Technischer Hintergrund der CT-FFR
Die Berechnung der CT-FFR basiert auf einer detaillierten Analyse der cCTA-Daten und
erfolgt über strömungsphysikalische Modellierungen des koronaren Blutflusses. Im Gegensatz
zur invasiven fraktionierten Flussreserve (FFR) wird der funktionelle Einfluss einer
Koronarstenose hierbei nicht direkt durch intrakoronare Druckmessung bestimmt, sondern
rechnerisch simuliert. Eine pharmakologische Hyperämie wird mathematisch modelliert,
wobei patientenspezifische Parameter – beispielsweise die myokardiale Masse – in die
Simulation einbezogen werden.
Die technische Umsetzung der CT-FFR-Berechnung umfasst folgende Schritte
[23 ]
[24 ]:
Erstellung eines präzisen dreidimensionalen Gefäßmodells der epikardialen Koronararterien
auf Basis der cCTA-Bilddaten.
Simulation des koronaren Blutflusses unter Annahme standardisierter Mikrozirkulationsparameter
zur Abbildung hämodynamischer Veränderungen.
Anwendung numerischer Strömungsdynamikmodelle zur Berechnung des Druckgradienten entlang
des Gefäßverlaufs.
Die Auswertung erfolgt in der Regel 10–20 mm distal der Stenose, um den Einfluss des
sogenannten pressure recovery phenomenon in poststenotisch dilatierten Segmenten zu minimieren [3 ]. Arbeiten von Nozaki et al. und Kueh et al. belegen, dass eine Messung in einem
Abstand von 1–2 cm distal der Läsion eine bessere Korrelation mit der Entscheidung
zur Revaskularisation aufweist als Messungen direkt im Bereich der maximalen Stenose
[25 ]
[26 ].
Neben dem rein morphologischen Stenosegrad beeinflussen weitere hämodynamische Parameter,
wie der periphere Gefäßwiderstand oder bestehende Kollateralkreisläufe, den Druckgradienten
über einer Stenose [3 ]. Die CT-FFR berücksichtigt diese Einflussgrößen, indem sie den maximal möglichen
koronaren Blutfluss im betroffenen Segment mit dem eines gesunden Referenzgefäßes
vergleicht. Durch diese Kombination aus anatomischer und funktioneller Information
kann die hämodynamische Relevanz von Stenosen differenzierter beurteilt werden [3 ]. Ein CT-FFR-Wert unterhalb von 0,75–0,80 wird typischerweise als Hinweis auf eine
hämodynamisch relevante Stenose interpretiert [27 ]
[28 ]. Werte oberhalb von 0,80 gelten als unauffällig. Im Bereich zwischen 0,76 und 0,80
besteht ein diagnostischer Graubereich, in dem zusätzliche klinische Informationen
oder weiterführende Verfahren empfohlen werden [3 ]. Ein Beispiel der CT-FFR-Auswertung ist in [Abb. 1 ] dargestellt.
Abb. 1 Flussdiagramm, das die automatische Analyse von cCTAs darlegt. Lokal werden gekrümmte
multiplanare Reformationsbilder automatisch über den CT Cardiac Workflow (z.B. Syngo.via,
Siemens Healthineers) generiert. Während in die visuelle Analyse alle Bilddaten und
Rekonstruktionen einfließen, werden je nach Anbieter für die FFR-Berechnung die axialen
Schichten (Siemens Healthineers) oder auch die multiplanaren Rekonstruktionen verarbeitet
(CorEx, Spimed-AI). Je nach Software wird das Ergebnis als FFR-Wert und/oder als CAD-RADS-Einstufung
ausgegeben.
Ein wesentlicher Vorteil der CT-FFR gegenüber der invasiven FFR liegt in der Möglichkeit
zur flächendeckenden, kontinuierlichen Berechnung von Druck- und Flusswerten entlang
des gesamten Koronarbaums. Dies erlaubt eine umfassende funktionelle Analyse, insbesondere
bei konsekutiven oder ausgedehnten Läsionen in verzweigten Gefäßabschnitten, deren
hämodynamische Bedeutung visuell schwer abzuschätzen ist. Die zusätzliche Modellierung
liefert hier entscheidende Informationen für eine fundierte Therapieentscheidung.
