Schlüsselwörter
Jodprophylaxe - Frauen im gebärfähigen Alter - Schwangerschaft - Stillzeit - Säuglinge
Einleitung
Die Jodversorgung der Bevölkerung in Deutschland ist in den letzten Jahren schlechter
geworden [1]
[2]. Gemäß den Kriterien der WHO herrscht in Deutschland wieder ein milder Jodmangel
[3]. Obwohl die schädlichen Auswirkungen eines schweren Jodmangels allgemein bekannt
sind, sind die Vorteile der Korrektur eines leichten bis mittelschweren Jodmangels
bei schwangeren Frauen aufgrund des Fehlens randomisierter kontrollierter Studien
in diesem Bereich unklar [4]
[5]. Beobachtungsdaten deuten jedoch zunehmend darauf hin, dass eine gute Jodversorgung
in der Schwangerschaft erhebliche gesundheitliche und wirtschaftliche Vorteile haben
kann [6].
Ziel dieser narrativen Übersicht ist es, Nutzen und mögliche Nachteile einer Jodsupplementierung
vor, während und nach der Schwangerschaft für die Jodversorgung von Schwangeren, Stillenden
und ihren Kindern darzustellen. Zudem wird der aktuelle Umsetzungsstand der unterschiedlichen
Empfehlungen zur Jodsupplementierung diskutiert.
Methodik
Selektive Literaturrecherche in PubMed, Google Scholar und Cochrane Library sowie
Ergänzung relevanter Artikel.
Hintergrund
Jodaufnahme und Jodstatus der Allgemeinbevölkerung und von schwangeren Frauen in Deutschland
und Europa
Jod (I) ist ein essenzieller Mikronährstoff, der für die Synthese der Schilddrüsenhormone
Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) benötigt wird. Jodmangel ist nach wie vor ein
großes Gesundheitsproblem für schwangere Frauen und Kleinkinder auf der ganzen Welt
[7]
[8]. Mehrere neuere Studien haben eine unzureichende Jodaufnahme und einen Jodmangel
bei schwangeren und stillenden Frauen in vielen Ländern dokumentiert [9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17].
Trotz weltweiter Bemühungen, den Jodmangel insbesondere durch Anreicherungsprogramme
zu beseitigen, zeigen aktuelle epidemiologische Studien, dass in Deutschland etwa
30 Prozent der Erwachsenen, 48 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter und 44 Prozent
der Kinder und Jugendlichen eine Jodzufuhr unterhalb des medianen Bedarfs aufweisen
([18]
[19], s. auch Referenzen in Tab. 1 in [20]). Dies gilt übrigens ähnlich für mehr als 70 % der 29 europäischen Länder [21]. Der Grund dafür ist, dass die meisten Frauen im gebärfähigen Alter in europäischen
Ländern mit freiwilliger Salzjodierung leben. Infolgedessen liegt die mittlere Jodkonzentration
im Urin (UIC) in diesen Ländern unter 100 μg/l [3]
[23]
[24]. Ein medianer UIC-Wert > 150 μg/l, wie er von der WHO für schwangere Frauen als
ein Indikator für eine ausreichende Jodversorgung postuliert wird, wurde nur in wenigen
EU-Staaten mit obligatorischen universellen Salzjodierungs-Programmen (Universal Salt
Iodization, USI) gemessen [20]
[23].
Allerdings hängt eine ausreichende Jodversorgung wesentlich vom Jodierungsgrad des
Jodsalzes ab. Internationale Studien zeigen, dass nur eine verpflichtende universelle
Salzjodierung mit 25 mg Jod/kg Salz – bei flächendeckender Anwendung – eine adäquate
Jodaufnahme der Gesamtbevölkerung gewährleistet. Davon profitieren auch vulnerable
Gruppen wie Frauen im gebärfähigen Alter, Schwangere, Stillende und gestillte Säuglinge
([Abb. 1], [25]).
Abb. 1
Auswirkungen der universellen Salzjodierung (USI) auf den Populationsjodstatus (Daten
aus [25]). Werte mit unterschiedlichen Buchstaben waren signifikant unterschiedlich (p < 0,05).
UIC: Jodkonzentration im Urin.
Eine ausreichende Jodaufnahme während des gesamten Lebens stellt sicher, dass in Zeiten
eines erhöhten physiologischen Bedarfs genügend Jodspeicher zur Verfügung stehen.
Das Risiko einer übermäßigen Jodaufnahme aus Salz ist minimal, wenn das Salz in empfohlenen
Mengen angereichert wird, die an die aktuelle Salzaufnahme angepasst sind, und die
Einhaltung der Salzstandards durch Salzqualitätssicherung streng überwacht wird [22]
[25]
[26].
Gesetzliche Verankerung und Lebensmittelanreicherung
In Deutschland gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, Speisesalz zu jodieren. Die
Anwendung von Jodsalz ist freiwillig. Gesetzlich geregelt ist die Jodmenge, die dem
Salz zugegeben werden darf. Sie liegt derzeit bei 15 bis 25 Milligramm pro Kilogramm
(mg/kg). Im Haushalt liegt der Anteil jodierten Speisesalzes seit den 2000ern stabil
etwa bei 70–80 %. Hingegen ist der Anteil von jodiertem Speise- und Pökelsalz am gesamten
Speisesalzabsatz in Großgebinden mit < 30 % deutlich geringer. Für den Rückgang der
Jodversorgung in den 2000er Jahren haben insbesondere eine geringere Nutzung von jodiertem
Salz in der Lebensmittelindustrie sowie geänderte Ernährungsgewohnheiten mit beigetragen
[19]
[22].
Es wurde deshalb in Erwägung gezogen, ob eine Erhöhung der gesetzlichen Höchstmenge
von Jod in Speisesalz von 25 auf 30 mg/kg das Auftreten des Risikos einer unzureichenden
Jodaufnahme verringern kann, ohne gleichzeitig zu einer Überschreitung der noch tolerierbaren
täglichen maximalen Aufnahme (Tolerable Upper Intake Level, UL) zu führen. Eine alleinige
Erhöhung des Jodgehaltes im Salz um 5 mg/kg ist ohne Steigerung des Verwendungsgrades
von Jodsalz zur Herstellung industriell und handwerklich hergestellter Lebensmittel
daher nicht sachgerecht [24].
Schilddrüsenfunktion in der Schwangerschaft
Da Schilddrüsenhormone (Thyroid Hormones, THs) in der embryonalen und fetalen ZNS-Entwicklung
eine entscheidende Rolle spielen [27], ergeben sich aus den Erkenntnissen zum Jodstatus von Säuglingen und Kleinkindern
grundlegende Fragen zu den daraus resultierenden Langzeitfolgen. Schwangere und ihre
Feten reagieren sehr empfindlich auf Jodmangel, weshalb der Überwachung des Jodstatus
in diesen Lebensphasen eine hohe Priorität eingeräumt werden muss [28]
[29]. Im ersten Schwangerschaftstrimenon ist die Entwicklung des fetalen Gehirns maßgeblich
vom mütterlichen Schilddrüsenhormon abhängig. Ab der 12.–14. Schwangerschaftswoche
kann der Fetus selbst Schilddrüsenhormone bilden; er ist dann entscheidend abhängig
vom Jodid, das über die Plazenta transportiert wird, und nicht mehr so vom maternalen
T4, welches ab der 12. Woche in geringeren Mengen transplazentar zum Fetus kommt.
Jodaufnahme und Speicherung durch die Plazenta hängen von der mütterlichen Jodaufnahme
ab; eine Gesamtspeicherkapazität der Plazenta von etwa 18 bis 100 μg Jod kann eine
bedeutende Rolle im fetalen Jodhaushalt spielen [28]
[30]
[31]
[32].
