Open Access
CC BY 4.0 · Fortschr Neurol Psychiatr
DOI: 10.1055/a-2708-3648
Übersichtsarbeit

Ein Review und Leitfaden für die adäquate und interdisziplinäre (sozial-)medizinische Versorgung von Menschen mit einem Down-Syndrom und einer dementiellen Entwicklung

A review and guideline for the adequate and interdisciplinary (socio-)medical care of people with Down syndrome and dementia development

Authors

  • Olivia Wagemann

    1   Neurologie, LMU Klinikum Neurologische Klinik und Poliklinik, München, Germany (Ringgold ID: RIN232735)
    2   DZNE, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Standort München, Munich, Germany
  • Valentina A. Tesky

    3   Goethe-Universität Frankfurt am Main Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Germany (Ringgold ID: RIN84524)
  • Arthur Schall

    3   Goethe-Universität Frankfurt am Main Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Germany (Ringgold ID: RIN84524)
  • Georg Nübling

    1   Neurologie, LMU Klinikum Neurologische Klinik und Poliklinik, München, Germany (Ringgold ID: RIN232735)
  • Elisabeth Wlasich

    1   Neurologie, LMU Klinikum Neurologische Klinik und Poliklinik, München, Germany (Ringgold ID: RIN232735)
  • Theresa Hüer

    4   Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany (Ringgold ID: RIN163103)
  • Anke Walendzik

    5   Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen, Germany (Ringgold ID: RIN645339)
  • Milena Weitzel

    4   Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany (Ringgold ID: RIN163103)
  • Godwin D. Giebel

    4   Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany (Ringgold ID: RIN163103)
  • Pascal Raszke

    4   Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany (Ringgold ID: RIN163103)
  • Jürgen Wasem

    4   Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Medizinmanagement, Essen, Germany (Ringgold ID: RIN163103)
  • Johannes Pantel

    3   Goethe-Universität Frankfurt am Main Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt, Germany (Ringgold ID: RIN84524)
  • Johannes Levin

    1   Neurologie, LMU Klinikum Neurologische Klinik und Poliklinik, München, Germany (Ringgold ID: RIN232735)
    2   DZNE, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Standort München, Munich, Germany
    6   SyNergy, Munich Cluster for Systems Neurology, Munich, Germany

Supported by: Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses Projekt-Nr. 01VSF21030
Supported by: Else-Kröner-Fresenius-Stiftung 022_EKEA.133
 

Zusammenfassung

Hintergrund

Die Alzheimer-Krankheit (AD) zählt zu den häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen im Alter. Menschen mit Down-Syndrom (DS) haben aufgrund der Trisomie 21 und der Überexpression des Amyloid Precursor Protein ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Demenz durch AD mit Prävalenzen von bis zu 88% jenseits des 65. Lebensjahres. Dennoch fehlen strukturierte Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Down-Syndrom-assoziierten Alzheimer-Demenz (DSAD).

Methoden

Es wurde eine narrative Übersicht der relevanten Literatur zu Ätiologie, Diagnostik, Therapie und Versorgung bei DSAD erstellt. Zudem erfolgte eine Evaluation bestehender Standards der allgemeinen Demenzdiagnostik bzgl. der Besonderheiten bei Menschen mit DS.

Ergebnisse

Etablierte diagnostische Verfahren sind auch bei Menschen mit DS anwendbar, müssen jedoch hinsichtlich Symptomwahrnehmung, Testdurchführung und Befundinterpretation angepasst werden. Die Sensibilisierung von Angehörigen und Versorgern sowie die frühzeitige Anbindung an spezialisierte Zentren sind entscheidend für eine zielgerichtete Diagnostik und Therapie.

Diskussion

Eine verbesserte Versorgung von Menschen mit DSAD erfordert eine enge Kooperation zwischen Regelversorgung und spezialisierten Einrichtungen. Dieses Review gibt einen Überblick über die medizinischen, diagnostischen und strukturellen Anforderungen bei Verdacht auf DSAD und leitet praxisnahe Handlungsempfehlungen für die Versorgung ab. Der abschließende Leitfaden soll somit helfen, bestehende Unsicherheiten in der Praxis zu reduzieren und eine langfristige, bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen.