[Tab. 1 ] gibt einen Überblick über zentrale Studien zur CT-FFR der letzten Jahre.
Tab. 1 Übersicht wesentlicher klinischer Studien zur CT-FFR.
Studie
Jahr
Patientenzahl
Methode
Hauptergebnis
DISCOVER-FLOW
2011
103
CT-FFR (HeartFlow)
Erhöhte diagnostische Genauigkeit, primär durch verbesserte Spezifität im Vergleich
zur cCTA allein [29 ].
Comparison Study (Siemens)
2014
53
Siemens cFFR, Version 1.4
Sensitivität von 85% (Läsionsbasiert) bzw. 94% (Patientenbasiert); Spezifität von
85% bzw. 84%; positiver prädiktiver Wert 71%; negativer prädiktiver Wert 93–97% [30 ].
NXT
2014
254
HeartFlow
Deutlich erhöhte Spezifität durch CT-FFR; AUC 0,90 gegenüber 0,81 für cCTA (p = 0,0008);
hohe Genauigkeit auch bei intermediären Stenosen [31 ].
NXT-Substudie
2016
51
HeartFlow
Signifikant höhere AUC für CT-FFR (0,93) vs. cCTA (0,68; p= 0,008) [32 ].
PLATFORM
2016
584
HeartFlow
CT-FFR-basierte Strategie reduzierte Kosten bei vergleichbaren klinischen Ergebnissen
und Lebensqualität gegenüber konventioneller Versorgung [33 ].
ADVANCE
2018
5.083
HeartFlow
CT-FFR änderte in 67% der Fälle die therapeutische Entscheidung im Vergleich zur cCTA
allein [34 ].
Aarhus-Studie
2018
677
HeartFlow
CT-FFR erlaubt bei intermediären Stenosen eine differenzierte Risikoabschätzung (FFR
>0,80 vs. <0,80) [35 ].
SYNTAX III Revolution
2019
233
HeartFlow
CT-FFR führte bei 7% der Patienten zur Änderung der Revaskularisierungsstrategie,
bei 12% zur Änderung der Zielgefäße [36 ].
DEEPVESSEL FFR
2019
63
DEEPVESSEL FFR
Höhere diagnostische Genauigkeit zur Ischämiedetektion mit AUC von 0,928 im Vergleich
zur cCTA allein [37 ].
Vancouver-Studie
2019
207
HeartFlow
CT-FFR ist ein unabhängiger Prädiktor für das mittelfristige Outcome; pathologischer
CT-FFR-Wert ohne signifikanten Zusatznutzen bei <50%-Stenosen [38 ].
FORECAST (RCT)
2021
1.400
HeartFlow
CT-FFR-gestützte cCTA reduzierte die Zahl invasiver Angiografien, ohne signifikante
Unterschiede in Kosten oder klinischem Outcome [39 ].
SYNTAX III-Subgruppe
2022
183
HeartFlow
Hohe Übereinstimmung mit invasiver FFR; Läsionen in der RCA waren prädiktiv für diagnostische
Diskrepanzen [40 ].
TARGET (RCT)
2023
1.216
DEEPVESSEL FFR
Signifikant geringere Rate invasiver Angiografien in der CT-FFR-Gruppe; erhöhte Revaskularisierungsrate
ohne Zunahme schwerwiegender Ereignisse [41 ].