Auswirkungen von mildem Jodmangel und mütterlicher Hypothyroxinämie auf die pränatale
Gehirnentwicklung
Ein Jodmangel erhöht das Risiko der isolierten mütterlichen Hypothyroxinämie (IMH)
bei gesunden schwangeren Frauen (ohne klinische Symptome oder zugrunde liegende Schilddrüsenpathologie)
und kann zur Unfähigkeit der Mutter führen, adäquate Mengen von Thyroxin (T4) auf
den Embryo zu übertragen. Dadurch kann es zu einer Beeinträchtigung der neurologischen
Entwicklung mit schlechteren feinmotorischen Fähigkeiten, Verhaltensstörungen und
einem verringerten Intelligenzquotienten kommen [19]. Eine IMH ist in erster Linie auf eine leicht oder mäßig unzureichende Jodaufnahme
zurückzuführen. Bei mangelnder Jodzufuhr erschöpfen sich die intrathyroidalen Jodspeicher
(normalerweise 5 bis 20 mg) in der Schwangerschaft aufgrund des erhöhten T4-Bedarfs
von Mutter und ungeborenen Kind. Dann ändert sich das Verhältnis von T4 zu T3 in der
Sekretion der Schilddrüse mit einem relativen Anstieg des T3, da nicht mehr genügend
Jod für die T4-Synthese zur Verfügung steht. Frauen, die aufgrund von Jodmangel nicht
in der Lage sind, ihre T4-Produktion zu Beginn der Schwangerschaft zu steigern, stellen
eine Population dar, bei der ein Risiko für kognitive und motorische Behinderungen
und Verhaltensstörungen bei ihren Kindern besteht [19]. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 50 % der Neugeborenen in Europa von Jodmangel
bedroht sind [33].
Daher sind dringend Maßnahmen zur Verbesserung der Jodversorgung der Bevölkerung einschließlich
der von Frauen im gebärfähigen Alter erforderlich [20]
[22]. Berichte über niedrige Jodausscheidung im Urin (UIC) bei schwangeren Frauen haben
Gesundheitsbehörden in mehreren Ländern der Europäischen Region dazu veranlasst, Jodpräparate
vor der Empfängnis, während der Schwangerschaft und während der Stillzeit zu empfehlen,
wobei die Empfehlungen in den einzelnen Ländern der Region unterschiedlich sind und
Informationen für viele Länder fehlen [22].
Stand der nationalen Handlungsempfehlungen zur Jodsupplementierung
In [Tab. 1] sind einige nationale und internationale Referenzwerte und tolerierbare Aufnahmemengen
von Jod für Frauen, Schwangere, Stillende und Säuglinge angegeben [26]
[38]
[39]
[40]
[41]. Der Unterschied zwischen den Ländern und internationalen Gremien spiegelt begrenzte
wissenschaftliche Daten und unterschiedliche Methodik wider.
Tab. 1 Referenzwerte und tolerierbare Gesamtaufnahmemengen von Jod für Frauen, Schwangere,
Stillende und Säuglinge.
|
DGE/ÖGEa
|
SGEb
Schweiz
|
EFSAc
|
WHOd
|
NAMe
|
|
Alter und Stadium
|
EAR
|
RNI
|
AI
|
AI
|
UL
|
RNI
|
Aufnahmemenge, über der kein zusätzlicher gesundheitlicher Nutzen zu erwarten ist
|
EAR
|
RDA
|
Ul
|
|
µg/Tag
|
|
a DGE/ÖGE [38]; b SGE [39]; c EFSA [40]; d WHO [26]; e NAM [41]
* Zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung mit jodiertem Speisesalz sollten Schwangere
täglich ein Supplement mit 100 µg (bis 150 µg) Jod einnehmen. ** Während der Stillzeit sollte zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung mit jodiertem
Speisesalz ein Supplement mit 100 µg/Tag eingenommen werden.
§ Säuglinge, die ausschließlich selbst zubereitete Breie bekommen, sollten etwa 50 µg
Jod/Tag als Supplement erhalten [38].
AI (Adequate Intake): Die angemessene Aufnahmemenge ist eine Ernährungsempfehlung, die
gegeben wird, wenn nicht genügend Daten zur Berechnung eines durchschnittlichen Bedarfs
(Average Requirement – AR) vorliegen. Dies entspricht dem Schätzwert in den DGE/ÖGE-Referenzwerten
für die Nährstoffzufuhr.
EAR (Estimated Average Requirement) ist ein Maß einer Nahrungsempfehlung. Es handelt
sich um den geschätzten durchschnittlichen Tagesbedarf an zugeführten Nährstoffen,
der ausreicht, damit 50 Prozent einer gesunden Population keinen Mangel aufweist bzw.
bei diesen der Bedarf gedeckt ist. Das EAR liegt 2 Standardabweichungen unter der
täglichen Zufuhrempfehlung RDA.
RNI (Reference Nutrient Intake)/RDA (Recommended Daily Allowances [RDAs]): Die Menge eines Nährstoffs, die ausreicht,
um den Bedarf von 97,5 % einer Bevölkerung zu decken (berechnet aus EAR + 2 SD). Dies
entspricht der empfohlenen Zufuhr in den DGE/ÖGE-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr.
UL (Tolerable Upper Intake Level): Die tolerierbare obere Gesamtaufnahmemenge ist die
maximale Menge der gesamten chronischen Aufnahme eines Nährstoffs aus allen Quellen,
bei der davon ausgegangen wird, dass sie kein Risiko für nachteilige gesundheitliche
Auswirkungen beim Menschen darstellt.
|
|
Frauen
|
95
|
150
|
150
|
150
|
600
|
150
|
> 500
|
95
|
150
|
900 (14–18 Jahre)
1100 (≥ 19 Jahre)
|
|
Schwangere
|
160
|
230*
|
250
|
200
|
600
|
200
|
|
160
|
220
|
|
|
Stillende
|
167
|
260**
|
250
|
200
|
600
|
250
|
> 500
|
209
|
290
|
900 (14–18 Jahre)
1100 (≥ 19 Jahre)
|
|
0–4 Monate
|
72
|
80
|
50
|
–
|
200
|
90 (< 2 Jahre)
|
> 180 (< 2 Jahre)
|
110
|
unzureichende Daten zur Bestimmung
|
|
4–12 Monate
|
80§
|
90
|
90 (ab 7. Monat}
|
200
|
130
|
Der Bedarf an vielen Nährstoffen steigt erst nach dem 1. Trimenon der Schwangerschaft
deutlich an, während für Folsäure, Jod und Eisen ab der Empfängnis oder bereits davor
im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen eine erhöhte Zufuhr empfohlen wird [42]. Für Schwangere und Stillende in Deutschland ist es schwierig, allein über die Ernährung
die wünschenswerte Zufuhr von 230 µg bzw. 260 µg Jod pro Tag zu erreichen [38]. Auch die Verwendung von Jodsalz im Haushalt ist dafür nicht ausreichend (s. Infobox
1). Das Risiko eines Jodmangels lässt sich durch eine Jodanamnese einschätzen, bei
der Fragen nach der Verwendung von Jodsalz, jodhaltigen Lebensmitteln wie Milch, Meeresfisch
und Einnahme von Jodtabletten oder jodreichen Algen-/Tangpräparaten gestellt werden
sollten [36].
Derzeit gibt es keine allgemein anerkannten Biomarker zur Beurteilung des Jodstatus
bei Einzelpersonen. Daher werden Empfehlungen auf der Grundlage von epidemiologischen
Untersuchungen zur Jodausscheidung der Bevölkerung gegeben [34].
Entsprechend den nationalen Handlungsempfehlungen sollen Schwangere und Stillende
neben einer ausgewogenen Ernährung (Jodsalz, Milchprodukte, Seefisch) täglich Jod
supplementieren (s. Infobox 1). Empfohlen wird in der Schwangerschaft eine tägliche
Supplementierung von 100 (bis 150) µg und in der Stillzeit eine von 100 µg [35]
[38]
[43]. Diese Dosen entsprechen dem unteren bis mittleren Bereich der in den Mutterschafts-Richtlinien
(Mu-RL) genannten und als sicher angesehenen Jodsupplementierung von 100–200 µg pro
Tag [37].
Jodbedarf und Empfehlungen zur Jodzufuhr für Frauen im gebärfähigen Alter, in der
Schwangerschaft und Stillzeit [37]
[38]
[42]
[43]
-
Jodbedarf: 150 μg Jod/Tag für Frauen im gebärfähigen Alter, 230 μg Jod/Tag für Schwangere
und 260 μg Jod/Tag für Stillende [38].
