicklung zeigt sich, dass allein die Ausgabensteigerung im stationären Bereich ein höheres Volumen aufweist als die gesamten Ausgaben für alle deutschen Institutsambulanzen im Jahr 2023 zusammengenommen. Bemerkenswert erscheint zudem, dass sich die Bundesländer mit (überwiegend) Einzelleistungsvergütung mehrheitlich unterhalb des Deutschlandschnitts der PIA-Fälle pro 1000 Einwohner befinden.




Herr Dr. Schieting, Medizinischer Direktor des ZfP Emmendingen, berichtete in der Folge vom Umstieg des Landes Baden-Württemberg von der pauschalierten Vergütung zur Einzelleistungsvergütung im 2. Quartal 2024. In der Gesamtbewertung kam er zu dem Schluss, dass das neue Vergütungssystem auch neue Chancen eröffnen würde. Insbesondere zeigte sich eine Zunahme der Kontaktfrequenz, die Auswirkung auf die Erlöse erwies sich als vergleichsweise gering, wobei zu bedenken ist, dass Baden-Württemberg im Vergleich zu Bayern im Erwachsenenbereich eine 10% höhere Vergütung und im KJP-Bereich eine 20% höhere Vergütung der Leistungsziffern hat. Settings mit hoher Behandlungsfrequenz (Psychotherapie und Suchtambulanzen) scheinen vom Einzelleistungsvergütungssystem besser zu profitieren. Effekte hinsichtlich einer Verkürzung oder Vermeidung stationärer Aufenthalte waren aufgrund des kurzen Beobachtungszeitraumes noch nicht ableitbar. Hervorzuheben war, dass alle befragten Standorte die Folgen des Umstiegs auf das neue Vergütungsmodell als positiv bewerteten.
Die Sicht der Träger Psychiatrischer Krankenhäuser wurde von Herrn Reinhard Belling, Vorsitzender der BAG Psychiatrie, vorgestellt. Er beantwortete die Frage nach der Stagnation der Ambulantisierung unter anderem mit dem Fehlen eines anreizkompatiblen Finanzierungssystems, sowohl bei den Quartalspauschalen als auch in Teilen beim Einzelleistungsvergütungssystem. Eine fehlende Sektorendurchlässigkeit verhindere einen flexiblen Übergang, wie er in Modellprojekten möglich sei. Auch mangele es der PIA-Behandlung an Flexibilität, was ambulante Intensivbehandlungen erschwere. Nicht zuletzt begrenze auch die PPP-RL einen flexiblen und sektorenübergreifenden Personaleinsatz. Um wirklich ambulantisieren zu können, bedürfe es einer Patientensteuerung mit einer sektorübergreifenden Zusammenarbeit.
Die Sicht der Krankenkassen wurde von Herrn Olaf Neubert, Referat Krankenhäuser des GKV-Spitzenverbandes, vorgestellt. Er kam in seinen Ausführungen zu dem Schluss, dass es in Deutschland zu viele psychiatrische und psychosomatische Betten gebe. Es sei ausreichend Geld und Personal im System, um die Versorgung zu verbessern bedürfe es aber Veränderungen in der Art der Behandlung an den Krankenhäusern. Es müsse eine intensive ambulante Akutbehandlung an allen Krankenhäusern ermöglicht werden. Dabei erreiche das Einzelleistungsvergütungssystem zwar eine bessere Vergütungsgerechtigkeit, ändere aber nichts daran, dass derzeit viele PIA-Patienten weder intensiv noch multiprofessionell behandelt würden. Zu häufig werde keine bedarfsgerechte bzw. qualitativ gute Behandlung angeboten. Zur Verbesserung dieser Situation forderte er unter anderem eine Förderung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Leistungserbringern im Sinne integrierter Versorgungskonzepte und klare politische Vorgaben und Anreize, psychiatrische Krankenhäuser und Versorgungsstrukturen konsequent in Richtung intensiv-ambulante und teilstationäre Angebote zu entwickeln. Das Potenzial der PIA müsse voll ausgeschöpft und ausgebaut werden. Die Länder müssten diesen Prozess im Rahmen der Planung der Versorgungsstrukturen und der Finanzierung der Investitionen aktiv gestalten.
In der Tradition der Vorjahre fanden am Nachmittag Arbeitsgruppen statt. Neben dem Austausch zu aktuellen PIA-Fragen ging es in diesem Jahr um Heimversorgung, die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen in der PIA und um Digitalisierungen. Zudem fand erneut ein trialogischer Workshop mit Angehörigen und Betroffenen statt.
Positives Fazit
Sowohl Teilnehmer als auch Veranstalter waren mit dem Tagesverlauf ausgesprochen zufrieden. Die Tagung war erneut sehr gut besucht, das wichtige Thema der Ambulantisierung konnte von vielen Seiten beleuchtet und diskutiert werden. Gleichzeitig ermöglichten die Workshops einen intensiven Erfahrungsaustausch und die Vermittlung von praktischen Anwendungsbeispielen. Auch im kommenden Jahr wird die PIA-Bundestagung wieder in Hamburg zu Gast sein.
Dr. Andreas GartenmaierBezirkskrankenhaus Augsburg, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität AugsburgE-mail: andreas.gartenmaier@bkh-augsburg.de
Dr. Sarang D. ThakkarKlinik für Akutpsychiatrie und Psychose,Ambulanzzentrum, Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll, HamburgE-mail: s.thakkar@asklepios.com
Publication History
Article published online:
21 October 2025
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