Abstract

Background

Alzheimer’s disease (AD) is one of the most common neurodegenerative disorders in older age. Individuals with Down syndrome (DS) are at significantly increased risk due to trisomy 21 and the resulting overexpression of the amyloid precursor protein. Prevalence rates of AD-related dementia in DS (DSAD) reach up to 88% beyond the age of 65. Despite this, structured diagnostic and therapeutic guidelines for DSAD are lacking.

Methods

A narrative review of current literature on etiology, diagnosis, treatment, and care pathways for DSAD was conducted. Currently employed dementia diagnostic standards were evaluated in regard to the specific needs of individuals with DS.

Results

Established diagnostic methods are applicable to individuals with DS but require adaptations regarding symptom recognition, test administration, and interpretation. Early awareness among caregivers and healthcare providers, as well as timely referral to specialized centers, is essential for accurate diagnosis and treatment planning.

Conclusions

Improving care for individuals with DSAD requires close coordination between general healthcare services and specialized centers. This review highlights the medical, diagnostic, and structural challenges in suspected DSAD and provides practical recommendations for patient care. The proposed guideline aims to reduce uncertainties in clinical practice and support sustainable, needs-based care.


Menschen mit Down-Syndrom (DS) haben ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Demenz bei Alzheimer-Krankheit (AD) [1] mit Prävalenzraten bis zu 88% jenseits des 65. Lebensjahrs [2], sind jedoch in den Demenz-Leitlinien bislang nicht berücksichtigt [3]. Dieses Review thematisiert diagnostische und therapeutische Anforderungen sowie strukturelle Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte, nachhaltige Versorgung von Demenz bei DS, mit Fokus auf die Kooperation von Regelversorgung und spezialisierten Zentren.

Besonderheiten der Alzheimer-Demenz bei Down-Syndrom

Das DS geht aufgrund der assoziierten Intelligenzminderung (IM) mit starken interindividuellen Unterschieden kognitiver Leistungsfähigkeiten, z. B. Gedächtnis und Kommunikationsfähigkeit, einher [4], die die Abgrenzung erworbener kognitiver Störungen erschweren, die sich z.T. deutlich von denen der sporadischen AD unterscheiden [5]: Während Letztere klassischerweise mit Veränderungen in Gedächtnis und Orientierung beginnt, kann sich die Symptomkonstellation bei DSAD deutlich heterogener gestalten [6].

So werden bei der Befragung von Angehörigen und Pflegenden Veränderungen im Kurzzeitgedächtnis berichtet, wie Vergessen von Namen und kürzlich zurückliegenden Gesprächsinhalten [7]. Die Beeinträchtigung exekutiver Subdomänen scheint jedoch ebenfalls ein frühes Symptom der DSAD zu sein [8]. Dabei wird von vermehrtem sozialem Rückzug, allgemeiner psychomotorischen Verlangsamung, abnehmender Eigeninitiative sowie reduzierter Fähigkeit Anweisungen im Alltag umzusetzen, berichtet [8] [9]. Zudem können Beeinträchtigungen von Konzentration, Aufmerksamkeit und Planungsfähigkeit auftreten, später zudem Disinhibition und Apathie [10] [11]. Letztere können Zeichen eines prodromalen Stadiums darstellen, während die manifeste DSAD häufig von Agitation, Hyperaktivität, generalisierter Verlangsamung und psychotischen Symptomen geprägt scheint [12], einhergehend mit zunehmenden psychiatrischen Symptomen wie visuellen Halluzinationen, Depressionen und Störungen des Schlafrhythmus [13]. Neben Veränderungen der frontalen Hirnfunktionen können zudem Motorik und Koordination beeinträchtigt sein [14]. Auch werden oft verminderte Artikulation und Intonation sowie reduzierte Sprechgeschwindigkeit und Sprachverständigung berichtet [8].