-
„Wenn Salz, dann Jodsalz“, d. h. es sollte auf die Verwendung von Jodsalz nicht nur
im Haushalt, sondern auch in der Außer-Haus-Verpflegung und bei verarbeiteten Lebensmitteln
(wie Brot, Wurstwaren, Käse etc.) geachtet werden.
-
Außer jodiertem Salz regelmäßiger Verzehr von jodhaltigen Seefischen oder anderen
maritimen Lebensmitteln. Milch und Eier sind bei entsprechender Fütterung der Tiere
ebenfalls jodreich.
-
Die zusätzliche Einnahme von Jodsupplementen (100–150 μg/Tag) wird bei Kinderwunsch,
sowie vor, während und nach der Schwangerschaft für Frauen ohne Schilddrüsenerkrankungen
empfohlen, da die Jodaufnahme über die Ernährung meist nicht genügt, um den notwendigen
Bedarf zu erreichen [38].
-
Die Gesamtaufnahme (Nahrung + Ergänzungsmittel) sollte die Obergrenze von 600 µg/Tag
(EFSA) nicht überschreiten., da hohe Jodmengen eine Schilddrüsenüberfunktion bei latent
vorhandener Schilddrüsenautonomie hervorrufen können [40].
-
Bei Verzehr von Meeresalgen und Tang auf den Jodgehalt achten (Hersteller und Händler
sind verpflichtet, den Jodgehalt auf der Packung anzugeben). Vom Verzehr von getrockneten
Algen und Tang-Erzeugnissen mit einem Jodgehalt über 20 mg/kg wird wegen der Gefahr
eines Jodexzesses abgeraten [44].
-
Bei Schilddrüsenerkrankungen sollen Betroffene vor der Supplementation Rücksprache
mit der/m behandelnden Ärzt*in halten.
Bedeutung der präkonzeptionellen Supplementierung
Bedeutung der präkonzeptionellen Supplementierung
Eine ausreichende Jodaufnahme bei Frauen im gebärfähigen Alter ist von entscheidender
Bedeutung, damit die Jodvorräte in der Schilddrüse maximiert werden können [45]. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind in Bezug auf die absolute tägliche Jodaufnahme,
bei der die Jodspeicher abnehmen und eine Funktionsstörung der Schilddrüse auftritt,
begrenzt ([46], s. [Abb. 2]). Um bei Erwachsenen in jodreichen Gebieten ein Jodgleichgewicht zu erreichen, muss
der tägliche Jodumsatz der Schilddrüse bei etwa 60–95 μg liegen. Jod kann sich in
den Schilddrüsenzellen ansammeln und wird hauptsächlich gebunden an Thyreoglobulin
(Tg) im Schilddrüsenfollikel gespeichert [47]
[48]. Die Tg-Bestimmung hat sich aufgrund seiner starken Assoziation der bestehenden
Jodspeicherung bei euthyreoten Personen als ein empfindlicher Indikator für einen
Jodmangel erwiesen, insbesondere auch bei schwangeren Frauen mit einer UIC von < 100 μg/l
[48]
[49]
[50]
[51]
[52]
[53]. Die Jodreserve der Schilddrüse kann in Zeiten geringer Jodaufnahme genutzt werden.
Bei Erwachsenen beträgt die durchschnittliche Jodspeichermenge der Schilddrüse etwa
5–20 mg, es gibt jedoch große individuelle Unterschiede, abhängig von der vorhergehenden
Jodaufnahme [54]. Kurzfristige Defizite bei der Jodaufnahme können durch intrathyroidale Speicher
und eine erhöhte fraktionierte Clearance von zirkulierendem Jod gepuffert werden [56]
[57]. Wenn die Jodaufnahme jedoch chronisch niedrig ist, werden die Jodreserven der Schilddrüse
allmählich aufgebraucht. Ausgelöst durch eine erhöhte Sekretion von TSH durch die
Hypophyse wird der Abbau von Tg stimuliert und vermehrt T3 synthetisiert und freigesetzt.
Als Zeichen einer ineffizienteren Nutzung der verfügbaren Jodreserven wird im Verhältnis
weniger T4 sezerniert und es entsteht ein relativer Anstieg der Schilddrüsen-T3-Sekretion
in der Ratio T4/T3 als Reaktion auf eine geringere Jodaufnahme [57]. Durch Hypertrophie und Hyperplasie des Schilddrüsengewebes wird mehr Tg gebildet.
Deshalb ist bei jodarmer Ernährung die Tg-Konzentration im Serum typischerweise erhöht
[46]. Frauen, die ohne thyroidale Jodreserven schwanger werden, können während der gesamten
Schwangerschaft einen Jodmangel aufweisen, obwohl sie bereits in der Frühschwangerschaft
mit der Einnahme von Jodpräparaten beginnen [52]. Dies legt nahe, dass ein Jodmangel bei Frauen im gebärfähigen Alter vor einer Schwangerschaft
behoben werden sollte, um ein anhaltendes Defizit zu vermeiden. Die Herstellung eines
ausreichenden Jodstatus ist ein schrittweiser Prozess, der einige Monate bis 2 Jahre
dauern kann [58]
[59]. In Gebieten mit leichtem Jodmangel erhöht eine Verzögerung der Jodgabe bei schwangeren
Frauen zu Beginn der Schwangerschaft um 6–10 Wochen das Risiko dauerhafter Veränderungen
der Grob- und Feinmotorik sowie der sozialen Entwicklung ihrer Nachkommen [60]. Der Beginn der Einnahme eines Jodsupplements mit 100–150 μg pro Tag kann nach der
Empfängnis zu spät sein, um den nachteiligen Auswirkungen auf die neurokognitive und
psychomotorische Entwicklung des Kindes entgegenzuwirken, die speziell im 1. Trimenon
auftreten und mit einer langfristig unzureichenden Jodaufnahme verbunden sind. Dies
ist besonders wichtig zu betonen, da viele Schwangerschaften ungeplant sind, vielen
Frauen das Frühstadium ihrer Schwangerschaft nicht bewusst ist und die wenigsten die
Empfehlungen zur Supplementierung vor der Konzeption kennen. Junge Frauen, die sich
vegan oder vegetarisch ernähren, haben ohne eine Jodsubstitution ein besonders erhöhtes
Risiko für einen Jodmangel [61]. Dies erklärt sich daraus, dass unsere tägliche Jodaufnahme zu 37 % über Milchprodukte
und zu 21 % über Fleisch und Wurstwaren erfolgt [62]
[63]
[64]. Zusätzliche Risikofaktoren für einen Jodmangel sind das Rauchen, Verwendung von
unjodiertem Salz und/oder der Verzehr von Lebensmitteln, die strumigene oder goitrogene
Stoffe enthalten, beispielsweise bestimmte Kohlsorten, eine soja- oder hirsereiche
Ernährung und verschiedene Nusssorten wie Wal- oder Erdnüsse [46]
[64]
[65]. Eine zusätzliche Bedrohung für das Schilddrüsenhormonsystem ist die allgegenwärtige
Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren, welche die negativen Auswirkungen eines
Jodmangels bei schwangeren Frauen auf die neurokognitive und psychomotorische Entwicklung
ihrer Nachkommen verstärken können [20].
Abb. 2
Vereinfachtes Modell der Schilddrüsenspeicher (Daten aus [46]). Die Grafik zeigt ein vereinfachtes Modell des menschlichen Jod- und Schilddrüsenstatus
in verschiedenen Stadien (von links nach rechts) der Jodaufnahme: ausreichende Jodaufnahme,
geringe Jodaufnahme ohne Schilddrüsenfunktionsstörung und schließlich geringe Jodaufnahme
mit Schilddrüsenunterfunktion. Weitere Erklärungen s. Text.