Neuerungen und Anwendungsansätze
Technische Neuerungen
Die Einführung der Photon-Counting-Computertomografie (PCD-CT) stellt einen bedeutenden
Fortschritt in der kardialen Bildgebung dar. Durch die Detektion und energieauflösende
Zählung einzelner Photonen direkt am Detektor ermöglicht sie eine höhere räumliche
Auflösung, eine Reduktion des Bildrauschens sowie eine gleichzeitige potenzielle Dosisersparnis
[48 ]
[49 ]
[50 ]. Dies erlaubt eine präzisere Charakterisierung von Koronarplaques. Phantomstudien
haben gezeigt, dass die PCD-CT insbesondere nicht-kalzifizierte und lipidreiche Plaques
genauer darstellt als konventionelle CT-Systeme [48 ]
[51 ].
Zudem konnte gezeigt werden, dass PCD-CT der konventionellen CT hinsichtlich der Beurteilbarkeit
von Stents und In-Stent-Stenosen überlegen ist [52 ]
[53 ]. Die Reduktion von Blooming-Artefakten ermöglicht eine differenziertere Plaque-
und Stentbeurteilung, was potenziell auch die Genauigkeit der CT-FFR-Berechnung verbessern
kann [54 ]
[55 ].
In einer monozentrischen Vergleichsstudie untersuchten Zsarnoczay et al. die CT-FFR-Ergebnisse
zwischen Photon-Counting-Detektoren (PCD) und klassischen energieintegrierenden Detektoren
(EID) bei 22 Patientinnen und Patienten [56 ]. Es zeigte sich eine ausgezeichnete Übereinstimmung zwischen den beiden Detektortypen,
sowohl auf Gefäß- als auch auf Patientenebene.
Brendel et al. berichteten über eine hohe Sensitivität (97,2 % auf Patientenebene;
96,6 % auf Gefäßebene) bei der KI-gestützten Detektion koronarer Stenosen in PCD-CT-Daten
unter Verwendung ultra-hochauflösender Rekonstruktionen [57 ]. Größere multizentrische Studien zur Validierung dieser Ergebnisse stehen jedoch
noch aus.
KI-gestützte Analysesysteme
Ein innovativer Ansatz zur Verbesserung der CT-FFR-Diagnostik liegt in der vollständigen
Integration KI-basierter Softwarelösungen, die eine vollautomatisierte On-Site-Analyse
ermöglichen. Zwei aktuelle Studien untersuchten die Effektivität der skCT-FFR-Software
von Shukun Technology (Shanghai, China) [45 ]
[46 ]. Diese erlaubt eine direkte Analyse vor Ort, ohne dass die Bilddaten in ein externes
Rechenzentrum übertragen werden müssen.
In einer multizentrischen, randomisierten Studie an über 5000 Patientinnen und Patienten
zeigte Guo et al., dass durch den Einsatz von skCT-FFR die Anzahl unnötiger invasiver
Koronarangiografien (ICA) um 19,4 % reduziert werden konnte – ohne Erhöhung der Rate
schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse [45 ].
Eine weitere Untersuchung an 463 Patientinnen und Patienten (600 Gefäße) belegte eine
diagnostische Genauigkeit von 82% auf Patientenebene und eine hohe Übereinstimmung
mit der invasiven FFR. Die Berechnungsdauer konnte signifikant verkürzt und die Erfolgsrate
der CT-FFR-Analysen auf über 99% gesteigert werden [46 ].
Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial KI-gestützter CT-FFR-Technologien, insbesondere
im Hinblick auf die Verbesserung von Effizienz, Workflows und diagnostischer Entscheidungsfindung
in der kardiovaskulären Bildgebung. Die Möglichkeit zur automatisierten Priorisierung
auffälliger Befunde in der Worklist stellt hierbei einen zusätzlichen Vorteil dar.
Allerdings bedarf es weiterer externer Validierungsstudien in westlichen Populationen
sowie langfristiger Outcome-Analysen, um die Übertragbarkeit der Resultate zu gewährleisten.
Dennoch könnte die Kombination aus Photon-Counting-CT und KI-basierter CT-FFR-Analyse
einen paradigmatischen Wandel in der nicht-invasiven Koronardiagnostik einleiten.