Erkennen und Erfassen neuer Defizite

Da die interindividuellen Unterschiede im funktionellen und kognitiven Ausgangsniveau eine Einschätzung neu aufgetretener Defizite im Erstkontakt deutlich erschweren [4] [10], sind Angehörige und Pflegende eine wertvolle Informationsquelle zur fremdanamnestischen Beurteilung einer dementiellen Entwicklung, wie auch bzgl. sozialer Umstände und kürzlich zurückliegender Lebensereignisse [11]. Zur strukturierten Fremdanamnese von Veränderungen der Kognition, Alltagsfunktion, Schlafverhalten, Mobilität und (Sozial-)Verhalten sind dabei validierte Testinstrumente essentiell [15]. Hierfür stehen Fremderhebungsbögen (z. B. DSQIID, Dementia-Screening-Questionnaire for Individuals with Intellectual Disability) [7] wie auch strukturierte diagnostische Interviews (z. B. Interview-Teil der Testbatterie CAMDEX-DS (Cambridge Examination for Mental Disorders of Older People with Down’s Syndrome)) [16] in validierter deutschsprachiger Fassung zur Verfügung. Dies ermöglicht eine weitgehend standardisierte Erhebung, ist jedoch der subjektiven Wahrnehmung der Berichtenden unterworfen. So tendieren Betreuende dazu, vornehmlich zu berichten, was Alltag und/oder Pflege der Betroffenen berührt. Genauso können Häufigkeit und Intensivität des Kontakts die Wahrnehmung beeinflussen. So werden Patient:innen, die zuhause leben, bis zu fünf Jahre früher mit einer Demenz diagnostiziert [17], während z. B. ein häufiger Wechsel des Pflegepersonals in der Heimbetreuung dies verzögern könnte. Auch können Einschränkungen der Berichtenden selbst, z. B. alternde Eltern, Berichte verzerren.


Klinische Einordnung und Differentialdiagnostik

Im initialen ärztlichen Kontakt ist vor einer dezidierten Demenz-Diagnostik die differentialdiagnostische Exploration essenziell. Hierfür ist eine ausführliche Anamnese zu relevanten Komorbiditäten, der (Compliance bei/ Veränderung von) Dauermedikation, wie auch eine neurologische und orientierend-internistische Untersuchung durchzuführen, um organische (u. a. Seh-/Hörstörung, Schmerzen, Immobilisation, Epilepsie, Schlaganfall, Delir, endokrinologische oder hormonelle Dysbalancen) [18] oder psychiatrische Erkrankungen (u. a. Depression, Autismus-Spektrum-Erkrankung, Regressions-Syndrom) als Ursache einer vermeintlichen erworbenen kognitiven Störung auszuschließen [19] wie auch zeitgleich auftretende Erkrankungen abzugrenzen (z. B. Epilepsie, Depression) [20].


Neuropsychologische Objektivierung kognitiver Defizite

Zur Untersuchung (fremd)anamnestischer kognitiver Defizite ist eine neuropsychologische Evaluation sinnvoll. Anders als in der normativen Bevölkerung existiert bei Patient:innen mit einer IM allerdings kein standardisiertes neuropsychologisches Testinstrument, was in jüngster Vergangenheit die Entwicklung neuer Testinstrumente [21] zur differenzierten Leistungserfassung kognitiver Funktionen in DS motivierte. Exemplarisch ist hier die Testbatterie CAMCOG-DS (Cambridge Examination for older Adults with Down’s Syndrome, neuropsychologischer Teil der CAMDEX-DS), die sich im europäischen Raum zur dezidierten Diagnostik und Verlaufsbeurteilung der Demenz bei DS etabliert hat [16]. Diese untersucht v. a. die Domänen Orientierung, Sprachverständnis & -produktion, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Praxis, Abstraktion und Visuokonstruktion, und erleichtert somit die Diagnose einer Demenz nach ICD-10 und DSM-5 [19].