Ergebnisse der Supplementierung vor, während und nach der Schwangerschaft
Ergebnisse der Supplementierung vor, während und nach der Schwangerschaft
In einer randomisierten kontrollierten Studie in Guatemala, Indien und Pakistan wurden
die Auswirkungen einer täglichen Jodergänzung bei Frauen vor der Empfängnis in ressourcenarmen
Umgebungen mit Bevölkerungen mit marginaler Jodaufnahme und -versorgung trotz nationaler
Salzanreicherungsprogramme untersucht [66]. Der mütterliche Jodstatus war am Ende des 1. Trimenons besser, und die Prävalenz
einer unzureichenden Jodausscheidung (Jod/Kreatinin < 150 μg/g) war bei Frauen, die
mindestens 3 Monate vor der Empfängnis mit der Einnahme von ausreichend jodhaltigen
Nahrungsergänzungsmitteln begonnen hatten, niedriger als bei Frauen ohne Nahrungsergänzungsmittel.
An 2 von 3 Untersuchungsorten hatten mehr als ein Drittel der Frauen, die vor der
Empfängnis Nahrungsergänzungsmittel erhielten, eine erhöhte Jodausscheidung (I/Cr-Wert
im Urin von ≥ 250 μg/g), jedoch ohne Hinweise auf Nebenwirkungen. Der Jodstatus schwangerer
Frauen am Ende des 1. Trimenons, jedoch nicht im 3. Trimenon, war positiv mit der
Geburtslänge und dem Kopfumfang assoziiert [66].
Obwohl mit universellen Salzjodierungsprogrammen enorme Fortschritte in Guatemala,
Indien und Pakistan erzielt wurden, weisen diese Ergebnisse dennoch auf eine suboptimale
Jodversorgung von Frauen im gebärfähigen Alter hin. So beträgt der gemeldete Verbrauch
von Jodsalz auf Haushaltsebene in Pakistan nur 60–80 % im Vergleich zu Guatemala oder
Indien (> 80 % für beide), da die Abdeckung durch jodiertes Salz zumindest teilweise
unzureichend ist [66]. Damit keine Jodsupplemente erforderlich sind, müssen mehr als 90 % der Haushalte
jodiertes Salz verwenden und der mediane UIC > 100 µg/l betragen [26]. Darüber hinaus wurde berichtet, dass die Bevölkerung in Pakistan im Vergleich zu
Guatemala oder Indien eine niedrigere mittlere Jodkonzentration im Urin aufweist.
Diese Studie ist auch ein weiterer Beleg dafür, dass eine Supplementierung, die mehrere
Monate vor der Empfängnis begonnen wird, größere Auswirkungen hat als eine Supplementierung,
die nach dem 1. Trimenon begonnen wird [66].
Messungen des Tg im Serum gelten als Biomarker für den Jodstatus. Tg-Daten aus Ungarn
belegen, dass Frauen im gebärfähigen Alter, die in jodarmen Gebieten leben, bereits
vor der Schwangerschaft mit der Jodergänzung beginnen sollten, um während der Schwangerschaft
eine optimale Jodversorgung der Schilddrüse aufrechtzuerhalten ([67], [Abb. 3]). Anders als die Jodkonzentration im Urin spiegelt die Konzentration des Serum-Tg
in der 16. Schwangerschaftswoche sowohl den Jodstatus vor der Schwangerschaft als
auch im 1. Trimenon wider, der die kritische Phase der fetalen Gehirnentwicklung abdeckt
[67].
Abb. 3
Die Auswirkung der Dauer der Einnahme von ≥ 150 μg/Tag jodhaltiger Schwangerschaftsergänzungsmittel
auf: a die Konzentrationen des schilddrüsenstimulierenden Hormons (TSH), b die Jodkonzentration im Urin (UIC), c die auf Kreatinin normalisierte UIC (UIC/Cr) und d die Thyreoglobulinkonzentration im Serum (Tg) (Daten aus [67]). Schwangerschaftsstarterinnen: o Keine Supplemente; + Frauen, die zum Zeitpunkt
der Feststellung der Schwangerschaft mit der Jodergänzung begonnen haben; § Vorschwangerschaftsstarterinnen:
Frauen, die mindestens 4 Wochen vor der Schwangerschaft mit der Jodergänzung begonnen
haben. Median, Interquartilbereich und die 5–95 %-Bereiche werden angezeigt. Ergebnisse
der Post-hoc-Tests nach dem Kruskal-Wallis-H-Test: # p = 0,020; * p < 0,005; ** p < 0,001
Eine weitere Studie aus Italien untersuchte die Auswirkungen einer Jodsubstitution
von 225 µg pro Tag während der Schwangerschaft auf den Jodstatus, den Tg-Spiegel und
die Schilddrüsenfunktionsparameter in einer randomisierten, placebokontrollierten
Studie in einem Gebiet mit leichtem bis mittelschwerem Jodmangel [68]. Die Daten legen nahe, dass Tg ein guter Marker für Jodversorgung in der mittleren
bis späten Schwangerschaft sein könnte, und die bessere Korrelation im 3. Trimenon
lässt darauf schließen, dass es insbesondere die langfristige Jodaufnahme widerspiegelt
und nicht die kürzlich erfolgte Aufnahme. Außerdem erwies sich die Höhe der Jodsubstitution
als nicht schädlich für die Schwangerschaft und hatte keine nennenswerten schädlichen
Auswirkungen auf die Schilddrüsenfunktion [68].
Frühere Studien in Jodmangelgebieten zeigten, dass die Tg-Werte bei schwangeren Frauen
höher waren als bei nicht schwangeren Kontrollfrauen, was auf eine erhöhte Schilddrüsenstimulation
zur Aufrechterhaltung der Euthyreose zurückzuführen war, während bei normaler Jodverfügbarkeit
kein Anstieg der Tg-Werte verzeichnet wurde [69]
[70]. Darüber hinaus wurde in mehreren Studien auch eine Korrelation zwischen Tg und
UIC während der Schwangerschaft in Gebieten mit Jodmangel festgestellt [52]
[71]
[72], während eine solche Korrelation in anderen Situationen, sowohl in jodreichen als
auch in jodmangelhaften Szenarien, verloren geht [69]
[71].
Der Jodreichtum der Schilddrüsenspeicher vor der Schwangerschaft spielt eine wichtige
Rolle, da er selbst bei einer suboptimalen Jodversorgung während der Schwangerschaft
eine mögliche Jodquelle darstellt [71]. Die höheren mittleren Tg-Werte in der Placebogruppe deuten auf eine Überstimulation
der Schilddrüse hin, was den stärkeren Anstieg des Tg unter Bedingungen geringer Jodaufnahme
widerspiegelt [68].
Insgesamt legen die Ergebnisse von Beobachtungsstudien nahe, dass die Verbesserung
der Jodversorgung (entweder durch die universelle Verwendung von Jodsalz oder Nahrungsergänzungsmitteln)
vor der Schwangerschaft mit niedrigerem TSH, höherem fT4, niedrigeren Tg-Werten und
niedrigerem Schilddrüsenvolumen assoziiert ist [60]
[73] im Vergleich zu Studien, in denen die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln oder
Jodsalz erst in der Schwangerschaft begann [74]
[75].
Ergebnisse einer Metaanalyse aus 3 prospektiven bevölkerungsbasierten Geburtskohorten
zeigen, dass die Entwicklung des fetalen Gehirns besonders im 1. Trimenon anfällig
für leichten bis mittelschweren Jodmangel ist. Ferner belegen prospektiv randomisierte
kontrollierte Studien, in denen die Wirkung einer Jodergänzung bei Frauen mit leichtem
bis mittelschwerem Jodmangel auf die Entwicklung von Kindern untersucht wird, dass
spätestens im 1. Trimenon mit der Supplementierung begonnen werden sollte [75].
Allerdings konnten 3 weitere Metaanalysen, welche die Ergebnisse von Interventionsstudien
auswerteten, keine eindeutigen Schlussfolgerungen zum Nutzen einer Jodergänzung für
schwangere Frauen in Gebieten mit leichtem bis mäßigem Jodmangel liefern [76]. Obwohl die Erkenntnisse aus Metaanalysen nahelegen, dass der Jodstatus während
der Schwangerschaft für die Gesundheit von Mutter und Kind eine Rolle spielt, sind
die Ergebnisse von Metaanalysen von Interventionsstudien nach wie vor umstritten.