Klinische Anwendungen und Subgruppenanalysen
Die CT-FFR wird zunehmend in spezifischen Risikokollektiven und klinischen Subgruppen
untersucht. Eine Reihe von Studien fokussierte auf Patientinnen und Patienten mit
Diabetes mellitus [58 ]
[59 ]
[60 ]
[61 ]. Aufgrund mikroangiopathischer Veränderungen ist diese Gruppe besonders anfällig
für komplexe koronare Veränderungen. In mehreren Studien erwies sich die CT-FFR als
unabhängiger Prädiktor für schwerwiegende kardiale Ereignisse in dieser Population
[60 ]. Darüber hinaus wurde ein Zusammenhang zwischen dem Volumen epikardialen Fettgewebes
und dem kardiovaskulären Risiko identifiziert [59 ].
Eine Subanalyse der ADVANCE-Kohorte ergab bei Rauchern ein signifikant reduziertes
Verhältnis von Koronarvolumen zur myokardialen Masse – ein Parameter, der aus der
CT-FFR abgeleitet wird [61 ]. Ob dieses Maß als Surrogatmarker für Gefäßgesundheit geeignet ist, bleibt Gegenstand
weiterer Studien.
Weitere Arbeiten widmen sich der praktischen Integration der CT-FFR in den klinischen
Alltag [62 ], der Vergleichbarkeit verschiedener Softwarelösungen [63 ], der Beurteilung individueller Plaquemorphologien [64 ], sowie der prognostischen Bedeutung funktioneller Parameter [65 ]
[66 ]
[67 ]. Auch gesundheitsökonomische Analysen wurden durchgeführt, wobei bislang vorwiegend
Daten aus den USA verfügbar sind [68 ]
[69 ].
Erste Studien zeigen zudem, dass eine CT-FFR-gestützte Entscheidungsfindung präoperativ
vor Bypassoperationen mit geringerer Komplikationsrate und höherer Offenheitsrate
der Bypässe assoziiert ist [70 ]
[71 ].
In einer prospektiven multizentrischen Studie konnte Mortensen et al. zeigen, dass
sich CT-FFR-Werte unter intensiver lipidsenkender Therapie im Verlauf verbessern,
was das Potenzial für Verlaufsuntersuchungen unter Therapie unterstreicht [72 ].
Auch für die Beurteilung der atherosklerotischen Gesamtlast eignet sich die CT-FFR,
wie die Arbeit von Chen et al. zeigt [73 ]. Schuessler et al. beschrieben den Einsatz der CT-FFR zur Risikostratifizierung
bei Patientinnen und Patienten vor Lebertransplantation [74 ].
Kübler et al. untersuchten die diagnostische Leistungsfähigkeit von KI-gestützter
Koronarer CT-Angiografie (cCTA) bei asymptomatischen Marathonläufern [75 ]. Dies kann zu Überdiagnosen führen, insbesondere bei Populationen mit niedriger
KHK-Prävalenz. Die CT-FFR könnte hier helfen, falsch-positive morphologische Befunde
funktionell zu entkräften. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Sensitivität und negativen
prädiktiven Wert (NPV), jedoch eine niedrigere positive prädiktive Wertigkeit (PPV),
was auf eine potenzielle Überschätzung von Stenosen hinweist. Die Arbeit zeigt, dass
die CT-FFR auch in Bevölkerungsgruppen mit einem geringen kardiovaskulären Risiko
sinnvoll sein kann, jedoch spezifische Herausforderungen mit sich bringt. Die Studie
hebt hervor, dass die KI-Modelle eine hohe Sensitivität aufweisen, jedoch eine vergleichsweise
niedrige Spezifität, wodurch es häufiger zu falsch-positiven Befunden kommt [75 ]. Diese Überdiagnose kann insbesondere bei Populationen mit niedriger KHK-Prävalenz
(z.B. Sportlern) zu unnötigen invasiven Untersuchungen führen.