Aufgrund interindividueller Unterschiede im kognitiven Ausgangsniveau, intraindividueller Schwankungen der Testleistung sowie ggf. fehlender Quantifizierung der IM vor Auftreten neuer Defizite ist die Aussagekraft einer einmaligen Neuropsychologie jedoch limitiert [22]. Die CAMCOG-DS charakterisiert daher v. a. den kognitiven Leistungsabfalls im Verlauf, sodass die Basis-Untersuchung idealerweise bei unbeeinträchtigten Patient:innen erfolgt - dies kann ab 40 Jahren erwogen werden - um bei späterem Demenzverdacht den diagnostischen Prozess zu beschleunigen [23] und eine frühzeitige Behandlung zu ermöglichen [24]. Ebenso ist bei bereits fortgeschrittener Demenz wichtig, die Dynamik der Symptomatik der Betroffenen regelmäßig mit validen Instrumenten zu erfassen, um den Krankheitsverlauf abzubilden [25], was u. a. in einer frühzeitigen Anpassung therapeutischer Maßnahmen resultieren kann.


Differentialdiagnostische Laboranalytik

Mit der klinischen Beurteilung sollten ergänzende Blutuntersuchungen auf potenzielle Differentialdiagnosen einer dementiellen Veränderung erfolgen. Dies beinhaltet u. a. Elektrolythaushalt, Infektparameter, Blutbild, Schilddrüsenhormone, Vitamin B12/1/6- und Folsäure-Spiegel, sowie Hinweise auf Intoxikation (z. B. bei Dauermedikation mit Benzodiazepine, Antikonvulsiva, etc.) [19].

Zeigt sich dies unauffällig, besteht die Indikation zur dezidierten Diagnostik einer Alzheimer-Pathologie, die u. a. durch den Liquornachweis von reduziertem beta-Amyloid-1–42 (Aβ1–42) in Kombination mit erhöhten Konzentrationen von phosphoryliertem Tau (T) und/oder Gesamt-Tau (N), definiert wird [26]. Hintergrund ist die initiale Ablagerung von zerebralen Amyloid-Plaques mit nachfolgender intrazellulärer Hyperphosphorylierung von Tau-Protein und sukzessiver Aggregation dieser zu „Tau-Tangles“ [27], ein Prozess der mit klinischer Symptomatik korreliert [28] [29]. Zum supportiven Nachweis einer unspezifischen Neurodegeneration hat sich neben der Bestimmung von Gesamt-Tau [28] [30] auch die Analyse der Neurofilament-Leichtkette (NFL) etabliert, die bei Menschen mit DS und einer dementiellen Entwicklung sogar eine bessere diagnostische Performance als in der sporadischen AD zeigt [30] [31].

Die notwendige Durchführung einer Lumbalpunktion ist für die Demenzdiagnostik der normativen Bevölkerung bereits Teil der Leitlinien und somit diagnostische Praxis [3], in DS bislang jedoch nur selten und oft im Kontext klinischer Studien durchgeführt [27]. Trotz vergleichbarer Befundkonstellation der Biomarker zur autosomal-dominanten [28] und sporadischen AD [27], ist die Haltung bei DSAD teils noch zurückhaltend [32] [33]. Diese diagnostische Lücke ist in Anbetracht der nachgewiesenen Durchführbarkeit und Sinnhaftigkeit nicht gerechtfertigt; bei ähnlicher Häufigkeit seltener Komplikationen wie postpunktioneller Kopfschmerz oder Benommenheit [32]. In der Tat zeigt sich auch bei DSAD eine Reduktion der Aβ1–42/Aβ1–40-Ratio (Aβ-Ratio) um bis zu 50% sowie eine ca. zweifache Erhöhung von Gesamt- und phosphoryliertem Tau-Protein [27]: Während absolute Konzentrationen von Aβ1–40 und Aβ1–42 bei jungen Erwachsenen mit DS erhöht sind (vermutlich aufgrund der APP-Überexpression) [28] [34], nimmt die Aβ-Ratio ab der dritten Lebensdekade sukzessive ab, einhergehend mit zunehmenden Amyloid-Ablagerungen [27] [28].