Mehrere Faktoren, darunter der Grad des Jodmangels und Poolstudien, die in Gebieten
mit unterschiedlicher Jodaufnahme durchgeführt wurden, können den Mangel an Nutzen
erklären, der in Metaanalysen von Interventionsstudien berichtet wurde. Um dieses
Problem weiter zu klären, sind mehr qualitativ hochwertige, randomisierte, kontrollierte
Studien erforderlich, die Informationen zur Jodversorgung vor der Substitution und
zum Zeitpunkt, zur Dosis und zum Schema der Jodergänzung enthalten [76].
Die Durchführung solcher Studien kann jedoch schwierig sein, insbesondere in Regionen,
in denen bereits Empfehlungen für eine Jodergänzung in der Schwangerschaft vorliegen.
Es sind auch Studien erforderlich, um sichere obere Jodaufnahmegrenzen bei schwangeren
Frauen besser zu definieren, neue Biomarker für die Beurteilung des Jodstatus zu entwickeln
[77] und um festzustellen, wie die neurokognitiven und psychomotorischen Entwicklungseffekte
eines Jodmangels in Schwangerschaft und Stillzeit am besten beurteilt werden können
[78]
[79].
Eine optimale Jodversorgung vor der Empfängnis hat daher einige Ähnlichkeiten mit
einer optimalen Folsäureversorgung vor der Empfängnis, die ebenfalls Zeit für die
Auffüllung der Speicher und die Metabolisierung benötigt und nur dann im 1. Trimenon
eine protektive Rolle spielt [80]
[81]. Es ist dieses Timing-Problem, das zum Teil hilft, das Fehlen von Belegen für einen
Nutzen der Jod-Supplement-Initiation in der Schwangerschaft zu erklären [82]
[83]
[84]
[85]. Eine überhöhte Jodzufuhr kann im 1. Trimenon zu einer vorübergehenden Hemmung der
Schilddrüsenhormonproduktion und/oder -freisetzung führen [73]
[86], was zu einer möglichen Beeinträchtigung des sich entwickelnden Fetus führen kann
[74]
[87]. Da die Fähigkeit des Fetus, dem akuten Wolff-Chaikoff-Effekt vollständig zu entgehen,
erst in der 36. Schwangerschaftswoche reift, ist es auch möglich, dass der Fetus bei
übermäßiger Jodbelastung selektiv hypothyreot wird, selbst wenn die mütterliche Euthyreose
erhalten bleibt [88]
[89]. Die meisten gemeldeten Fälle sind auf Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel oder
Meeresalgen zurückzuführen [85]. Die tolerierbare obere Aufnahmemenge von 600 µg Jod pro Tag für Schwangere sollte
langfristig keinesfalls überschritten werden, wobei die Gesamtaufnahme von Jod aus
allen Quellen in der Nahrung zu berücksichtigen ist (siehe [Tab. 1]). Andererseits muss mehr Gewicht auf eine angemessene Jodzufuhr bei Frauen vor der
Schwangerschaft gelegt werden [86]. Die ideale Lösung besteht darin, bei allen Frauen im gebärfähigen Alter bereits
intrathyroidale Jodspeicher zu schaffen, damit eine Euthyreose bei schwangeren und
stillenden Frauen erreicht wird. Dies wurde bei Frauen bewirkt, die zusätzlich zur
Verwendung von Jodsalz bereits vor der Empfängnis 150 μg Jod/Tag erhalten haben [91]
[92].
Allgemeine Salzjodierung versus Nahrungsergänzung (Supplementierung) bei stillenden
Frauen?
Die WHO stellt derzeit fest, dass die allgemeine Jodierung von Salz die wirksamste
Methode ist, um eine ausreichende Jodzufuhr für die gesamte Bevölkerung sicherzustellen
[23]
[25]. Ein Jodmangel in einer Bevölkerung wird durch die mediane Jodkonzentration im Urin
(mUIC) definiert. Die WHO-Leitlinien empfehlen derzeit einen Cut-off-Wert von 100 μg/l.
Für stillende Frauen wird dagegen ein Wert von 150 µg/l empfohlen [26]
[93]. In Ländern oder Regionen, in denen weniger als 90 % der Haushalte jodiertes Salz
konsumieren, sollen stillende Frauen täglich ein Supplement erhalten, um sicherzustellen,
dass ihre Jodaufnahme die empfohlene Nährstoffaufnahme (Recommended Nutrient Intake,
RNI) von 250 μg Jod/Tag erreicht [26]. Der Jodbedarf ist beim Stillen hoch, da Jod über die Muttermilch auf das Kind übertragen
wird, aber auch für die mütterliche Schilddrüsenfunktion erforderlich ist. Die Expression
des Natrium-Iodid-Symporters (kurz NIS, ein Transportprotein) im Brustgewebe nimmt
während der Spätschwangerschaft und der Stillzeit zu [94].
Die Referenzwerte für Jod variieren bei stillenden Frauen und Säuglingen (s. [Tab. 1]). Die WHO, United Nations Children’s Fund (UNICEF) und Iodine Global Network (IGN)
empfehlen eine Jodkonzentration von 100 μg/l im Urin von Mutter und Kind, um eine
ausreichende Jodversorgung sicherzustellen [93]. Für Muttermilch wurde ein Jodkonzentrationsbereich von 150–180 μg/l (Spannbreite
100–300 μg/l) als ausreichende Jodversorgung für Mutter und Kind vorgeschlagen [95]. In Jodmangelgebieten sinkt die Konzentration teils auf 9–32 μg/l [96]. Es gibt jedoch keine nationalen oder internationalen Richtlinien für die Jodkonzentration
in Muttermilch [95]
[97]. Aufgrund der unzureichenden Jodversorgung der stillenden Mütter empfehlen viele
Länder und Institutionen während der Stillzeit eine Supplementierung mit 150 μg Jod
täglich [28]
[33]
[98]
[99]. Bereits ein milder Jodmangel im Säuglingsalter kann sich ungünstig auf die Gehirnentwicklung
auswirken [100]. Um eine reguläre neonatale Schilddrüsenfunktion und eine adäquate neurologische
Entwicklung beim gestillten Säugling zu gewährleisten, ist sowohl bei vegetarischer
als auch omnivorer Ernährung auf den erhöhten Jodbedarf in der Stillzeit zu achten
[101]. In solchen Situationen kann, solange die Bemühungen zur Verbesserung des Salzjodierungsprogramms
fortgesetzt werden, für Kinder im Alter von 7 bis 24 Monaten entweder eine Nahrungsergänzung
oder die Verwendung von mit Jod angereicherter Beikost eine notwendige Maßnahme sein
([93]
[102], s. Infobox 2).
Empfehlungen zur Jodzufuhr für Säuglinge [43]
-
Jodbedarf: 80 μg Jod/Tag in den ersten 4 Lebensmonaten.
-
80 μg Jod/Tag bis Ende des ersten Lebensjahres [38].
-
Gestillte Säuglinge sind ausreichend mit Jod versorgt, wenn die Mutter eine Jodsupplementation
(100 µg Jod/Tag) über die gesamte Schwangerschaft und Stillzeit hinweg durchgeführt
hat.
-
Nichtgestillte Säuglinge sind mit kommerzieller Säuglingsmilchnahrung adäquat versorgt,
da diese Nahrungen mit Jod angereichert sind.
-
Reine Getreideprodukte sind in Deutschland nicht mit Jod angereichert. Bei Milchfertigbreien,
die mit Wasser angerührt werden, können Jodverbindungen, wie Kalium- und Natriumjodid
oder Kalium- und Natriumjodat, zugesetzt werden, was auf der Zutatenliste angegeben
wird.
-
Selbsthergestellte Beikost ist jodarm, sodass der Säugling zusätzlich 50 μg Jod/Tag
erhalten sollte, auch wenn Muttermilch noch teilweise zugefüttert wird.
-
Jodsalz erst ab Einführung der Familienkost.
