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DOI: 10.1055/a-2696-5502
Die Interoperabilität nimmt zu
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Wer von Ihnen hat in den letzten Monaten nicht mindestens einmal gedacht: „Ich komme mit den vielen elektronischen Hilfssystemen kaum noch hinterher“? rtCGM, AID, Smartpens, Pumpen-Updates, neue Sensoren – parallel dazu hohe Erwartungen unserer Patient:innen, am besten alles „per App“ steuerbar.
Was heißt das für unseren Alltag in Hausarztpraxis und Diabetes-Schwerpunktpraxis?
Zum einen: Die Richtung ist klar. Die Interoperabilität nimmt zu – Sensoren, Pumpen und Smartpens „sprechen“ immer häufiger miteinander, zumindest in den Roadmaps der Hersteller. Beispielhaft sind hier u. a. die Kopplung des neuen Medtronic-Sensors Simplera Sync an die MiniMed 780 G, der FreeStyle Libre 3 Plus mit Schnittstellen zu AID-Systemen und Smartpens sowie angekündigte Kooperationen wie Abbott und Tandem (t:slim X2 mit Control-IQ). Für unsere Patient:innen bedeutet das perspektivisch weniger „Insel-Lösungen“ und mehr durchgängige Datenflüsse.
Zum zweiten: Viele Neuerungen zielen auf den Komfort – und damit auf die Akzeptanz der Therapie. Die Möglichkeit, Pumpen per Smartphone zu steuern, Updates für die t:slim X2, die erwartete iOS-Version der mylife CamAPS-FX-App für die YpsoPump – all das adressiert sehr konkret den Alltag der Nutzer:innen. Für uns Behandelnde stellt sich dabei immer wieder die gleiche aber immens wichtige Frage: Was ist „nice to have“ – und was ist ein echter therapeutischer Mehrwert?
Zum dritten: Der Markt wird breiter. Neue rtCGM-Systeme wie Suga Sense, das in Deutschland bereits verordnungsfähig ist, sowie angekündigte Systeme wie Accu-Chek SmartGuide oder GlucoMen iCan erweitern die Palette – mit unterschiedlichen Tragedauern, technischen Besonderheiten und Algorithmen. In der Praxis sehen wir dadurch zunehmend heterogene Gerätekonstellationen, die unsere Teams kennen und sinnvoll begleiten müssen.
Dabei lauert eine Gefahr: Der technische Fortschritt ist schneller als unsere Versorgungsstrukturen. Schulungsprogramme, Dokumentation, Verordnungspfade. Zudem dürfen wir uns von Marketingversprechen – Stichwort nicht-invasive Glukosemessung über Smartwatches – nicht auf Abwege führen lassen: Was attraktiv klingt, ist derzeit weder als Medizinprodukt zugelassen noch klinisch belastbar. Hier sind wir gefordert, die Erwartungen der Patient:innen zu kanalisieren und evidenzbasiert zu beraten. Gleichzeitig steckt in dieser Entwicklung eine große Chance: Wenn wir die neuen Technologien bewusst einsetzen, können wir Blutzuckerverläufe besser verstehen, Insulindosierungen feiner justieren, Hypoglykämien früh erkennen und Therapieentscheidungen datenbasierter und individualisiert treffen.
Was brauchen wir dafür ganz konkret?
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ein Minimum an Technologiewissen im gesamten Praxisteam – nicht nur bei „den Technikaffinen“
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klare interne Abläufe: Wer ist Ansprechpartner:in für welches System? Wie gehen wir mit Updates um?
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realistische Patientenschulung: lieber wenige Kernbotschaften gut vermitteln, als alle Features im Detail erklären wollen
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und nicht zuletzt die Bereitschaft, sich regelmäßig ein Update zu „gönnen“
Vielleicht ist das die wichtigste Botschaft dieses Beitrags: Wir müssen nicht jede einzelne Produktneuheit in allen Details kennen. Aber wir sollten die Prinzipien verstehen – Interoperabilität, Automatisierung, Datenintegration – und gemeinsam mit unseren Patient:innen entscheiden, welche Technologie zum jeweiligen Menschen, zu seinem Alltag und zu seinen Ressourcen passt.
Mit kollegialen Grüßen
Publication History
Article published online:
12 December 2025
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