Für Patientinnen und Patienten mit geplanter Transkatheter-Aortenklappenimplantation
(TAVI) wurde die Rolle der CT-FFR in zahlreichen Studien untersucht [12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[20 ]
[76 ]
[77 ]
[78 ].
Ziel ist eine präzisere Identifikation hämodynamisch relevanter Koronarstenosen im
Vergleich zur cCTA allein sowie die Vermeidung unnötiger invasiver Koronarangiografien
in dieser besonders vulnerablen Patientengruppe ([Abb. 6 ]).
Abb. 6 Möglicher Nutzen der CT-FFR vor TAVI: In der cCTA einer 80-jährigen Patientin vor
TAVI-Operation wurde visuell eine schwere Stenose im mittleren Bereich der LAD und
der LCX vermutet (a ), wobei in der CT-FFR beide proximalen Stenosen mit einem Wert von 0,91 bewertet
wurden (b ), (Anwender Siemens Healthineers, cFFR, version 3.5). In der invasiven Koronarangiografie
wurde das Ergebnis der CT-FFR bestätigt bei visuellen Stenosen von nur 30 bzw. 40
%.
Bei Patientinnen und Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose, die typischerweise
älter sind und multiple Komorbiditäten aufweisen, besteht ein besonderes Interesse
an einer Reduktion potenziell belastender Kontrastmittelgaben und invasiver Eingriffe
[79 ].
In dieser Konstellation kann die CT-FFR zur funktionellen Einschätzung beitragen,
ohne zusätzliche Belastung oder prozedurale Risiken zu verursachen.
Steyer et al. zeigten in einer Subanalyse ihrer Kohorte, dass mittels CT-FFR schwere
kardiale Ereignisse nach TAVI prädiktiv identifiziert werden konnten [80 ]. Auch Aquino et al. berichteten, dass durch Integration der CT-FFR in bestehende
prädiktive Modelle der Vorhersagewert für das Auftreten von schweren kardialen Ereignissen
signifikant verbessert wurde (p = 0,002), während kein signifikanter Effekt auf die
Gesamtmortalität festgestellt wurde (p = 0,67) [81 ].
CT-FFR bei akuter und stabiler Angina pectoris: Gatekeeper-Potenzial
Die CT-FFR trägt signifikant zur Reduktion unnötiger invasiver Koronarangiografien
bei und kann damit nicht nur die Versorgungsqualität verbessern, sondern auch Kosten
einsparen. In einer Metaanalyse von Zhuang et al. zur akuten Koronarsymptomatik zeigte
sich auf Patientenebene eine gepoolte Sensitivität von 89% und eine Spezifität von
71%, auf Gefäßebene 85% bzw. 82%. Während die Sensitivität der CT-FFR jener der cCTA
vergleichbar war, erwies sich die Spezifität als überlegen [82 ].
Martin et al. demonstrierten in einer Akutsituation, dass die CT-FFR ein besserer
Prädiktor für eine notwendige koronare Revaskularisation sowie für schwerwiegende
unerwünschte kardiale Ereignisse war als ein Triple-Rule-out-CT allein (Odds Ratio:
3,4 vs. 2,2) [83 ].
Eine aktuelle Studie von Meier et al. belegte, dass die CT-FFR auch bei Hochrisiko-NSTEMI-Patienten
eine bessere diagnostische Genauigkeit aufweist als die cCTA und dabei hilft, hämodynamisch
nicht signifikante Stenosen auszuschließen [84 ]. Dadurch konnte die CT-FFR unnötige invasive Eingriffe reduzieren.
Fischer et al. zeigten, dass Patienten mit einer CT-FFR >0,8 ein geringeres Risiko
für schwerwiegende kardiale Ereignisse aufweisen [85 ]. Madsen et al. bestätigten diesen schützenden Effekt auch bei Patienten mit chronischer
Angina pectoris [86 ], was darauf hinweist, dass auch in dieser Gruppe unnötige invasive Angiografien
vermieden werden können.