Im Blut ist ebenfalls eine Konzentrationserhöhung von Aβ1–42 und Aβ1–40 mit konsekutivem Abfall von Aβ1–42 in der dritten Lebensdekade zu beobachten [27] [35], die diagnostische Aussagekraft in asymptomatischen oder prodromalen Stadien ist jedoch fraglich, wie auch die allgemeine klinische Korrelation [36]. Ähnlich ist für Gesamt-Tau im Blut bislang keine diagnostische Relevanz in DSAD nachgewiesen, ähnlich der sporadischen AD [37]. Die Quantifizierung von phosphoryliertem Tau im peripheren Blut hingegen birgt großes Potenzial. Konzentrationen steigen um das Alter von 35 Jahren, also dann, wenn erste diffuse Amyloid-Plaques beobachtet werden können, und korrelieren mit dem Beginn der klinischen Symptomatik bei DSAD [30]. Ein weiterer vielversprechender Blutbiomarker ist NFL, die zwar allgemein im Alter ansteigt [35], jedoch eine signifikante Korrelation mit der klinischen Diagnose einer DSAD zeigt [38] und auf Gruppenebene Proband:innen im Prodromalstadium von kognitiv Gesunden unterscheiden kann [30].


Einsatz gezielter apparativer Diagnostik

Zuletzt sollte bei anhaltendem Verdacht einer dementiellen Entwicklung eine apparative Bildgebung erfolgen; idealerweise mittels zerebraler Magnetresonanztomographie (cMRT) und/oder Positronenemissionstomografie (PET), zum indirekten Nachweis zerebraler Amyloid-/Tau-Ablagerungen.

Eine cMRT ermöglicht u. a. den differentialdiagnostischen Ausschluss von strukturellen Läsionen, Blutungen oder Raumforderungen [19] wie auch den Nachweis Alzheimer-typischer Atrophiemuster im Bereich von Hippocampus, Amygdala, Thalamus, Striatum und posteriorem zingulärem Cortex, ähnlich der sporadischen Alzheimer-Krankheit [39].

Kortikale Amyloid-Plaques wiederum können indirekt durch intravenöse Amyloid-bindende PET-Tracer dargestellt werden; eine Bildgebungsmethode, die auch bei DS gut und sicher durchführbar ist [40], bei Berichten vermehrter Traceraufnahme in DSAD [41]. Amyloid-plaques beginnen meist im Striatum und dehnen sich sukzessive über präfrontale und parietale bis in die mediotemporalen Areale aus, ähnlich der autosomal-dominanten AD [42]. Mehrere Jahre nach dem Auftreten von Amyloid-Plaques kommt es zur Bildung von phosphoryliertem intrazellulärem Tau welches in Autopsien eine Braak-ähnliche Abfolge mit Beginn im transentorhinalen Kortex und Ausbreitung über Hippocampus bis zur Neokortex zeigt [43]. Die indirekte Quantifikation mittels PET-Tracer zeigt Korrelationen mit neuropsychologischen Größen und klinischer Symptomatik in DSAD [43] [44]. Die Computertomografie sollte lediglich bei Fehlen von Compliance oder Infrastruktur, wie dem Vorhandensein von MRT/PET, zum Ausschluss grober strukturelle Defizite (z. B. Schlaganfall, Raumforderung) erfolgen.


Symptomatische Behandlung der DSAD

Pharmakotherapie

Die pharmakologische Behandlung der DSAD stellt eine Herausforderung dar, da robuste Evidenz zur Wirksamkeit spezifischer Medikamente u. a. aufgrund geringe Fallzahlen und methodische Limitationen begrenzt ist [33] [45]: Acetylcholinesterase-Hemmer wie Donepezil und Rivastigmin sowie der NMDA-Rezeptor-Antagonist Memantin sind in der Therapie der sporadischen Alzheimer-Demenz etabliert [3], ihre Effekte bei Menschen mit DSAD jedoch unzureichend untersucht [46]. Existierende Studien deuten allerdings darauf hin, dass z. B. Donepezil positive Effekte auf das kognitive Funktionsniveau in DSAD haben könnte. Eine nicht-randomisierte kontrollierte Pilotstudie mit sechs Proband:innen zeigte eine signifikante Verbesserung der Demenz-Scores über 3–5 Monate [47]. Zudem berichtete eine 24-wöchige, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Pilotstudie eine Verbesserung in mehreren kognitiven Domänen durch Donepezil in DSAD, wenngleich bei geringer Stichprobengröße [48]. In einer weiteren 24-wöchigen randomisierten, doppelblinden Studie konnte ebenso bei Patientinnen mit DS und schwerer kognitiver Beeinträchtigung eine signifikante Verbesserung alltagspraktischer Fähigkeiten unter Donepezil beobachtet werden [49].