Jodversorgung von schwangeren und stillenden Frauen sowie von gestillten Säuglingen
Jodversorgung von schwangeren und stillenden Frauen sowie von gestillten Säuglingen
In vielen Ländern mit einer USI, die vorschreibt, sämtliches Speisesalz und Futtermittel
mit Jod anzureichern, ist dadurch in der Regel eine ausreichende Jodversorgung von
Schulkindern und Erwachsenen gewährleistet [62]. In einigen Ländern ist die Jodaufnahme stillender Frauen damit jedoch immer noch
unzureichend. So ergab eine systematische Überprüfung der verfügbaren Daten zum Jodversorgungsstatus
stillender Mütter in Ländern mit obligatorischen und freiwilligen Jodanreicherungsprogrammen
und/oder Jodsupplementierung zwischen 1964 und 2013 [103], dass in Ländern mit obligatorischen Jodanreicherungsprogrammen UIC-Werte < 100 µg/l
bei stillenden Frauen, wie beispielsweise in Indien, Australien und der Slowakei beobachtet
wurden, während in Ländern wie Chile, Iran und Nigeria der Median bzw. Mittelwert
des UIC > 100 µg/l lag. Bei fast allen stillenden Müttern in Ländern mit freiwilliger
Jodierung, darunter der Schweiz, Irland und Deutschland, lag der mediane UIC-Wert
unter 100 µg/l. Obwohl die Jodierung von Salz nach wie vor der praktikabelste und
kostengünstigste Ansatz zur Jodmangelkontrolle bei schwangeren und stillenden Müttern
ist, liegt der UIC-Wert stillender Mütter in den meisten Ländern mit freiwilligen
Jodanreicherungsprogrammen und auch in einigen Gebieten mit obligatorischer Jodanreicherung
immer noch im Jodmangelbereich. Die Umsetzung und Nachhaltigkeit einer universellen
Salzjodierung ist zwar nach wie vor die optimale Strategie für eine ausreichende Jodversorgung
schwangerer und stillender Mütter, stellt jedoch kein alleiniges Mittel zur Erreichung
einer optimalen Jodversorgung dar. Der mediane UIC stellt einen Index für den Erfolg
oder Misserfolg von Jodanreicherungsprogrammen dar und kann von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, darunter eine unzureichende Überwachung des Salzjodierungsprogramms,
unzureichende staatliche Unterstützung, Veränderungen des Jodgehalts von Lebensmitteln,
die seltene Verwendung von jodiertem Salz in Haushalten, die Zunahme der Verwendung von nicht jodiertem Salz in kommerziellen Lebensmitteln
und eine unzureichende Jodmenge im Salz. Solange die optimalen Bedingungen einer ausreichenden Jodversorgung schwangerer und
stillender Frauen nicht gewährleistet sind, ist eine pränatale Jodsubstitution von
150 µg täglich gerechtfertigt [103].
In einer späteren Metaanalyse des Jodgehaltes in Muttermilch (BMIC) und der Jodausscheidung
ihrer Säuglinge (s-UIC) fanden Nazeri et al. (2018) [104] in relevanten Studien aus den Jahren 1986 bis 2016 heraus, dass es keinen signifikanten
Unterschied im mittleren Jodgehalt von reifer Muttermilch zwischen Ländern mit ausreichender
Jodversorgung und Ländern mit Jodmangel gab (71,5 μg/l [CI 51,0 bis 92,0 μg/l] bzw.
28,0 μg/l [CI − 13,8 bis 69,9 μg/l]). Diese mittleren BMIC liegen jedoch beide unter
den 100–200 µg/l, die Andersson und Braegger [97] als ausreichend befürworten. Von den 21 Studien in Ländern mit ausreichender Jodversorgung
hatten 6 Länder (Chile, China, Iran, Slowakei, Schweiz und USA) einen mittleren BMIC
von unter 100 µg/l.
In einer prospektiven Kohortenstudie, die den Jodstatus von Müttern und ihren Säuglingen
in Australien nach der Einführung der obligatorischen Jodanreicherung untersuchten,
zeigte sich, dass sowohl Mütter als auch Säuglinge über einen ausreichenden Jodstatus
verfügen [105]. Dabei fanden die Autoren jedoch heraus, dass Mütter mit einer unzureichenden Jodausscheidung
(UIC < 100 μg/l) mit größerer Wahrscheinlichkeit auch niedrigere Jodkonzentrationen
in der Muttermilch aufwiesen (BMIC < 100 μg/l) und ihre Säuglinge ein höheres Risiko
für einen Jodmangel hatten. Obwohl der mediane UIC von gestillten Säuglingen, deren
Mütter einen BMIC < 100 μg/l hatten, als ausreichend angesehen wurde, war das Risiko
dieser Säuglinge, einen UIC < 100 μg/l zu haben, 6-mal höher als bei gestillten Säuglingen,
deren Mütter einen BMIC ≥ 100 μg/l hatten. Dies deutet darauf hin, dass die Jodaufnahme
von gestillten Säuglingen suboptimal sein kann, wenn die BMIC < 100 μg/l ist. Diese
Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des Erreichens und Aufrechterhaltens eines
ausreichenden Jodstatus während der Stillzeit, um eine ausreichende Jodversorgung
der gestillten Säuglinge sicherzustellen [105].
Die Wirksamkeit einer Jodsubstitution während der Schwangerschaft ist bei schwerem
Jodmangel gut belegt, aber bei Populationen mit leichtem bis mäßigem Jodmangel hingegen
noch nicht [106]
[107]. Eine vorgeburtliche Jodsubstitution kann für das Kind in den ersten Tagen nach
der Geburt von Vorteil sein [108]
[109]
[110], aber die Auswirkungen sind wahrscheinlich vorübergehend, da der BMIC von der aktuellen
Jodaufnahme der Mutter abhängt. Die Jodvorräte der Mutter können während der Stillzeit
bei geringer Jodaufnahme über die Nahrung schnell erschöpft sein, wenn die tägliche
Versorgung nicht aufrechterhalten wird. Aktuelle Daten zu Populationen mit leichtem
bis mäßigem Jodmangel zeigen, dass eine pränatale Jodzufuhr, die bei der Entbindung
endet, keinen ausreichenden Jodstatus der Mutter post partum sicherstellt [109]
[111].
Beobachtungsstudien an stillenden Frauen zeigen einen höheren BMIC bei Anwenderinnen
von Jodpräparaten im Vergleich zu Nichtanwenderinnen [10]
[112]
[113]
[114]. Prospektive Studien, welche die Wirkung einer Jodsubstitution nach der Geburt untersuchen,
sind begrenzt [115].
Es wurden 4 Studien an stillenden Frauen mit Jodmangel gefunden [110]
[116]
[117]
[118]. Mulrine et al. [116] führten eine kleine randomisierte kontrollierte Studie zur Jodsubstitution durch,
bei der stillenden Frauen mit leichtem bis mäßigem Jodmangel in Neuseeland über 6
Monate 75 µg/Tag, 150 µg/Tag oder Placebo verabreicht wurden. Der BMIC blieb während
der gesamten Studie niedrig und lag zwischen 24 und 70 µg/l. Es wurde kein Gesamteffekt
der Behandlungszeit berichtet. Im Vergleich zum Placebo war der BMIC bei Frauen, die
75 µg/Tag und 150/µg Tag einnahmen, geringfügig höher, es wurde jedoch keine Dosis-Wirkungs-Beziehung
beobachtet. Der mUIC der Säuglinge blieb in allen Gruppen niedrig. Pedersen et al.