Dies gilt auch für Patientinnen und Patienten mit chronischer Angina pectoris, bei
denen eine CT-FFR-basierte Strategie zu einer signifikanten Reduktion invasiver Eingriffe
führen kann [87 ]
[88 ].
Eine groß angelegte randomisierte Studie von Yang J et al. mit 1216 Patienten zeigte,
dass der Anteil der Patienten mit stabiler KHK, die einer invasiven Koronarangiografie
unterzogen wurden, in der CT-FFR-Gruppe signifikant geringer war [41 ]. Interessanterweise war in dieser Kohorte die Revaskularisierungsrate höher, jedoch
ohne eine erhöhte Rate schwerwiegender unerwünschter kardialer Ereignisse [41 ].
Diese Ergebnisse werden durch eine Metaanalyse von Di Pietro et al. gestützt, die
bei stabiler KHK eine niedrigere Angiografierate, aber höhere Revaskularisierungsrate
unter Einsatz der CT-FFR dokumentiert – ohne Unterschiede in Mortalität oder MACE
nach einem Jahr [89 ].
Die CT-FFR ermöglicht darüber hinaus eine zusätzliche funktionelle Stratifizierung
innerhalb der CAD-RADS-Klassifikation. Während bei CAD-RADS 0–2 eine Ischämie unwahrscheinlich
ist, erfordert ein CAD-RADS ≥3 eine differenzierte Abklärung [90 ]. Hier kann die CT-FFR als nicht-invasive Methode zur Ischämie-Stratifizierung beitragen
und eine Schlüsselrolle bei der Entscheidungsfindung zwischen invasiver oder konservativer
Therapie einnehmen.
Vergleich funktioneller Bildgebungsverfahren
Die CT-FFR wird zunehmend als funktionelle Ergänzung zur cCTA betrachtet und konkurriert
in dieser Rolle mit Verfahren wie SPECT, CT-Perfusion und Stress-MRT. Bei stabiler
KHK zeigen mehrere Studien eine vergleichbare diagnostische Genauigkeit zwischen CT-FFR
und SPECT, wobei die Sensitivität der CT-FFR teilweise höher ausfällt [91 ]
[92 ]
[93 ]
[94 ]
[95 ].
Nørgaard et al. demonstrierten, dass bei intermediären Stenosen durch den Ersatz einer
Myokardperfusionsbildgebung mittels CT-FFR bei sonst stabiler koronarer Herzerkrankung
die Rate invasiver Angiografien reduziert werden konnte [96 ].
Zur Risikoabschätzung zeigen Miyajima K et al., dass bei Läsionen mit einer Stenose
≥50% in der cCTA die diagnostische Genauigkeit der CT-FFR (AUC 0,81) der von SPECT
wiederum (AUC 0,64, p = 0,0239) signifikant überlegen war [97 ].
CT-FFR und CT-Perfusion gelten als sich ergänzende Verfahren. Eine kombinierte Anwendung
kann insbesondere die Spezifität verbessern, ohne die Sensitivität negativ zu beeinflussen
[98 ]
[99 ]. Ähnliches zeigen die Ergebnisse von Soschynski et al., die in ihrer Studie keinen
signifikanten Unterschied in der diagnostischen Genauigkeit zwischen cCTA in Kombination
mit CT-FFR und cCTA in Kombination mit CT-Perfusion bei der Detektion hämodynamisch
relevanter Koronarstenosen feststellen konnten [10 ]. Die Autorinnen und Autoren schlagen auf Basis ihrer Ergebnisse einen sequenziellen
diagnostischen Ansatz vor, bei dem eine initiale cCTA mit CT-FFR durch eine ergänzende
CT-Perfusion erweitert wird, um die Spezifität weiter zu steigern – ohne Einbußen
bei der Sensitivität [10 ].