Die Anwendung von Rivastigmin bei DSAD verblieb bislang ohne eindeutige Wirkung auf kognitive oder adaptive Funktionen, jedoch erwies sich die transdermale Applikation als gut verträglich und ist ggf. – im Sinne bestmöglicher Medikamenten-Compliance und geringer gastrointestinale Nebenwirkungen – eine willkommene Alternative zur oralen Einnahme [46].

Die Wirksamkeit von Memantin bei DSAD bleibt umstritten. In einer Studie ergaben sich signifikante Effekte auf kognitive Outcomes (u. a. verbales Lernen und Gedächtnis) [50], bei gleichzeitig guter Verträglichkeit des Medikaments wohingegen andere Studien keine überzeugenden Hinweisen auf einen symptomatisch-therapeutischen Effekt liefern konnten [46].

Trotz Fehlen robuster Ergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeit von Antidementiva bei DSAD sollte der Einsatz, bei akzeptabler Verträglichkeit und Hinweisen auf eine erhöhte mediane Überlebenszeit von Menschen mit DS unter antidementiver Medikation [51], erwogen werden. Der Einsatz von Psychopharmaka hingegen sollte nur in Ausnahmen zur Behandlung von Verhaltensproblemen, psychotischen Symptomen, depressiven Symptomen und Schlafstörungen (z. B. Nachtsedierung) erfolgen. Neuroleptika sollten generell nur in niedrigster wirksamer Dosis und so kurz wie möglich verwendet werden, regelmäßig überprüft und nur bei Bedarf erhöht werden. Mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (z. B. Antidementiva und Antipsychotika) sollten ebenfalls beachtet und engmaschig überprüft werden [52].

Mit der Zulassung des monoklonalen Antikörpers Lecanemab im April 2025 [53] steht in Deutschland seit kurzem eine neue Behandlungsoption für die frühe Alzheimer-Krankheit zur Verfügung, die gezielt Beta-Amyloid im Gehirn abbaut. Menschen mit DS sind grundsätzlich nicht von dieser Therapie ausgeschlossen, wurden allerdings bislang in klinischen Studien zu Lecanemab nicht berücksichtigt, sodass zur Sicherheit und Wirksamkeit in dieser Gruppe keine belastbaren Daten vorliegen zudem bei Menschen mit DS das Risiko für begleitende Hirnveränderungen wie zerebrale Amyloid-Angiopathie (CAA) erhöht ist, wodurch das Risiko schwerer Nebenwirkungen wie Hirnblutungen steigen könnte [54].


Nicht-pharmakologische Interventionen

Im Sinne ganzheitlicher Therapiekonzepte sind für Menschen mit DSAD multidisziplinäre Interventionsansätze neben evidenz- und konsensbasierten Leitlinienempfehlungen zur Demenztherapie der normativen Population zu berücksichtigen [3], wie z. B. Maßnahmen mit (bewegungs)therapeutische Ansätzen sowie verhaltensorientierte und systemische Interventionen, bestenfalls unter aktiver Beteiligung des sozialen Umfelds [55].