[110] gaben bei 54 Frauen 200 μg Jod täglich im Vergleich zur Kontrollgruppe von der 17.
bis 18. Schwangerschaftswoche bis 12 Monate nach der Entbindung. Fünf Tage nach der
Entbindung waren BMIC und UIC des Säuglings bei Müttern, die Jod erhielten, höher
als in der Kontrollgruppe ohne Jodsupplement, obwohl sie in beiden Gruppen immer noch
niedrig waren. Mütter, die jodhaltige Supplemente erhielten, wiesen während der postpartalen
Phase höhere UIC- und Tg-Werte auf als Mütter, die keine jodhaltigen Supplemente erhielten,
während die Werte für TSH, T4, T3 und freies T4 unverändert blieben. Eine weitere
kleine prospektive Studie mit täglichen Dosen von 50 μg oder 200 μg Jod während der
Schwangerschaft und bis 6 Monate nach der Entbindung bei Frauen mit leichtem Jodmangel
wurde in Italien durchgeführt [117]. Die Jodausscheidung im Urin schwangerer Frauen betrug bei Aufnahme in die Studie
74 μg/g Kreatinin und stieg 6 Monate nach der Geburt auf 123 μg/g Kreatinin in der
Gruppe, die 50 μg/Tag erhielt, und auf 156 μg/g Kreatinin in der Gruppe, die 200 μg/Tag
erhielt. Die Studie hatte jedoch keine Kontrollgruppe und maß nicht den BMIC. Es wurden
keine Gruppenunterschiede hinsichtlich des mütterlichen Schilddrüsenvolumens und der
Serumkonzentrationen von Tg, TSH, freiem T4 oder freiem T3 beobachtet. In einer anderen,
größeren Studie wurde die tägliche Einnahme von lipidbasierten Supplementen (Lipid-based
Nutrient Supplements, LNS) mit 250 μg Jod oder ohne Jod während der Schwangerschaft
und Stillzeit bei Frauen mit mäßigem Jodmangel in Bangladesch untersucht [118]. Der geometrische Mittelwert des UIC bei schwangeren Frauen bei Aufnahme (13. Schwangerschaftswoche)
war mit 50 μg/l niedrig und sank in beiden Gruppen in der 36. Schwangerschaftswoche
und 6 Monate nach der Geburt weiter ab, ohne dass es zwischen den Gruppen einen Unterschied
gab. Die Wirksamkeit der Jodergänzung in der postpartalen Phase ist in dieser Studie
schwer zu bewerten, da BMIC und kindlicher UIC nicht gemessen wurden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Supplementierung mit Jod während der Stillzeit
zwar den BMIC bei jodarmen Populationen wahrscheinlich verbessert, die Beweise aus
randomisierten kontrollierten Studien jedoch schwach sind und die optimale Dosis weiterhin
ungewiss ist. Die wenigen verfügbaren Studien zur täglichen Jodsupplementierung zeigten
zwar eine begrenzte Wirksamkeit, waren jedoch methodisch nicht aussagekräftig [104]
[110]
[116]
[117]
[120]
[121]. Teilweise fehlte eine Kontrollgruppe [117]
[120], der Jodgehalt der Muttermilch wurde nicht erfasst [117]
[118], oder die Untersuchungen wurden an Müttern mit ausreichender Jodversorgung durchgeführt
[119]
[120]. Nur eine Studie maß die Schilddrüsenfunktion bei Säuglingen [120], und keine der kontrollierten Studien untersuchte die langfristigen gesundheitlichen
Vorteile einer Jodversorgung bei Säuglingen. Daher warten Leitlinien für die postnatale
Jodergänzung bei jodmangelnden Bevölkerungsgruppen auf die Verfügbarkeit gut konzipierter
Wirksamkeitsstudien, die BMIC, Jodstatus und Schilddrüsenfunktion des Säuglings messen
und seine psychomotorische Entwicklung längerfristig verfolgen. Die vorhandenen Daten
liefern keine Unterstützung für eine gezielte Jodsubstitution stillender Mütter in
Umgebungen, in denen Frauen durch ein gut funktionierendes Salzjodierungsprogramm
abgedeckt sind [97].
Normalerweise werden der individuelle Jodstatus und Populationsmaße verwendet. Die
mittlere Jodkonzentration im Urin (mUIC) ist das bevorzugte Populationsmaß und ist
für Säuglinge geeignet, obwohl der Schwellenwert für die Angemessenheit derzeit noch
nicht festgelegt ist. Bei stillenden Frauen ist mUIC jedoch aufgrund der unterschiedlichen
Verteilung von Jod zwischen Muttermilch und Urin nicht immer ein zuverlässiger Indikator
für den Jodstatus. Daher sollten sowohl BMIC als auch mUIC bestimmt werden [123].
Bislang liegen nur wenige Daten zum Jodstatus von Säuglingen im 1. Lebensjahr vor.
In 2 aktuellen Studien aus Deutschland wurde anhand von Messungen der medianen Jodkonzentration
im Urin von Säuglingen (UIC) gezeigt, dass durch Jodsupplementierung während der Schwangerschaft
und Stillzeit eine ausreichende Jodversorgung im 1. Lebensjahr möglich ist, auch wenn
neuere Studien bei Erwachsenen auf einen leichten Jodmangel hinweisen [124]
[125].
In einer aktuellen norwegischen Kohortenstudie an 113 Säuglingen im Alter von 3, 6
und 11 Monaten haben Næss und Mitarbeiter [126] den Jodstatus der Säuglinge im Zusammenhang mit dem Stillstatus, der Schilddrüsenfunktion
und der mütterlichen Jodzufuhr untersucht ([Abb. 4]). Gemessen wurden die UIC von Säugling und Mutter, die Jodaufnahme der Mutter, die
Jodkonzentration in der Muttermilch (BMIC), der Stillstatus und die Schilddrüsenhormone
bei Säuglingen. Der mediane UIC-Wert bei Säuglingen lag im Alter von 3 Monaten mit
82 µg/l und unter dem WHO-Grenzwert von 100 µg/l. Der UIC-Wert bei Säuglingen war
später im Säuglingsalter ausreichend (Median 110 µg/l im Alter von 6 und 11 Monaten).
Die UIC des Säuglings war positiv mit der UIC der Mutter (β = 0,33, 95 %-KI [0,12,
0,54]), der Jodaufnahme der Mutter (β = 0,30, 95 %-KI [0,18, 0,42]) und dem BMIC (β
= 0,46, 95 %-KI [0,13, 0,79]) assoziiert. Gestillte Säuglinge hatten im Alter von
3 Monaten (76 vs. 190 µg/l) und 6 Monaten (105 vs. 315 µg/l) einen niedrigeren medianen
UIC-Wert als mit Säuglingsmilchnahrung gefütterte Säuglinge, da die Säuglingsmilchnahrung
mit Jod angereicht wird. Weder die UIC noch der BMIC des Säuglings waren mit Störungen
der Schilddrüsenfunktion des Säuglings assoziiert. Das bedeutet, die Schilddrüsenhormonproduktion
der Säuglinge wurde bei diesem leichten Jodmangel noch aufrechterhalten. Jedoch könnte
ein solch moderat defizitärer Jodstatus, der die Schilddrüsenhormonkonzentration noch
nicht einschränkt, dennoch die kindliche Entwicklung beeinträchtigen, wie aus einer
anderen Studie (randomisiert, kontrolliert) an Schulkindern hervorgeht [127].
Abb. 4
Boxplot der Jodkonzentration im Urin von Säuglingen (UIC) im Alter von 3, 6 und 11
Monaten nach Stillstatuskategorie (Daten aus [126]). Die Boxen zeigen das obere (75. Perzentil) und untere (25. Perzentil) Quartil
an, wobei die dicke schwarze Linie den Median (50. Perzentil) darstellt. Die T-Balken
zeigen die 1,5-fache Länge der Box (Interquartilsabstand) an. Die ausgefüllten Kreise
sind Ausreißer, definiert als ein Wert > 1,5 der Länge der Box. Die Sternchen sind
extreme Ausreißer, definiert als ein Wert > 3,0 der Länge der Box.
Folglich lässt sich sagen, dass bei gestillten Säuglingen in Norwegen das Risiko einer
unzureichenden Jodzufuhr in den ersten Lebensmonaten besteht. Bei nicht mit Muttermilch
ernährten Säuglingen wird der Jodbedarf durch die gesetzlich vorgeschriebene Anreicherung
von Flaschennahrung ausreichend gedeckt, während bei Beikost Jodzusatz nur optional
und stark vom Anbieter abhängig ist. Daher ist es für stillende Frauen von entscheidender
Bedeutung, während der gesamten Stillzeit einen ausreichenden Jodstatus zu erreichen
[126].