Vergleiche mit der kardialen MRT zeigen, dass die CT-FFR auf Gefäßebene ähnliche diagnostische
Leistungen aufweist, die MRT aber auf Patientenebene durch höhere Spezifität überlegen
sein kann. Eine kleinere systematische Analyse von 110 Patienten aus Dänemark ergab
bei stabiler Angina pectoris vergleichbare Ergebnisse für die diagnostische Genauigkeit
für die cCTA, die CT-FFR und die kardiale MRT. Die Sensitivität zur Vorhersage einer
Revaskularisierung war bei der CT-FFR auch hier am höchsten, während die Spezifität
bei der MRT am höchsten war [100 ]
[101 ]
[102 ].
Kosten-Nutzen-Verhältnis
Mehrere Studien untersuchten die ökonomischen Auswirkungen der CT-FFR im Vergleich
zu konventionellen Strategien. Wenngleich zahlreiche Studien unterschiedlicher Größe
zur klinischen Anwendung bestehen, sind die bisherigen Kosten-Nutzen-Analysen in der
Anzahl weit geringer. Hlatkey et al. zeigen in einer Teilstudie mit 96 Patienten aus
DISCOVER-FLOW eine Kostenersparnis von 30% bei selektivem Einsatz der CT-FFR bei der
Identifizierung von Patienten die eine Koronarintervention benötigen [103 ].
Ähnliche Einsparungen (32%) bei gleichzeitig reduzierter Ereignisrate (–19%) wurden
in einer japanischen Kohorte von Kimura et al. berichtet [104 ].
Eine retrospektive Analyse von Graby et al. aus Großbritannien ergab eine verbesserte
Kosteneffizienz bei Anwendung der CT-FFR ab einem Stenosegrad von >50% [105 ].
Für Deutschland zeigt die Studie von Colleran et al. anhand von 116 Patienten, dass
signifikant Kosten pro Patient eingespart werden können durch eine reduzierte Anzahl
an notwendigen invasiven Angiografien [88 ]. In der Studie konnten insgesamt 40 Angiografien eingespart werden, da eine relevante
KHK im Vorfeld durch die Kombination von cCTA und CT-FFR ausgeschlossen werden konnte,
ohne das Auftreten von unerwünschten schweren kardialen Ereignissen in einem Nachsorgezeitraum
von einem Jahr.
Demgegenüber wiesen Mittral et al. auf höhere Pro-Kopf-Kosten im Vergleich zu Stressbildgebung
mittels SPECT oder MRT hin, basierend auf Daten von knapp 2300 Patientinnen und Patienten
[106 ].
Insgesamt zeigen die Studien ein potenzielles Einsparungspotenzial der CT-FFR, insbesondere
bei gezieltem Einsatz. Für eine belastbare gesundheitsökonomische Bewertung sind jedoch
weitere prospektive Analysen erforderlich – insbesondere unter Berücksichtigung europäischer
Versorgungssysteme.
Limitationen
Die Anwendung der CT-FFR ist mit mehreren technischen und systemimmanenten Einschränkungen
verbunden. Eine zentrale Limitation besteht in der eingeschränkten Beurteilbarkeit
kompletter Koronarverschlüsse, da die zugrunde liegenden Algorithmen auf durchgängige
Gefäßstrukturen angewiesen sind. Auch anatomische Varianten – etwa aberrante oder
fehlende Koronararterien – können die Modellierung und Interpretation beeinträchtigen.
Die Genauigkeit der CT-FFR hängt wesentlich von der Qualität der zugrunde liegenden
Bilddaten ab. Ungünstige Kontrastmittelverteilung, Bewegung durch Arrhythmien oder
unzureichende Atemanhaltefähigkeit können Artefakte verursachen und die Analyse einschränken
[8 ]
[107 ]
Nach erfolgter Revaskularisation – etwa bei Stentimplantationen oder Bypass-Operationen
– ist die Aussagekraft der CT-FFR limitiert. Metallartefakte können die Segmentierung
und Flussmodellierung erheblich beeinträchtigen. Nur wenige Studien zeigen bisher
eine zuverlässige Bewertung von In-Stent-Stenosen [108 ]
[109 ].