Eine hochrelevante therapeutische Intervention ist ein aktiver Lebensstil, der ein schützender Faktor bei Demenzentwicklung bei DS sein kann [56], sodass regelmäßige körperliche Aktivität auch das Hippocampus-Volumen sowie kognitive Funktionen, u. a. betreffend exekutiver Leistungen wie kognitive Flexibilität, Aufmerksamkeit und Planungsfähigkeit, positiv beeinflussen kann [57] [58]. Interventionsformen wie assistiertes Radfahren, Gruppen-/Individual-Trainingsprogramme oder Exergaming ((Video)spiele, die körperliche Aktivität erfordern) können zudem Kognition und Mobilität verbessern [59] [60]. Daran anknüpfend kann auch die Ergotherapie vorhandene Ressourcen der Betroffenen stärken sowie Ausgleichsstrategien und Umweltmodifikationen (z. B. Alltagsbarrieren reduzieren) anleiten [61].

Zu therapeutischen Interventionen zählen zudem kreative und sensorische Interventionen wie Musik- und Kunsttherapie, Memory Cafés, biografische Arbeit oder sensorische Stimulation, um emotionales Wohlbefinden und Lebensqualität zu fördern, sowie kognitive Ressourcen und soziale Teilhabe zu stärken. Betreuende bewerteten musiktherapeutische Gruppenangebote für Menschen mit IM und Demenz als positiv; mit Berichten positiver Emotionen sowie Verbesserungen in Kommunikation und Stimmung [62]. Zudem konnten kurzzeitige positive Effekte des Singens als einer stimulierenden Aktivität auf Emotionalität, Kommunikation und soziale Einbindung von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen und Demenz beobachtet werden [63]. Eine deutliche Verbesserung der Stimmung sowie Förderung von Kommunikation und Interaktionen ergab sich durch Memory Cafés [64], während Biografie-basierte Interventionen wie „personalized life story books“ oder „Stöberkisten“ („rummage boxes“) das Wohlbefinden von Menschen mit DSAD steigern konnten [65].

Da Patient:innen mit DSAD eine erhöhte Rate an stationären Einweisungen aufgrund respiratorischer Infekte aufweisen [66] und ältere Menschen mit DS häufig an Dysphagie leiden [67], ist auch die Logopädie zur Verbesserung der sozialen Teilhabe und Komplikationsprävention zu diskutieren, die durch gezielte Intervention die Schluckfähigkeit verbessern kann [68]; Untersuchungen bei DSAD sind bislang jedoch nicht erfolgt. Dennoch scheint eine gezielte Untersuchung auf Dysphagie sowie gegebenenfalls ein logopädischer Therapieversuch bei DSAD sinnvoll.

Systemische Interventionen beziehen das Umfeld der Betroffenen mit ein, einschließlich Schulungen und Unterstützungsangebote für Pflegekräfte und Familienmitglieder sowie weitere relevante Akteure, um ein unterstützendes Netzwerk zu schaffen und zur Verbesserung von Wohlbefinden und Lebensqualität der Betroffenen beizutragen. Insbesondere psychoedukative Gruppen genießen eine hohe Akzeptanz und erhalten durchweg positive Bewertungen [69]. Die Vermittlung von Informationen zum Krankheitsbild der Demenz kann zudem das gemeinschaftliche Umfeld, z. B. in Konstellationen, in denen die Betroffenen in einer Einrichtung mit anderen Menschen mit IM zusammenwohnen, in seinem Verständnis für die Erkrankung und einhergehende Symptomatik sensibilisieren, sodass Gefühle von Empathie und Verständnis für Menschen mit Demenz entstehen, mit dem Ziel eines verständnisvollen Miteinanders Alltag sowie einer potenziellen Stabilisierung im Funktionsniveau der Betroffenen über mehrere Jahre [70].

Verhaltensmodifizierende Maßnahmen wie positive Verstärkung, Compliance-Training oder Verhaltensmodifikationen könne in Einzelfällen zudem u. a. zu einer Reduktion herausfordernder Verhaltensweisen wie Hinlauftendenz oder unangemessenem Sozialverhalten führen [71].