Einhalten von Empfehlungen zur Nährstoffsupplementierung vor, während und nach der
Schwangerschaft
Einhalten von Empfehlungen zur Nährstoffsupplementierung vor, während und nach der
Schwangerschaft
Fast zwei Drittel aller schwangeren Frauen in Deutschland nehmen präkonzeptionell
nicht genügend Folsäure und Jod zu sich, und zwar v. a. die Frauen, die einen niedrigen
sozioökonomischen und Bildungsstatus haben, sehr jung sind, ihre Schwangerschaft nicht
planten, kein Deutsch sprechen und/oder eine andere Staatsbürgerschaft haben [128]. Da viele Schwangerschaften ungeplant sind und viele Frauen bis weit ins 1. Trimenon
hinein nichts davon wissen, ist es wichtig, dass Frauen im gebärfähigen Alter vor
der Empfängnis ausreichend Jod zu sich nehmen, um die normale Entwicklung des Embryos
in der frühen Schwangerschaft zu gewährleisten [129].
Viele werdende Mütter zeigen noch Wissenslücken hinsichtlich ihres Folsäure- und Jodbedarfs
auf: Demnach greifen Frauen häufig zu spät oder gar nicht zu den empfohlenen Supplementen.
Eine prospektive Befragung von 962 Mutter-Kind-Paaren in einer Querschnittsstudie
der SUSE-II-Studie (2017–2019) zur Einhaltung der Empfehlungen zur Nährstoffsupplementierung
im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestätigte, dass die überwiegende Mehrheit
der Mütter sich nicht an die Empfehlungen hielt. Nur 36,2 % nahmen während der empfohlenen
Zeiträume Folsäure und 31,9 % Jod zu sich, und nur 15,2 % hielten sich an die Empfehlungen
für beide Nährstoffe [130]
[131]. Die wichtigsten Prädiktoren für die Einhaltung der Empfehlungen für beide Nährstoffe
waren Lebensstilmerkmale und ernährungsbezogene Absichten wie vorherige Stillerfahrung
und Stillabsichten, nicht jedoch gemeinsame soziodemografische Merkmale. Die Ergebnisse
dieser Studie deuten auf teilweise Informations- und Compliancedefizite in Bezug auf
die Supplementierung von gebärfähigen Frauen in Deutschland hin. Tatsächlich ist die
Prävalenz der Mütter, die gemäß den Empfehlungen Supplemente einnehmen, eindeutig
unzureichend [131].
Ebenso konnte die Cluster-randomisierte Interventionsstudie „Gesund leben in der Schwangerschaft
(GeliS)“ das Supplementierungsverhalten der Frauen während und nach der Schwangerschaft
nicht wesentlich verbessern:
-
Präkonzeptionell supplementierten 31,3 % der Frauen der Interventionsgruppe (IG) und
31,4 % der Frauen der Kontrollgruppe (KG) Folsäure.
-
Pränatal nahm etwa die Hälfte der Frauen Folsäure (IG: 54,1 %; KG: 52,0 %) und Jod
(IG: 50,2 %; KG: 48,2 %) ein. Weder vor Studieneinschluss noch während der Intervention
bestanden statistisch signifikante Gruppenunterschiede im Supplementierungsverhalten
[132].
Um den Mangel an Daten zu Nahrungsergänzungsmitteln (Dietary Supplements) zu beheben,
die von stillenden Müttern eingenommen werden, wurde in Deutschland eine Online-Umfrage
durchgeführt, die sich auf Jod, Docosahexaensäure (DHA) und Vitamin B12 konzentrierte [132]. Die Studienteilnehmerinnen (n = 2054) wurden gebeten, anzugeben, ob sie bestimmten
Ernährungsgewohnheiten (omnivor, vegetarisch, vegan) folgten und Nahrungsergänzungsmittel
verwendeten. Mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen gab an, während der Stillzeit
mindestens ein Nahrungsergänzungsmittel eingenommen zu haben. Veganer waren die Gruppe,
die am wahrscheinlichsten Nahrungsergänzungsmittel verwendete (98,02 %), gefolgt von
Vegetariern (84,87 %) und Allesessern (67,33 %) (p < 0,001). Allerdings gaben über
ein Drittel der Mütter unabhängig von ihrem Ernährungsmuster keine Jodergänzungen
an [133].
Obgleich die Jodeinnahme in Deutschland allen stillenden Müttern empfohlen wird und
diese Empfehlung sogar in die offiziellen Leitlinien für Schwangerschaft und Wochenbett
aufgenommen worden ist [37], scheint es dennoch bei der Supplementierungsrate im Vergleich zu 2009 kaum Fortschritte
zu geben [134]. Eine mögliche Erklärung ist das geringe Wissen über die Supplementierungsempfehlung.
Nur etwa 40 % der Teilnehmerinnen gaben an, die Empfehlungen zur Supplementierung
vom „Gesunder Start ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ zu kennen. Veganerinnen gaben
am häufigsten an, Wissen zu haben, gefolgt von Vegetariern und Omnivoren [132].
Das Wissen über und die Einhaltung von Supplementierungsempfehlungen für die Zeit
vor der Empfängnis, während der Schwangerschaft und Stillzeit muss durch intensivierte
Aufklärungsarbeit verbessert werden. Obwohl die wichtigsten Gesundheitsdienstleister
eine wichtige Rolle spielen können, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um Strategien
zur Erhöhung der Akzeptanz der Empfehlungen zu entwickeln [131]
[133]
[135].
Im Idealfall kann eine ausreichende Jodversorgung durch wirksame universelle Salzjodierungsprogramme
sichergestellt werden. Gezielte Supplementierungsprogramme sind teurer als die universelle
Salzjodierung, können bei ungeplanten Schwangerschaften nicht vor der Empfängnis durchgeführt
werden und können in ressourcenarmen Regionen ohne starke Schwangerschaftsvorsorge
besonders schwierig zu implementieren sein [107]
[136]. Die bei ausreichender Jodzufuhr resultierende Verbesserung der kognitiven Entwicklung
und des zukünftigen Einkommens lässt auf einen potenziellen globalen wirtschaftlichen
Nutzen von fast 33 Milliarden Dollar schließen [137]. Salzjodierungsprogramme sind für nationale Regierungen attraktiv, da die gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Folgen des Jodmangels schwerwiegend sind und durch die universelle
Jodierung von Salz kostengünstig und nachhaltig abgewendet werden können [138]
[139]
[140].
Schlussfolgerungen
Infolge des unzureichenden Jodstatus sowohl von nicht schwangeren als auch schwangeren
Frauen sowie von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und den meisten europäischen
Ländern sind dringend Maßnahmen zur Verbesserung der Jodversorgung der Bevölkerung
und zur Überwachung des Jodstatus gefährdeter Bevölkerungsgruppen erforderlich. Priorität
sollte eine universelle Salzjodierung entsprechend den Empfehlungen der WHO haben,
um eine ausreichende Jodversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Solange dies nicht möglich ist, soll nach Auffassung des AKJ insbesondere jungen Frauen
im gebärfähigen Alter empfohlen werden, Jodpräparate schon mindestens 3 Monate vor
der Konzeption, während der Schwangerschaft und in der Stillzeit kontinuierlich zu
sich zu nehmen.
Notwendig ist eine Förderung der Adhärenz durch verstärkte zielgruppenbezogene Aufklärung
von Frauen im gebärfähigen Alter, spätestens aber während der Schwangerschaft für
den Schutz ihres Kindes. Auch ist eine Kostenübernahme dieser nachhaltigen Präventionsmaßnahme
durch die Krankenkassen zu fordern, da sich zeigt, dass gerade die individuelle Beschaffung
oft eine Hürde darstellt.
Fazit für die Praxis
-
In Deutschland und Europa haben insbesondere viele schwangere und stillende Frauen
eine unzureichende Jodaufnahme, was erhebliche Risiken für die neurokognitive und
psychomotorische Entwicklung ihrer Kinder birgt.
-
Es wird empfohlen, dass Frauen im gebärfähigen Alter Jodpräparate bereits mindestens
3 Monate vor der Empfängnis sowie während der gesamten Schwangerschaft und in der
Stillzeit einnehmen.
-
Es besteht eine signifikante Diskrepanz zwischen den Empfehlungen zur Jodsupplementierung
und der tatsächlichen Einnahme durch schwangere Frauen.
-
Nur die universelle Verwendung von jodiertem Salz auch in verarbeiteten Lebensmitteln
kann eine ausreichende Jodversorgung in allen Bevölkerungsgruppen und in allen Lebensphasen
sicherstellen.