Kleinere Gefäße und Seitenäste werden häufig nicht in die Flussberechnung einbezogen,
was die Genauigkeit in bestimmten klinischen Szenarien reduziert [110 ]. Fortschritte in der Softwareentwicklung könnten hier perspektivisch Abhilfe schaffen
[111 ].
Die Auswertung der CT-FFR erfordert – insbesondere bei halbautomatischen Lösungen
– Erfahrung in der manuellen Nachbearbeitung. Die interaktive Korrektur der Segmentierung
oder Gefäßkonturen kann zu interindividuellen Unterschieden führen und erfordert spezialisiertes
Fachwissen.
Zudem bestehen weiterhin hohe Anforderungen an Rechenleistung und IT-Infrastruktur.
Die Kosten für Softwarelizenzen sowie die noch begrenzte Zahl validierter Anwendungen
stellen Hindernisse für eine breite klinische Implementierung dar. Eine flächendeckende
Routineanwendung ist derzeit wirtschaftlich nur eingeschränkt realisierbar.
Zukünftige Entwicklungen sollten auf eine verbesserte Bildqualität, die Reduktion
von Artefakten sowie die Standardisierung herstellerübergreifender Algorithmen abzielen.
Auch die Robustheit bestehender KI-Modelle muss erhöht werden, um falsch-positive
Ergebnisse zu minimieren [72 ].
Bislang fehlen weitere Studien, die einen direkten Vergleich zwischen den einzelnen
Softwareanwendungen untereinander untersuchen. Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse
einzelner Studien mit einer spezifischen Software auf andere Softwareanwendungen ist
aktuell noch nicht gegeben bei insgesamt geringem gegebenem Level an Standardisierung
zwischen den Softwareanbietern.
Schlussfolgerung und Ausblick
Aktuelle Studien belegen das hohe diagnostische und prognostische Potenzial der CT-FFR
in verschiedenen Patientenkollektiven. Die Integration von Photon-Counting-CT, Deep-Learning-Algorithmen
und KI-gestützten Workflows verspricht eine Weiterentwicklung der nicht-invasiven
funktionellen Bildgebung.
Trotz der technologischen Fortschritte bleibt der breite klinische Einsatz limitiert.
Technische Herausforderungen, hohe Infrastrukturanforderungen und unzureichende Standardisierung
der Softwarelösungen erschweren die flächendeckende Implementierung. Auch eine vergleichende
Bewertung unterschiedlicher Softwareanbieter steht bisher aus.
Für eine fundierte gesundheitsökonomische und klinische Bewertung sind prospektive,
multizentrische Langzeitstudien notwendig, idealerweise mit herstellerübergreifender
Validierung und standardisierten Workflows.
Perspektivisch könnte die CT-FFR die invasive Diagnostik nicht ersetzen, jedoch sinnvoll
ergänzen – insbesondere bei komplexen oder multiplen Stenosen, bei denen eine visuelle
Einschätzung allein nicht ausreicht. Die Möglichkeit, auffällige Fälle automatisiert
zu priorisieren, könnte zudem die Effizienz in der Befundung erhöhen.
Die zunehmende Verbreitung der CT-FFR und deren verbesserte Anwendbarkeit im klinischen
Alltag stellen eine zukünftige mögliche vielversprechende Entwicklung dar. Bis jetzt
ist eine Anwendung in der klinischen Routine allerdings noch nicht wirtschaftlich
umsetzbar und beschränkt sich hauptsächlich auf den Forschungsbereich sowie Einzelfallanalysen.
Eine breite klinische Implementierung erfordert zugelassene, on-site einsetzbare Softwarelösungen,
die eine unmittelbare Integration in bestehende diagnostische Abläufe ermöglichen.
Langfristig könnte die CT-FFR so zu einem festen Bestandteil der patientenindividuellen
kardiovaskulären Risikostratifizierung werden.