Abschließend ist anzumerken, dass trotz der Vielzahl an positiven Einzelfallbefunden und Pilotstudien ein Großteil der beschriebenen Interventionen unter methodischen Einschränkungen wie kleinen Stichproben, fehlender Kontrollgruppen oder unklaren Outcome-Messungen wie Lebensqualität oder Caregiver-Burden [71] evaluiert wurde, was die externe Validität bislang limitiert. Dennoch zeigt sich ein deutliches Potenzial nicht-pharmakologischer Maßnahmen zur Förderung der Lebensqualität und funktionalen Stabilität im langfristigen Verlauf bei Menschen mit DSAD.


Supportives Angebot für versorgende Angehörige

Die Entlastung versorgender Angehöriger spielt eine wichtige Rolle im Kontext von DSAD, die neben frühzeitiger Demenz-Diagnostik zur rechtzeitigen Informationen und Einleitung von Unterstützungsmaßnahmen führen kann [72] [73].

Strukturelle Konzepte wie „Intellectual Disability Dementia Care Pathways“ (IDDCPs) [74] können hierfür praxisnahe Hilfen unter Berücksichtigung spezifischer Bedürfnisse von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen bieten. Darüber hinaus sind Fort- und Weiterbildungs- wie auch Aufklärungsangebote für familiäre wie professionelle Pflegepersonen essenziell, um eine Entlastung der Pflegenden bei adäquater Versorgung der Betroffenen zu ermöglichen [23] [75].

Die Förderung von körperlichen und sozialen Freizeitaktivitäten bei Personen mit DSAD sollten insbesondere im häuslichen Umfeld zum Einsatz kommen, sodass nahe Angehörige als Unterstützung mit einbezogen werden, um die Einbindung der Betroffenen zu gewährleisten und Aktivierung zu fördern [76].

Die Erhaltung der häuslichen Pflege hat für Angehörige häufig hohe Priorität [77], wird jedoch durch fehlende Ressourcen oder Überforderung erschwert – insbesondere im späteren Krankheitsverlauf [78], sodass die rechtzeitige Planungen und Einbindung der Betroffenen in Entscheidungsprozesse für deren nahe Zukunft und Lebensende relevant und für Angehörige entlastend sein kann [79]. Hierfür gewinnen alternative, demenzfreundliche Wohnformen an Bedeutung, die soziale Netzwerke erhalten und Umzüge möglichst vermeiden [80].



Fazit für die Praxis

Etablierte differentialdiagnostische Verfahren haben sich bei DSAD als praktikabel und zuverlässig erwiesen. Entscheidend sind u. a. die Sensibilisierung von Angehörigen und Pflegekräften für typische Symptome sowie die Stärkung der diagnostischen Kompetenz in der Regelversorgung. Durch frühzeitige Zuweisung an spezialisierte Zentren können zudem notwendige therapeutische und sozialmedizinische Maßnahmen eingeleitet werden, die für den Umgang mit dem chronischen Verlauf der DSAD unerlässlich sind. Zur Unterstützung der Praxis sind dringend „Good Practice Guidelines“ für Menschen mit IM und Demenzverdacht erforderlich. Dieses Review schließt mit einem exemplarischen Leitfaden ([Abb. 1]) ab, der die Rollen aller beteiligten Akteure innerhalb einer strukturierten Stufendiagnostik darstellt.

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Abb. 1 Ein Leitfaden für die Praxis-nahe Umsetzung der Review-Erkenntnisse zur Demenz-Diagnostik bei Menschen mit Down-Syndrom


Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Olivia Wagemann
Neurologie, LMU Klinikum Neurologische Klinik und Poliklinik
Marchioninistrasse 15
81377 München
Germany   

Johannes Levin
Neurologie, LMU Klinikum Neurologische Klinik und Poliklinik
Marchioninistrasse 15
81377 München
Germany   

Publication History

Received: 02 July 2025

Accepted: 15 August 2025

Article published online:
05 November 2025

© 2025. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution License, permitting unrestricted use, distribution, and reproduction so long as the original work is properly cited. (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/).

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Abb. 1 Ein Leitfaden für die Praxis-nahe Umsetzung der Review-Erkenntnisse zur Demenz-Diagnostik bei Menschen mit Down-Syndrom